Weinreise durch das Hinterland von Valencia

Titel Weinreise Hinterland Valencia

Valencia – bis zu den schrecklichen Flutbildern, die letzten Herbst durch alle Medien gingen, war die Stadt immer das Sinnbild für die Sonnenseite des Lebens. Im Sommer locken die Strände des Mittelmeers, im Winter sorgt das milde Klima für Überwinterungsgäste, und die beiden anderen Jahreszeiten sind schlicht ideal für einen Besuch der Stadt und ihrer Umgebung. Aber gibt es auch Wein in der Region Valencia, der Comunitat Valenciana? Ich meine, richtig guten Wein von spannenden Weingütern. Tatsächlich gibt es den. Kommt also mit auf meine Rundreise in die kühlen Berge, über die windige Hochebene und die Heimat der Mandelbäume bis in den großen Garten, der die Stadt umgibt.

In die Berge nach Cuenca

Cuenca

Cuenca besitzt zwar lediglich 55.000 Einwohner, weil es aber die einzige Stadt weit und breit ist, übertrifft ihre Bedeutung diejenige ähnlich großer Städte wie Pulheim oder Langenhagen (um mal zwei naheliegende Beispiele zu nennen) bei weitem. Es gibt eine Uni, und die Altstadt ist seit 1996 UNESCO-Weltkulturerbe. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich vorher höchstens einmal den Namen gelesen hatte, aber sonst nichts. Das liegt vielleicht daran, dass sich Cuenca schon in Kastilien befindet, in einer ansonsten weitgehend untouristischen Umgebung.

Faszinierend sind neben der sich einen Bergrücken hinaufziehenden barocken Altstadt vor allem die landschaftlichen Attraktionen. In der Nähe von Cuenca befindet sich nämlich die Ciudad Encantada, die verwunschene Stadt. Das sind teilweise grotesk geformte Kalkfelsen, die man auf einem drei Kilometer langen Rundgang bequem abwandern kann. Einige Fantasy-Filme sind hier schon gedreht worden, und wenn man wie ich in der Nebensaison kurz vor Toreschluss unterwegs ist, kann man sich das sehr gut vorstellen. Während der Regen leise von den Felsen tröpfelt, sehe ich den Steinbock, dem diese Anlage zu gehören scheint.

Cuenca – Essen und Bodegas Altolandon

Cuenca Altolandon

Ja, das Wetter ist hier auf über 1.000 Metern Meereshöhe nicht wie an der Küste. In der Felslandschaft haben leichter Regen und Nebel die verzauberte Atmosphäre noch verstärkt, aber in der Stadt ist das nicht wirklich der Fall. Zum Glück befinden sich nur wenige Meter von meiner Pension entfernt gleich drei Restaurants mit traditioneller Küche. Ich gehe ins El Torreón, um die Tapas-Varianten zweier Spezialitäten der Region zu probieren. Links auf dem Foto seht ihr Morteruelo, eine spezielle Art aufwändiger Leberpastete, in diesem Fall in Teigtaschen frittiert. Rechts befindet sich eine Portion Ajoarriero. Das Gericht gibt es zwar auch in anderen Gegenden, aber die hiesige Version besitzt neben Stockfisch noch knusprig frittierte Kabeljau-Haut. Interessant.

Links unten seht ihr das für Weinfreunde der Region ausgezeichnet ausgestattete Lädchen La Ronda Gourmet. Ich glaube, es ist auch ein Großhandel angeschlossen, was die Lage neben Autowerkstätten und Baubedarf erklärt. Das Wein-Highlight der Gegend ist ganz sicher die Bodega Altolandon. Zu den Hintergründen des Weinguts möchte ich euch dringend die Reportage von Thomas Götz empfehlen, der ohnehin als Spanien-Bewohner und -Spezialist schon viele tolle Artikel verfasst hat. Meine Lieblingsweine von Rosalía Molina waren zum einen der weiße (trockene) Moscatel Doña Leo (hatte ich hier schon beschrieben), zum anderen der schlicht »Rosalía« genannte Garnacha aus hundertjährigen Reben. Das ist ein Hochlandwein von dieser großartigen Frische und Klarheit, bei dem man sofort versteht, weshalb die Garnachas der Sierra de Gredos gerade so gehyped werden. Dieser hier, zudem biologisch zertifiziert, kostet vor Ort allerdings lediglich 16 €, bei uns 19,90 € (Vino Verde).

