Frankenalltag

Frankenalltag Silvaner

Was ist Alltag? Alles was nicht Feiertag ist. Jetzt wird niemand behaupten können, in Franken würde man nicht auch am Feiertag Silvaner trinken. Aber das, was ich hier als Frankenalltag an Weinen herausgesucht habe, sind nun einmal keine Silvaner von VDP-Weingütern. Sondern es handelt sich um Weingüter, die (mit einer Ausnahme vielleicht) über die Region hinaus kaum bekannt sind, nicht viel Publicity genießen, selten von Wein-Nerds auf Instagram gepostet werden. Trotzdem gehören genau solche Betriebe zum absoluten Rückgrat der hiesigen Winzerschaft. Vielleicht gerade deshalb, weil sie nicht viel Aufhebens um ihre Kunst machen. Sechs von ihnen habe ich für den Frankenalltag ausgesucht.

Frankenalltag

Tatsächlich, nur falls ihr euch das fragen solltet, steht hinter meiner Auswahl für den Frankenalltag keinerlei Systematik. Ich hatte nur mein Regal im Keller betrachtet und spontan Lust auf Silvaner bekommen (den ich im Winter interessanterweise viel seltener trinke als im Sommer). Dabei fiel mir auf, dass doch einige Weine und Weingüter darunter waren, über die ich (oder vielleicht sogar die gesamte fachjournalistische Welt) noch gar nicht so viele Worte verloren hatte. Beim Probieren wurde mir dann bewusst, dass in diesem Segment das zu finden ist, was ganz viele Menschen haben wollen, die sich in einer Gastwirtschaft ein Glas Silvaner bestellen. Unsung heroes. Oder eben: Frankenalltag.

Kreglinger Silvaner Kabinett trocken

Frankenalltag Silvaner Kreglinger

Diesen Wein hatten wir beim Best of Gold 2022 zum Sieger in der Leichtweinkategorie gekürt. Blind selbstverständlich, und ich kann mich daran erinnern, dass wir damit alle sehr einverstanden waren. Nicht etwa, weil es sich um den größten Silvaner der Welt gehandelt hätte, sondern weil er genauso schmeckt, wie man das von einem trockenen Kabinett erwarten würde. Frankenalltag-Ideal sozusagen.

Das Weingut Kreglinger befindet sich am Mainknick gegenüber der alten Stadt Marktbreit. Segnitz heißt der Ort, und ich muss jedesmal unwillkürlich an den Freiherrn von Segnitz denken (sehr schönes Video, schaut es euch ruhig an; ab 25:28 min, »53.000 Mark, unser preiswertestes Angebot«). Aber zurück zum Wein, der aus dem Marktbreiter Sonnenberg stammt, Muschelkalk, primär West-Südwest-Ausrichtung. Der 2021er (ich glaube, 6,80 €) wirkt frisch, leicht, viel Holunderblüte. Ich hatte ihn allerdings auch schon einmal zu einem Essen mitgebracht, das dann kräftiger war als gedacht. Das war dann nicht so die richtige Umgebung. Aber wie gesagt, schlank, schöne Pikanz, gefällt mir.

Meintzinger Silvaner Frickenhausen

Silvaner Meintzinger

Das Weingut Meintzinger und das gleichnamige Hotel befinden sich in Frickenhausen, also nur ein paar Kilometer vom Weingut Kreglinger entfernt. Hotels in der Region nehme ich ja ehrlich gesagt kaum in Anspruch. Aber als wir die Masters-of-Wine-Frankentour im Sommer hatten, waren wir hier im Meintzinger untergebracht. Ansonsten kenne ich Meintzinger in erster Linie als Antiquitätenhandel, den der Bruder führt. Wer also einen original Bürgerspital-Bocksbeutel aus dem 19. Jahrhundert sucht (leer natürlich), ist hier richtig.

Eher in Richtung Frankenalltag als die Masters of Wine geht dieser Silvaner, ein Ortswein aus Frickenhausen. In der Nase gibt es einen fast subtropischen Ton nach Pfirsich und Orangenschale, aber im Mund sind das keineswegs zu viele Aromen. Auch hier haben wir lediglich 12 vol%, Birne, Mandel, leichtfüßig ohne Eckigkeit, ein echter crowd pleaser. Und 8,80 € ab Hof finde ich für so viel fruchtbetonte Trinkfreude auch sehr angemessen. Funktioniert übrigens auch am zweiten, gar dritten Tag.

