Die Große Sekt-Gala – (very) Best of the Rest

Titel Sekt-Gala

Letzte Etappe der GROSSEN SEKT-GALA. Allerdings erscheint es schon ein bisschen despektierlich, in diesem Zusammenhang vom »Best of the Rest« zu sprechen. Denn eigentlich sind das hier nicht nur vier ausgezeichnete, sondern auch vier ganz besondere Sekte. Diese Besonderheit allerdings hatte verhindert, dass ihr einen davon in den bisherigen Sammelartikeln zu (günstigen) Riesling-Sekten, zu Blanc de Blancs (gegen den Champagner) oder zu PetNats finden konntet. Vorhang auf für einen GG Riesling-Sekt, einen feinen Silvaner, den einzigen Sekt aus Grünfränkisch und eine der ganz feinen Mini-Produktionen.

Boessneck/Franken – die Minimalisten

Boessneck Sekt Resolut

Mit etwa 4.000 produzierten Flaschen pro Jahr ist das Weinhaus Boessneck mit ziemlicher Sicherheit einer der kleinsten derartigen Erzeuger im Land. Boessneck war der Nachname der Großmutter von Mathias Meimberg, einem der beiden Inhaber. Dass Letzterer ein Weinrestaurant im westfälischen Emsdetten führt, während sein Partner Johannes Arnold Winzer und Berufsschullehrer im fränkischen Iphofen ist, klingt doch schon mal nach einer Win-Win-Situation. Ohnehin gibt es in diesem winzigen Unternehmen jede Menge Weine und Geschichten zu entdecken, die eine nähere Beschäftigung lohnen. Ich werde also demnächst noch einmal darauf zurückkommen.

Hier habe ich jetzt den »Resolut« in seiner resoluten Brut Nature-Version. Hauptsächlich Pinot Noir steckt drin, dazu ein wenig Chardonnay. Dem Falstaff war bereits die Brut-Ausgabe resolute 95 Punkte wert. Da ich jenen Wein allerdings nicht selbst getestet hatte, war ich sehr gespannt darauf, was die Leute wohl am schwarz etikettierten Iphöfer finden konnten. Zucker natürlich nicht bei einem Brut Nature, aber eine erstaunliche Reife. Wir haben hier ein knochentrockenes Gewächs vor uns, mit 12,5 vol% auch auf der schlankeren Seite stehend, aber die Extraktdichte ist verblüffend. Wenn es so etwas geben würde wie einen hedonistischen Brut Nature-Stil, dies wäre das beste Beispiel dafür. Gelbe Kirschen, Safran, florale Noten – und am zweiten Tag schöner als am ersten. Ein wirklich interessantes Exemplar, mit 28 € ab Hof realistisch bepreist.

Sauer/Pfalz – der einzige Grünfränkisch-Sekt

Sauer Sekt Grünfränkisch

Wer sich wirklich für Wein in Deutschland interessiert, kommt zum einen nicht um Piwis herum, denn da passieren nun einmal ganz neue Dinge. Zum anderen passiert auch im »ganz alten« Bereich etwas, und zwar bei den wiederentdeckten Rebsorten, die seit dem 19. Jahrhundert in Vergessenheit geraten waren. In diesem Artikel hatte ich die Herausforderungen rund ums Neue und Alte genauer unter die Lupe genommen. Das Weingut Sauer im pfälzischen Böchingen besitzt einen Weinberg, der angeblich mit Weißburgunder bestockt war. Tatsächlich aber handelt es sich um die alte Sorte Grünfränkisch, und nach dem Stillwein gibt es nun zum ersten Mal einen Sekt davon. Was er genau kosten soll, weiß ich noch nicht. Aber ich weiß jetzt, wie er schmeckt.

Ein ziemlich kräftiges Zitronengelb steht im Glas und lässt vermuten, dass auch dieser Sekt nicht zu den kargen Exemplaren gehört. In der Nase gibt es zunächst eine deutlich buttrige Malo-Note, die nach einiger Zeit Platz lässt für birnige und fein haselnussige Töne. Am Gaumen begegnen sich zwei Elemente, die typisch zu sein scheinen für Grünfränkisch: zum einen ein deutlicher Anklang nach frischen und getrockneten Kräutern, zum anderen eine Gelbfrucht, die fast ins Tropische hineinlugt. So kommen dann neben grüneren Elementen wie Estragon und Kerbel auch deutlich Ingwer, Quitte und ein bisschen Bratapfelsüße zum Zug. So tropisch wie beim Stillwein wird es also nicht, da hier vermutlich früher gelesen wurde. Das ist ganz eindeutig ein aromatisch kraftvoller Stil in Brut-Erscheinung – und eine Bereicherung für die Sekt-Gala.

