Was gibt es bei der Foire aux Vins 2023 im E.Leclerc?

Titel Foire aux Vins

Arbeitet ihr im Weinbusiness, vielleicht gar im Retail? Dann habt ihr euch möglicherweise schon einmal gefragt, wie das mit den Foires aux Vins in Frankreich läuft. Etliche Millionen Euro werden da jeden Herbst umgesetzt. Kunden aus Deutschland und der Schweiz fallen in großen Horden ein, packen sich die Einkaufswagen voll und besorgen sich den schönen Stoff, den sie doch eigentlich bei euch kaufen sollten. Irgendwas machen die Franzosen also richtig. Liegt es nur am Preis? Was gibt es eigentlich bei so einer Foire zu kaufen? Ich bin ins Elsass gefahren und habe mir zwei Foires ganz genau angeschaut. Jene vom Auchan auf dem Titelfoto, vor allem aber die Foire von E.Leclerc. Warum? Weil Édouard Leclerc vor genau 50 Jahren die Foire erfunden hat. Und weil er bis heute trotz harter Konkurrenz Marktführer geblieben ist.

Die Foire aux Vins im E.Leclerc

E.Leclerc Preisvergleich

Dass in Frankreich die Uhren in mancherlei Hinsicht anders laufen, kann man schon beim Betreten des Einkaufszentrums sehen. Da wird doch tatsächlich ziemlich eindeutig mit Preisvergleichen geworben. Der E.Leclerc behauptet auf eine Art, die alle verstehen, der günstigste Supermarkt zu sein. Worauf sich diese Preisvergleiche beziehen, kann man vermutlich in gesetzlich vorgeschriebenen Fußnoten ablesen. Ich muss allerdings weiter, der Katalog wartet auf mich.

Katalog? Ja, neben App und Online-Dokument gibt es bei jeder Foire einen gedruckten Katalog, der (hochbegehrt) im Eingangsbereich gestapelt ist. Ein paar Tage, bevor die Foire losgeht, liegt er hier und oft auch als Beilage in Regionalzeitungen. Die diesjährige Foire aux Vins startete im E.Leclerc am 30. September und endete offiziell jetzt am Sonntag.

Was verkauft E.Leclerc im Elsass?

88 Seiten stark ist der Papierkatalog. Weil E.Leclerc in Frankreich unterschiedliche Einkaufszentralen betreibt, gilt das im Katalog gedruckte Angebot nur für die »Scapalsace«, mithin den Osten Frankreichs. Wer übrigens mehr über französische Super- und Hypermärkte erfahren möchte, mein schon recht betagter aber mit Abstand am meisten gelesener Artikel (mehrere 100.000mal) beschäftigt sich genau damit.

Aber zurück ins Elsass des Oktobers 2023. 26 E.Leclerc-Märkte im Scapalsace-Gebiet machen mit bei der Foire. Insgesamt befinden sich 525 verschiedene Artikel in den Regalen, hinter denen nicht weniger als 1,3 Millionen Flaschen stehen. Wenn alles verkauft ist, wird der Umsatz 9,9 Millionen Euro betragen haben. In ganz Frankreich werden es 105 Millionen Euro sein – und wie gesagt, nur beim E.Leclerc. Denn die anderen Giganten wie Auchan, Carrefour, Système U, im Elsass Cora und etliche andere (sogar Lidl oder Biocoop) machen ja ungefähr zur selben Zeit ihre eigenen Foires. Die Gesamtumsatzzahlen bewegten sich dabei im letzten Jahr um eine Milliarde Euro herum.

Die günstigste Flasche beim E.Leclerc ist übrigens ein Roter aus der AOP Bordeaux für schlanke 1,99 €. Der Spitzenreiter kommt aus derselben Region (was schon ein bisschen auf das Nebeneinander von Glanz und Elend im Bordelais hinweist), nämlich Château Troplong-Mondot für 99,90 €, ein Premier Grand Cru classé aus St-Emilion.

Wie gewinne ich Kundenvertrauen? Der E.Leclerc-Katalog

Foire aux Vins

Da die französischen Supermärkte alle zur selben Zeit auf den Markt drängen mit ihren Weinaktionen, müssen sie natürlich auch versuchen, ihren Konkurrenten einen Schritt voraus zu sein. Ja, während der Öffnungszeiten stehen Mitarbeiter*innen im jeweiligen Sonderbereich und können sicher auch beraten. Aber das ist man ehrlich gesagt beim Supermarkt gar nicht gewohnt, und die Zeit für lange Gespräche fehlt vielleicht auch. Deshalb muss der Katalog selbst, den wir ja alle vorher studiert haben, bereits die erforderlichen Informationen bereithalten. Bei 525 Posten ist die Qual der Wahl natürlich riesig. Also, wie werden die Weine beschrieben?

