PetNat – der sprudelnde Erfolgstyp

PetNat

So langsam geht es ins Finale bei der GROSSEN SEKT-GALA. Eine Kategorie, die aber definitiv noch fehlt nach Riesling– und Blanc de Blancs-Vergleich ist der PetNat. Dass so ein Pétillant Naturel, wie er ausgeschrieben wird, ein anderes Zielpublikum besitzt als ein piekfeiner Champagner, sieht man irgendwie schon an den Etiketten. Und auch daran, dass meine vier Kandidaten mit ihren durchsichtigen Flaschen ihre Unfiltriertheit ganz bewusst zur Schau stellen. Wie schmecken sie also, die Wilden, Trüben und Nackigen?

Was ist ein PetNat?

Sekt-Gala

NATÜRLICH besteht die Gefahr sich zu wiederholen. Aber da ich nicht davon ausgehe, dass alle Leser*innen dieses Blogs sämtliche Artikel verschlingen und postwendend abspeichern, möchte ich doch noch einmal ganz kurz darauf eingehen, was einen PetNat ausmacht. Der wichtigste Unterschied zum traditionell bereiteten Sekt (dessen Herstellung ich hier beschrieben habe) besteht darin, dass der PetNat nur eine einzige Gärung durchmacht. Eine einzige. Aber moment mal, ist das nicht beim Wein immer so?

Ja, bei »normalem« Stillwein schon. Bei dem verarbeiten die Hefen während der Gärung den Traubenzucker zu Alkohol, Kohlendioxid und ein bisschen Wärme. Ist er vollständig durchgegoren, haben wir ein aromatisch komplett verändertes Getränk gegenüber dem Ausgangs-Saft und auch keinen Restzucker mehr.

Während aber beim Stillwein nicht nur die Wärme einfach ungenutzt verschwindet (wie viele schöne Fermentations-Heizungen könnte man damit bauen?), sondern auch das CO2, macht sich der PetNat genau das zunutze. Der noch gärende Most wird dabei völlig unbehandelt in die Flasche gegeben und jene mit einem Kronkork verschlossen. Im Idealfall (dafür sorgen heute Berechnungen und Erfahrung) wird das fertige Getränk dadurch sowohl trocken durchgegoren sein als auch eine angenehme Perlage besitzen. Schließlich konnte das CO2 nirgends hin und ist nun im Wein gebunden.

Die Bio- und Naturel-Szene nutzt den PetNat besonders gern. Einerseits handelt es sich um einen Sprudler, der schnell herzustellen (= zu verkaufen) ist. Zudem mögen ihn die Leute. Und schließlich sind Weine, die voll durchgegoren sind, aber ihre Hefen und Hefenüberbleibsel noch in sich tragen, auch besonders stabil. Deshalb haben die vier PetNats hier keine Schwefelgabe bekommen und sind natural wines im ganz engen Sinne.

1. Beck-Winter/Mosel – PetNat Souvignier Gris

Beck PetNat

1995 im Copy-Shop nebenan. »Kannst du mir das aufs T-Shirt drucken? Ja, so heißt unsere Band, Beck in Town.« Haha, ein Billiger, ich weiß, aber das Etikett sieht doch wirklich genauso aus. Der PetNat von Daniel Beck kommt von der Obermosel, wo man traditionell neben Wein auch Viez herstellt, Apfelwein. Souvignier Gris heißt die Rebsorte, ein Piwi der dritten Generation. Als Wein wirkt mir Souvignier Gris (trotz seiner wertvollen Pilztoleranz) oft ein bisschen zu schwer und kräuterbitterig.

Auch beim PetNat kommt das offenbar Sortentypische als leichter Campari-Einschlag im Abgang mit durch, stört aber nicht. Davor ist der Beck-PetNat ausgesprochen saftig und cremig. Aromatisch geht das in Richtung Bratapfel, Orangenschale, Mandarine, wirklich angenehm, das am wenigsten strenge Exemplar im Test. Der Trub ist allerdings gewaltig, aber man kann die Flasche ja auch vorher zwei Stunden aufrecht stehen lassen. 12,50 € ab Hof (oder zum Beispiel bei Wirwinzer), sehr »selbstgemacht« und sympathisch.

2. Weingut am Stein/Franken – Pure & Naked

Stein Knoll Pure & Naked

Ein komplettes Kontrastprogramm zum ersten PetNat im Test. Diesen hier gibt es zwar auch nur in einer kleinen Auflage, weshalb er schnell ausverkauft ist. Aber dafür steht ein bekanntes Spitzengut aus dem schönen Franken dahinter, nämlich das Weingut am Stein der Familie Knoll. Antonia Knoll hatte mich den PetNat bei der Mainzer Weinbörse probieren lassen, und natürlich musste ich ihn mir dann besorgen, als er herausgekommen war. Zwei Rebsorten sind zu gleichen Teilen drin, nämlich Sauvignon Blanc und Cabernet Blanc, letzteres wieder ein Piwi.