Wirsching/Franken – Sekt-Gala-Silvaner

Wirsching Silvaner Sekt

Schaumwein als grobe Kategorie wächst weiterhin überall. Was auch wächst, und zwar sowohl absolut als auch relativ gesehen, ist die Anbaufläche von Silvaner in Franken. Nirgends auf der Welt dürfte das ansonsten der Fall sein. Allerdings ist Silvaner weder leicht zu pressen noch leicht zu versekten. Ausgesprochene Spezialisten auf dem Gebiet in Franken wie Schloss Sommerhausen oder das klein-feine Sekthaus BurkhardtSchür haben erst gar keinen Silvanersekt im Angebot. Dafür gibt es bei Gut Wilhelmsberg, der Sektkellerei Höfer oder auch bei Rudi May einen neuen Ehrgeiz, aus der alten Sorte einen edlen Schäumer werden zu lassen. Das Weingut Wirsching will in dieser Hinsicht natürlich nicht nachstehen, hat man doch – wie ich persönlich finde – gerade mit den Silvaner-GGs in den letzten Jahren ganz neue Dimensionen der Eleganz erreicht.

Die Trauben für ihren Extra Brut holt Andrea Wirsching früher als diejenigen der Stillweine, dafür bleiben sie dann aber länger im Keller. Vergärung des Grundweins im Barrique, anschließend Zweitgärung und 30 Monate Hefelager in der Flasche – so sieht das hier aus. Barrique und Silvaner aus Keuperland Iphofen, das kann eigentlich nur eine gelbwürzige Note ergeben. Tatsächlich ist das auch so. Deutlich Nougat und sattgelbe Töne in der Nase, im Mund viel frische reife Ananas, daneben aber auch eine feine Säurepikanz. Ich finde, ein bisschen Barock spürt man schon, aber den frühen, weniger üppigen, bei dem noch die klareren Formen der Renaissance spürbar sind. Was es aber bleibt: ganz typisch Franken. 16,80 € ab Weingut.

Riffel/Rheinhessen – Riesling-Sekt vom Scharlachberg

Riffel Sekt Riesling Scharlachberg

Der allerletzte Sekt der GROSSEN SEKT-GALA ist einer, der definitiv von einem erstklassigen Terroir stammt. Die Spitzenlage des (biologisch zertifizierten) Weinguts Riffel ist der Binger Scharlachberg mit seiner Rheingauer Geologie auf rheinhessischem Boden. Ein Jahrgang wird auf der Flasche nicht erwähnt, aber das Degorgierdatum im Jahr 2019 zeigt schon an, dass dies ein Sekt ist, den die Riffels nicht alle Tage machen. Nach der Handlese der phenolisch reifen Trauben wurden jene zunächst ganz gepresst und dann spontan vergoren. Bis zur Füllung des Grundweins lag er auf der Vollhefe, dann folgten zur Zweitgärung noch einmal 36 Monate Hefelager. Die Werte sind knackig: 12 vol%, 7,8 g Säure, 1,4 g übrig gebliebener Restzucker.

Ja ja, wer vergessen haben sollte, dass Riesling-Sekt etwas ganz Feines sein kann, sollte mal dieses Exemplar probieren. Die Säure ist natürlich präsent, wer hätte das bezweifelt, kommt aber keinesfalls spitz daher. Hell, mineralisch, ein bisschen spontihaft gar, lässt schon der erste Schluck vermuten, dass bereits der Grundwein eine sehr angenehme Angelegenheit gewesen sein muss. Die Weine der Riffels bleiben eigentlich immer in dieser helleren Tönung und verfallen nie in den reif-gelben Pfirsich-Mango-Stil, der selbstverständlich auch seine Berechtigung hat. Aber hier auf diesem quarzitgeprägten Terroir scheint mir doch die feine Apfel-Zitronen-Art die angemessenste Variante zu sein. Hochelegant, zarte Perlage, gefällt mir ausgezeichnet. 25 € ab Weingut.