Das Wichtigste ist natürlich der Preis, weshalb er auch mit Abstand am dicksten gedruckt wird. Schnäppchenjäger lieben darüber hinaus Reduktionen. Bei E.Leclerc gibt es für (allerdings nur wenige) Volumenweine das Angebot »zahl vier, nimm sechs«, sprich einen ganzen Karton. Bei mittelpreisigen Vertretern gibt es stattdessen die Variante »nimm zwei und zahl für die zweite die Hälfte«. Allerdings gilt das nur in Verbindung mit dem Ticket E.Leclerc, also einem Kundenbindungsprogramm.

Darüber hinaus locken bestimmte Claims in Form von Symbolen. Optisch am meisten her macht »Les Incroyables«, das 50 Weine für jeweils weniger als 10 € betrifft. Die Weine werden beschrieben, dazu ein bisschen Story drum herum, was für andere Weine nicht gilt (letztere besitzen nur ein Piktogramm). Also eine Art persönliche Empfehlung, eindeutig mit mehr Liebe gemacht. Die Herstellungsbedingungen werden mit den Symbolen für Bio, HVE oder Vignerons Engagés herausgestellt. Medaillen bei Wettbewerben und eine Erwähnung im Guide Hachette bekommen auch ein kleines Symbol. Und sonst, Parkerpunkte, Bettane & Desseauve, RobinsonSucklingFalstaffWasweißich? Nichts davon.

Wine Advisor – die eigene Bewertungs-App

E.Leclerc hat sich dafür entschieden, mit WineAdvisor eine eigene kostenlose App auf den Markt zu bringen. Ohne sich zu registrieren, kann man per Scan des Etiketts die Punktzahl und die Anzahl der Bewertungen sehen. Für ein aktives Mitmachen muss man aber mit Email und Passwort agieren. Jedenfalls ist die Mehrzahl der Weine im Katalog mit WineAdvisor-Punkten versehen. Die niedrigste abgedruckte Punktzahl lautet 7,0, die höchste 9,6. Wie man es vermuten könnte, besitzen die teureren Weine prinzipiell mehr Punkte (ziemlich gleichmäßig, ich habe es ausgewertet). Es gibt aber auch echte Ausreißer, günstig und sehr hoch bewertet, und wahrscheinlich haben nur die einen echten Effekt beim Kauf. Der Rest ist Vertrauensbildung, denn auch ein 3,99 €-Wein mit 7,3 Punkten macht etwas her. A propos 3,99 €, solche Preise gibt es hier nicht. Die letzte Ziffer ist immer eine Fünf oder eine Null, Ausnahmen gibt es nur bei prozentual reduzierten Artikeln.

Natürlich würde ich euch gern ein Foto direkt vom Katalog zeigen, um die Prinzipien besser zu erläutern, aber aus Copyright-Gründen geht das nicht. Wer sich näher dafür interessiert, kann entweder auf die offizielle Seite gehen und sich die aktuellen Kataloge anschauen oder einschlägige Schnäppchenjäger-Seiten wie anti-crise benutzen.

Statistisken – Was wovon wie viel wie teuer?

So, jetzt sind wir endlich bei der Katalog-Analyse angekommen.

Grundtabelle E.Leclerc

Voilà, in nicht besonders hübscher aber funktionaler Excel-Tabellenform seht ihr hier, was ich alles ausgezählt habe. In der ersten Spalte sind die Weinregionen aufgeführt, und zwar so, wie sie im Katalog gelistet werden. VdF bedeutet Vin de France, also ohne Herkunftsnennung. In der zweiten Spalte sieht man, dass die meisten Artikel aus dem Bordelais stammen, gefolgt vom (heimischen) Elsass, Burgund und Rhônetal. Der Durchschnittspreis pro Artikel ist in für die Region Champagne am höchsten, gefolgt von Burgund und Bordeaux, während am unteren Ende die Werte enger beieinander liegen. Nichts anderes hatten wir vermutet.

Die farbige Spalte bringt allerdings ein bisschen mehr Analyse mit hinein, denn SW bedeutet hier Standardabweichung. Bordeaux und Rhône besitzen die höchsten Werte, aber was bedeutet das? Das bedeutet, dass es sich um Regionen handelt, aus denen sowohl sehr günstige als auch sehr teure Weine stammen. Eine sehr homogene Region ist hingegen das Beaujolais: Hier besitzen die meisten Weine einen sehr ähnlichen Preis.