Bodegas Ponce – Wind und Einsamkeit

Ponce Manchuela

Weiter geht es nach Süden. Der Himmel reißt langsam auf, aber ich befinde mich immer noch in der Höhe und immer noch in Kastilien. Am Horizont tauchen Berge auf, die zusammen mit der fast steppenartigen Ebene eher an Nordamerika erinnern. Ohnehin hat Spanien faszinierende Landschaftsformen zu bieten. Das hatte ich interessanterweise zum ersten Mal beim Überflug in Richtung Madeira gemerkt. Unglaubliche Gebirgsfaltungen, Felsen in allen Farben, viel spannender, als man das denken würde.

Mitten in dieser einsamen Landschaft hat Juan Antonio Ponce sein Weingut aufgebaut. Bodegas y Viñedos Ponce heißt es. Im Grunde denkt man in dieser Ecke Spaniens eher an Tempranillo oder an den weißen Massenträger Airén, aber Juan Antonio hat sich den autochthonen Reben verschrieben. Erst war er bei Telmo Rodriguez, hat dann aber das Potenzial der Gegend erkannt und sich selbständig gemacht. Der weiße Albilla ist schon sehr beachtlich, der rote »Buena Pinto« aus Moravia Agria ein Stück lokale Zeitgeschichte, und dann kommen die Bobals. Aus der robusten roten Rebsorte keltert Ponce beispielsweise den P.F., was für »pie franco« steht, also wurzelecht. Luis Gutiérrez, der Parker-Zuständige für Spanien, gibt dem P.F. 96+ Punkte. Natürlich ist das übertrieben. Aber bei einem Wein, der je nach Jahrgang 17,90 € (2017 bei Scholzen), 17,95 € (2021 bei Maluni) oder 19,90 € kostet (2023 bei Lobenberg), kann man da nicht viel falsch machen…

Durchs südliche Kastilien

Hochland Kastilien

Die Region Kastilien-La Mancha, zu denen Ponces und Altolandons DOP Manchuela gehört, ist Spaniens größter Weinproduzent. Auch wenn es selten nach totaler Monokultur aussieht, weil das Land so weit ist, sind die Qualitätsproduzenten hier in der Minderheit. Das verraten die Zahlen. Von 1,4 Millionen Litern Wein, die die Region 2023 exportiert hat, waren lediglich 12% Flaschenweine. 63% wurden im Fass oder besser: als bulk wine exportiert. Der Durchschnittspreis pro Liter für alle Weine lag dabei bei 63 Cent. Was für mich in diesem Zusammenhang umso schockierender ist: 52% der Rebfläche (gegenüber lediglich 2% vor 30 Jahren) werden bewässert, damit in der trockenen Hitze überhaupt die notwendigen Erträge für einen, wenngleich minimalen, Gewinn erreicht werden können. Lohnt es sich hingegen nicht, werden die Trauben auch mal hängen gelassen.

Wie immer gilt allerdings auch hier: keine Regel ohne Ausnahme. Und man muss zugeben, dass die Weine von Ponce und Altolandon auch wegen des allgemein niedrigen Preisniveaus der Region so günstig sind. Der weiter oben abgebildete herrlich aromatische Weiße »Doña Leo« für 6,50 € ist schlicht ein Wahnsinns-Schnäppchen. Ansonsten fand ich das südliche Kastilien großartig zum Durchqueren. Wenig befahrene Straßen, beeindruckende Felsformationen, überall an der Strecke bunt bemalte Straßenrestaurants, mal mit kalten Speisen, mal mit Fleisch vom Holzkohlegrill.

