Im Frühjahr kommen ja in der Regel die ersten Weine des vergangenen Jahrgangs auf den Markt. In der Vergangenheit, als es die Präsenzmessen noch gab, war es manchmal so, dass ich mich nach dem Probieren gefragt habe, ob das überhaupt schon jemand trinken möchte. So jung. Hefig. Harmonisch noch so auseinander. Aber ein fränkisch trockener Gutswein aus Silvaner zeigt sich da vielleicht gnädiger als ein Riesling, der praktisch immer auch ein bisschen Zucker einbinden muss. Hier als Beweis sechs Weine, die ersten der GROSSEN SILVANER-SCHAU 2021.
Gutswein, Ortswein, alles aus 2020 unter 10 €
Irgendwie ist es logisch, dass im ersten Artikel der SILVANER-SCHAU nicht gleich die großen Brummer kommen, sondern die Einstiegsweine. Den meiner Meinung nach großartigsten Namen für ein solches Produkt besitzt übrigens der Literrote des württembergischen Weinguts Schwegler: d’r Oifache. Genial, oder?
Ansonsten könnt ihr die Vorbedingungen für diesen Quertest bereits aus der Überschrift entnehmen. Dezidiert einfach musste der Silvaner also nicht sein, aber dafür aus dem Jahrgang 2020 und preismäßig unterhalb der 10 €-Schwelle angeordnet. Dreimal ist es schließlich ein Gutswein geworden, einmal ein Ortswein, einmal ein Lagen-Kabinett und einmal ein gehaltvollerer Lagenwein. Die drei auf dem Titelfoto würde ich dabei als bekanntere Weingüter bezeichnen, die drei anderen eher als Geheimtipps. Die Sortierung hier im Artikel erfolgte übrigens rein nach Preis, von 6,50 € bis 9,50 €. Los geht’s also zu den ersten 2020er Silvanern!
Weingut Dereser – Silvaner Kabinett trocken
Das Weingut Dereser befindet sich in Stammheim, ein Name, den zeitgeschichtlich Bewanderte aus anderen Zusammenhängen kennen. Dieses Stammheim jedoch liegt etwa eineinhalb Mainschleifen nördlich von Volkach im Muschelkalk-Land. Vom Weingut Dereser bis zum Main sind es keine 200 Meter, und direkt dahinter beginnen die Reben des Stammheimer Eselsbergs. Aus jener Lage kommt auch der Wein auf dem Foto, ein Kabinett mit 12,5 vol%, 6,50 € ab Hof. Die Deresers sind Stammkunden beim Best of Gold und hatten dort letztes Jahr in der Premium-Kategorie einen meiner persönlichen Favoriten angestellt. Aber vielleicht komme ich ja im Verlauf der Silvaner-Schau noch einmal darauf zurück.
Beim Probieren muss ich unwillkürlich ein wenig schmunzeln. Das ist ein frischer, leichter, muschelkalkiger Silvaner, wie ihn viele Menschen mit der Herkunft und der Rebsorte verbinden würden. Heute für mich im schönen Einsteigerbereich angesiedelt, wäre das in meiner Studienzeit der herausragende Sonntagswein gewesen. Ansonsten war nämlich eher Beaujolais von der Norma angesagt. Frisch, frühlingshaft, unaufdringlich, so ein trockener Kabinett geht immer.
Weingut Max Müller I – Gutssilvaner
Das Weingut Max Müller I ist ein alter Bekannter für mich. Als ich vor über zehn Jahren erst in Berlin und dann in Köln gearbeitet habe, gab es dort jeweils Max Müller-Weine zu kaufen. Die Beliebtheit kommt aber nicht von ungefähr. Gerade die höherwertigen Exemplare von Christian Müller aus dem Escherndorfer Lump sind in ihrer balancierten Kraft ziemlich einmalig. Hier habe ich jedoch den Gutswein aus Volkacher Lagen ausgewählt, 11,5 vol% und 7,50 € ab Hof. Die Säure liegt übrigens bei 6,2 g und die Restsüße bei 2,6 g je Liter. Ähnliches gilt für alle Weine in diesem Artikel, was ich aber nicht bewusst vorher ausgewählt hatte. Vielmehr scheint mir dieser fränkisch trockene Typ einfach gut zu gefallen.
Hui, ganz anders im Angang als der Dereser. Dunkler in der Farbe erst einmal, dann mit viel Gärkohlensäure ausgestattet, die den Wein auch am zweiten Tag noch leicht perlen lässt. Dahinter wartet eine erdig-orangene Tönung, was den Wein würziger und gehaltvoller erscheinen lässt, als die 11,5 vol% vermuten lassen. Passt auch zur Bratwurst und zum Pulled Pork-Burger.
