Weinprobe: Französische Spitzenrote aus dem Süden

Den Cave des Oblats in Lüttich als fantastische Quelle verschollen geglaubter Weine hatte ich ja schon mehrfach erwähnt. Diesen Samstag (30.10.) gab es bei der allwöchentlichen Weinprobe allerdings keine Trouvaillen, sondern ganz im Gegenteil höchst renommierte und auch nicht gerade niedrigpreisige französische Rotweine zu kosten. Alle stammten aus dem Jahrgang 2007, bei allen habe ich nur einen sehr kleinen Ersteindrucks-Schluck genommen, aber auch den möchte ich Euch nicht vorenthalten. Wer kennt Trévallon, Grange des Pères oder Auguste Clape?

1. Wein: St-Joseph „Mairlant“ von François Villard, 22,40 €, 100% Syrah von der Nordrhône: Die Nase erinnert ganz leicht an diese himbeerbonbonartige Süßigkeit, die ich lustigerweise bei kleineren Syrahs schon öfter mal wahrgenommen hatte, also irgendwie künstlich. Am Gaumen ist der gute Mairlant dann aber wieder viel ernsthafter, überraschend harmonisch bereits, ohne harte Tannine. Mag sein, dass der Wein noch mitten in seiner Fruchtphase steckt und bald wieder zumacht, vielleicht war es aber auch einfach der Jahrgang der reifen Frucht, und er wird immer weiter schmecken. Schon mal ein guter Start jedenfalls. 16,5 MP (= Matzepunkte)

2. Wein: Bandol Château de Pibarnon, 25,20 €, hauptsächlich Mourvèdre aus der Küstenprovence: Nanu, was ist denn mit dem Pibarnon los? Sonst eher sumpfig in seiner Fruchtnote (pardon, nur meine Meinung), ist der Mourvèdre auch hier verblüffend offen. Erst zum Schluss kommt eine Bitterkeit, die nicht mehr allein Garriguekräuter evoziert, sondern vielmehr ein vertrocknetes Gestrüpp, an dem nur noch Ziegen knabbern. Der schwächste Wein des Flights, und immer noch mindestens 16 Punkte. Und dass ein Mourvèdre erst nach 15 Jahren wieder aufwacht, wäre ja nichts Neues. 16 MP

3. Wein: Vin de Pays des Bouches du Rhône Domaine de Trévallon, 44 €, Cabernet Sauvignon und Syrah zu gleichen Teilen aus der Inlandsprovence: „Waaas“, werden diejenigen fragen, die diesen Wein nicht kennen, „ein Landwein für fast neunzig Mark?“ Aber ja doch, der Wein stammt aus der Provence, und da sind 50% Cabernet Sauvignon als Bordeauxtraube eindeutig zu viel. Meinen die Appellationswächter. Aber es ist auch nicht ganz einfach hier, denn die Rotweine der Provence leiden schon an ihrer relativen Beliebigkeit. Oder wer von Euch Profis würde es sich zutrauen, einen Rotwein aus der Provence (nicht diesen hier) blind zu erkennen? Bei diesem Wein merkt man in der Nase noch ganz krass, dass zwei Charaktertrauben gegeneinander kämpfen: Paprika und Wegerich treffen auf rohes Rehbockfleisch. Am Gaumen wird das Ganze dann aber (wie bei den anderen davor) überraschend fruchtig-reif, aber völlig ohne Reifeexzess. Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Freund der fetten Brummer bin, und dieser Wein besitzt eine exzellente Frische. Wie ich gehört habe, meinte Eloi Dürrbach (der Winzer), das sei der beste Jahrgang, den er je gemacht hätte – und er hat schon viele Jahrgänge hinter sich. Natürlich ist es komisch, dass immer der zum Verkauf stehende Jahrgang der allerbeste ist, aber einem Querkopf wie E.D. kann man ein solches Urteil schon abnehmen. 18 MP

4. Wein: Vin de Pays de l‘Hérault Domaine de la Grange des Pères, 47 €, viel Syrah aus dem Languedoc: Wenn Eloi Dürrbach ein Querkopf ist, dann weiß ich nicht, als was man Laurent Vaillé bezeichnen sollte. Eisenschädel? Er bringt seit zwei Jahrzehnten mit die teuersten Weine des Languedoc auf den Markt, natürlich als Landwein, und verweigert sich standhaft jeglicher Kooperation mit Weinjournalisten, Weinführern und dieser ganzen „Freibier-Community“. Ein sehr schwer zu beschaffender Wein jedenfalls. Die Nase ist von der Syrahtraube geprägt, aber voller, fruchtiger, weicher als beim Mairlant. Am Gaumen wird sofort ein großer Unterschied zu allen drei davor probierten Weinen deutlich: Viel dickere Materie, ein echt süßlicher Saft, aber nicht mit diesen schwarzen, platten, oft etwas müden Noten, mit denen sonst häufig die ambitionierten Weine des Südens nerven. Hier hat sich der Himbeersirup eine deutliche Frische bewahrt (ganz wie die wirkliche Himbeere übrigens auch), die Säure ist nicht gar zu mau, die Qualität wirklich spürbar. Natürlich bleibt Laurent Vaillé seinem Stil treu, es ist nicht diese eklatant mineralische Spröde, wie sie Gérard Gauby seit einiger Zeit seinem „Muntada“ mitgibt, aber langweilig ist der „Grange des Pères“ wahrhaftig nicht. 17,5 MP