Alforins – Rafael Cambra

Alforins Rafael Cambra

Auf dem Weg vom kastilischen Hochland zur Küste komme ich durch die Landschaft der Alforins. Das liegt zwar schon in der Provinz Valencia, ist aber noch ganz stark bergig-mediterran. Die Reben wachsen hier auf etwa 600 Metern Höhe, größere Städte gibt es nicht. Ich fahre zuerst zu Rafael Cambra, dessen Weingut sich in Alleinlage in einem schmucklosen Funktionsbau befindet. Die Reben liegen direkt vor der Tür und ziehen sich über das Tal den gegenüber liegenden Nordhang empor. Fast alles sind Buschreben ohne Drahtrahmen, niedrig gehalten, knorrig und alt. Bewässert wird natürlich nicht, die Erträge sind entsprechend gering, alles spontan vergoren, Ausbau primär in gebrauchten Holzfässern. Diese Merkmale habe ich bislang nicht genannt, gelten aber für alle hier empfohlenen Weingüter.

Mein Liebling von Rafael war der »Forcallà de Antonia«, den es auch in Deutschland bei Direktimport Scholz für 12,90 € gibt (95 Parker-Punkte wieder…). Forcallà oder Forcallat ist wie Mandó, Arcos oder Bonicaire eine alte, autochthone und fast bis zur Vergessenheit ignorierte Rebsorte. Rafael hat mittlerweile wieder 10 ha damit bepflanzt, weil sie einfach einen ganz anderen Wein ergibt, hellfarbig, pflaumig-würzig, die Kraft total versteckt. Für mich ideal zu Schweinesteak.

Weil ich bei meinen Touren selten so planen konnte, dass ich zur passenden Zeit irgendwo eingekehrt bin, habe ich einerseits viel Wasser mitgenommen. Andererseits fand ich auch die kleinen Flaschen mit den kalten Trinksuppen Gazpacho und Salmorejo ideal, die ich vorher im Mercadona erstanden habe. Der große Produzent der Gegend ist übrigens die Kooperative La Viña mit nicht weniger als 2.400 ha unter Reben, dazu 690 ha Olivenbäume. Viel geliebt von Mundus Vini und der Berliner Weintrophy findet ihr hier (wenn ihr das sucht) alle Rebsorten, Stile und günstige Preise an einem Ort. Und schön verkleidete Tanks.

Alforins – Celler del Roure und Tinajas

Alforins Celler del Roure

Nächste Station und Pflichtbesuch in den Alforins: der Celler del Roure. Das Weingut von Pablo Calatayud ist nach seiner Lage auch unter dem Namen Les Alcusses bekannt. Zwei große Spezialitäten kann Pablo für sich in Anspruch nehmen. Das ist zum einen die Wiederbelebung der lokalen Rebsorte Mandó, zum anderen der Ausbau in Tinajas, riesigen Tonamphoren, ähnlich wie ich sie in Georgien gesehen hatte.

Wenn man hochfährt zur iberischen Ausgrabungsstätte Bastida de les Alcusses, sieht man beim Blick übers Land die kleinförmige Bodenstruktur mit roten und weißen Steinen in den Parzellen. In einer besonders roten (also eisengeprägten) Stelle stehen die alten Arcos-Reben vom Celler del Roure, die fast baumartig in die Höhe wachsen. Das Gebäude selbst ist übrigens an der Front ganz mit Holz verkleidet, so dass es in der Landschaft verschwindet. Die Preise der Weine (ihr seid es mittlerweile gewohnt) beginnen trotz der hohen Qualität im einstelligen Bereich. Vielleicht sogar mein Liebling war der Rosé »Les Prunes« aus 100% Mandó, eigentlich ein Blanc de Noirs. Ausgebaut in der Tonamphore ist das ein zartes (11 vol%) Gewächs, gleichzeitig kernig in der Säure (pH 2,74!) und schmeichelnd im Mundgefühl. Die Parzelle steht ein paar Kilometer weiter in den Bergen bei Moixent. Gibt’s bei Pinard de Picard für 14,90 €.

