Zu den beliebtesten Artikeln auf meinem Blog zählen die Einkaufsausflüge in die Nachbarländer. Okay, Frankreich steht da ganz oben mit dem Supermarkt-Überblick als all-time classic, mit Hagenau, aber auch dem »alten« Bericht über Strasbourg. Jener ist tatsächlich schon über zehn Jahre alt. Und da sich seitdem jede Menge getan hat, wurde es mal wieder Zeit, die elsässische Metropole ganz aktuell unter die Lupe zu nehmen.
Strasbourg, Straßburg, Strossi
Hier beginnt und endet vieles in der Straßburger Innenstadt. Am »Homme de Fer« kreuzen sich mehrere Straßenbahnlinien, es gibt unterirdisch Parkhäuser, oberirdisch eine gläserne Rotonde – und das ehemalige Kaufhaus Printemps mit seiner Aluminium-Fassade. Dies ist atmosphärisch sicher nicht der charmanteste Ort in Strasbourg, aber irgendwo muss man ja anfangen.
Als erstes: Straßburger Münster
Niemand kommt in die Innenstadt von Strasbourg nur zum Shoppen. Außer den Einheimischen aus der Umgebung natürlich. Aber wer von weiter weg angereist ist, wird zumindest diesem einen Gebäude einen Besuch abstatten: dem Straßburger Münster. Außen beeindruckt die unglaubliche Fassade mit ihren Tausenden von Details. Innen hat es mir, allen wichtigen Kunstwerken zum Trotz, vor allem der Raumeindruck angetan. So luftig und hell, so wohlproportioniert. Die Kirchenfenster stammen mehrheitlich noch aus dem 13. Jahrhundert, und allein deswegen könnte man die Runde durch die Kirche deutlich länger als vorgesehen ausdehnen. Voll ist es hier meistens, aber nach oben bleibt immer genug Platz zum Schauen.
Boucherie Natacha Bieber
Vor dem Mittagessen treiben wir uns zunächst östlich (sozusagen rückwärtig) und nördlich des Münsters herum. Allerdings könntet ihr euch fragen, was ihr denn mit einer Metzgerei als erstem Einkaufstipp anfangen sollt? Mag sein, dass Natacha Bieber ganz ausgezeichnete Fleischwaren anbietet. Aber wer schleppt schon frische Schweinenackensteaks stundenlang durch die Stadt und fährt sie hernach wieder nach Wanne-Eickel? Tatsächlich gibt es bei Madame Bieber beispielsweise auch Pasteten oder 18 Monate lang affinierten Schinken aus dem Cantal, und genau diese Sachen habe ich mitgenommen. Natacha hat übrigens sowohl hipster-mäßig in Los Angeles gearbeitet als auch bei Bio-Bauern in Frankreich, weiß also absolut, was sie hier mit entsprechendem Engagement tut. Natacha Bieber Boucherie, 17 rue de la Croix.
Chocolaterie Erithaj
Erithaj hat eigentlich als »Vietcacao« angefangen, ein Unterstützungsprojekt für eine Landbauschule im Süden Vietnams. Vietnam kann mittlerweile mit einigen »Grand Cru«-Kakaos und Bean-to-Bar-Initiativen aufwarten. Gründersohn Arnaud Stengel beschloss dann nach seiner Chocolatier-Ausbildung allerdings, nicht nur den reinen Kakao zu importieren, sondern auch zu Schokoladentafeln zu verarbeiten. Seit 2017 gibt es das Ladengeschäft gegenüber des Rathauses – und es ist bei weitem das geschmackvollste in der von Kitsch beherrschten Straßburger Schoko-Szene. Weil Arnaud auch Pâtissier ist, findet ihr hier ebenso fein gearbeitete Kuchenstückchen. Mein Tipp: Nehmt trotzdem auf jeden Fall etwas von den schlichten Tafeln, es lohnt sich. Erithaj Chocolat, 6 rue Brûlée.
