Best of Genossenschaften auf der ProWein 2024

Genossenschaften Wein ProWein 2024

Die Krise der deutschen Sozialdemokratie, liebe Genossinnen und Genossen, ist eine bedauerliche Tatsache, deren Gründe ausgerechnet den handelnden Personen nicht bewusst zu sein scheinen. An der Idee an sich kann es nämlich nicht liegen. Zusammenhalt, Solidarität, soziale Gerechtigkeit. Etwas gemeinsam zu schaffen, das man allein nie schaffen würde – das sind doch nach wie vor äußerst attraktive Angebote, mit denen sich viele Menschen hierzulande einverstanden erklären. Auch junge Menschen, nicht nur pensionierte Lehrer oder Gewerkschafter. Ein bisschen musste ich sowohl an den Gemeinschaftsgedanken als auch an die institutionelle Krise desselben denken, als ich dieses Jahr auf der ProWein 2024 unterwegs war. Schließlich wollte ich schauen, was die Winzer-Genossenschaften so zu bieten haben. Hier sind die Ergebnisse – ein größerer Rundumschlag.

Genossenschaften – Schicksal als Chance

Wenn ich Menschen in meiner Umgebung frage, was sie von weinproduzierenden Genossenschaften halten, sind die Antworten oft ziemlich eindeutig. Die werden nach Menge und nicht nach Qualität bezahlt, höre ich dann. Da wird Ehrgeiz nicht belohnt. Da gackern die Altmitglieder noch mit, obwohl sie gar kein Land mehr haben. Langweilige Ausstattung. Süße Plörre. Weine für Rentner und das untere Regal.

Genossenschaften ProWein Vinergie

Heavy heavy heavy, sowas wird tatsächlich gesagt. Und wer selbst Genossenschafter ist und meint, sowas hätte er noch nie vernommen, hat vermutlich bei den groben Dingen einfach weggehört. Offenbar ist es den Genossenschaften also gelungen, ihr Image ziemlich in den Dreck zu fahren. Leider wissen wir ja alle aus der Forschung, dass Vorurteile ungemein dauerhaft sind, praktisch bis ins siebte Glied halten, selbst wenn die Verhältnisse längst schon wieder ganz andere sind.

In diesem Spannungsfeld zwischen einer eigentlich tollen Idee, die zusätzlich etwas zur Lebendigkeit von Dörfern, zur kleinteiligen Landwirtschaft beiträgt, dem teils ruinösen Image und der harten Preiskampfrealität leben die Obergenossen und müssen ihren Patchwork-Betrieb erfolgreich führen. Keine leichte Aufgabe, um es mal vorsichtig auszudrücken. Was das Wirtschaftliche anbelangt, kann ich mit diesem Artikel auch nicht zur Aufheiterung der Situation beitragen. Aber wenn es darum geht zu zeigen, was Genossenschaften Gutes produzieren können, voilà, hier kommen acht Beispiele von der ProWein.

1. La Chablisienne, Frankreich

La Chablisienne Genossenschaften

La Chablisienne ist, ich gebe es zu, ein bisschen eine Luxus-Genossenschaft. Chablis als Herkunftsappellation für kernige Weiße steht nach einer längeren Krise endlich wieder. Und wer Anteil an sieben Grands und elf Premiers Crus hat, braucht sich ohnehin nicht zu beschweren. Allerdings muss man auch etwas daraus machen. Und das tun die Genossen aus Chablis seit Jahren. 250 Mitglieder, 1.250 Hektar, die Endverbraucherpreise beginnen bei 9 € für den Bourgogne Chardonnay und enden bei 58,50 € für den Grand Cru Château Grenouilles.

Was mich bei der Verkostung fasziniert, ist nicht nur die hohe Grundqualität. Es sind vor allem die Jahrgangsunterschiede, die man ungemein deutlich schmecken kann. Ich probiere deshalb neugierig eine zweistellige Zahl an Weinen. 2017 war vielleicht das letzte kühle Klassikerjahr. 2019 hat für mich das meiste Potenzial von der Ausgewogenheit her. 2020 war im Chablis ziemlich heiß, die Weine sind warm und würzig ausgefallen. 2021 besticht im wahrsten Wortsinne durch seine prägnante Säure und könnte einst Richtung 2017 gehen. Allerdings am besten erst auf Premier Cru-Niveau kaufen. 2022 schließlich hat wieder Anklänge von 2020, viel Cremigkeit und Würze. 2023 hatte ich nur einen stark BSA-geprägten Wein im Glas, das will also noch wenig heißen. In jedem Fall gibt es bei La Chablisienne eine Qualität, die sich nicht vor namhaften Produzenten zu verstecken braucht. Mein Favorit: Der 2019er PC Les Fourneaux, elegant und präzise (24 €).