Weil es aber nicht nur um Artikel geht, sondern auch um die Flaschenanzahl, die dahintersteht (ein Hoch auf die Transparenz; ist für jeden Artikel im Katalog aufgeführt), unterscheidet sich der Durchschnittspreis je Artikel vom Durchschnittspreis je Flasche. Letzterer liegt insgesamt deutlich niedriger als der Durchschnittspreis je Artikel. Die billigeren Weine sind also prinzipiell in größeren Volumina vorhanden.

Abw in der Tabelle bedeutet Abweichung, und zwar die Abweichung zwischen dem Anteil der Artikel und dem Anteil der Flaschen. Das Elsass hat hier einen stark negativen Wert, das heißt, dass es hier einzelne Artikel mit enormen Volumina gibt. Umgekehrt befinden sich im Katalog viele Bordeauxweine, hinter denen nur geringe Flaschenzahlen stehen.

Und schließlich zeigt die letzte Spalte den Umsatz der jeweiligen Region an. Selbsterklärend irgendwie.

Welche Weintypen verkaufen sich am meisten?

Der meiste Umsatz wird in der Tat mit Weinen aus dem Elsass selbst erzielt. Jene (würde ich vermuten, das berühmte guesstimate) dürften zu einem gewissen Anteil außer Landes gebracht werden, ohne dass das irgendwo registriert wird. Umso interessanter deshalb, welche Weintypen sich hinter den Zahlen verbergen.

Tabelle E.Leclerc Weintypen

Die wichtigste Kategorie sind Rotweine, schließlich geht es auf Weihnachten zu. Kurz hinter den Weißweinen folgen (es geht ja auch auf Silvester zu) die Schaumweine. Roséweine, die ansonsten über das Jahr fast ein Drittel der in französischen Supermärkten verkauften Weine ausmachen, sind hingegen jetzt im Herbst extrem schwach vertreten. Ein absolutes Saisongeschäft offenbar, denn die Einkäufer*innen wissen mit Sicherheit, was sie tun. Interessant finde ich auch, dass es bei Schaumweinen zwar viel Volumen, aber vergleichsweise wenig Auswahl gibt. Über 100.000 Flaschen Wolfberger Crémant d’Alsace stehen da zum Beispiel, 50% gibt’s mit Kundenkarte für die zweite Flasche, macht 6,95 € pro Flasche. Das lockt.

Letzte Zeile, die Abweichung zwischen Umsatz und Volumen. Der positive Wert bei Rotweinen bedeutet, dass jene schlicht ein bisschen teurer sind als die anderen Kategorien.

Tabelle Weintypen je Region Foire aux Vins 2023 E.Leclerc

Noch spannender wird das Ganze, wenn man sich anschaut, welche Regionen welche Weintypen verkaufen. Beaujolais zu 98% Rot oder Provence & Korsika zu 94% Rosé, das überrascht vielleicht nicht so stark. Ein bisschen geschockt war ich allerdings, dass man aus dem Elsass mehr süße als trockene Weißweine im Regal findet (21,3% zu 17,4%). Jetzt weiß ich auch, wo die halbtrockenen bis schwersüßen Pinot Gris und Gewürztraminer hingehen. Offenbar lohnt es sich immer noch.

Ist denn das Ganze auch repräsentativ?

Um einschätzen zu können, ob bei der Foire auch wirklich das verkauft wird, was man in Frankreich herstellt, habe ich zum Abschluss noch einmal aus der offiziellen Statistik die Produktionszahlen je Region herangezogen.

Tabelle Vergleich Produktion Foire aux Vins 2023 E.Leclerc

In Frankreich wurden im Jahr 2022 knapp 35 Millionen Hektoliter Wein hergestellt. Mit Abstand am meisten produzierte die Region Languedoc-Roussillon (ich habe die Kategorien wie im E.Leclerc-Katalog benannt), gefolgt von Bordeaux und dem Südwesten.

Betrachtet man Menge und Wert der Flaschen, die bei der Foire aux Vins im Grand Est angeboten werden, sieht man sofort riesige Abweichungen. Das Elsass als Heimatregion (und wie gesagt, so nah an der Grenze vermutlich auch als Exportregion) ist mehr als zehnmal überproportional vertreten. Das würde bei der Foire in der Bretagne vermutlich ganz anders aussehen. Die Provence mit ihrem stark unterproportionalen Anteil ist wie erwähnt mit dem Saisongeschäft zu erklären. Dass die Champagne hingegen leicht unterproportional erscheint, hat weniger mit dem Feiergetränk als vielmehr mit dem (für Supermärkte unangemessenen) Preis und der enormen Exportquote zu tun.