Fromagerie Maison Lorho
Es gibt in ganz Frankreich nur einen Käseladen, in dem Inhaber und Inhaberin unabhängig voneinander den Ehrentitel »Meilleur Ouvrier de France«, kurz MOF, erhalten haben. Im Maison Lorho seid ihr also kenntnis-, können- und auswahlmäßig perfekt aufgehoben, wenn ihr knapp hinter der Grenze die ganze Käsevielfalt Frankreichs entdecken wollt. Oben auf dem Foto seht ihr nur einen kleinen Ausschnitt, der den Blauschimmelkäsen gewidmet ist. Natürlich kann man sich im Maison Lorho die Käse auch vakuumiert verpacken lassen für die Rückreise. Traditionell kaufe ich bei solchen Gelegenheiten immer viel zu viel, weil es diese Auswahl einfach überhaupt nicht bei uns gibt. Diesmal konnte ich mich aber einigermaßen beherrschen. Ein wunderbarer Ort, der auch eine Zweigstelle in der Shopping Promenade Coeur Alsace besitzt. Maison Lorho, 3 rue des Orfèvres.
Essen in Strasbourg
Endlich Punkt 12 Uhr, wir können essen gehen! Solltet ihr genau wie ich vorher im Maison Lorho gewesen sein und Lust auf gut bereitete Winstub-Klassiker haben, bietet sich das Burjerstuewel ein paar Meter weiter an. Nach ihrer legendären Wirtin Yvonne Haller (45 Jahre lang) ist es auch als »Chez Yvonne« bekannt. Der Guide Michelin vergibt für die traditionelle Lokalküche den Bib Gourmand. 35 € kosten mittags drei Gänge, man kann es aber auch schneller (und preiswerter) mit einem Tellergericht haben. Lasst euch wenn möglich ruhig etwas empfehlen, denn bei unserem Besuch gab es frischen Löwenzahnsalat und Fleischschnacka, die nicht auf der Karte standen. Wer unter der Woche direkt nach der Öffnung auf der Matte steht, bekommt in der Regel noch einen Platz, ansonsten hilft nur eine Reservierung. Chez Yvonne, 10 rue du Sanglier.
Ähnlich gut und traditionell geht es im Au Pont Corbeau zu, und auch beim Tire-Bouchon handelt es sich um eine etwas schickere Winstub. Verspürt ihr keine Neigung zur herzhaften elsässer Küche, möchte ich euch zwei sehr schöne, etwas modernere Bistrots ans Herz legen. Es handelt sich um das Mademoiselle 10 und um das Banquet des Sophistes (zwei Gänge für 20 €). Sterneküche gibt es in der Innenstadt derzeit nur im Crocodile (das Buerehiesel liegt etwas außerhalb). Donnerstags und freitags stehen mittags dort drei Gänge für 58 € auf dem Programm. Schaut aber immer nach den Öffnungszeiten und reserviert online einen Tisch – sowas ist mittlerweile problemlos möglich.
Boulangerie Atelier 116
Zugegeben, es gibt auch Menschen, die wollen mittags gar kein Restaurant aufsuchen und es sich ein Stündchen gemütlich machen. Auf die Pfote findet ihr natürlich in der Innenstadt von Strasbourg Unzähliges von dieser und jener Qualität. Die Teigtaschen von Ô Baozi (49 rue du Jeu-des-Enfants) sahen beispielsweise sehr gut aus. Die angesagteste Bäckerei mit einem entsprechend breiten Angebot ist hingegen das Atelier 116. Alle Brote sind ausgezeichnet und in Bio-Qualität. Wir haben uns vor der Abfahrt von der Zweigstelle in der Halle du Marché-Gare noch etwas mitgenommen, aber in der Zentrale gibt es natürlich nicht nur die größere Auswahl, sondern auch Sitzmöglichkeiten. L’Atelier 116, 116 Grand’Rue.
Pâtisserie Jaune Citron
Und noch ein Laden für den kleinen Süßhunger unterwegs. Die Pâtisserie Jaune Citron darf man glaube ich als jung und hip bezeichnen. Zusätzlich stecken jedoch auch jede Menge Kunstfertigkeit und Leidenschaft dahinter. Seit gut drei Jahren gibt es den kleinen Laden von Laura Schneider, in dem auch ein paar Kaffeetische stehen. Die Produktion findet direkt im einsehbaren Nebenraum statt, ihr könnt also auch dabei zuschauen, wie die kleinen Kunstwerke entstehen. Großer Tipp natürlich die namensgebende Gelbe Zitrone als Pâtisserie-Stück (auch auf der Website abgebildet). Pâtisserie Jaune Citron, 17 rue de l’Ail.
Épicerie Madame
Im Süden der Altstadt in der Rue du Vieux-Marché-aux-Poissons reiht sich ein touristisch-kulinarischer Laden an den anderen. Vor hässlichem Elsass-Kitsch seid ihr dabei nie ganz gefeit, und das gilt (Erfahrene werden es wissen) leider für den gesamten Landstrich. Ja, man kann die Kreationen von Bockel, Mulhaupt und Christian schon essen, aber ein bisschen mehr visueller Geschmack täte ihnen wahrhaftig gut.
