Clos du Temple Luxus-Rosé – Hype oder wirklich gut?

Clos du Temple Luxus-Rosé Gérard Bertrand

Gérard Bertrand ist einer der erfolgreichsten Wein-Unternehmer der Welt. Ich hatte ihn letztes Jahr bei der ProWein getroffen und darüber geschrieben. Seinerzeit ging es um sein »Bee Friendly«-Projekt und allgemein um Nachhaltigkeit. Mittlerweile hat Gérard allerdings in einer ganz anderen Disziplin vorgelegt. Es geht um den nach seiner Aussage besten, auf jeden Fall aber aktuell teuersten Rosé der Welt. Clos du Temple heißt er, und für genau 260,61 € seid ihr auch mit dabei. Das brachte mich auf die Idee, diesen Luxus-Rosé mal ins private Wettrennen zu schicken um die rosafarbene Krone.

Der teuerste Rosé der Welt

Den teuersten Wein allgemein zu erschaffen und damit in die weltweiten medialen Schlagzeilen zu geraten, ist ein schwieriges Unterfangen. Natürlich, wir sprechen hier von Ab Hof-Preisen für frische, unversteigerte Bouteillen und nicht von Sammlerpreisen, was auch immer »ab Hof« im konkreten Fall bedeuten mag. Aber wenn man sich Weine wie den Musigny der Domaine Leroy anschaut, sind wir hier ganz locker im fünfstelligen Bereich. Auch Weiße wie der Chevalier-Montrachet der Domaine d’Auvenay können da ganz gut mittun.

Beim Rosé hingegen ist das Spiel noch ziemlich offen. Das liegt vor allem daran, dass dieser Weintyp eben nicht Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte des Prestigegewinns hinter sich hat. Rein technisch könnte ich natürlich einen Romanée-Conti im Saignée-Verfahren rosafarben keltern. Tatsächlich macht jedoch keiner der berühmten Rotweinwinzer so etwas. Zugegeben, ein paar Kult-Rosés für echte Enthusiasten gibt es zweifellos. Aber dreistellig ab Hof? Da wird es dünn.

Einige Jahre lang hielt der Garrus vom Château d’Esclans den Titel. Gestartet im Jahrgang 2006 mit 80 €, sind wir hier mittlerweile bei 145 Ocken Kröten Pimperlingen angelangt. Der Wein ist übrigens wirklich gut, ich habe ihn probiert. Blind wäre ich allerdings ganz eindeutig bei einem feinen, luxuriös ausgebauten Weißen. St. Antonys »Wunderschön Pure« kann mit 125 € zumindest preismäßig fast mithalten. Aber erst der Clos du Temple knackt lässig die 200 €-Marke. Schauen wir ihn uns also einmal an.

Clos du Temple im Languedoc

Clos du Temple Lage Gérard Bertrand Languedoc

Wer Gérard Bertrand noch nicht kennen sollte, das ist ein Mann, der Hingabe (an sein Unternehmen) wahrhaftig in Großbuchstaben schreibt. Mit einem kleinen elterlichen Weingut ausgestattet, wurde er zunächst Rugby-Profi und dann Schritt für Schritt zum, tja, Bio-Magnaten. Über 1.000 Hektar Rebland gehören entweder seinem Unternehmen direkt oder sind über Kontraktwinzer mit ihm verbunden. Mit seinen Weinen ist er in fast allen Ländern dieser Erde vertreten, und im Languedoc stampft er ein Projekt nach dem anderen aus dem Boden. Das einzige, was man ihm dabei vorwerfen könnte, ist die Tatsache, dass er nichts still und leise, sondern immer mit medialem Brimborium tut. Aber das wäre schon arg kleingeistig. Schließlich wünschen wir uns doch world leader, die sinnvolle Dinge tun. Also dürfen sie auch ruhig darüber sprechen.