Javi Revert am Ende der Welt

Alforins Javi Revert

Dritte und letzte Station im Wein-Wunderland der Alforins. Javi Revert ist ein Kind der Region und hatte vorher beim Celler del Roure gearbeitet, bevor er sich mit den Reben seiner Eltern selbständig gemacht hat. Das ist aber nicht alles. Javi arbeitet auch für die Finca Sandoval und besitzt ein Side-Project namens Comarcal, beides selbstverständlich ebenso empfehlenswert. In den Alforins hat sich Javi dafür entschieden, ausschließlich extrem abgelegene Parzellen zu bewirtschaften, 6 ha uralt, 6 ha neu gepflanzt. Alles befindet sich in Los Juncarejos, umkränzt von Bergen. Ich erinnere mich daran, dass ich beim Mietwagen diesmal den besseren Versicherungsschutz gewählt hatte. Keine schlechte Idee bei den staubig-steinigen Wegen, die ich zu Javis Weinbergen nehmen muss.

Ganz am Ende des Wegs und noch einige Meter in die Wildnis hinein erreiche ich auf 800 Metern Höhe die Parzelle für Javis Spitzenwein, Foradà. Vom Fuß der Terrassen aus betrachtet, sieht es gar nicht wie ein Weinberg aus, denn hinter jeder Zeile aus Einzelpfählen gibt es eine Böschung aus Lavendel und Gebüsch, bevor dann die nächste Zeile beginnt. Garnacha steht oben am Berg, Arcos mit seinen riesigen, herbstlich dunkelroten Blättern im unteren Bereich. Weil der Foradà aber 55 € kostet, entscheide ich mich zum Mitnehmen diesmal für den Sensal, Javis »kleinsten« Wein. In Deutschland gibt es den 2018er bei Blau für 21 €, den 2023er bietet Lobenberg für 22 € an. Der Sensal ist der einzige Parzellenblend von Javis lediglich vier Weinen, Garnacha, Monastrell, Bonicaire. Feines Zeug, schön saftig, 94+ wieder mal bei Parker, ein Einstieg auf sehr hohem Niveau.

Das Küstenland von Alicante bis Valencia

Küste Hinterland Valencia Alicante

Ich verstehe den Spruch der Winzer, dass Reben auch ein bisschen leiden müssten, um sozusagen an dieser Grenze die allerhöchste Qualität hervorzubringen. Für mich ist es jetzt im Winterhalbjahr allerdings eine sehr schöne Sache, von den harschen klimatischen Bedingungen des Hochlands an die Küste zu wechseln. Je mehr man sich Valencia nähert, desto grüner und huerta-ähnlicher wird die Landschaft.

Weintechnisch ist die Gegend auch extrem interessant. Klassisch waren unverstärkte rote Süßweine, der Fondillón als edle Spezialität. Der Wein links unten stammt von einem solchen Hersteller, Fondillón Luis XIV, ist aber etwas komplett anderes. Der Weiße aus 75% Verdil (Rest Merseguera und ein bisschen Moscatel) namens »Las Blancas Tradicionales« verbrachte lange auf der Hefe und wurde definitiv früh eingebracht. Weiße Pflaume, grüne Walnuss, leichter Grip, dabei zart und frisch, ein toller Fischwein für 12,75 €, den es leider nicht in Deutschland gibt. Gekauft habe ich ihn bei Especialitats Lloret in Villajoyosa (rechts auf dem Foto), einem großartigen Laden für den regionalen Überblick.

Dort gibt es auch den »Giró de Abargues« von Pepe Mendoza. Pepe stammt aus der Mendoza-Weindynastie, wollte aber sein ganz eigenes Ding machen. Genau das ist ihm mit seinen 12 ha alter Reben auf extrem eisenhaltigem Boden auch gelungen. Giró als Rebsorte stammt von hier, wird mittlerweile aber eigentlich ausschließlich auf den Balearen und Sardinien kultiviert. Frisch und edel ist der Wein, den ihr bei 8wines oder Hispavinus für 27 € bekommen könnt. Einer der Pioniere für Qualitätsweine in dieser Gegend sind die Bodegas Enguera, die mittlerweile über beachtliche 160 ha verfügen. Ihr Leuchtschild auf dem hohen Stahlmast finde ich zwar ein bisschen überzogen, aber gut. Den »Blanc d ‘Enguera« aus 70% Verdil bekommt ihr bei Marxen schon für 7,90 €. Und solltet ihr im B2B-Bereich sein, Peter Riegel hat alle Farben auf Lager.