2. Plaimont, Frankreich

Plaimont Genossenschaften

Im französischen Südwesten sind die Genossenschaften nicht nur zahlreich, sondern oft auch ziemlich stark. Plaimont beispielsweise besitzt die AOP Saint-Mont praktisch als Monopol. 800 Winzerfamilien produzieren auf insgesamt 5.300 Hektar alle erdenklichen Weinstile. Stilsicher griff ich versehentlich gleich zu Anfang zu ihrem teuersten Weißen (35 €), der Grande Cuvée Cirque Nord auf dem rechten Foto. Und, mein lieber Scholli, das ist wirklich ein echter Knüller. Cirque Nord heißt das Gewann, ein Richtung Norden ausgerichtetes Amphitheater. Enthalten sind die beiden Mansengs, dazu Petit Courbu und Arrufiac, ausgebaut im Barrique, das kann die Materie vertragen. Tolle Säure, Zitronengras, Kraft, Langlebigkeit.

Links auf dem Foto dagegen die beiden Gegensätze in Rot, der Leichteste und der Dichteste. Der Leichtwein (8,35 €) besteht primär aus der (alten, wiederentdeckten) Rebsorte Manseng Noir und ist so frisch und ansprechend, wie man es aus der Gegend gar nicht kennt. Die »Vignes Préphylloxériques« (kein Name und auch kein Wein für den Supermarkt, 55 €) sind hingegen ein anderes Kaliber. Die wurzelechten Reben der Parzelle stammen von 1871, fast ausschließlich Tannat, dazu etwas Pinenc und im Weinberg noch ein paar weiße Reben, die hier aber nicht mit vinifiziert wurden. Blickdicht, stille und tiefe Nase, im Mund auch fast greifbar, Würze, Pfeffer, Extraktsüße, für die Ewigkeit.

3. Camille Cayran, Frankreich

Cairanne Camille Cayran

Die rote Rhône leidet. Einerseits unter dem Klimawandel, denn heiß und trocken im Sommer war es hier schon immer, aber jetzt wird’s endgültig kritisch. Dann aber auch unter den Trinkgewohnheiten, denn die Leute wollen einfach keine schweren Roten mit 16 vol% und massiven Gerbstoffen mehr haben. Okay, eine Flasche zum Einlagern schon, aber bitte nicht zum Aufmachen und Spaß haben. Also setzt die ganze Region auf Weiß, eine offizielle Marketingentscheidung. Viel Säure braucht man da zwar nicht zu erwarten, aber zum Essen sind die Weißen oft ganz hervorragend.

Wie das bei Genossenschaften manchmal so ist, fanden es die Genossen des malerischen Ortes Cairanne (65 Winzer, 550 ha) uncool, sich einfach so zu bezeichnen. Deshalb firmieren sie auch unter »Camille Cayran« und tun irgendwie so, als wären sie eine Privatperson. Zum Glück ist dieses Elend mittlerweile ein bisschen eingedämmt. Die Website heißt jedenfalls wieder Cave de Cairanne. Oben seht ihr meine drei Favoriten. Rechts der Spitzen-Biowein (es gibt mehrere zertifizierte Produkte), der 2022er Gigondas. Elegant, feiner Fluss, verpackt die Kraft gut (19,45 €). In der Mitte die weiße Cuvée, Weinbergpfirsisch, Melone, Orangenblüte, viskos und mit Potenzial (9,45 €). Und links schließlich einer der unterschätzten Rosés der Gegend, nie und nimmer schlechter als einer aus der Provence, vielmehr extrem geschmeidig, erdbeerfruchtig und mit 6,55 € auch gut bepreist.

4. Heilbronn, Deutschland

Genossenschaften ProWein Heilbronn

Nach ein paar anderen französischen Genossenschaften, die für mich weniger gut performten, wage ich mich jetzt nach Württemberg. Auch da gibt es einiges zu entdecken, wenn man sucht. Die Weingärtner Stromberg-Zabergäu haben beispielsweise mit Luisa’s Weinkost eine pfiffigere Linie am Start, dazu auch etliche Bios. Die Lauffener können mit Weinen aus spektakulären terrassierten Steillagen punkten. Und die Heilbronner (1.415 Winzer für 1.400 ha) bieten schließlich nicht nur Trollinger an, sondern auch das hier, den »Levitage«.