Der Clos du Temple ist nicht nur ein Wein, sondern praktisch ein Weingut. Oben auf dem Bild (Credits an Gérard Bertrand für das Überlassen des Fotos) könnt ihr es sehen, hier auf Google Maps auch finden. Cabrières als Herkunfts-Appellation war bislang noch nicht so in Erscheinung getreten. Aber ähnlich wie bei den Terrasses du Larzac sind wir schon ein wenig in der Höhe gegenüber der heißen Ebene. Geologisch ist das eine spannende Ecke, ähnlich wie Teile von Faugères oder St-Chinian, Kalkfels mit Schieferdecke. Aus 8 ha absoluter Alleinlage holt Gérard insgesamt weniger als 10.000 Flaschen Rosé – kein Rekordertrag, wie man sich denken kann. Das Keltereigebäude gleicht architektonisch einem modernen Tempel für den Roséwein. Außen quasi pflanzlich durchwurzelter Beton, innen pyramidaler Sonnenkult. Wer sich das mal anschauen möchte, auf der Website gibt es einen Einblick.

Gérard Bertrand – Clos du Temple 2022

Clos du Temple Rosé

Was mich jetzt aber natürlich besonders interessiert, das ist der Wein selbst. Biologisch zertifiziert mit biodynamischen Prinzipien im Weinberg. Handlese vor Sonnenaufgang. Sowohl Lese als auch Ausbau parzellengetrennt. Praktisch keine Transportwege. Viel Freilaufmost. Neue Holzfässer. Sechs Monate Feinhefelager mit Aufrühren. Cuvetierung an einem Fruchttag. Von Spontangärung und dem Verzicht auf Filtration lese ich nichts, aber der Clos du Temple soll ja auch kein wilder Wein sein, sondern ein edler. Die Zusammensetzung übrigens: 41% Cinsault, 38% Grenache noir, 11% Syrah, 7% Mourvèdre, 3% Viognier.

Farblich hat der Clos du Temple ein zartes Apricot zu bieten, wie man es oben auf dem Titelfoto sieht. In der Nase ist der Wein in diesem jungen Stadium noch sehr verschlossen. Dafür tritt er im Mund umso expressiver auf. Die hohe Viskosität der Materie deutet nicht nur auf die 14 vol% hin, sondern auch auf einen für Rosés ungewöhnlich dichten Extrakt. Am ersten Tag denke ich noch an einen Weißwein, einen weißen Châteauneuf vielleicht mit etwas mehr Säure, aber abwarten. An Tag 2 ist sofort weißer Pfeffer an der Zungenspitze, es gibt Aromen von Aprikose und Erdbeere, gar gelber Kirsche, dazu spürbares, aber edles Holz. Der Wein hat mehr zu sich gefunden, was verblüffenderweise bedeutet, dass ich ihn gar nicht mehr mit einem Weißen verwechseln würde.

Dieser Charakterwechsel deutet natürlich darauf hin, dass der Clos du Temple ein Lagerwein ist, der noch mehrere Phasen durchlaufen dürfte, ehe er auf seinem Harmonie-Höhepunkt angekommen ist. Ich möchte nicht sagen, dass er mich derzeit charakterlich extrem berührt, aber es ist schlicht ein edler Wein.

Alexandre Bonnet – Rosé des Riceys 2006

Rosé des Riceys Alexandre Bonnet

Aus Spaß setze ich, schließlich sind wir bei Luxus-Rosés, ein komplett anderes Gewächs dagegen. Es handelt sich um den Rosé des Riceys des Hauses Alexandre Bonnet aus der Champagne. Dieser Wein schlummerte schon ziemlich lange in meinem Keller. Jetzt schien mir die Gelegenheit aber günstig, denn neben dem teuersten Rosé der Welt kann doch eigentlich nur ein 17 Jahre altes Exemplar bestehen, oder? 100% Pinot Noir, lediglich 12 vol%, soweit ich weiß zumindest zum Teil macération semi-carbonique und primär ausgebaut im Stahltank.

Helles Ziegelrot. Eine komplett andere Farbe, eine komplett andere Welt. Faszinierend, das nennt sich wohl Bandbreite. In der Nase gibt es viel Erdbeergelee, eine gewisse Balsamik, dazu leicht Wacholder. Wirkt jedenfalls noch fruchtbetont und nicht zu alt. Im Mund kommt dann noch mehr Überraschendes. Der Rosé des Riceys besitzt wirklich eine absolut prononcierte Säure, ist ganz trocken, ganz strikt, ein nördlicher Typus, fast wie der Grundwein für einen Rosé-Champagner. Unreif im Sinne von grünen Noten ist da nichts, aber halt sehr schlank. Ich bin mir nicht sicher, ob heutige Rosés des Riceys immer noch so gehalten werden. Jedenfalls würde vermutlich niemand auf die Idee kommen, »luxuriös« als beschreibendes Adjektiv zu wählen. Eher calvinistisch. Dafür funktioniert der Wein hervorragend zu Hähnchen mit Cajun-Marinade (von Rœllinger), pointiert, ohne sich in den Vordergrund zu stellen. Sehr interessant.