5. Wein: Cornas Domaine Auguste Clape, 48,60 €, 100% Syrah von der Nordrhône: Pierre Clape macht genau zwei Weine, dies ist der größere, „Renaissance“ heißt der auch nicht viel kleinere. Alles Steillage, alles Handarbeit, und Pierre ist einer der unglamourösesten Menschen, die derartig gute und teure Weine herstellen. So modisch wie ein Physiklehrer, würde ich sagen. Aber das ist natürlich genau richtig in einer Branche, in der gelegentlich das Marketing wichtiger geworden ist als das Produkt. Dieser Wein kocht sein eigenes, trockenheißes Süppchen: Brombeernase, Unterholz, wieder diese Wildnoten, klassisch für diese Herkunft. Am Gaumen hätte ich wie bei allen anderen eine größere Unzugänglichkeit erwartet, aber auch dieser Wein ist nicht ruppig und abweisend. Trotzdem scheint er mir von allen heute probierten Weinen derjenige zu sein, der die längste Zeit benötigen könnte, um in seiner echten Spitzenform aufzulaufen, mindestens 15 Jahre. 17 MP

Das Fazit dieser Weinprobe fällt ziemlich schlicht aus: Alle Weine sind qualitativ sehr weit oben anzusiedeln. Bei keinem hatte ich das Gefühl, dass der doch happige Preis in keinem Verhältnis zum Gebotenen liegt. Die Frucht-Frische-Tannin-Kombination  war bei allen wirklich ausgezeichnet, was man bei diesem Jahrgang – gewisse Überreife-Exzesse auf den heißen Kieseln von Châteauneuf-du-Pape – leider nicht überall in der Region findet. In den nächst kommenden Jahren würde ich dennoch keinen dieser Topweine aufmachen; entweder jetzt oder in frühestens zehn Jahren.

Zum Abendessen im eher weniger geräumigen Hotelzimmer hatten wir uns übrigens einen Käse aus Nordfrankreich gekauft. Der Käser meinte es sehr gut mit allen deutschen Touristen, die ins Ch’ti-Land kommen und hatte auf der Verpackung auch alles auf Deutsch beschrieben – leider mit Hilfe einer gruseligen Übersetzungs-maschine. Ein in den Algen gepflastertes Milchprodukt. Statt “23% Fettanteil im fertigen Produkt” heißt es da “23% nimmt Stoff (Fach) fetter heftig heraus”. Tja, scheint ja ein etwas rabiater Käse zu sein…

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5 Antworten zu Weinprobe: Französische Spitzenrote aus dem Süden

  1. gery sagt:

    danke für die interessante verkostungsnotiz! Grange des Pères interessiert mich schon länger, die Weine scheinen ihr Geld ja wert zu sein!

    • chezmatze sagt:

      Hallo Gery,

      so schien es mir auch. Allerdings ist gerade im Languedoc 2007 ein fantastischer Jahrgang gewesen, reif und saftig, aber trotzdem mit der dort oft etwas mangelnden Frische. Einen 2003er würde ich auch von Grange des Pères nicht unbedingt kaufen. Die Preise woanders sind wegen des leicht spekulativen Charakters übrigens meist deutlich höher. Bei 1855.com (dieser Internet-Weinversand) zahlt man für den 2006er 94,52 €, total übertrieben, bei Karl Kerler (www.karl-kerler.de, deutscher Weinversand, immer mal interessante Sachen), ist der 2007er schon ausverkauft, hätte aber auch “nur” 63 € gekostet…

      Grüße, Matze

  2. Pingback: Weintest Montcalmès 2007 – und ein paar Reflexionen zum Stilstreit zwischen Gauby und Bizeul | Chez Matze

  3. thvins sagt:

    Hallo Matze,

    ein schöner Blog, in den ich mich grad ein wenig eingelesen habe – ich würde dich gern auf meinem Blog verlinken, falls du nichts dagegen hast. Ich schreibe zwar inzwischen viel übers Priorat, aber meine großen “Jugendlieben” sind das Languedoc / Roussillon und das Jura.

    Die drei angesprochenen Domainen kann ich mit ja beantworten…

    Trevallon kenne ich die Leute von der Vinisud her und habe einiges verkostet, aber nichts im Keller, Clape kenne ich leider nicht persönlich, aber nach einem bereits getrunkenen 1991er (einer meiner bislang schönsten Rhôneweine im Glas) warten noch 1997 und 2003…
    Und bei Laurent Vaillé habe ich lange Jahre ergebnislos an die Tür geklopft, aber eines Tages durfte ich dann doch hinein und drei Flaschen aus 2002 kaufen – ein Wahnsinnsstoff trotz des schwierigen Jahrganges. Auch den 2003er solltest du nicht von der Bettkante schubsen (ähm nicht in den Ausguß schütten…) Das ist Zeug, was man durchaus immer gern trinkt. In dem Jahr wollte ich nur fix die eventuell 3 Flaschen abholen und sagte noch zu meinem Begleiter nach anstrengender Woche im Priorat “das geht ganz fix” und dann saßen wir zwei Stunden mit der Pipette im Keller… Das Leben kann so schöne Überraschungen parat halten!

  4. Pingback: Ein teures Vergnügen: Grange des Pères blanc 2005 | Chez Matze

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