Levitage ist eine neue Piwi-Sorte aus Weinsberg, und ich bin versucht zu sagen, dass sie echt Zukunft haben könnte. Die Heilbronner Genossen haben ihren Roten Württemberg-genossenschaftstypisch »harmonisch trocken« abgestimmt. Einerseits sicher nicht die Krone der Low Intervention-Önologie, andererseits lieben die Menschen – siehe meinen Doppio Passo-Test – ja solche etwas milderen Versionen. Mit 5,9 g Zucker bei 4,9 g Säure bewegen wir uns im Gegensatz zum Apulier aber noch im trockenen Bereich. Und wir sind bei der Mehrwegflasche der Wein-Mehrweg eG, wir sind bei sechs Euro irgendwas – und der Wein schmeckt. Samtig, saftig, nichts Grünes, nichts Mageres, auch nichts Überkochtes, so kann’s gehen.

5. Divino, Deutschland

Divino Genossenschaft Franken ProWein

In Franken gibt es lediglich drei Genossenschaften, die große GWF und zwei kleinere. Die größere der kleineren nennt sich Divino seit dem Zusammenschluss von Nordheim und Thüngersheim, hat 284 Mitgliedswinzer und 320 ha, aber seit neuestem nur noch einen Produktionsstandort, an dem alles konzentriert ist. In diesem Atemzug kann ich natürlich auch noch die dritte Genossenschaft erwähnen, die Winzer Sommerach, deren qualitative Meriten sich hoffentlich schon herumgesprochen haben. Die beiden Geschäftsführer Gerald Wüst (Divino) und Frank Dietrich (Sommerach) weisen unabhängig voneinander darauf hin, dass sie sich viel eher mit Privatweingütern als mit anderen Genossenschaften vergleichen würden. Ich weiß, was sie damit sagen wollen, würde mir aber ehrlich gesagt ein bisschen mehr echtes Selbstbewusstsein wünschen für die Idee. Schließlich sollten ja gerade die besten Genossenschaften sagen, dass sie stolz darauf sind, denn wer könnte das sonst besser tun?

However, was die beiden meinen, ist natürlich, dass sie höhere Qualitätsansprüche besitzen, als man das von anderen Genossenschaften zu kennen glaubt. Oben seht ihr die Großen Gewächse (je 17,90 €), die begrifflich noch Bestandsschutz haben, künftig aber in Lagenweine umgewandelt werden sollen. Das macht auch Sinn, denn der Weißburgunder stammt beispielsweise aus dem obersten Zug vom Rothlauf in Thüngersheim, aus dem Rudi May sein GG holt. Spontangärung, 50% kleines Holz, 50% Stahl, schmelzig, modern, wertig, ganz trocken. Eine gefährliche Mischung für Blindverkostungen, just said. Auch der Silvaner stammt aus einer Top-Lage, dem Escherndorfer Lump. 100% älteres Tonneau, dadurch weniger Holzeinfluss, frisch, sehr jung, typisch Silvaner.

6. Orahovica, Kroatien

Orahovica Silvaner Kroatien

Genossenschaften gibt es natürlich auch in ehemaligen Bruderländern, wobei Jugoslawien als einziges »osteuropäisches« Land nie Mitglied des Warschauer Pakts war. Ist aber auch schon eine Weile her. Die örtliche Genossenschaft von Orahovica in Slawonien (ja, der Landstrich, aus dem die berühmten Fasseichen stammen) hat sich strukturell eine breitere landwirtschaftliche Struktur erhalten. Ackerland, Vieh, Haselnüsse, Süßwasserfische – und Wein, das sind die Standbeine der dortigen Genossen. Weshalb ich ihren Stand bei der ProWein besucht habe, hat natürlich noch einen anderen Grund: Sie bauen Silvaner an! Es gibt sogar drei verschiedene Versionen, mitgebracht hatten die Orahovicer allerdings nur eine, oben links auf dem Foto. Stahltank, 13 vol% und hoppla, gar nicht schlecht. Geschmeidig und würzig, ein gewisses Pfefferl, das ist ein richtig guter Speisenwein.