Winzer Sommerach Silvaner Ortswein

Frankenalltag Silvaner Sommerach

Jetzt komme ich zu dem Weingut, das dann doch deutlich über die Region hinaus bekannt sein dürfte. Die Sommeracher sind eine der nur noch sehr wenigen Genossenschaften in Franken. Ich hatte die Winzer Sommerach beispielsweise für eine Reportage besucht, als sie die Goldene Rebschere des Silvanerforums gewonnen hatten. Aber auch auf der ProWein sind sie als eines der wenigen Nicht-VDP-Unternehmen regelmäßig präsent. Was mich immer wieder beeindruckt: Dieser nicht gerade kleine Betrieb mit den wegen der 90 Winzerfamilien durchaus vielen Stimmen agiert oft »moderner« als so manches private Weingut. Hier gibt es zum Beispiel kein Glyphosat mehr, Zeilen werden begrünt, die unterschiedlichen Qualitätsstufen entstehen durch Feinjustierung im Weinberg – gute Leute also.

Für den Frankenalltag habe ich diese Flasche bei mir gefunden, den 2020er Orts-Silvaner aus Sommerach selbst. Erstanden hatte ich ihn in irgendeinem örtlichen Supermarkt für glaube ich 8 €, den aktuellen Jahrgang gibt’s ab Hof für 9 €. Und der Wein ist interessant. Rauchig in der Nase, Walnuss, Roggenbrot. Auch am Gaumen bleibt diese Rauchigkeit, ein bisschen schwarzer Rettich kommt dazu, viel Charakter. Obgleich natürlich die dezente Birnenfrucht den Wein trägt, gibt es viele Elemente von Pflanzen und Boden. Das ist definitiv kein anspruchsloser Leckerschmecker, sondern in diesem Stadium auch fortgeschrittenen Weintrinkern zu empfehlen.

Popp Silvaner Kronsberg VST

Silvaner Ernst Popp

Noch ein mit 42 Hektar Rebfläche »etwas größerer« Betrieb, der entsprechend auch nicht unbedingt vom Einzelflaschen-Verkauf ab Hof lebt. Obwohl man durchaus zum Weingut Popp hinfahren kann, zumal Iphofen selbst ja immer einen Besuch wert ist. Geographisch sind wir hier nicht mehr am Main, sondern am Steigerwald, mithin im Keuperland. Das prägt natürlich die Weine. Der Iphöfer Kronsberg selbst erhebt sich direkt hinter dem Ort und besteht heutzutage aus zwei Teilen: Dem »zugeschusterten« Teil zu Füßen des Julius-Echter-Bergs und dem eigentlichen Kronsberg, der auch die Große Lage Kammer beinhaltet. Irgendwo aus der Nähe muss der VST stammen, denn laut Aussage des Weinguts soll es sich um »eines der Filetstücke des Kronsbergs« handeln.

Der 2020er Silvaner hatte mich seinerzeit 7 € gekostet, der aktuelle Jahrgang steht mit 8,50 € im Online-Shop. Beim Probieren denke ich zunächst, naja, ist doch ziemlich generisch und dezent. Aber so sind diese Keuperdinger manchmal. Ja, es gibt etwas mehr Restsüße als beispielsweise bei Meintzinger oder Sommerach, aber es gibt halt auch einen minimal laktischen, zunehmend kräuterigen Touch, der den Charakter mit hineinbringt. Sollte man im idealen Frankenalltag zum Essen reichen.

Hiller Silvaner Randersacker Prestige

Hiller Silvaner Prestige

Zum Schluss entfernen wir uns vom Alltag ein ganz klein bisschen. Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Christian Hiller holt – soweit ich weiß im Nebenerwerb – aus 1,5 ha bei Randersacker entsprechende Kleinstauflagen. Dies ist der nominelle Spitzenwein. 50 Jahre alte Reben, selektierte Trauben, Vorlaufmost, Spontangärung, Barrique, Vollhefe, das ganze Programm. Dafür kostet er natürlich auch ein bisschen mehr. Der 2020er 18 €, der neueste Jahrgang steht glaube ich mit 22 € in der Liste.