Völlig anders stellt sich die Lage in der Épicerie Madame dar. Hier gibt es nicht nur keinen Elsass-Kitsch, sondern gleich (fast) gar nichts aus dem Elsass. Das muss aber nicht schlimm sein, denn manchmal möchte man ja einfach eine kulinarische »Hardware« aus dem großen Rest Frankreichs mitnehmen. Weshalb ich dort war: Die Épicerie fungiert als offizieller Verkaufspartner für Épices Roellinger. Wer also Sehnsucht nach den fantastischen Gewürzkreationen hat und nicht schnell in die Bretagne jetten kann, findet bei Madame alles für die Grillsaison. Épicerie Madame, 16 rue du Vieux-Marché-aux-Poissons.
Produkteure in Strasbourg – Nouvelle Douane
Ein größerer Markt findet in Strasbourg immer mittwochs und freitags von 7-13 Uhr auf dem Place Broglie statt. Wer an einem anderen Tag die Innenstadt besucht und Ware direkt von lokalen Produzenten kaufen möchte, kann stattdessen in die Nouvelle Douane gehen. Oder wie es auf der Website heißt: »produits fermiers en centre-ville de Strasbourg«. Die Organisatoren sind dieselben wie beim Street Bouche Festival, das vermutlich Ende September wieder stattfinden wird. La Nouvelle Douane, rue du Vieux-Marché-aux-Poissons.
Mal ein anderes Souvenir…
Auf dem Rückweg zum Auto bin ich noch an einem Ort vorbeigekommen, an dem ich eine spontane Eingebung für das ideale Strasbourg-Souvenir hatte. Es handelt sich um den kleinen Münzladen des Herrn Poisignon, der auch als Filiale des Auktionshauses Künker fungiert. Im Schaufenster sah ich ein paar alte Silbermünzen, also bin ich hineingegangen und habe für 30 € zugegriffen. Das Ergebnis seht ihr oben, ein Straßburger Kreuzer aus dem 15. Jahrhundert. Finde ich persönlich großartig, diese Münze gerade hier gekauft zu haben. Künker France, Poinsignon Numismatique, 4 rue de Francs-Bourgeois.
Wein kaufen in Strasbourg
Wein, meine werten Stammleserinnen und Stammleser, ist natürlich hier auf dem Blog immer groß angesagt. Natürlich bin ich auch zum Weinkaufen in Strasbourg gewesen. Aber ebenso natürlich bietet es sich nicht unbedingt an, einen Karton den halben Tag durch die Innenstadt zu schleppen. Dennoch möchte ich euch hier vier sehr gute Adressen empfehlen, die ich selbstverständlich aufgesucht habe.
Au Millésime und Vino Strada befinden sich maximal 50 Meter voneinander entfernt in derselben Straße, der Rue du Temple Neuf. Das Angebot ist jeweils großartig, und wer hier nichts findet, interessiert sich vermutlich nicht für französischen Wein. Der Grund, weshalb die beiden Läden so eng miteinander sind, liegt soweit ich weiß daran, dass die Inhaber früher ein Paar waren und sich dann getrennt haben. Manche Weingüter gibt es in beiden Läden, während andere sich exklusiv für den einen oder die andere entschieden haben. Meine persönlichen Tipps: Trapet zum fairen Preis, dito alles von Jamet, im Elsass Boxler und Barmès-Buecher und und und. Geht einfach hin.
Wer sich für Natural Wine interessiert (und das Elsass ist ja als eine der Keimzellen für biodynamischen Wein und Vin Naturel bekannt), findet in der Innenstadt ebenfalls mehrere Läden. Ich habe mich für Verre de Terre entschieden (28 rue des Juifs) und wurde alles andere als enttäuscht. Eine tolle Auswahl, eine sympathische und kenntnisreiche Inhaberin – was will man mehr? Ich habe einen Weißen aus Lothringen mitgenommen und einen aus dem Jura.
Schließlich möchte ich noch auf den klitzekleinen Laden rechts unten auf dem Foto aufmerksam machen. Es handelt sich dabei um das Comptoir des Vignerons Alsaciens, also die inoffizielle Vertretung unabhängiger elsässischer Weingüter in ihrer Kapitale. 75 von ihnen sind dort mit ihren Sortimenten vertreten, manchmal kommen die Winzer selbst, in jedem Fall kann man aber sehr viel probieren, wenn man möchte.