Turrón de Jijona – In der Hauptstadt der Mandel

Valencia Alicante Jijona Turrón

Nur eine halbe Stunde von den Badestränden an der Küste in die Berge hinauf befindet sich die Stadt Jijona, auf Katalanisch auch Xixona geschrieben. Wer Mandeln und Mandelprodukte liebt, muss unbedingt hinfahren. Berühmt ist natürlich der »Turrón de Jijona«, eine gern zu Weihnachten gereichte Süßigkeit, die ausschließlich aus Mandeln, Honig und Eiweiß besteht. Eine Art Edelmarzipan, möchte man meinen, aber doch völlig anders und mit ganz speziellen Varianten. Ich hatte vor einiger Zeit getestet, welches Lübecker Marzipan das beste ist (mit eindeutigem Ergebnis), allein von der Vielfalt der Hersteller ist Jijona aber noch einmal eine ganz andere Nummer.

Es gibt in Gewerbegebieten um die Stadt herum größere Hersteller, deren Produkte man in spanischen Supermärkten finden kann. In der Stadt selbst haben sich aber auch etliche zum Teil winzige Produzenten wie Merche erhalten, die rein handwerklich arbeiten. Ganz tolle Sachen jedenfalls, ich war total überwältigt und werde im Laufe des Jahres darüber noch berichten.

Utiel-Requena – die Weinzentrale von Valencia

Utiel Requena Hinterland Valencia

Die letzte Weinregion, die ich besucht habe (und die beim Herbstunwetter zum Teil erhebliche Schäden hinnehmen musste), ist die DOP Utiel-Requena. Sie befindet sich eine Stunde westlich von Valencia auf einer Art Mittelhochebene. Utiel und Requena sind dabei die beiden einzigen Städte. Die eigentliche »Leitrebsorte« heißt Bobal und sorgte früher für robuste Trinkweine. Durch die gegenüber Bodegas Ponce nicht ganz so ausgeprägte Höhenlage sind die Bobals aus Utiel-Requena generell etwas kräftiger. Zweite traditionell wichtige rote Rebsorte ist die Garnacha Tintorera, eine Variante mit mehr Farbe als gewöhnlich. Daneben ist aber auch Monastrell verbreitet sowie internationale Rebsorten wie Cabernet-Sauvignon, Syrah und neuerdings Marselan.

Interessant und weitgehend unbekannt sind aber auch die weißen Sorten wie Merseguera. Etwas ganz anderes hatte mich hingegen bereits im kastilischen Hochland fasziniert: Tumbleweeds. Ist der Wind stark genug, rollen die Kleinbüsche über Felder und Straßen wie bei Old Shatterhand im Llano Estacado.

Mustiguillo & Co. – Neues im Hinterland von Valencia

Utiel Requena Hinterland Valencia Mustiguillo

Meine Rundtour durch die Anbauregion beginne ich beim wichtigsten Hersteller, Bodega Mustiguillo. Auf der Website des Weinguts von Toni Sarrión gibt es viele Infos über Klima, Böden, Rebsorten, sehr interessant. Mustiguillo besteht anbautechnisch aus zwei Teilen. Die »Zentrale« befindet sich nördlich von Utiel an der Hauptstraße. Hier stehen die Reben für den Spitzenroten »Finca Terrerazo« (gibt’s bei Peral für 28,90 €). Noch interessanter finde ich das, was Toni an seinem zweiten Standort macht, der Finca Calvestra, etwa 40 Kilometer entfernt in die Berge hinein. Auf 900 Metern Höhe stehen hier 100 Jahre alte Reben, Merseguera umgepropft auf Bobal. Der 2022er, den ich probiert hatte, war mir allerdings noch zu jung. Das ist ein Wein, den man reifen lassen sollte. Kostet 17,95 € bei Vinatero. Früher trinkreif und ein echt schöner Speisenbegleiter ist der Mestizaje aus mehreren Calvestra-Parzellen, den ihr vor Ort in vielen Läden finden könnt (etwa 10 €).

