Ein teures Vergnügen: Grange des Pères blanc 2005

Gestattet mir einen kruden Einstieg: In der Kleinstadt, in der ich zur Schule ging, gab es – 100 Meter von der Grundschule entfernt – einen Nachtclub. Dass es sich um einen solchen handelte, konnte man an der knallroten Tür erahnen und an dem selbst gewählten Werbespruch: “Zwar teuer, doch voll Feuer”. An diesen Slogan musste ich unwillkürlich denken, als ich den weißen Grange des Pères vor ein paar Tagen im Glas hatte. Rein geschmacklich. Winzer Laurent Vaillé ist ansonsten von kleinstädtischen Nachtclubs nämlich weiter entfernt als die Erde vom Mond.

Theoretisch kann man das Weingut in der Nähe von Aniane im Languedoc besuchen. Theoretisch kann man dort auch Wein erwerben. Adresse und Telefonnummer sind kein Geheimnis. Aber Laurent Vaillé pflegt in der Regel weder ans Telefon zu gehen noch die Haustür seines Guts zu öffnen. Ich kann mich nicht mehr genau an die Story erinnern, aber Priorat-Torsten hat jahrelang vergeblich um den Wein angefragt, ehe er ihn in einer kuriosen Situation endlich erhalten hat.

So ging und geht es vielen, sogar den beiden bekanntesten französischen Weinguides. Während sich Bettane & Desseauve nach dem ganzen Betteln voller Ärger dazu entschlossen haben, das Gut einfach aus dem Führer zu schmeißen, hat das der Guide Vert der RVF nicht getan. Aber sie beklagen sich ebenfalls, dass Laurent auf ihre Anfragen noch nicht einmal antwortet und sie seine Weine regelmäßig in einem Pariser Weingeschäft selbst kaufen müssen.

Dabei ist Laurent Vaillé überhaupt kein garstiger Menschenfeind. In dem schönen Buch “Les Grands Crus du Languedoc et du Roussillon” von Michel Smith hat er nicht nur offen seine Philosophie dargelegt, sondern sogar sämtliche von ihm produzierten Weine zur Verkostung angestellt. Das sind allerdings Ausnahmen, denn dieser schüchtern-nerdige Typ möchte eigentlich gar nichts mit dem ganzen Hype um seine Person und seinen Wein zu tun haben. Dabei ist er natürlich in der Zwickmühle: Zum einen produziert Laurent kompromisslos mit die besten und teuersten Weine des französischen Südens. Zum anderen hat dieses bewusst auf die Spitze getriebene Abgeschottetsein erst recht zu dem großen Kult geführt. Mit einer Story lassen sich Weine halt immer besser verkaufen.

Den Roten der “Domaine de la Grange des Pères” – so heißt sie offiziell, wobei es eine Website natürlich auch nicht gibt – hatte ich schon vor einiger Zeit bei einer denkwürdigen Rotweinprobe verkostet. Den Weißen aber noch nie. So war ich sehr gespannt, als ich sehr kurzfristig auf Facebook die Ankündigung des “Cave des Oblats” in Liège gelesen hatte, dass sie neben einigen anderen interessanten Weinen eben auch jenen weißen Grange des Pères für Normalsterbliche öffnen wollten. Dieser Weißwein besteht hauptsächlich aus Roussanne und etwas Chardonnay, komplettiert von Marsanne und Gros Manseng. Also einer leicht irrwitzig anmutenden Kombination aus Rhône, Burgund und Südwestfrankreich. Ausgebaut wird der Wein übrigens zwei Jahre lang in Halbstückfässern. Wer noch mehr über die An- und Ausbaumethoden erfahren möchte, hier ist der Link zu einer französischen Website, die laut Eigenauskunft weder Blog noch Forum noch Guide ist. Jedenfalls haben die Jungs nicht weniger als 22 Weine von Grange des Pères verkostet. Nicht schlecht. Aber jetzt bin ich dran.

Aus dem Jahrgang 2005 ist der Wein, weil Roger Michel vom Cave des Oblats noch eine Flasche davon hatte und meint, die Trinkreife würde jetzt langsam anfangen. 13,5 vol% und seltsam goldgrün im Glas. Die Nase zeigt Honignoten, heißen Stein, Holz und einen Touch Blockmalz. Sehr reif wirkt der Wein, sehr komplex und ohne hervorstechende Fruchtnoten – wie ein großer Hermitage. Am Gaumen fällt mir erst einmal die gesammelte Kräuterbitterkeit auf. Dies ist kein zugänglicher Spaßwein, soviel steht fest. Die Säure ist sehr anständig ausbalanciert für einen derart südlichen Wein, da hat die Zusammensetzung der Rebsorten sicher geholfen. Früchte sind weiterhin kaum zu schmecken, dafür Baumharz, etwas Zistrose (was ja auch wiederum “harzig” ist), zusammen eine schwer zu beschreibende Anmutung von flüssigem Bernstein, dazu Minzblätter, Salbei und ein kleiner Touch oxidativer, nussiger Noten – eine äußerst faszinierende, wenngleich etwas komplizierte Mischung. Ich persönlich würde den Wein nicht als dicken Brummer bezeichnen, aber ihn der Aromenstärke wegen dennoch über mehrere Tage verteilt trinken.