Luxus-Rosé und Farbe

Farbvergleich Rosé

Wäre die Farbe nicht so wichtig für Roséweine, würde man nicht fast alle von ihnen in Weißglas-Flaschen anbieten. Oben seht ihr links den Rosé des Riceys, eigentlich ein heller Rotwein. Und rechts steht der Clos du Temple, im Prinzip ein Blanc de Noirs. Alle Welt möchte derzeit die hellen Rosés haben, vielleicht weil die Farbe eher an Prinzessin Lillifee oder die junge Sissi erinnert, ein dunkler Rosé hingegen an Pumuckl oder Sancho Panza. Entschuldigung, da ist die Fantasie gerade mit mir durchgegangen, aber ihr versteht sicher, was ich meine.

Rosé ist gemeinsam mit Schaumwein auch die Weinkategorie, in der es am meisten auf Erscheinungsbild, Präsentation, Design ankommt und vergleichsweise weniger auf den nackten Wein selbst. Der Clos du Temple kommt in einer vollkommen eigenen Flaschenform daher, die die einen als klobig, die anderen als edel-babylonisch bezeichnen. Und schwer ist sie, fast ein Kilogramm ohne Inhalt. Natürlich kann man das beim besten Willen nicht als nachhaltig bezeichnen, aber Gérard Bertrand sagte mir, irgendwo müsse ihm doch auch ein bisschen künstlerische Freiheit zugestanden werden.

Ist der Clos du Temple das Geld wert?

Ist der Clos du Temple also, um zur Ausgangsfrage zurückzukehren, (nur) ein gewollter Hype oder (auch) wirklich gut? Also die 260 € »wert«? Nun, das kommt ganz darauf an. Blind und rein vom Qualitätsversprechen her hätte ich vielleicht auf 30 € getippt. Also: ein guter Wein, keine Frage, ein hochwertiger auch, aber noch keine Legende. Für 260 € könnte man auch drei Dutzend Flaschen anständigen Guts-Rosé erstehen und lange Zeit davon zehren. Nur: Erzählt man später davon? Und ist das nicht auch vielleicht eine arg deutsche Sichtweise?

Ja, das ist es tatsächlich. Der Clos du Temple ist nicht für den deutschen Markt gedacht, und er passt eher in die Welt der Luxusgüter als in die Welt des Winzerweins. Man sollte ihn wie ein Schmuckstück betrachten. Wem diese Idee gefällt, das Flair, das damit einhergeht, wird vielleicht auf diese Weise auch auf die kleineren Weine von Gérard Bertrand aufmerksam. Den Orange Gold zum Beispiel, der für 14,95 € angeboten wird und schon ganz viel Clos du Temple-Esprit in sich trägt.

Wer hingegen auf eine komplett andere Form von Luxus steht…, ihr seht vielleicht auf dem Titelfoto links noch eine Rosé-Flasche, über die ich bislang nicht gesprochen habe. Das ist der »Galoupet Nomade«. Kam für immerhin 25 € in begrenzter Menge auf den Markt – in einer Flasche aus »prevented ocean plastic«. Jene wiegt gut 50 Gramm und sieht aus wie Spüli. Aber auch hier ist es so: Wenn ich die Flasche auf den Tisch stelle und einschenke, ist sofort ein Gesprächsthema da. Dass es übrigens solche Weine wie den Clos du Temple oder den Galoupet Nomade überhaupt gibt, zeigt ganz deutlich, dass auf dem Rosé-Markt unabhängig vom Wein selbst sehr viel möglich ist. Und ganz ehrlich, allein das finde ich spannend…

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5 Antworten zu Clos du Temple Luxus-Rosé – Hype oder wirklich gut?