Richtig günstig und charaktervoll ist auch der »Tardana de Estenas« aus 100% Tardana, einer weiteren seltenen Rebsorte (7 € vor Ort). Und weil sich das klimatisch anbietet, findet ihr im gesamten Gebiet einen Haufen Weingüter, die biologisch zertifiziert arbeiten. Ponce gehört dazu, Altolandon, der Celler del Roure, Mustiguillo, Bruno Murciano, Javi Revert, Enguera, tja, eigentlich fast alle, über die ich hier schreibe…

Eine ziemliche Erfolgsstory schreiben auch die Bodegas Neleman. Derrick Neleman, ehemaliger Biowein-Importeur in den Niederlanden, hat sich hier peu à peu 200 ha gekauft, gepachtet und zuliefern lassen. Ich war für denn’s Biomarkt bei Neleman und habe mir alles zeigen lassen. Klar, auf Top-Niveau sind wir hier nur beim uralten Weinberg »El Romano«, der Rest ist gute Supermarkt-Ware. Aber wenn so etwas bio-zertifiziert, mit Community-Einbindung (man kann Teilhaber werden) und mit Schwung passiert, finde ich das sehr positiv.

Valencia – Nur die Markthalle allein…

Valencia Markthalle

Von Valencia selbst möchte ich euch hier nur die Markthalle zeigen. Valencia ist ein Ort, der sich – so man zumindest eine kleine Notheizung hat – ideal zum Überwintern eignet. Anders nämlich als die Deutschen-Engländer-Holländer-Kolonien ein paar Dutzend Kilometer südlich der Stadt besitzt Valencia Charakter und eine nicht unwesentliche kulinarische Kultur. In der Markthalle findet ihr deshalb nicht nur alles, was ihr braucht oder was Spanien insgesamt attraktiv macht. Es gibt auch jahreszeitliche Bonbons wie die Stände mit Reizkern (rebollon oder revollon), eine große Anzahl unterschiedlicher Bohnensorten oder auch Percebes.

Wenn ich euch nur ein einziges Restaurant empfehlen dürfte, wäre es momentan das Forastera. Aber Achtung, ohne vorherige Reservierung läuft da gar nichts. Ansonsten ist man in der Umgebung der lokalen Markthallen (ich habe zehn gezählt) bei Spontanbesuchen eigentlich immer gut aufgehoben.

Kurzes Fazit meiner Valencia-Weintour

Seid ihr noch da? Ich muss zugeben, meine Weintour durch die Berge um Valencia herum war nicht nur für mich unheimlich prall gefüllt mit völlig neuen Erkenntnissen. Auch beim nochmaligen Durchlesen habe ich das Gefühl, es ist eher etwas, bei dem man Häppchen rauskopiert.

Mein eigenes Fazit #1 lautet: Spanien ist wirklich spannend. Vor allem, weil ich es wesentlich schlechter kenne als beispielsweise Frankreich. Nicht nur der größeren Entfernung wegen. Sondern auch, weil (wahrscheinlich nicht nur bei mir) Spanien hinter Italien und Frankreich (wein)kulturell immer eher als B-Ziel galt.

Fazit #2 knüpft daran an. Ja, ich habe im Hinterland von Valencia keinen Romanée-Conti entdeckt, den vorher niemand kannte. Die besten Weine der Regionen Valencia, Alicante und Kastilien-La Mancha sind nicht auf dem Super-Hyper-Top-Niveau, dass es einem die Schuhe auszieht (obwohl das manche Parker-Punkte suggerieren). Aber das ist in Franken auch nicht so. Dafür habe ich eine große Zahl spannender, regional wichtiger, köstlicher und vor allem auch bezahlbarer Tropfen gefunden.