Rechts daneben seht ihr kein Genossenschaftsprodukt, aber dafür den anderen kroatischen Silvaner-Produzenten, das Weingut Podrum Štrigova mit ihrem Silvaner St. Jerome. Die Reben sind erst fünf Jahre alt, und der aus ihnen gekelterte Wein besitzt lediglich 11 vol%. Als »Northern Wine Estate« bewerben die Leute aus Štrigova ihren Betrieb, und das stimmt aus kroatischer Perspektive schon, wirkt von uns aus dem »echten« Norden gesehen aber ein bisschen irritierend. Allerdings schmeckt der Silvaner tatsächlich nach Cool Climate, apfelig, blütig, hell und etwas gerbig. Ich fand den Orahovica-Wein schöner, interessant sind solche Silvaner-Horizonterweiterungen aber allemal.

7. 100 Women Cooperative, Serbien

100 Women Genossenschaft Serbien

And now for something completely different. Gut, es handelt sich bei den 100 Frauen auch um eine Genossenschaft, aber um eine der ganz anderen Art. Wir befinden uns in der Nähe von Niš in Serbien, und Wein ist hier schon seit den Zeiten der Griechen angebaut worden. Die 100 Frauen sind allerdings eine ganz neue Idee, gegründet im Jahr 2018 von einem, tja, Frauen-Netzwerk, möchte ich sagen. Winzerinnen sind natürlich darunter, aber auch Künstlerinnen und sogar eine Kontaktperson in Berlin, Mila Pavlovic. Die Weinberge wurden fast alle peu à peu neu angelegt und umfassen derzeit 30 ha, also sicher eine der räumlich kleinsten Genossenschaften, die es gibt. Weil die 100 Frauen eher modern unterwegs sind, gibt es einen aktiven Instagram-Kanal mit aktuellen Stories.

Neben Rotweinen setzen die 100 Frauen auf die heimische Tamjanika. Dahinter verbirgt sich eine der vielen Mutationen des Muscat Blanc, seinerseits vermutlich eine unserer ältesten Kulturreben. Rechts auf dem Foto seht ihr den Weißen, links die Orange Wine-Version (jeweils 12,80 €). Der »normale« Tamjanika ist mit Noten nach Orangenblüte, Rose und feiner Säure richtig lecker. Der Orange Wine »ShaoLinda« gefiel mir vielleicht sogar noch besser. Damit war ich nicht allein, denn zwei der drei Ladies auf dem Titelfoto dieses Beitrags (denn das stammt vom Stand) favorisierten genau diesen Wein. 2022 ist der erste Jahrgang, 12,5 vol% hat der Wein und wirkt erst im Mund richtig gut. Sehr smooth, tatsächlich Orange, wenig Gerbstoffe, wenig extrahiert, fruchtig, charmant. Ich weiß, dass Wein aus Serbien sicher nicht der Bringer auf dem hiesigen Markt ist. Aber hier liefern die zugänglichen Weine und vor allem die Story dahinter doch eine großartige Vorlage, oder?

8. La Riojana, Argentinien

La Riojana Genossenschaften Argentinien

La Riojana – als ich diesen Namen zum ersten Mal las, dachte ich selbstverständlich an Spanien. Aber weit gefehlt. »La Rioja« heißt nämlich auch eine argentinische Provinz am Rand der Anden. Direkt hinter dem Genossenschafts-Ort Chilecito steigen dabei die Berge an, und der Hausberg mit seinen mehr als 6.000 Metern Höhe liegt nur 25 km Luftlinie entfernt. Die Genossenschaft selbst ist die größte in Argentinien. 500 Mitglieder, 4.120 ha – davon aber nicht weniger als ein Viertel bio-zertifiziert, 130 ha gar biodynamisch (Demeter). Ihr merkt also, die Genossen sind aufgeweckt und schauen, wo sie sich und ihre Produkte auf dem Weltmarkt platzieren können. Natürlich, das sommertrockene Klima in Argentinien macht es leichter, aber man muss es dennoch wollen.

