Silvaner & Sylvaner Worldwide

Sylvaner Dachsberg Saale-Unstrut

Ist es vorstellbar, dass die Rebsorte Silvaner außerhalb Frankens auch irgendwo geschätzt wird? Vielleicht sogar in ihrer alten Form »Sylvaner« geschrieben wird? Und dort dann Einflüsse der anderen Bedingungen aufnimmt, der anderen winzerischen Interpretation? Äh, logisch. Ich habe fünf Silvaner, pardon, Sylvaner gefunden, die ausgesprochen spannend und wahrhaft unterschiedlich sind…

Sylvaner around the world

Silvaner-Schau

Die Bezeichnung »around the world« ist selbstverständlich ein bisschen übertrieben. Das Statistische Bundesamt verrät, dass im Jahr 2022 in Deutschland insgesamt 4.419 ha mit Grünem und 33 ha mit Blauem Silvaner bestockt waren. Damit sind wir (wie gefühlt eh ständig) überlegen Weltmeister. Nach (nationalen und internationalen) Anbaugebieten geordnet sieht das wie folgt aus: 1.936 ha in Rheinhessen, 1.584 ha in Franken, 923 ha im Elsass, 468 ha in der Pfalz, 306 ha im Wallis, 188 ha an der Nahe, 166 ha in Morava/Mähren, 114 ha in Baden, 86 ha in Württemberg, 65 ha in Südtirol, 51 ha an Saale und Unstrut, und schließlich noch 38 ha in Österreich, wo die Rebsorte ja herkommt. Kroatien, Slowenien und die Slowakei haben auch so zwischen 100 und 200 ha, aber da gibt es keine aktuellen Zahlen.

Wie auch immer, da ich euch hier genau fünf Beispiele präsentieren möchte, ist die Auswahl natürlich entsprechend limitiert. Es gibt bestimmt 100 andere, die ich ebenso hätte nennen können. Bei den letzten Malen hatte ich übrigens unter anderem bereits  Keller & Saalwächter oder auch das Weingut Porzelt vorgestellt.

1. Bernhard/Rheinhessen – Silvaner Naturkind

Weingut Bernhard Wolfsheim

[In Kooperation mit dem Weingut Bernhard] Rheinhessen – unendliche Weiten… könnte man meinen. In Wirklichkeit präsentiert sich Rheinhessen in den allermeisten Bereichen überraschend kleinteilig und entdeckenswert – auch abseits des Niersteiner Roten Hanges. Habt ihr zum Beispiel schon mal etwas von Wolfsheim gehört mit seiner schönen Lage Wolfsheimer Sankt Kathrin? Natürlich nicht, gebt es ruhig zu! Wir sind hier auf halber Strecke zwischen Bingen und Alzey in einem eher sanften Hügelland, in dem sich Weinberge, Felder und Dörfer abwechseln. In Wolfsheim, und zwar an der Ecke zwischen Kloster- und Kirchgasse, schräg gegenüber der Turnhalle, findet ihr das Weingut Bernhard.

Jörg und Tochter Martina haben die 27 ha des Betriebs komplett auf biodynamische Bewirtschaftung umgestellt. Silvaner spielt hier nicht erst seit gestern eine entscheidende Rolle. Schaut in den Online-Shop, und ihr werdet sehen, dass es Silvaner sowohl als Guts- als auch als Orts- (Wolfsheim) als auch als Lagenwein (Sankt Kathrin) gibt. Das ist schon wunderbar an sich, aber mit dem 2020er Jahrgang hat sich zusätzlich ein Naturwein-Silvaner in diese Linie gemischt.

Bernhard Silvaner Naturkind

Die Trauben sind bei geringem Ertrag von 30 hl/ha vollreif eingebracht worden und durften anschließend zwei Woche spontan auf der Maische gären. Dann wurde sanft gepresst, der Ausbau fand in einem 500 Liter-Tonneau statt. Zeit ist ja ein ganz wesentlicher Faktor bei der Weinwerdung, und genau von jener bekam der Naturkind-Silvaner (denn so heißt er) mehr als genug. Volle zweieinhalb Jahre durfte das Naturkind nämlich auf der Hefe reifen und steht jetzt aktuell für 15 € im Verkauf.