Fazit #3 sagt deshalb: Das Budget insgesamt wird in Spanien weniger belastet. Klar, die Spanier verdienen deutlich weniger, und ich bin ja alles andere als ein verspannter Schnäppchenjäger. Aber trotzdem merkt man das einfach. An den Unterkunftspreisen, dem Mietwagen, der Gastronomie, den Weinen.

Als Fazit #4 kann ich euch die von mir bereiste Gegend auch deshalb empfehlen, weil sie infrastrukturell so gut ist. Die Flughäfen entlang der Küste werden von überall angeflogen, die Mietwagenanbieter sind zahlreich, und wer keinen haben möchte, fährt einfach mit der Metro rein nach Valencia und weiter in Straßenbahnen und Bussen. Die Straßen überland sind gut ausgebaut, wenig verkehrsbelastet und derzeit alle gebührenfrei. Mein Radius war dadurch wesentlich größer als gedacht. Und schließlich sind viele Weingüter auch auf Besucher eingestellt.

Es spricht also wenig dagegen, ein solche Tour einmal selbst zu versuchen. Oder was meint ihr?

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4 Antworten zu Weinreise durch das Hinterland von Valencia

  1. Alex sagt:

    Wie immer, sehr interessant und anregend!
    Leider habe ich Spanien zu lange ignoriert. Seit mittlerweile 20 Jahren reisen wir immer wieder gern in dieses kulinarisch und kulturell so interessante Land. Es hat sich sehr vieles positiv entwickelt . Fleißige Menschen, die zu feiern wissen- und das Mittagessen mit einem Glas ( oder Flasche 😉 Wein hat noch einen Stellenwert. Ich kann Ihnen nur beipflichten, Weinpreise zum träumen!

    • Matze sagt:

      Ich glaube, bei mir müsste ich auch eine ganze Weile zeitlich zurückgehen… Als Student fand ich jedenfalls Leute, die nach Portugal oder zu viert mit dem Auto nach Frankreich gefahren sind, immer cooler als diejenigen, die an die spanische Küste geflogen sind und/oder einen Cluburlaub gemacht haben. Das war eher so ein Peer Group-Ding, denn viel Geld hatten wir ja alle nicht.

      Und dann, als ich mich für Wein begonnen habe zu interessieren, waren die Spanier gerade auf dem (damaligen) Parker-Trip, internationale Rebsorten für marmeladige Rotweine zu pflanzen. Es ist wirklich phänomenal, wie sich das teilweise verändert hat. Natürlich gibt es immer noch Ballermann und Trinkmarmelade. Aber wie vielseitig und facettenreich Spanien ist, habe ich erst nach und nach begriffen…

  2. Sascha sagt:

    Sehr schöne Reportage, da bekomme ich gleich Lust auf einen Weintrip, zumal ich die Gegenden jenseits von Utiel-Requena nicht so gut kenne und Cuenca eigentlich nur vom Durchfahren… Aber ich liebe auch die abseitigen, ruhigen Regionen dieses Landes, die so gar nichts mit den bekannten Tourizentren gemein haben…man entdeckt so viel Gutes und Handwerliches und fantastische, abwechslungsreiche Landschaften.
    Jedenfalls, da waren jetzt auch für mich einige unbekannte Weingüter dabei, die ich mir merken werde. Und eine Erinnerung, mal wieder zu Wein von Ponce zu greifen, richtig tolles Weingut.

    • Matze sagt:

      Absolut! Ich muss zugeben, als ich den P.F frisch geöffnet hatte, dachte ich erst, ja, ganz nett soweit. Aber muss man dafür so viele Punkte geben? Tatsächlich fand ich, dass die Raffinesse erst am dritten Tag richtig rauskommt. Oder vermutlich nach ein paar Jahren mehr im Keller 😉 . Ich habe ja eigentlich die ganze Reise über vor allem die neuen Jahrgänge probiert…

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