Und man muss es auch können. Ich bin wirklich überrascht von der geschmacklichen Qualität der Weine. Der Tilimuqui (100% Malbec, 13 vol%, ca. 10 €, Bio und Fairtrade) besitzt eine dunkle Frucht, eine feine Säure und ein samtiges Mundgefühl. Ideal zum Grillen. Der rote Rayo de Luna (100% Malbec, Demeter, kostet etwas mehr) präsentiert sich etwas kräuteriger in der Nase und im Mund ein bisschen leichtgewichtiger, teilt aber mit dem Tilimuqui dieselbe sanfte Brombeernote. Das sind schlicht gut gemachte Rote, die mit etwas Verhandlungsgeschick auch prima im (Bio)Supermarkt stehen könnten. Okay, sie kommen von der anderen Seite der Welt, so ganz lokal ist das natürlich nicht. Aber die Genossen in Argentinien verdienen auch, dass man sie unterstützt.

Ideen für Genossenschaften – Porta 6

Porta 6 ProWein

Zum Schluss gehe ich noch durch die Portugal-Halle, in die ich am Dienstag nochmal wiederkommen wollte (der Bahnstreik machte mir einen Strich durch die Rechnung). Dabei komme ich am Straßenbahnwagen von Porta 6 vorbei. Porta 6 ist eine Marke von Vidigal Wines, einer portugiesischen Kellerei, die zu 60% António Mendes Lopes und zu 40% einem norwegischen Investment-Unternehmen gehört. Richtig, das ist unternehmerisch und philosophisch ungefähr das Gegenteil einer Genossenschaft. Trotzdem, man kann sich ja vielleicht etwas anderes abschauen.

Porta 6 ist derzeit die erfolgreichste portugiesische Marke (nicht nur) in Deutschland und hält mit Weinen aus Italien oder Spanien mit, die sich der Herkunft wegen grundsätzlich leichter im Verkauf tun. Und das liegt a) am Portfolio und b) an der Aufmachung. Letzteres sieht man sofort. Gestartet mit dem ultratypischen gegenständlichen Etikett mit der Lissabon-Straßenbahn gibt es auch die Linien »Boa Noite Lisboa« (Taxi mit charakteristisch mintgrünem Dach) und Júlia Florista (mit Fado-Sängerin).

Die vier Porta 6-Produkte stellen sich auch inhaltlich schlau auf: ein klassisch trockener Weißer, ein alkoholleichter (9,5 vol%) und feinherber Vinho Verde sowie ein Rosé und ein Roter, beide mit 9 g RZ knapp nicht mehr trocken. Stimmt natürlich, gerade die beiden letzten sind nicht das »echte« Portugal. Aber wenn schon hemmungslos kommerziell, dann wenigstens erfolgreich.

Übrigens: Auch die »Alma de Lisboa«-Weine der Genossenschaft São Mamede de Ventosa mit ihren Azulejos-Etiketten machen sich nebeneinander ganz gut im Regal…

Mein Fazit zu Genossenschaften auf der ProWein 2024

Abfahrt

Der Artikel ist lang geworden. Er ist auch nach und nach mehr ins Fachliche abgeglitten, fast so als würde ich selbst das Portfolio einer Genossenschaft konzipieren oder als Einkäufer Regale im Supermarkt bestücken. Tatsächlich finde ich es auch wirklich spannend, wie sich die unterschiedlichen Genossenschaften aufstellen. Zugegeben: Ich habe hier die erfolgversprechenderen Elemente herausgepickt, aber genau das war ja auch mein Ziel.

Als Genossenschaft kann man also grundsätzlich allein durch die Produktionsmenge günstiger produzieren. Dennoch bleibt man im Gegensatz zu den allermeisten Groß-Kellereien »verortet«, trägt also lokale Identität in sich. Im Spitzenbereich führt das dann zu burgundischen Premiers Crus für 24 € und Großen Gewächsen für 17,90 €. Es gibt aber auch Mini-Genossenschaften wie die »100 Women«, die ausschließlich durch den Zusammenschluss überhaupt auf dem Markt erscheinen können.

Markt ist auch das richtige Stichwort, denn ich kenne keine Genossenschaft, die ihre Weine primär im eigenen Dorf oder rundherum verkauft. Vielmehr sind Genossenschaften darauf angewiesen, Menschen woanders von ihren Produkten zu überzeugen. Da helfen nicht nur günstige Preise, sondern vor allem schicke Etiketten, gute Namen, das Schauen über den Tellerrand. Daran gemessen ist es für mich unverständlich, wie schialich Angebot und Ausstattung bei nicht wenigen Genossenschaften (gern im Südwesten unseres Landes) noch aussehen.

