Kleiner Ausflug nach Brüssel

Anderthalb Tage nur in Brüssel und schon wieder derartig viele kulinarische Erlebnisse, dass es für einen ganzen Monat reichen würde. Gleich nach dem Aussteigen übrigens, sei es auf den Märkten, in den Straßen, auf dem Grand Place, fällt mir immer auf, wie viel internationaler diese Stadt ist als alles, was es in Deutschland gibt. Altbelgische Bier- und Frittenkultur trifft auf Afrika, das Mittelmeer, alle Länder der EU. Das Fegefeuer für Monokulturalisten schlechthin. Hier geht es jetzt also um schwarzen Pansen, um die schönste Buchhandlung des Kontinents, um saure Biere, um die teuerste Eistüte meines Lebens und natürlich um Fritten in Dick.

Auf dem Marché du Midi. Sonntags gibt es rund um den Südbahnhof einen großen Markt, der stilistisch ungefähr in der Mitte liegt zwischen dem gleichzeitig in Anderlecht stattfindenden wilden Gewusel in den historischen Holz- und Stahlkonstruktionen des Schlachthofgeländes und einem provençalischen Wochenmarkt. Sprich: überwiegend Esswaren und Kleidung für den täglichen Bedarf, aber auch ein paar Highlights aus marokkanischen, lateinamerikanischen – und flämischen Gefilden.

Letzteren begegnet man an der Nordwestecke des Marktes beim Imbissstand von Dirk und Nadine. Im Brötchen, garniert mit gegrillten Zwiebeln und mildem Senf, befindet sich eine „Zwarte Pens“. Zwarte Pensen hören sich zwar an wie schwarze Pansen, und fast glaubt man’s auch, aber in Wirklichkeit ist das bloß der Dialektausdruck für die hiesige Blutwurst. Herzhaft ist so ein Happen trotzdem.

In der Galerie Saint-Hubert in der Brüsseler Altstadt sind die meisten Geschäfte touristenbelagert. Nicht so die vielleicht schönste Buchhandlung des Kontinents, die „Librairie Tropismes“, die sonntags nachmittags zum Glück geöffnet hat. Zum Glück vor allem für mich, denn ich erstehe hier in Brüssel endlich meine beiden wichtigsten Weinbücher des Jahres. „Endlich“ ist natürlich relativ, denn der Bettane-Desseauve ist gerade erst seit einem Tag draußen. Näheres zu diesen Büchern, wenn ich die insgesamt 1.700 Seiten einigermaßen durchgeblättert habe.

Der „Biertempel“ hat irgendwie fast immer geöffnet, jedenfalls immer, wenn ich in Brüssel bin. Hier gibt es – zu der Lage angepasst gesalzenen Preisen – ausgesuchte belgische Biere, aber wirklich. Die beiden auf dem Foto abgebildeten Schätzchen, die Oude Geuze Vintage 2006 von Drie Fonteinen und die Lou Pepe Framboise von Cantillon, lassen die Aficionados ausflippen. Komischerweise habe ich das Gefühl, dass es fast nur englischsprachige Bierfreaks gibt. Wenn da draußen in deutschen Landen noch jemand sein sollte, der diese Sauerbiere liebt, bitte gleich einen Kommentar posten! Bis dahin glaub ich es nicht.

Gegenüber vom BOZAR, dem großen Kunstmuseum, in dessen Shop ich übrigens das Buch „A Useful Dream – African Photography 1960-2010“ erstanden habe, aus dem das Titelbild dieses Beitrags stammt, gegenüber dem Museum also befindet sich das Schokoladen-Atelier von Laurent Gerbaud, Sinologe und Großmeister der Verhüllung von Früchten in feinste Schokolade. Auch hier sind die Preise bedenklich hoch. Wer aber weiß, wie Laurent hier die Früchte auswählt, die Schokolade anrührt, nirgends auch nur einen Fatzen Zusatzstoffe oder ungute Mittel hineingibt und unaufhörlich rührt, werkelt und füllt (man kann ihn durch die Glasscheibe dabei beobachten), den verlässt das schlechte Gewissen. Wahrscheinlich würde kein gestandener Handwerker für einen derartig niedrigen Stundenlohn arbeiten wie Laurent.

Wo wir schon bei Luxus sind, die Eistüten, mit denen sich Chocolatier Pierre Marcolini über den Sommer rettet, kosten 5,50 € das Stück. Schon dekadent. Aber irgendwie muss ich’s dann doch ausprobieren. Die Kreation heißt Himbeer-Mandelmilch, und die Farbe kommt tatsächlich von den reichlich vorhandenen Himbeeren. Die Eismandelmilch liefert den fein-bittersüßen Kontrast dazu – perfekt, muss ich ehrlich zugeben.

Etwas weniger bis gar nicht dekadent dann ein paar Meter weiter die „Friterie de la Chapelle“. Und sind das nun die besten Fritten von Brüssel? Ich glaube nicht, jedenfalls nicht mehr. Gut, man mampft sie mit Vergnügen rein, aber Dicke, Knusprigkeit außen und Softheit innen lassen doch ein wenig zu wünschen übrig. Da waren die Fritten beim Rückfahrtsstopp doch ein ganzes Stück besser.

Und die stammten vom Eingang des Einkaufszentrums in Rocourt, direkt an der gleichnamigen Lütticher Autobahnausfahrt gelegen. Hier gibt es einen Cora, den von Aachen nächst zu erreichenden „richtigen“ Hypermarché. Natürlich sind die Dimensionen gewaltig in diesem Supermarkt, aber was besonders gut ist und meiner nicht geringen Erfahrung nach das beste Angebot sämtlicher großer Supermärkte darstellt, ist die Bierauswahl (so etwa 200 Sorten, schätze ich). Hier gibt es nicht nur die ganze Palette der Trappistenbiere zum günstigen Preis (außer Westvleteren, versteht sich), sondern immer ein paar leichtere, handwerkliche Biere, wie sie unserer Gaumenprägung eher entgegen kommen. Nebenbei bemerkt, die entsprechen sogar dem Reinheitsgebot. Was auch immer das aussagen mag, liebe Bierkenner, die Ihr dazu vielleicht die eine oder andere Meinung habt. Jedenfalls lässt sich dann wieder zu Hause bei einem „Saison d’Epeautre“, einem obergärigen Dinkelbier der Brauerei Blaugies, trefflich darüber diskutieren.

Worüber man wohl kaum diskutieren kann: Brüssel ist schon der Wahnsinn, ich freue mich schon aufs nächste Mal.

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4 Antworten zu Kleiner Ausflug nach Brüssel

  1. Der Bonvivant sagt:

    Es scheint, dass es sich andere Berater als ich in Brüssel sehr gut gehen haben lassen! Leider musste ich soviel abstauben, sonst wäre ich auch gern auf den Marché Midi gegangen, um etwas provencalische Luft zu schnuppern. Allerdings muss ich sagen, dass an den Markt in St. Remy nichts heran kommt. Grüße vom Kollegen!

    • chezmatze sagt:

      Lieber Bonvivant, einmal Fenster und Tür öffnen, und die Abstaubaktion hätte sich bei dem gestrigen Wind im Handumdrehen erledigt. Da ich gehört habe, dass Ihr Büro weitgehend papierfrei geworden ist, wäre noch nicht einmal etwas herumgeflattert. Und à propos St-Rémy, Sie können ja versuchen, die anderen davon zu überzeugen, dass wir nächste Woche dort Station machen,
      empfiehlt Ihr gut gelaunter und reisefreudiger Kollege

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