Und da bin ich auch schon mitten in der Diskussion mit den beiden Ladeninhabern, Vater und Sohn übrigens. Roger, der Vater, meint, dass der Wein schon gut sei, aber halt in einer sehr kräftigen, sehr aromatisch-fülligen Art gehalten. Er selbst würde die schlankeren, strahlenderen Weine doch lieber mögen. Außerdem bekäme man fast drei Flaschen vom Mas Jullien zum selben Preis. Na gut, meint David, der Sohn, aber für so einen besonderen Wein sei der Grange des Pères doch gar nicht übertrieben teuer. Außerdem trinke man den Wein wahrscheinlich auch nur ein- oder zweimal im Leben und nicht jeden Samstag… Einig sind wir drei uns jedenfalls darüber, hier einen wirklich großen Wurf in unseren Gläsern zu haben.

Mein Fazit: Dieser Wein ist Kult, aber ausnahmsweise mal ein berechtigter. Also kein teures Vergnügen, sondern eher ein teures Vergnügen. Wie ein schöner Hermitage mit Säure und Kräutern. Dass ich bei der Herkunft blind nicht aufs Languedoc kommen würde, macht mir dabei wenig Sorgen. Einerseits legt es Laurent Vaillé darauf offensichtlich nicht an (der Wein wird wohl für immer ein “Vin de Pays” bleiben). Andererseits wüsste ich auch nicht, wie ein derartig aufwändiger Weißwein aus dem Languedoc schmecken sollte. Ich kenne jedenfalls keinen anderen in dieser Kategorie. 7 Punkte für Eleganz, 9 für Charakter, macht 18 MP insgesamt.

Den weißen Grange des Pères 2008 gibt es zusammen im Paket mit den beiden Roten von 2007 und 2008 für 175 € – Abholpreis in Liège. Lobenberg hat den roten 2007er für 63 € im Shop, Pinard de Picard für denselben Preis, und bei Rebsaal zahlt man 68 €. Den Weißen habe ich nirgends gefunden, aber wenigstens hatte das Maison du Vin in Bielefeld ihn bis vor einiger Zeit vorrätig.

Kennt Ihr den weißen Grange des Pères? Welcher Weißwein aus dem Languedoc hat Euch ansonsten noch besonders gut gefallen?

Dieser Beitrag wurde unter Wein abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

5 Antworten zu Ein teures Vergnügen: Grange des Pères blanc 2005

  1. jens sagt:

    Ich kenn’ den weißen immer noch nicht, da Iggy ja alle sechs Flaschen, die er hatte, sofort an einen Kunden verkaufen mußte – ohne dabei an mich zu denken. Unverschämt der Typ.

    Gestern Mittag, in der Champagne, gab es übrigens den Roten zu Pasta mit Tomatensoße und gebratenem Schweinskotellet ins Glas. Jahrgang war 2004. Die Flasche war am Morgen geöffnet worden und die Luft hat er gebraucht. Großer Wein, der trotz der Luftzufuhr sicher noch einiges zu jung war. Trotzdem tolles Erlebnis. Merci beaucoup Eric!!!

    Jens

  2. Andreas Bach sagt:

    Gestern Abend zu einem Rinderhack-Kohl-Gratin wünschte sich mein Schwiegervater einen Wein aus dem Südwesten. Und, ja, dieser war wohl der beste, was ich aus der Region im Keller fand. Den roten Grange des Pères 2005. Und was soll ich sagen, er zierte sich etwas zu Beginn, aber hielt dann über den Abend hinweg zu 100 Prozent, was eine anderen Flasche 05er schon vor zwei, drei Jahren mal versprochen hatte. Anfangs Gemüsegarten und etwas Stall in der Nase (der rasch verflog); nach einer halbe Stunde wurde der Wein dann minütlich besser, zwei Stunden nach Öffnung war er schon fast richtig groß. In der Nase Brombeerem Garrigues, Rosenblätter. Im Mund dann reife Brombeeren, etwas Granatapfel, Waldpilze, Likör, eingelegten Sauerkirschen, Kräuter, etwas Mokka und Bitterschokolade, ungemein reichhaltig und generös, jetzt nach zehn Jahren absolut wunderbar zu trinken, wobei die gut eingebundene Säure den Wein bei allem Volumen, Geschmacksreichtum und süßer Fülle frisch und voller Spannung hielt. Für mich 93-94 Punkte, wobei die Tendenz heute und in den nächsten zwei Jahren wohl eher zu 94 – 94* gehen dürfte. Mein Schwiegervater, Jahrgang 1932, war begeistert und konstatierte, einen derartig kompletten Wein hätte er aus dieser Region noch nie gehabt…nun gut. Länger als ein, zwei Jahre würde ich den GdP 2005 nun auch nicht mehr unbedingt aufheben. Und, etwas traurig, es war leider die letzte meiner drei 2005er…

    • Matze sagt:

      Das ist ja eine schöne Geschichte! Vielleicht ist der Grange des Pères ja auch im besonderen Maße für die “Pères”, spricht die älteren Herren gemacht 😉 . In zwei Wochen haben meine Eltern Goldene Hochzeit, und da böte sich ein solcher Wein ganz sicher auch an, aber ich habe leider gar keinen Grange des Pères im Keller. Naja, vielleicht tut’s ein Mas Jullien oder ein Gauby ja auch…

  3. vinz rösli sagt:

    Seit den 70er Jahren – ich arbeitete damals 1 Jahr auf einem Armagnac-Weingut – geniesse ich Wein. Seit ein paar wenigen Jahren darf ich 3 Flaschen Grange des Pères rot kaufen. Kürzlich 2011 am Vortag geöffnet und blind mit Genusstrinkenden verkostet – nee schweigend genossen! Erste Trinkreife: Was für eine Vielfallt an Aromen, nie plump oder konzentriert-mastig, Balance zwischen Dichte und Eleganz, nie endender Abgang, dazu ein Rinder-Hohrückensteak vom Grill. Bewertung: 17 -19. Stellt Ansprüche an Degustierende.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.