Farblich sind wir hier beim dunklen Gold, genau das erhofft man sich doch bei so einem Maischegärer respektive Orange Wine, wie er mittlerweile überall bezeichnet wird. In der Nase gibt es erst ein bisschen Apfelschale, kandierte Orange, dazu etwas Kakao und Nougat vom Holz. Als ich den ersten Schluck genommen habe, rufe ich spontan “Dunnerlüttchen!” aus, ein in Süddeutschland ausgesprochen gebräuchlicher Begriff positiven Erstaunens. Das Naturkind präsentiert sich nämlich enorm vielschichtig, komplex und alles andere als spröde. Der leichte Grip durch die Maischegärung ist durch den langen Holzfassausbau sehr geschmeidig gemacht worden. Dazu kommt viel aromenreiche, stoffige Würze.

Irgendwie fühle ich mich intuitiv an die Zeiten der Urgroßeltern erinnert. Wenn man sagen wir mal im Jahrgang 1921 die gesündesten und reifsten Trauben eingebracht hat, um im neuen Fass daraus die beste trockene Spätlese zu machen, dann könnte das vielleicht genau so gewesen sein. Ohne Tricks und ohne önologische Hilfsmittel, einfach werden lassen.

2. Haderburg/Südtirol – Sylvaner Obermairlhof

Südtirol Eisacktal

Südtirol ist für uns das Land in den Bergen. Aber jenseits der Alpenhauptkette, damit kurz vor dem Gardasee und selbstverständlich schon ein wenig südlich anmutend. Für die Italiener selbst befindet sich Südtirol jedoch ganz weit oben, in nahezu polarkreisähnlichen Gefilden. Und am nördlichen Rand dieses Anbaugebiets, die Reben oft in steilen alpinen Hängen stehend, liegt das Eisacktal. Hier werden in erster Linie Weißweine hergestellt, die wiederum primär in den südlicheren Landesteilen verkauft werden. Kerner ist als Rebsorte mittlerweile die Nr. 1, Müller-Thurgau und Sylvaner stehen aber auch hoch im Kurs.

Von hier stammt ebenjener Sylvaner von Alois Ochsenreiter aus zertifiziert biologischem Anbau. Ochsenreiter führt eigentlich das Weingut Haderburg nahe Salurn, aber die Familie hatte auch die Chance, 2,9 ha steilen Reblandes oberhalb von Klausen im Eisacktal zu erwerben. Zwischen 650 und 750 Meter hoch liegen die Reben auf einem Gemisch aus Sand und Schotter, dazu ein bisschen Quarzit. In unmittelbarer Nähe befinden sich die Höfe Radoar und Garlider, die den Fand des »anderen« Südtirols unter euch vielleicht auch etwas sagen.

Haderburg Sylvaner Obermairlhof

Verschlossen mit einem Diam 10 fließt ein farbkräftiger Wein ins Glas. In der Nase gibt es deutliche Honignoten, Akazienblüte und auch ein wenig Joghurt. Ich denke deshalb sofort an ein wenig Botrytis, an oxidative Ansätze, an biologischen Säureabbau. Im Mund erscheint der Wein aber gar nicht breit, sondern besitzt über seine Salzigkeit eine schöne Pikanz. Grüne Mandel, Orangenschale, leichte Phenolik, viel Würze – und dabei gleichzeitig mit gutem Trinkfluss ausgestattet. 14,50 € hat mich der Wein ab Hof gekostet, gibt es online auch beim Winestore.