  1. EC sagt:

    …ich kann mir derzeit nicht vorstellen, einen Wein für 260,61 Euronen zu kaufen, egal, welche Farbe er hat. Dennoch finde ich es erfreulich, daß es sowas gibt, denn je mehr solcher Ikonen die rosa Weinwelt aufwirbeln, desto mehr werden vielleicht auch andere Winzer angefixed, nicht nur Bonbonwasser in der Farbe herzustellen.

    Die Realität zeigt halt leider, daß anspruchsvolle Rosés immer noch Mangelware sind, fast alle sind m.E. nur Sortimentsfüller, auch bei ansonsten renommierten Erzeugern.

    Dabei bin ich gerne bereit, auch 30, 40 oder 50 EUR für ein rosa Fläschchen auszugeben, wenn es das Geld denn auch wert ist. Sylvain Pataille, Domaine de l’Horizon, Chateau Musar, Christian Tschida, Frank Cornelissen, Chat Sauvage, Gut Oggau sollten keine rosa Ausnahmgüter, sondern jeweils eines unter vielen sein…

    • Matze sagt:

      Danke für deinen Kommentar! Mir geht’s da ganz ähnlich wie dir. Interessanterweise habe ich festgestellt, als ich letztes Mal in Frankreich war, dass die Rosés dort nicht nur im Fachhandel, sondern erstaunlicherweise auch im Super- oder Hypermarkt im preislich oberen Bereich ganz schön aufgestockt wurden. Ob das qualitativ an Pataille oder Roc des Anges und Konsorte herankommt, ist natürlich nicht gesagt. Aber die Tendenz ist auf jeden Fall da. Eigentlich kann man doch ganz ähnlich wie beim Weißwein vinifizieren (also spontanvergoren, Holzfass, nicht zu scharf filtriert) und hat dann schon für 15 € einen schönen Wein mit noch schönerer Farbe. Schauen wir also mal, ob die Winzer:innen uns erhören 😉

  2. Thomas Riedl sagt:

    Hallo zusammen,
    ich verweise zur Bedeutung von Rosé auf einen Beitrag von Nicole Korzonnek: https://bottled-grapes.de/rosewein-trend-herstellung-stilistik/

    Sie nennt statistische Werte, die mich überrascht haben. DIe Zahlen führen aber vor Augen, welche Relevanz Rosés inzwischen am Markt haben.

    Was die Preisgestaltung von Rosés angeht, verweist sie auf St. Antony, deren “Wunderschön Pure” 125 € kostet.
    Das würde ich privat für keinen Wein der Welt ausgeben, aber Winzer sind Unternehmer, die auch testen, was der Markt mit all seinen Nischen hergibt. Michael Teschke hatte einst den “Mission” erzeugt, der mit 120 € der teuerste Sylvaner der Welt , den Preis m. E. aber nicht wert war. Meine kritische Frage, warum er das macht, beantwortete er schlicht so: “Wer, wenn nicht ich?”

    • Matze sagt:

      “Wert”, heißt es ja immer so gern in Kunstkreisen, sei eine Sache genau das, was jemand anderes bereit sei, dafür zu zahlen. Ich denke, auf die meisten Luxusobjekte trifft das auch genau so zu. Es gibt allerdings noch die Dinge, denen “der, die oder das teuerste” vorweggestellt werden kann. In diesen Fällen, würde ich vermuten, geht es weder unmittelbar um die objektive Qualität noch darum, ob das tatsächlich jemand kauft. Es genügt ja manchmal auch, dass das “teuerste” Produkt einer Kategorie entsprechend durch die Medien geistert. Dass es das überhaupt gibt. Und Dirk Würtz ist sicherlich jemand mit einem ausgesprochen guten Gespür für Marketing 😉 . Michael Teschke war oder ist das, vermutlich auch aus persönlichen Gründen, eher nicht. Meine rein subjektive Einschätzung.

  3. Karl Steigelmann sagt:

    Hallo! Der Wein ist soviel Wert wie jemand bereit ist zu zahlen.Es ist wie mit der Kunst
    dem einen gefält es dem anderen weniger.Wein ist auch richtig gemacht Kunst.Ob der Wein sein Geld wert ist entscheidet der Genuß und die bereitschaft das anzuerkennen.

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