Die GROSSE SEKT-GALA – was bleibt?

Grafik Sekt-GalaJetzt habe ich einen Monat lang Schaumweine probiert, fast alle aus Deutschland. Warum eigentlich? Nun, Dezember ist selbstverständlich Schaumweinzeit. Es gibt ja kaum ein Produktsegment im Weinbereich mit einem so starken saisonalen Peak wie Sekt und Champagner. Andererseits muss ich zugeben, dass ich auch einen gewissen Nachholbedarf hatte. Gesetzt den Fall, ich müsste für einen Weinguide das Portfolio eines beliebigen Weinguts testen. Bei Gutsriesling, Lagensilvaner oder feinem Pinot Noir kann ich das alles super einordnen. Da habe ich einen Haufen virtueller Vergleiche im Kopf. Aber Schaumwein ist einfach vergleichsweise selten. Deshalb macht es durchaus Sinn, solche Dinge mal (wie eben bei der GROSSEN SEKT-GALA) en bloque zu testen.

Dabei habe ich wenig überraschend herausgefunden, dass die hohe Fuselquote der Vergangenheit angehört. Deutscher Sekt ist insgesamt viel besser geworden, natürlich auch in neue Preisdimensionen eingestiegen. Gut 15 € (wie für den Sander Rosé, den Kopp BdB, den Melsheimer Riesling oder eben hier den Wirsching Silvaner) muss man schon ausgeben, um ein qualitativ hochwertiges Getränk zu haben. Dazu kommt noch PetNat mit völlig neuen Ausdrucksmöglichkeiten von glasklar wie bei Raumland bis erdverbunden wie bei den 2Naturkindern.

Wünscht man sich Produkte, die entweder den langjährigen Ausbau deutlich erkennen lassen (wie die Sommerhäuser Grande Cuvée) oder super pointiert (wie der Bergdolt) oder super verfeinert (wie hier der Riffel Scharlachberg) daherkommen, sollte man bereit sein, dafür den Gegenwert eines hochwertigen Roten hinzulegen. Nicht bei der Sekt-Gala gefeatured (aus reinen Platzgründen), aber in dieselbe Kategorie gehören auch die Gewächse von BurkhardtSchür und die neuen Griesels.

Ob ich zukünftig häufiger Schaumwein trinken werde als vorher, weil ich mich besser auskenne? Ja, aber mit maßvoller Steigerung. Für den reinen Alltag sind sie mir weiterhin ein wenig zu kostspielig. Aber wenn es passt, habe ich garantiert etwas Gutes zur Hand…

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2 Antworten zu Die Große Sekt-Gala – (very) Best of the Rest

  1. Thomas Riedl sagt:

    Hallo Matthias,hallo Freund*innen der seltenen historischen Rebsorten,

    dass Heiner Sauer einen Grünfränkisch-Sekt erzeugen würde, war m. E. nur eine Frage der Zeit. Wer, wenn nicht er? Okay, Stefan Sander wird sich da auch irgendwann heran wagen 😉
    Der Grundwein wurde schwefelfrei im Holzfass ausgebaut, die klassische Flaschengärung dauerte wie in der Champagne 36 Monate.
    12% vol. Alkohol, 9 g/l Restzucker und 5,9 g/L Säure bringt der Erstling mit, der 39.00 € kostet.

  2. Thomas Riedl sagt:

    Hallo zusammen,

    Martin Koch vom Abthof im rheinhessischen Hahnheim hat seit 2011 den Gelben Orleans im Anbau und entsprechende Erfahrung mit der Sorte gesammelt. Die Stillweine sind wirklich gelungen.
    Nun hat er endlich aus dieser für Sekt prädestinierten Sorte als Erster einen Schäumer erzeugt und dabei konsequent auf traditionelle Flaschengärung mit 24 Monate Flaschenreifung gesetzt. A: 12,5% Vol., RZ: 5 g/l, S: 6,7 g/l, 15.60 €
    https://shop.weingut-abthof.de/produkt/2019-jahrgangssekt-gelber-orleans/

    Und nein, ich bin mit der Familie Koch weder verwandtschaftlich noch wirtschaftlich verbandelt.

    Viel Spaß beim Probieren!

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