3. Gussek/Saale-Unstrut – Grüner Silvaner Dachsberg Bin 92

Kaatschener Dachsberg

Ein Details dieses Weinbergs habe ich euch schon auf dem Titelfoto gezeigt. Es handelt sich um den alten, den ursprünglichen Teil des Kaatschener Dachsbergs. Auf Charlies Karte ist das der terrassierte Bereich ganz rechts unten. Oben gibt es unter Bäumen einen Wanderweg den ganzen Berg entlang, in der Mitte führt eine steile Treppe von Terrasse zu Terrasse, und im Rücken meines Fotos befindet sich die Saale. Vom gelegentlichen Güterzug abgesehen ist es wunderbar still hier. Der Winzerhof Gussek bewirtschaftet diesen Teil als Monopol. Mehrere Rebsorten gedeihen dort, die ältesten Reben sind allerdings diejenigen, aus denen unser Wein gekeltert wurde: Silvaner, Pflanzjahr 1927.

Gussek Silvaner Dachsberg

Im Jahrgang 2018 schmückte eindeutig ein Künstleretikett die Flasche. Ob das in den nachfolgejahrgängen auch so ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber der 2022er Jahrgang ist für 21 € im Online-Shop des Weinguts zu haben. Die »Bin«-Bezeichnung hatte mich zunächst ein wenig irritiert und an Penfolds erinnert, aber 92 bedeutet schlicht der 92. Jahrgang aus diesen Reben.

2018 war so heiß und trocken wie nie zuvor (leider fast eine Konstante seitdem), die Trauben also definitiv hochreif. Zum Glück scheint André Gussek aber allen Versuchungen widerstanden zu haben, den Wein irgendwie »anders« zu machen, als die Natur das vorgesehen hatte. Im Dachsberg-Silvaner stecken viel Kraft, Viskosität und eine fulminante pfeffrige Würze zum Abgang. Primärfrucht braucht man nicht zu suchen, stattdessen gibt es etwas Kümmel und Liguster, der Wein gleitet tiefergelegt den Mund entlang. Und genau wegen dieser Jahrgangstypizität sind die Alten Reben so wahnsinnig harmonisch. Ein Speisenwein, der sich langsam entfaltet.

4. Zusslin/Elsass – Sylvaner Bollenberg

Elsass

Im Elsass gibt es wahrscheinlich mehr pittoreske Dörfer und Burgen auf Waldkuppen als irgendwo sonst auf der Welt. Leider (sagen manche) gibt es auch eine Menge Grand Cru-Lagen, die teilweise ganz schön ausgeweitet sind. Der Bollenberg zählt nicht dazu, vielleicht weil er arg lässig den steileren Vogesenhängen vorgelagert ist. Dabei siedelten hier schon die Kelten und produzierten – wer weiß das schon so genau – vielleicht sogar Wein. Die Domaine Valentin Zusslin, seit fast 25 Jahren zertifiziert biodynamisch bewirtschaftet, gehört auf jeden Fall zu den elsässischen Spitzenweingütern.

Zusslin Sylvaner Bollenberg

Die Reben für den Bollenberg-Sylvaner stammen aus dem Jahr 1970, nehmen sich also gegenüber den fast 100-jährigen Gussek-Reben wie Jungspunde aus, obgleich sie auch schon ein halbes Jahrhundert in der Parzelle Effenberg stehen. Spontan vergoren und 18 Monate in Fuderfässern auf der Hefe ausgebaut, ist dies hier ein Wein, der für mich auch durchaus elsässischen Grand Cru-Status verdient hätte. In der Nase gibt es eine wunderbar würzige Reife, kandierte Zitrone, feiner Holztouch; primär, sekundär und tertiär zu gleichen Teilen. Im Mund ist der Wein vollkommen trocken. Die Pikanz kommt auch hier nicht von der Säure, sondern über Phenolik, Struktur und Salzigkeit. Enorm elegant, im zweiten Trinkteil dann überraschend leicht werdend (12 vol% nur), schlicht ein toller Wein. Ich hatte 21,25 € in der Petite Ferme Riedwasen in Sélestat bezahlt und dabei noch köstlichen Käse erstanden. Es ist schon schön im Elsass…