Die beiden gehen aromatisch in eine ähnliche Richtung – aber mit welchem Speed! Wer sich unter Holunderblüte und Stachelbeere bislang wenig vorstellen konnte, sollte einmal hier ins Glas schnuppern. Irre aromatisch, in dieser Ausprägung definitiv ein love-or-hate-Merkmal. Im Mund geht es aber nicht ganz so expressiv weiter. Ist man durch das Blütenmeer hindurch, kommen zarte Apfel- und Heunoten, es gibt sogar einen leicht gerbigen Touch, der ein schönes Kontrastprogramm bietet. Vollkommen durchgegoren, spannender Wein, 21 € ab Hof (oder zum Beispiel bei Wein am Limit).

3. Haug/Bodensee – PetNat

Haug PetNat

Das eingeritzte Zeichen auf der Flasche sieht eigentlich nicht wie ein Weinstock aus, sondern eher wie ein Apfelbaum. Und das führt auch nicht in die Irre, denn das Weingut Haug aus Lindau am Bodensee kommt eigentlich vom Obstbau. Vergleichsweise kühl und voralpin feucht ist es am Bodensee, und mit beidem kann die Rebsorte gut umgehen, die hier in der Flasche steckt. Johanniter ist wiederum ein Piwi, eine Generation vor dem Souvignier Gris in Freiburg gezüchtet. Erwähnte ich schon, dass alle vier PetNats aus zertifiziertem Bio-Anbau stammen und keinerlei önologische Zusätze erhalten haben? Falls ja, nur noch einmal zur Erinnerung…

In der Nase ist da eine Mischung aus süßer Traube und Klarapfel, ein bisschen weißer Pfirsich auch, also definitiv sehr fruchtbetont – und für einen PetNat fast übersauber. Im Mund ist das weiter ein sehr schöner, sehr sauberer Trunk, feine Birne, extrem hell angelegt insgesamt. Vielleicht täusche ich mich, aber das ist für mich ein PetNat für Leute, die mit der Naturwein-Stilistik ein bisschen fremdeln. Die geschmackvolle Aufmachung trägt ihr Übriges dazu bei. 11 vol% leicht, 18 € ab Hof (oder auch bei Wirwinzer).

4. 2Naturkinder/Franken – Silvaner PetNat

2Naturkinder PetNat Silvaner

Zum Schluss noch einmal Franken. Diesmal ist es aber kein Weingut, dass sozusagen im Nachgang zur »normalen« Weinproduktion den PetNat als Einstieg in eine naturbelassenere Welt für sich entdeckt hat. Melanie Drese und Michael Völker von den 2Naturkindern sind nämlich deutsche Naturweiner der ersten Stunde. Kennengelernt hatten sie diese Weinphilosophie in London, wo beide lebten. Um das selbst zu realisieren, haben sie sich der Reben von Michaels Eltern angenommen. 90% der Produktion geht ins Ausland, wo man die beiden viel besser kennt. Der Prophet im eigenen Land, ihr wisst ja…

Bereits in der Nase ist der letzte PetNat völlig anders als diejenigen davor. Von Süßtraubigkeit keine Spur, dafür gibt es erdige Noten, ein bisschen Keller, leicht Mostapfel, etwas Pale Ale. Das ist nicht nur stärker an der »traditionellen« Natural-Szene orientiert, sondern interessanterweise auch tiefer und souveräner. Im Mund setzt sich diese Tendenz fort. Die Materie wirkt irgendwie tiefergelegt mit fein spürbaren Gerbstoffen, alles kommt mir runder und voller orchestriert vor (trotzdem nur 11 vol%). Natürlich mag die aromatische Komplexität auch mit der (ja, geben wir es ruhig zu) edlen Rebsorte zusammenhängen, aber eben nicht nur. Hier weiß jemand, was er tut. 19,50 € ab Hof – oder für 40 Cent mehr bei 8greenbottles.

Mein Fazit: Was taugen die natürlichen Spaßmacher?

PetNat Flaschen

Die interessanteste Erkenntnis für mich bei diesem Test war, die starken Unterschiede zwischen den einzelnen Interpretationen wahrzunehmen. Diese Unterschiede sind natürlich nicht gottgegeben, sondern Ergebnis der Vinifizierung. Oft werden PetNats im Marketing der Weingüter Eigenschaften wie jung, fröhlich, schnell zu konsumieren zugeschrieben. Genauso kann man das auch machen. Das Traubenmaterial muss allerdings gesund sein, denn letztlich ist nur ein trüber und möglichst unbehandelter PetNat ein echter. So wie alle vier Sprudler hier im Test.

Tatsächlich aber geht es auch ganz anders. Das zeigt der Silvaner der 2Naturkinder, der ehrlich gesagt in seiner aromatischen Komplexität und Tiefe head and shoulders über den anderen Kandidaten steht. Natürlich muss man diese wildere Note mögen, um den Wein persönlich goutieren zu können. Aber selbst wer das nicht tut, wird doch zugeben: Dies ist ein Beweis dafür, dass es offenbar auch dichter und ernsthafter im PetNat-Bereich zugehen kann. Vielleicht ist es jahreszeitlich bedingt, dass mir letztere Interpretationen im Moment besser gefallen. Aber selbstverständlich haben auch die extraktleichteren Versionen etwas für sich.

Bleibt nur noch die Frage, ob und wie diese hefetrüben Gewächse reifen können. Das aber müssen wir vermutlich auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. Die ersten PetNats habe ich jedenfalls schon mal in den Keller gelegt. Warten wir’s also ab…

Dieser Beitrag wurde unter Wein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.