Und was ich überhaupt nicht gefunden habe (lasse mich aber allzu gern eines Besseren belehren): eine Genossenschaft, die explizit mit ihrem Modell hausieren geht. Die sagt, wir sind stolz darauf. Die sagt, wir leben Solidarität, den Spaß am Gemeinschaftswerk, haben die volle Punktzahl bei sozialer Nachhaltigkeit. Und sind auch in Weinberg, Keller und Pfiffigkeit vorn dran.

Wird es das also bald geben, dass man sich nicht mehr schämt, eine Genossenschaft zu sein? Gibt es noch mehr Leute, die das attraktiv finden? Oder ist die Zeit einfach noch nicht reif, sitzen die richtigen Leute dafür noch nicht am richtigen Ort? Falls ja, hätten wir (haha, böser Kreisschluss) dann am Ende doch die Parallele zur deutschen Sozialdemokratie geschafft…

P.S. Die Genossenschaften aus Südtirol hätten eigentlich auch in diesen Artikel gehört. Eben weil sie ein Erfolgsmodell darstellen. Aber leider musste ich wegen des vermaledeiten Bahnstreiks einen Tag früher zurück…

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12 Antworten zu Best of Genossenschaften auf der ProWein 2024

  1. EC sagt:

    …eine sehr interessante Zusammenstellung, vielen Dank dafür! Was ich in der Aufzählung aber ein bißchen vermißt habe, ist ein Hinweis auf die Südtiroler Genossenschaften, die im Einzelnen wie in ihrer Gesamtheit aus meiner Sicht weltweit ziemlich an der Spitze hinsichtlich der gebotenen Qualitäten in Relation zum Gesamtangebot der Region stehen und deren Image nach meiner Wahrnehmung auch nicht schadhaft ist. Zumindest ist das mein persönlicher Eindruck…

    • Matze sagt:

      Ja natürlich, die Südtiroler Genossenschaften sind schon früh ganz andere Wege gegangen und genießen auch ein ziemlich gutes Image. Weshalb sie hier nicht mit dabei waren: Zum einen hatte ich erst kürzlich für die Wein+Markt einen größeren Südtirol-Artikel geschrieben und mich mit vielen Genossenschaften dafür unterhalten. Da wollte ich einfach mal etwas Neues machen 😉 (kein objektiv gültiger Grund, ich weiß). Und außerdem fehlte mir leider wegen des Bahnstreiks der dritte ProWein-Tag. Soll heißen: Doch, die Südtiroler Genossen gehören definitiv in einen solchen Artikel. Vielleicht sollte ich das zumindest mit einem Satz noch erklären…

  2. Marcel sagt:

    Deine kurze Besprechung der Divino-GGs erinnert mich mal wieder daran, dass ich in die Top-Linien der fränkischen Genossenschaften eigentlich mal reinschnuppern wollte, nur: wo kann man die (wenn man nicht direkt vor Ort wohnt) schon kaufen, wenn man nicht online bestellen will?
    Das verweist auf ein Grundproblem der Genossenschaften, dass sie mit den günstigen Linien in Supermärkten vertreten sind, die aber die GGs nicht ins Sortiment aufnehmen, während kleine Weinläden wiederum Genossenschaften (meist) erst gar nicht aufnehmen, eben weil die günstigen Linien im Supermarktregal stehen.
    Das ist eine unerfreuliche Situation, aus der ich aktuell keinen anderen Ausweg wüsste, als die jeweils große Linie unter eigenen Markennamen laufen zu lassen und den Namen der Genossenschaft „ganz klein zu schreiben“, was dann wieder das Gegenteil deines Wunsches ist, dass die Genossenschaften sich als Genossenschaften selbstbewusster positionieren.
    Das von dir beschriebene Hervorkehren und Populärmachen des Genossenschafts-Gedankens ist durchaus eine Alternative dazu, braucht aber Zeit (und Geld).

    • Matze sagt:

      Ja, du hast völlig recht. Das ist schon ein sehr großer Spagat. A propos: In der neuen Vinum ist ein großer Blindtest drin, Syrah aus Deutschland. Und gewonnen hat ein Wein vom Collegium Wirtemberg, sprich der in Stuttgart ansässigen Genossenschaft. 18,5 Punkte für 15 €, vor vielen vielen namhaften Weingütern: https://shop.collegium-wirtemberg.de/Syrah-Denkmal/46056.