5. Teschke/Rheinhessen – Sylvaner 19-29

Dromersheim Laurenziberg

Letzter Wein und noch einmal ein Vertreter totaler Individualität. Ich merke es selbst beim Testen: Das hier sind nicht bloß Silvaner von »irgendwo anders her«, sondern alles echte Charakterköpfe. Auf dem Foto oben seht ihr den Ort Dromersheim, aufgenommen mit dem Teleobjektiv von Martin Teschs Laubenheimer Karthäuser aus. Hinter Dromersheim erhebt sich der Laurenziberg, und genau dort oben drauf hatte Michael Teschke einst seine großartigen Sylvanerreben. »Hatte« deshalb, weil (ihr wisst es vermutlich) er die Reben im Jahr 2021 verkauft hat. Davor waren Teschke-Sylvaner Kult. Streitbar, eckig und eigensinnig wie ihr Meister, die einen liebten sie, bei den anderen hinterließen sie eher Fragezeichen.

Teschke Sylvaner 19-29

Der Sylvaner 19-29 trägt die Ordnungsnummer seiner Parzelle und hieß davor »Von der Dünnbach« nach dem Dünnbachtal, das dem Laurenziberg entspringt. Michael Teschke gab seinen Weinen immer viel Zeit, ein Qualitätskriterium, das sich irgendwie durch den Artikel hier zieht. Eine lange Maischestandzeit gehörte ebenso dazu wie eine sehr langsame Pressung und natürlich Spontangärung. Ausbau in diesem Fall im Stahltank, denn es sollte nicht der allergrößte Wein werden. Vor einiger Zeit hatte ich auf Instagram vom Bonner Weinzirkel vernommen, der diesen Wein blind im Quervergleich angestellt hatte und irgendwie enttäuscht war. Umso gespannter war ich darauf, wie er sich bei mir präsentieren würde.

In der Nase natürlich (wie könnte es anders sein) praktisch keine Primärfrucht, vielmehr Malolaktik und eine wunderbare florale Würze, Walnuss, Sellerie, Senfmehl, viel Mineralik. Im Mund weiß ich sofort: Das ist kein Silvaner. Auch kein Sylvaner. Das ist ein Dézaley vom Genfer See, das ist ein Marsanne-Viognier von der Nordrhône, nur auf kühle Art (12 vol% auch hier). Es gibt nämlich zunächst ganz viel helle Blüte, Cantaloupe-Melone, ungemein viel Salzigkeit und dann einen verrückt dunklen Feuersteinuntergrund, Holzrauch. Erst ganz zum Schluss folgt etwas schwefelgelbe Mango aus der mir bekannten Silvanerwelt. Der Wein braucht Luft, bleibt dann aber auch über Tage stabil. Interessanterweise ist der 19-29 als Wein überhaupt nicht crazy, er entspricht bloß schlichtweg in keinem einzigem Merkmal einem fruchtig-frischen Wein aus deutschen Landen. Schmeißt also euer Lehrbuch weg und lasst euch darauf ein.

Letzte Reste des 2017er Jahrgangs gibt es noch bei Vinocentral für 20,90 €. Die Rebflächen von Michael Teschke haben je zur Hälfte die Weingüter Hofmann und Bischel übernommen, beide bio-zertifiziert und absolute Qualitätserzeuger. Dazu kommt noch eine Parzelle, die sich Carsten Saalwächter hat sichern können. Er will die alten Reben dort auf jeden Fall stehenlassen. Auf das weinliche Ergebnis können wir alle super gespannt sein.

Mein Fazit: Was macht Sylvaner aus?

Zwei Dinge sind mir bei meinem außerfränkischen Silvaner- und Sylvaner-Versuch aufgefallen.

1. Die Rebsorte ist unglaublich vielseitig. Mengenmäßig befindet sie sich außerhalb Frankens in freiem Fall. Das resultiert auf der einen Seite in »Gott ja, dann halt nur ein Gutswein davon«-Exemplaren, vornehmlich in Rheinhessen. Auf der anderen Seite ziehen Nischen ja immer gern latent nischöse Individualisten an. Folglich können auch solche Weine wie hier dabei herauskommen. Man muss sie ein bisschen ausgraben, aber es gibt sie.