Ein faszinierend anderer Silvaner ist das. Und zwar nicht deshalb, weil man das Holz so stark schmecken würde, überhaupt nicht. Aber der Reihe nach. Sehr helles Zitronengelb im Glas, in der Nase dann auch helltönig, Apfelblüte, Holunderblüte, Klarapfel. Am Gaumen ist da wie gesagt nicht das Holz, sondern vor allem viel Strukturdichte. Auch wenn er »nur « 13 vol% hat, ist die Viskosität hoch. Anders als vermutet gibt es wirklich keinerlei Gelbfruchtigkeit und damit auch nicht das, was man allgemein unter »Silvaner-Barock« versteht. Stattdessen bleibt der Wein hell und floral im Charakter, geht jetzt ein bisschen ins Tropische mit Litschi und gewinnt an feuriger Würze hinzu. Tatsächlich erinnert mich das am ehesten an einen Viognier. Was dieser Silvaner nicht alles kann…

Baumann Silvaner nakkt & glücklich

Baumann Silvaner nakkt & glücklich

Zum Abschluss wiederum ein Wein, der den Frankenalltag auch nur so mäßig in sich trägt. Falls ihr euch wegen des Etiketts wundert (oder vielmehr dessen Abwesenheit), die Flasche war frisch gefüllt und sozusagen noch nicht für den Markt bestimmt. Lustigerweise ist es auch danach kein konventionalles Etikett geworden, sondern ein handgeschriebenes. Schaut euch den Wein im Online-Shop des Weinguts an, wo ihr auch feststellen werdet, dass der 2022er für 14,50 € zu haben ist. Der Forellenhof Baumann befindet sich in Handthal, einem wirklich ausgesprochen attraktiv gelegenen Dorf am Rand des Steigerwalds. Falls ihr selbst hinfahren wollt: An Sommerwochenenden kommen noch mehr Leute auf diese Idee…

Die Baumanns haben in ihrem Sortiment manche Überraschung zu bieten, so den im Holzfass ausgebauten Rosé, der bei der Falstaff-Trophy ziemlich abgeräumt hat. Ich glaube, der mit Abstand günstigste Wein in der Spitzengruppe. However, die »Nakkt«-Serie verantwortet Sohn Felix, der eigentlich bei der LWG in Veitshöchheim arbeitet – als »experimenteller Önologe«, was natürlich ausgezeichnet passt. Der glückliche Silvaner hat wenig Alkohol, wenig Restzucker, praktisch keinen Schwefel, und trüb ist er auch noch. Ihr seht schon, eigentlich etwas für den Natürlichen Dienstag.

In der Nase frisch geöffnet überraschend zugänglich: reife Aprikose, kandierte Orangenzeste, geröstete Walnuss, erst dann kräuteriger. Im Mund finde ich die Gerbstoffe zart, es kommt aber mehr Natural-Aroma durch mit Apfelschale (oder kleine Hutzel), Wermut und wiederum erstaunlicherweise frischer Pampelmuse. Das ist ein Wein, den man nicht zu kalt trinken sollte, denn die Aromen kommen erst nach und nach zum Vorschein. Nicht »typisch« Silvaner, auch nicht so reif und tief wie Manfred Rothes Indigenius, aber ein sehr empfehlenswertes Produkt. Zumal der Preis für einen Naturwein ja auch absolut stimmt.

Mein Fazit

Frankenalltag Fazit

Mein Fazit zum Frankenalltag ist zunächst einmal von einer Erkenntnis geprägt. Ich hatte ja tatsächlich längere Zeit keinen Silvaner getrunken. Und irgendwie ist mir beim Probieren ziemlich schnell bewusst geworden, dass ich es vermisst hatte. Gerade jetzt im Winter. Diese durchgängig leichtgewichtigen, fruchtbetonten, manchmal auch erdverhafteten Weine machen einfach Spaß. Sie holen nämlich virtuell schon den Frühling herein. Mitprobiererin J äußerte gar, sie hätte jetzt spontan Lust auf frischen Spargel. Ich weiß, ich weiß, Silvaner kann man nicht nur zu Spargel trinken. Aber es ist einfach diese jahreszeitliche Kombination, die passt.

Gegenüber dem, was ich hier ansonsten oft probiere, erscheinen einige Weine vielleicht ein bisschen unterkomplex. Aber hey, wir sprechen hier ja auch explizit vom Frankenalltag. Falls ihr euch jenen also ein bisschen versüßen wollt (mit trockenen Weinen), schaut doch einfach mal im Keller nach, ob da nicht auch ein vergessenes Fläschchen leichtfüßigen Silvaners steht. Falls nicht, ein paar Anregungen habe ich ja hier geliefert…

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1 Antwort zu Frankenalltag

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