Was habe ich aus der Foire aux Vins mitgenommen?

Da ihr euch jetzt durch Tabellen und Auswertungen gequält habt, soll zum Schluss auch nochmal ein wenig personal interest folgen. Schließlich beschäftige ich mich nicht nur mit Wein, weil es mein Beruf ist, sondern ich mag auch welchen. Insofern habe ich natürlich auch als Privatperson bei den Foires zugeschlagen. Tatsächlich musste ich bei einem Wein zucken, der grotesk attraktiv erschien. Es handelt sich um einen Rotwein der Côtes du Rhône, Réserve du Grand Chemin, Jahrgang 2020. Sagte mir natürlich gar nichts. Aber: Dieser Wein hat Gold in Mâcon gewonnen, mit 9,1 auf WineAdvisor eine der höchsten Punktzahlen erreicht und kostete… 15 € für den Sechser-Karton. Liebe Genossenschaftler aus Laudun und Chusclan, tolle Arbeit, aber ich hoffe, dass ihr davon auch leben könnt.

Foire aux Vins E.Leclerc

Mitgenommen habe ich neben zwei Bio-Roten von der Südrhône diese beiden Flaschen aus dem Bordelais. La Chapelle ist der Zweitwein von Château Haut-Bages Libéral, das in den letzten Jahren unter der Ägide von Claire Villars-Lurton einen märchenhaften Aufstieg vollzogen hat. Wunderbar elegante Weine, ich hatte den Erstwein auf der Summa probiert, sehr selten im Supermarkt, für 20 € zudem fair bepreist.

Unter 10 € kostete der rechte Wein, Château Fougas Maldoror. Rechts stimmt auch, denn natürlich ist das rechtes Ufer, Merlot-dominiert, moderner und schokoladiger, aber auch Demeter-zertifiziert – einfach viel strukturierter Wein für’s Geld.

Das soll es gewesen sein von der Foire aux Vins des Jahres 2023. Falls ihr auch eine Foire veranstalten wollt, hoffe ich, eine kleine Anregung dafür gegeben zu haben, was auf welche Art an französischen Weinen im Herbst verkauft wird. Für alle anderen sei erwähnt, dass es im Frühjahr ebenfalls eine Foire gibt. Zwar kleiner, dafür aber auch sehr interessant, weil mehr in Richtung Rosé ausgerichtet.

Trotz allen Schnäppchenalarms zu guter Letzt nochmal zur Erinnerung: Der Durchschnittspreis je Flasche liegt bei 7,44 €. Und da in Frankreich viel im Franchise mit freier Hand für den Ladner läuft (z.B. bei Système U, Intermarché, E.Leclerc), gibt es auch solche Fälle wie den Lerclerkaner in Pierry/Champagne. Der hatte nämlich ein gemischtes Kästchen von Romanée-Conti für schlanke 39.990 € vorrätig. In diesem Sinne: wohl bekomm’s!

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2 Antworten zu Was gibt es bei der Foire aux Vins 2023 im E.Leclerc?

  1. Dieter Tölle sagt:

    Guten Tag, ich habe vor einigen Wochen bei Leclerc in Soufflenheim einige Flaschen vom Cotes du Rhone Reserve Grand Chemin 2020 auf grund Ihrer Empfehlung für 3,95 € gekauft und fand ihn für den Preis hervorragend. Heute habe ich telefonisch von Leclerc Soufflenheim erfahren, dass er nicht menr vorrätig ist. Haben Sie eine Idee, wo es ihn noch in meiner Nähe geben könnte?

    D. Tölle
    Bruchsal

    • Matze sagt:

      Erst einmal freut es mich, dass Ihnen der Wein gefallen hat.

      Soweit ich weiß, wird die Cuvée ausschließlich für die Grande Distribution hergestellt, es könnten also höchstens noch irgendwo anders Flaschen übrig geblieben sein. E.Leclerc gibt es in der Region noch in Soultz-sous-Forêts zwischen Haguenau und Wissembourg, in Haguenau selbst (ist aber eher klein) oder um Straßburg herum, in Schiltigheim zum Beispiel.

      Ansonsten müsste schon im Januar der Nachfolgejahrgang 2021 herauskommen und dann auch im Regal stehen. Wenn ich den Jahrgangsverlauf anschaue, dürfte der Wein allerdings etwas leichter und frischer ausfallen. Viel Glück auf jeden Fall bei der Suche!

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