2. Die Sylvaner, die ich in diesem Artikel vorgestellt habe, besitzen ein paar Gemeinsamkeiten, die in gewisser Weise mit Punkt 1 zusammenhängen. Die Weingüter haben sich nämlich entschlossen, nicht auf frische Primärfrucht zu setzen, sprich nicht auf den Weintypus, der in Deutschland am weitesten verbreitet ist. Stattdessen gibt es salzige Pikanz, viel Tiefe, Würze und, tja, Zeitlosigkeit. Das sind alles Langläufer, das sind alles Speisenbegleiter, das führt aromatisch und vom Ansatz her irgendwie aus Deutschland heraus. Ich musste die ganze Zeit unwillkürlich an virtuelle Weißweine aus dem kontinentalen Europa denken, an Slawonien, an Rumänien (richtig gute Fetească Albă) an den Nordwesten Bulgariens.

Leider haben (das liegt vielleicht auch an der seit dem Hunneneinfall tief verankerten Ost-Phobie aller weiter westlich gelegenen Länder) die wenigsten Weinmenschen hierzulande ein tiefergehendes Interesse daran entwickelt, was es dort gab und gibt. Und leider hatte die Zeit nach dem Zusammenbruch des Ostblocks auch nicht gerade dazu beigetragen, auf autochthone Kulturreben zu setzen. Chardonnay und Merlot schienen einen schnelleren Anschluss an kalifornischen Lifestyle zu versprechen. Aber: Liegt dort die eigentliche Heimat des Sylvaners? Doch literally Transsylvanien? Es würde mich auf jeden Fall (so wie ich es vor Jahren in Dalmatien gemacht habe) wahnsinnig interessieren, diese Region einmal auf der Suche nach lebendig gebliebenen Weinbauwurzeln zu besuchen. Vielleicht nächstes Jahr.

So bleibt es für mich immerhin bei dem Fazit, dass Silvaner und Sylvaner faszinierende Weine hervorbringen können. Ich bleibe also dran.

Dieser Beitrag wurde unter Anzeige / Sponsored Post, Wein abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

5 Antworten zu Silvaner & Sylvaner Worldwide

  1. Uli Teige sagt:

    Klasse Beitrag! Da weiß man gar nicht, wo man mit dem bestellen anfangen soll!!

    • Matze sagt:

      Danke dir! Ja, das sind schon SEHR unterschiedliche Interpretationen – und wenn man sich damit beschäftigt, jeweils wieder eine völlig eigene Story dahinter. Wenn man solche Sachen recherchiert und probiert, weiß man definitiv (falls das je in Frage gestanden hätte), warum das Thema Wein so spannend ist… 😉

  2. Thomas Riedl sagt:

    Lieber Matthias,
    danke auch von mir für Deine Recherchen, die auch meinen Blick auf Silvaner erneut geweitet haben. Obermairlhof, Zusslin und Bernhard kannte ich nämlich noch nicht.
    Und es geht mir nun wie Uli Teige. Am liebsten möchte ich alle Weine sofort bestellen und mit netten Leuten probieren. Das ist ja das Wichtigste überhaupt beim Wein: Das Zusammensitzen und Sprechen mit anderen Begeisterten!
    Endlich weiß ich auch, was ich auf dem Weg meiner vinophilen Selbstfindung geworden bin: Ein “nischöser Individualist”. Herrlich!

    Die Probe mit hochwertigen Silvanern, bei der Teschkes Wein manche im Bonner Weinzirkel enttäuscht hatte, hatte ich ja seinerzeit vorbereitet und präsentiert. Es war immer schwierig, Teschkes Weine innerhalb einer Probe so zu platzieren, dass sie gut rüberkamen. Du hast den m. E. exzellenten 19-29 aus 2016 sehr treffend beschrieben. Ich habe kürzlich meine letzte Flasche zu Spargel getrunken: Frisch, florale und vegetabile Noten, tiefenentspannt, lang, pure Eleganz, salzige Mineralität.
    Wer aber bei einer Verkostung von Sylvaner von vorneherein “gelbfruchtig, Birne, Quitte, Walnuss, Kraft, Druck am Gaumen, Holzwürze” etc. erwartet, wird von Teschke zwangsläufig enttäuscht sein. Und wenn in einer Verkostung natürlich die Kraftprotze auf Teschkes Weine folgten, war so ein feiner 19-26 schnell vergessen.

