Besuch in der Snackbar zweiter Klasse

Dass es in Portugal gelegentlich etwas altmodisch zugeht, ist keine neue Erkenntnis. Dass die Bezeichnungen manchmal fast etwas Staatssozialistisches an sich haben, hängt sicher damit zusammen. Wie übrigens in Finnland mit seinen Dreierbier-Bars, denen M.A. Numminen in seinem “Kneipenmann” eine wunderbare Ode gewidmet hat. Auch in Lissabon fühlte ich mich an diese Atmosphäre erinnert, als ich mitten in der Innenstadt in der Rua Barros Queirós die zertifiziert zweitklassige Snackbar “Tábuas” betrat.

Man nimmt dort an der Theke Platz, und zwar nicht auf einem schnöden Hocker, sondern auf einem kunstlederüberzogenen Drehstuhl aus den 70er Jahren. Das erleichtert das Einhalten des korrekten Abstands zum Nebenmann, und auch nach sieben Ginjinhas poltert kein Stuhl durch die Gegend. Was allerdings in dieser Absteige hinter gelbem Butzenglas zum Mittagstisch geboten wird, kann sich sehen lassen. Und es ist wieder mal ein lebendiges Beispiel dafür, weshalb es mir hier in Lissabon in kulinarischer Hinsicht so gut gefällt.

Es gibt nämlich Degenfisch, auf Portugiesisch “Peixe Espada Preto”, die dunkle Sorte. Dieser Degenfisch stammt aus der Tiefsee, ist schlank wie ein Aal, fast zwei Meter lang und mit einem bösartigen Gebiss ausgestattet. Vor der Insel Madeira wird Degenfisch noch mit traditionellen Langleinen gefischt. Er macht dort fast 50 Prozent des Fangs aus und gilt quasi als Nationalgericht. In Teilen des Nordatlantiks hingegen gerät er schon mal als Beifang ins Netz und ist deshalb in diesem Bereich selten geworden. Wie in so vielen Fällen eine fatale Folge des industriellen Ansatzes im Nahrungsmittelbereich.

Der Schwarze Degenfisch kommt natürlich nicht in ganzer Länge auf den Teller, sondern in Form eines Abschnitts. Das Fleisch ist sehr hell, die Sache mit den Gräten babyleicht, es gibt praktisch nur ein durchgehendes Grätengerüst. Geschmacklich ist der Degenfisch fein, faserig und nicht ausgesprochen fischig. Der Holz- und Grillgeschmack der Zubereitung tut ihm deshalb ganz gut. Preislich bewegt sich das in diesem zweitklassigen Lokal in Bereich von etwa 8 € pro Portion. Ein Vinho Verde aus der Karaffe oder ein Glas “Super Bock” dazu (das Gegenteil von einem Bockbier übrigens), fertig ist der Mittagstisch für die zahlreich erscheinenden Angestellten und Einkäufer aus der Umgebung. Nein, noch nicht ganz: “uma bica, por favor”. Google Translate schlägt als Übersetzung vor, “eine Wasserhose, bitte”. Knapp daneben ist auch vorbei.

Charcutaria Snack Tábuas, Rua Barros Queirós 45, Lisboa – Baixa

P.S. Den “zweitklassigen” Service als Bezeichung gibt es längst nicht mehr. Soweit ich weiß, hat es sich dabei um eine Bedienung durch den Wirt an der Bar gehandelt, also keine Tischbedienung durch qualifizierte Kräfte.

Dieser Beitrag wurde unter Food, Unterwegs abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

10 Antworten zu Besuch in der Snackbar zweiter Klasse

  1. ich kenne viele Lokale, die hätte diese Bezeichnung verdient, bzw. die Abstufung in Klasse 3!
    Aber dieser Fisch wieder! Wo gräbst Du die nur immer aus. Und schon wieder einer mit so´nem komischen Gebiss! *schüttel

    Ich kann Fische nur essen, die ich mag, also von der Optik. Daher esse ich keinen Aal und dieser Degenfisch hätte es zugegebenermaßen und wahrscheinlich völlig ungerechtfertiger Weise schwer bei mir.
    Allerdings könnte ich gut und gerne den lieben langen Tag bei 1, 2 Fläschen Vinho verde in einer Wasserhose herumsitzen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

    • chezmatze sagt:

      Was das Groteske ist: Diese zweitklassigen Bars hier bieten einen erstklassigen Service. War mir schon in Istanbul aufgefallen: freundlich, fix und kenntnisreich, ohne unterwürfig zu sein. Ein Beruf halt, und zwar einer nach dem Motto “liebe deine Arbeit”, was ich für ganz wichtig halte und für viele Menschen bei den abstrakten Jobs der modernen Zeit ziemlich schwer zu sein scheint.

      Die Fischauswahl ist schon großartig hier, ich habe auf dem Markt auch wieder etliche dokumentiert und werde sie zum Schluss mal gesammelt präsentieren.

  2. Eline sagt:

    Staatssozialistische Klassengesellschaft?
    Was ich an der portugiesischen Küche noch nie ausstehen konnte, finde ich auf deinem Bild immer noch: Wasserbohnen und bleiche Wasserkartoffel. Wenn sich das atlantische Bruderland UK allmählich von dieser Unsitte im Umgang mit Gemüse emanzipiert, könnte Portugal doch nachziehen! Ich liebe ja trotzdem beide Länder sehr.

    • chezmatze sagt:

      Ja, Sättigungsbeilagen, das scheint mir der treffende Ausdruck. Das gilt für Kartoffeln und sehr viele Sorten von Gemüse, soweit ich das bislang feststellen konnte. Allerdings trifft es auf Bohnen und Kohl weniger zu, die ich durchgängig besser behandelt finde. Aber die bestreiten ja jeweils auch Hauptgerichte als zentrale Zutat. Ich werde jedenfalls weiter testen…

  3. Charlie sagt:

    Sehr schön, Matzte.
    Eline hat Recht: erinnere an die schlimmen Kartoffeln, sie sind leider typisch für Portugal. Und hast du schon die Süßigkeiten entdeckt? Und den Käse? Das beste ist aber der Stierkampf.

    • chezmatze sagt:

      Ja, Ovos Moles und die anderen Dotter-Süßigkeiten, daran gehe ich nicht vorbei! Und was den Käse anbelangt, Azeitão und Konsorten, sehr interessant. Beim Stierkampf bin ich mir dagegen sicher: Gefällt mir nicht, ich bin kein Hemingway. Das ist sicher eine zu diskutierende Frage, aber die Geisteshaltung dahinter ist mir ehrlich gesagt fremd. Und das kann ich eigentlich nur über wenige Dinge sagen.

      Noch mal zu den Kartoffeln: In Chipsform werde ich die verschiedenen Fabrikate noch unter die Lupe nehmen. Sieht bis jetzt jedenfalls recht spannend aus.

      • Charlie sagt:

        Beim portugiesischen Stierkampf wir der Stier nicht abgemurkst – erst hinterher, nehme ich an. Es ist also eher eine Reitshow.

        • chezmatze sagt:

          Nein, aber er wird auch gepiesackt aus Spaß. Und sowas finde ich befremdlich, rein mental. Dass Nutztiere letztlich im Kochtopf landen, ist dabei nicht mein grundsätzliches Problem, sonst wäre ich ja Vegetarier. “Sportfischen” finde ich zum Beispiel auch seltsam, Angeln für die Pfanne dagegen gar nicht…

  4. Pingback: Fisch aus dem Atlantik | Chez Matze

  5. Pingback: Auf dem Fischmarkt von Colombo | Chez Matze

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.