In den Outskirts von Strasbourg
Um das Auto zum Schluss so richtig voll zu machen, bietet sich ein letzter Schlenker in die Außenbezirke von Strasbourg an. Große Hypermarchés gibt es sowohl im Süden (E.Leclerc Geispolsheim) als auch im Halbsüden (Auchan Baggersee) und im Norden (Cora Mundolsheim). Das sind natürlich richtige Giganten, die man nicht mal eben in zehn Minuten durchschritten hat.
Im Westen findet ihr den empfehlenswerten Bio-Supermarkt von Thierry Schweitzer mit eigenem Weinladen (gekauft: Domaine d’Aupilhac) und ganz in der Nähe auch die Coopérative Hop’la, sozusagen ein gigantischer Hofladen.
Links unten auf dem Foto seht ihr die Weinhandlung Versus, die sich praktisch gegenüber vom E.Leclerc Geispolsheim befindet. Eine großartige Auswahl gibt es da, schaut euch einfach die Website an.
Und schließlich findet ihr rechts unten noch den Hinweis auf den einzigen Laden in Strasbourg (außer den Superettes), der am Karfreitag geöffnet hatte. Eine der Hallen am Großmarkt ist nämlich in einen schicken Einkaufsort umgewandelt worden. In der Halle du Marché-Gare gibt es (zugegeben, zu leicht erhöhten Preisen) beispielsweise mit Cap d’Hag das angeblich beste Fischgeschäft der Stadt mit jeden Tag frisch aus Cancale geholten Austern.
Mein Fazit
Wahrscheinlich seid ihr, solltet ihr wirklich aufmerksam bis hierhin gelesen haben, jetzt ebenso erschöpft wie ich nach dem Schreiben. Aber missversteht meine Absicht nicht: Dies ist keineswegs mein Vorschlag für einen perfekten Shopping-Tag in Strasbourg. Vielmehr solltet ihr anhand eurer Vorlieben und des von euch ausgesuchten Standorts aus möglichst vielen (guten) Adressen wählen können. Dass ich selbst vorher tagelang recherchiert und kuratiert hatte, um dann am Gründonnerstag die komplette Ochsentour zu machen, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber dafür gibt es diesen Blog ja auch. Und, ich muss es zugeben, trotz aller Anstrengungen (physisch wie monetär) hat es mir in Strasbourg wieder einmal super gefallen. Es ist schlicht als französische Großstadt der kulinarisch interessanteste Ort, den wir in unserer relativen Nähe so haben.
Solltet ihr also demnächst in Strasbourg sein, stresst euch nicht, schaut das Münster an, esst gut und klappert dann ein paar Boutiquen ab. Sollte der Wettergott euch gnädig sein, ist damit einer der nettesten Tage des Jahres garantiert.
Lieber Matthias,
ich will dieses Jahr unbedingt noch nach Strasbourg. Jetzt erst recht!
Danke also für diesen mundwässernden Artikel.
Was mir gerade wieder aufgefallen ist: Ich bedauere, dass ich Deine schönen Photos nicht mehr per Klick auf Bildschirmgröße vergrößern kann. Gerade beim Bild auf dem Maison Lorho ist das schade.
Herzliche Grüße!
Dankeschön erst einmal, und ja, fahr unbedingt hin!
Das mit den Fotos liegt zum einen daran, dass jene (ich bin ja auf meiner eigenen Website) ganz schön viel Speicherplatz fressen. Zum anderen ist es so, dass entsprechend große, frei verfügbare und nicht mit hässlichen fixen Copyright-Angaben gekennzeichnete Fotos im Internet gern mal ungefragt “zweitverwendet” werden. Deshalb dimme ich die immer auf 1200×800 Pixel runter. Ich muss aber zugeben, dass ich bei Stadtrundgängen eh nicht mit maximaler Auflösung fotografiere. In diesem speziellen Fall sind also die Käseschilder auch im Original nicht gut lesbar…
Was für ein toller detaillierter Bericht! Ich komme nächste Woche mal wieder nach Strabourg, kenne mich kulinarisch in der Stadt aber gar nicht aus. Dieser Blogpost ist ein Glücksfall und Inspiration. Danke 🙂
Sehr gern geschehen und viel Spaß!
Das Chez Yvonne war fantastisch. 🙂
Freut mich sehr!