      Sowas ist natürlich die Chance der Genossen (gilt auch für den WB von Divino oder die Lagen-Silvaner der Sommeracher), über derartige Wettbewerbe in den Blick des Fachhandels zu kommen. Oder zumindest der ausgesuchten Edekas etc. Ich weiß schon: Das, was die Südtiroler vorgemacht haben, lässt sich nicht so einfach kopieren und wiederholen. Aber richtig gute Weinqualität dank Anreizen im Weinberg, sowas KANN doch einfach auf Dauer nicht unbeachtet bleiben. Dann noch ein gesundes Selbstbewusstsein ohne Hybris, naja, Optimismus gehört halt auch dazu 😉

    • Thomas Riedl sagt:

      Hallo Marcel,

      welche Genossenschaften in Frankreich sind denn Deiner Erfahrung nach top?

      Neugierige Grüße

      Thomas

  3. Christian sagt:

    In der Pfalz gibt es schon Genossenschaften, die dazu stehen, was sie sind:

    Forster Winzerverein, Herxheim am Berg, Herrenberg-Honigsäckel z.B..

    Es gibt natürlich auch Negativ-Beispiele mit viel Masse und wenig Klasse. Aber das findet man schon selbst raus.

    • Matze sagt:

      Ja, das stimmt. Die Herxheimer schreiben ganz explizit, dass sie die Genossenschaft für ein Erfolgsmodell halten. Vielleicht sind die Pfälzer da tatsächlich besser aufgestellt als beispielsweise die Badener. Also grosso modo.

  4. Ralf sagt:

    … hätte ja beim Lesen des Artikels auch den Impuls verspürt, auf die im Vergleich mit vielen Anderen, die Erfolgsgeschichte der Südtiroler Genossenschaften zu thematisieren, aber das hat sich bereits erübrigt.
    Es ist bei den Südtirolern in jedem Fall darauf hinzuweisen, dass es sich inzwischen um quasi ausnahmslos straff geführte Weinbaubetriebe handelt. Der Weg zu den besseren Qualitäten ging auch über Jahrzehnte und nicht von heute auf morgen. Die Partzipation der Mitglieder am Erfolg über bessere Traubenpreise, basierend auf Qualität, war doch auch ein Langer, aber auch in jedem Falle einer der sich in der Breite der Genossenschaften durchgesetzt hat.
    Weniger leistungsfähige Genossenschaften sind über die Jahre meist von ihren erfolgreicheren Nachbarn “geschluckt”, oder mit ihnen fusioniert, worden, dies aber nicht zum Nachteil der Mitglieder.

    • Matze sagt:

      Ja, ich denke, genau das sind die Faktoren. Nicht zu vergessen, dass es natürlich vor allem die Führungsriege der Genossenschaft sein muss, die a) solche Visionen besitzt und b) genügend diplomatisches Geschick, jene den Mitgliedern auch schmackhaft zu machen.

      • Thomas Riedl sagt:

        Nun muss man für Südtirol aber klar sehen, dass die einen entscheidenden Standortvorteil haben: Die zahlungsfreudigen Touristen und eine weinaffine Tourismusbranche, Gastronomie und Hotellerie vor Ort! Das ist ein Milliardenspiel, von dem süddeutsche Genossenschaften nur träumen können.

        • Matze sagt:

          Ja, in der Tat, das hatte ich mit den Südtirolern auch für meinen Wein+Markt-Artikel erörtert. Logischerweise wollte ich von den mit Sicherheit erfolgreichsten Winzergenossenschaften der Welt auch wissen, woran dieser Erfolg bei ihnen gelegen hat.

          Neben den hier schon genannten allgemeinen Gründen (mehr Geld für bessere Leistung, niedrigerer Ertrag, insgesamt Sorgfalt, kluges Marketing), die schon einiges bewirken können, waren sich eigentlich alle einig, dass man exakt denselben Weg weder in anderen Regionen gehen kann noch dass es jetzt genauso funktionieren würde. Hast du nämlich heutzutage Regionen mit dem naturräumlich-touristischen Potenzial Südtirols, gibt es da in aller Regel keine Tausenden von Kleinbauern mehr. Die Alpenländer kamen ja aus einer jahrhundertelangen bitteren Armut (deshalb auch “Auswanderer” wie der Trollinger 😉 ), und zu Anfang existierten der beginnende Hochtourismus und die kleinbäuerlichen Strukturen noch parallel. Das war, wie du ja schreibst, eine ziemlich einmalige Situation.

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