Portugiesische Spätlese: Olho no Pé 2008

Hand aufs Herz: Wie viele portugiesische Spätlesen habt Ihr im Laufe Eures langen und entbehrungsreichen Lebens bislang genießen dürfen? Keine? Nun, da geht es Euch genau wie mir. Nein, so wie mir bis vor ein paar Tagen, denn mittlerweile habe ich eine solche aus dem Douro-Tal getrunken. Ich wollte einfach mal etwas anderes haben als diese ganzen verschiedenen Portweine, Madeiras, Moscatels de Setúbal und… Nun, zugegeben, was den Digestifbereich anbelangt, ist Portugal nicht so leicht zu toppen. Jetzt also noch die weiße, fruchtsüße Alternative.

“Olho no Pé”, man kann es auf dem Etikett erkennen, heißt wörtlich übersetzt “Auge im Fuß”. Ob damit so etwas wie ein Hühnerauge gemeint ist, kann ich dank meiner mangelhaften Sprachkenntnisse leider nicht sagen. Ich weiß nur, dass João Paulo Martins in seinem Weinführer sich etwas über den Namen mokiert und am Schluss meint, wenigstens könne man ihn sich gut merken. Jener Martins gibt dann auch 17 Punkte für diesen Wein, die Zeitschrift “Paixão pelo Vinho” 16,8 Punkte und Rui Falcão 15 Punkte. Das aber nur zur Einordnung.

Auf der Homepage der Produzenten, “Folias de Baco“, findet Ihr wirklich erschöpfende technische Informationen zum Wein, von denen ich Euch hier nur die wichtigsten vorstellen möchte: Der Wein besteht hauptsächlich aus der Rebsorte Gouveio. Einer sehr guten Rebsorte übrigens, deren hauptsächliches Verbreitungsgebiet sich im binnenländischen Norden Portugals befindet. Die rechte Karte, die ich in lumpiger Qualität aus dem wunderbaren Buch von Jorge Böhm abfotografiert habe, zeigt das ganz deutlich. Das Alter der auf Schiefer und Granit wachsenden Reben, die für diesen Wein verwendet wurden, beträgt mehr als 70 Jahre. Nachdem sich die erhoffte Botrytis im September nicht einstellen wollte, folgte während des Oktobers und Novembers trockenes und kühles Wetter, so dass wenigstens die aromatische Konzentration in den Beeren sehr hoch war. In mehreren Durchgängen wurde bis in den Dezember hinein gelesen. Die önologischen Details entnehmt Ihr bitte dem Beiblatt, das dann auch noch mitteilt, dass der Wein bei 13,03 %vol insgesamt 139 g Restzucker bei 7 g Säure pro Liter besitzt. Kosten tut das Ganze etwa 15 € für die kleine Flasche, was ähnlich wie in unseren Breiten (Ausnahme Müller, Weil und vielleicht Prüm) für ein solches Produkt viel zu wenig ist. Aber der Markt scheint noch nicht reif für Edelsüßes außer Sauternes.

Lustigerweise vergleichen die portugiesischen Bücher und Magazine diesen Wein nämlich mit einem Sauternes, was den Kern der Sache eigentlich, nein sogar ganz uneigentlich, nämlich überhaupt nicht trifft. Aber der Reihe nach: ein kräftig leuchtendes Gelb im Glas, das ginge als Sauternes meinetwegen noch durch. In der Nase ungeheuer aromatisch, und zwar überwältigend nach Ananas, reifer Ananas wohlgemerkt, ein wenig Passionsfrucht noch, sehr tropisch, süß und saftig jedenfalls. Keine Spur von mürbem Keks, Honig und Pilzen. Am Gaumen fällt zunächst die beeindruckende Viskosität auf, kein Wunder bei dieser Kombination aus Alkohol und Fruchtzucker (dies ist ja kein gespriteter oder aufgesüßter Wein). Dann bleibt die eher helle und süße Frucht, vielleicht ein bisschen in Richtung Mango, aber die Ananas ist weiterhin präsent. Als sich dann zum Schluss noch eine leichte Bitternote einschleicht, denke ich spontan viel mehr an einen Jurançon als an einen Sauternes. Nur mit etwas weniger Säure.

Ich habe den Wein über etliche Tage verteilt als Apéro getrunken, wofür er sich doch eigentlich gar nicht eignen sollte. Aber ich habe mir einfach den Hinweis von Rui Falcão zu eigen gemacht, den “Olho no Pé” solo zu jeder subjektiv passenden Gelegenheit ins Glas zu geben. Meine Punkte: 6 für Eleganz, 6 auch für Charakter, macht 15 MP insgesamt. Das hört sich nicht überwältigend an, aber es ist halt eine ungemein schmackhafte Fruchtbombe, die dieses böse Wort “lecker” richtig mit Leben erfüllt.

Vom “Olho no Pé Colheita Tardia 2008” gibt es insgesamt nur 2.040 Flaschen. Es sollte mich überraschen, wenn eine davon den Weg in den deutschsprachigen Bereich gefunden hätte. Hier in Lissabon ist er jedoch nicht selten. Wahrscheinlich wird die eine Hälfte der Ernte in Lissabon und die andere in Porto in den einschlägigen Weinlokalen auf der Karte stehen. Falls Ihr ihn findet, probiert ihn, gerade wenn Ihr Süßweinfans seid. Denn er erweitert noch einmal des Spektrum dessen, was wir verwöhnten Gören aus unserer Heimat ohnehin schon in feiner Qualität zu trinken gewohnt sind.

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6 Antworten zu Portugiesische Spätlese: Olho no Pé 2008

  1. Christoph sagt:

    Ich hätte gern ’ne Flasche!

  2. Charlie sagt:

    Vom Alk her ist es eher ein Sauternes denn eine Spätlese und wenn Botrytis dazukommt noch mehr. Kann es sein, dass du den Vergleich mit Sauternes wegen der in dem Jahr fehlenden Botrytis nicht magst?

    • chezmatze sagt:

      Naja, vom Aroma her ist es schon ein riesiger Unterschied zu einem Sauternes gewesen. Sicher spielt die fehlende Botrytis da auch eine Rolle. Aber wie gesagt, Jurançon trifft’s im Vergleich viel eher, wie ich finde. Da stimmt’s dann auch mit dem Alkoholgehalt. Mit nördlichen Spätlesen aus Deutschland hat das natürlich nix zu tun.

  3. Tiago Sampaio sagt:

    Thank you for your post about this “Olho no Pé”. This is definitely my most difficult wine to produce but I believe the effort is well worth of it . I keep trying sending a few bottles to the german speaking area, but so far I haven’t found a distributor. Maybe one of these days…

    Best regards,
    Tiago

  4. Pingback: Olho no Pé Colheita Tardia: Portugiesische Spätlese | Folias de Baco – Olho no Pé – Tiago Sampaio

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