    Dass Michael Teschke als Winzer aufgegeben hat, ist qualitativ schade, wird aber niemanden verwundern, der ihn mal kennengelernt hat. Weinbau und Weinverkauf ist keine One-Man-Show, aber so hat Teschke es aufgezogen. Ganz schwieriger Mensch, ein Eigenbrötler ohne Bereitschaft zur Vernetzung und Kooperation, am Hof selber geradezu abweisend bis unhöflich, schwierig auch für Händler, weil er ständig die Bezeichnungen seiner Weine geändert hat und so keinen Markenkern hatte.

    Alle Interessierten möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Südpfalz drei interessante Sylvaner- / Silvaner-Erzeuger beheimatet: Andreas Porzelt hast Du ja schon mal vorgestellt. Die Reben hinter dem Spitzenwein aus dem Kirchberg sind inzwischen 70 Jahre alt. Großes Silvanerkino mit gefühlvollem Ausbau im Tonneau.

    Christian Heußler aus Rhodt unter der Rietburg hat fünf Reihen vor 1944 wurzelecht gepflanzten Silvaner übernommen und erzeugt daraus den im gebrauchten Tonneau ausgebauten OLD BOY. Meines Wissens die älteste Pflanzung in der Pfalz. Reife Birne, mineralisch, langes, salziges Finale. Für 11.50 € eine absolute Kaufempfehlung!
    Und Nico Leonhart vom Weingut Richard Rinck dreht weiter gekonnt an der Qualitätsschraube. Er hat den maischevergorenen Sylvaner “Unter den Bäumen” unfiltriert abgefüllt. Toller, superdichter , seidiger Stoff mit nur 12% Vol.! Phantastisch zu gereiften Bergkäsen oder Schafskäse, Schweinbäckchen, Wiener Schnitzel, Backhendl, Auberginen auf georgische Art (mit Walnüssen) oder einer Tagine mit Quitten. Und mit 13.00 € viel zu günstig. So ein Wein kostet in Franken das Doppelte.
    Daneben bietet Nico Leonhart noch die Sylvaner “Alte Reben” (8.00 €) und “Herdstein” (9.00 €). Beide ebenfalls unbedingte Kaufempfehlungen. Wenn er jetzt noch stärker auf Bioanbau und Humusbildung setzen würde…

    Viel Spaß beim Verkosten!

    • Matze sagt:

      Danke für deine Ergänzungen, hört sich wirklich sehr gut an!

      Hast du (wo wir grad bei der Pfalz sind) schon mal die Sylvaner (schreiben sich glaube ich alle drei so) vom Nussbaum-Projekt, von Collective Z und von Eric Carstensen (Handwein) probiert? Das sind auch unglaublich gute Sachen – man muss allerdings schon ein bisschen Freakigkeit mögen 😉

      Was Michael Teschke anbelangt: Ich habe ihn nur einmal auf einer Messe getroffen, da war er sehr nett. Was anderes kann ich dazu nicht sagen.

      • Thomas Riedl sagt:

        Hallo Matthias,

        danke für diese Tipps! Das Nussbaum-Projekt kannte ich nicht. Auf Collective Z war ich bei der Suche nach Gemischten Sätzen gestoßen und Eric Carstensen war mir auch nicht geläufig.
        Ja, es gibt noch sooo viel interessante Sachen in der Welt des Weines und der Reben.
        Gestern ist der OLD BOY von Christian Heußler angekommen 😉
        Und dann werden wir im Bonner Weinzirkel hoffentlich bald eine Probe mit auch freakigen Silvanern und Sylvanern veranstalten.

        Ich bin Michael Teschke zwei Mal begegnet. Einmal auf dem Kölner Weinsalon Natürel von Sur-ki Schrade und einmal auf seinem Weingut in Gau-Algesheim bei einer Adventsweinprobe, zu der er eingeladen hatte. Auf dem Salon war er freundlich, auf dem Weingut ruppig und unhöflich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.