Weingut Rainer Sauer – Gutssilvaner
Daniel Sauer vom Weingut Rainer Sauer gehört nicht nur für mich zu den besten Silvanerwinzern Frankens und damit vermutlich der Welt. Vermutlich deshalb, weil in folgenden Artikeln der Silvaner-Schau noch ein paar wahrhaft beeindruckende außerfränkische Silvaner auf mich warten. Aber zurück zu Daniel Sauer. Das Weingut holt aus dem Escherndorfer Lump, wenn ich mich nicht verzählt habe, insgesamt sieben trockene Silvaner je Jahrgang. Vier nach VDP-Regularien und drei Freispieler. Jeder davon hat seine Berechtigung. Dies ist dabei der allerkleinste Silvaner aus dem Sauer’schen Portfolio, 11,5 vol%, 8 € ab Hof.
Blass im Glas, wirkt bereits in der Nase frisch und mineralisch. Am Gaumen hält der kleine Sauer das auch, und zwar exakt. Es gibt einen blütigen Touch und viel Zitrusnoten, gar in Richtung Limette gehend. Für mich ist das der kühlste und grünlichste Typus der Reihe, was den Wein dafür prädestiniert, sich an grün-vegetarischen Frühlingsgerichten zu versuchen.
Weingut Hiller – Randersackerer Teufelskeller
Das Weingut Hiller in Randersacker gehört vermutlich nicht zu den Orten, bei denen jeder halbwegs versierte Weintrinker nur “jaja, kenn ich” sagt. Bei gerade einmal 2 ha im Nebenerwerb ist das allerdings auch kein Wunder. Der Teufelskeller, aus dem dieser Silvaner stammt, grenzt direkt an die Würzburger Abtsleite, wenngleich ein Bachtal weiter. Namensgeber war interessanterweise nicht der Leibhaftige, sondern die Patrizierfamilie Teufel. Aber eigentlich sagt man vor Ort seit Jahrhunderten zu dem Berg Hobug oder Hohbug, ein Name, der sich auch auf alten Weinetiketten findet. In jedem Fall handelt es sich um einen nach Südwesten ausgerichteten Prallhang zum Main, entsprechend heiß ist es hier, und entsprechend kräftig mit 13,5 vol% ist dieser Wein ausgefallen. 8,50 € ab Hof.
Zwar ebenso hellfarbig wie der Sauer und fieserweise auch in der Nase harmlos muschelkalkig wirkend. Am Gaumen ist der Teufelskeller zunächst beachtlich viskos, weiterhin ananas-hell und irgendwie sehr dezent. Aber das darf nicht täuschen, denn hier liegt das Geheimnis in der Formel: Luft + Zeit = Tiefe. Schon (!) am zweiten Tag kommt man der Lösung näher. Passt perfekt zu Takoyaki mit japanischer Mayonnaise und Katsuobushi. Selbst wenn diese Empfehlung nicht allen weiterhelfen dürfte, möchte ich darauf hinweisen: Kauft den Wein, gebt ihm Zeit und probiert euch aus.
Weingut Weigand – Der Wilde
Voller Schreck fällt mir gerade auf, dass meine ersten vier Silvaner alle vom Muschelkalk stammen. Dabei ist Franken doch die Trias, Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper, mit einem Fitzelchen Urgestein ganz am Anfang. Zum Glück befindet sich das Weingut Weigand in Iphofen, was bedeutet, dass dieser fünfte Wein auf Keuperboden entstanden ist. Andi Weigand nennt seinen Gutssilvaner den Wilden, oder nennt der Silvaner ihn so? In jedem Fall wird hier schon an der Basis biologisch zertifiziert gearbeitet und spontan vergoren. 12 vol%, 9,50 € ab Hof und immer schnell weg. Schließlich verkauft sich Andis etwas wilderer, naturweinigerer Stil auch international sehr gut.
Frisch geöffnet entströmt ein leicht rauchiger Gärgeruch dem Glas. Ja, das ist die Weigand’sche Spontinote. Wer es so wild liebt, muss sich beeilen. Später nämlich, mit zunehmender Luft und Zeit (hatten wir doch gerade schon), wird der Wilde wesentlich zahmer. Man spürt die sorgfältige Herstellung, denn hier baut nichts ab, wird nichts müde. Stattdessen kommen die zimtigen Holznoten stärker zum Vorschein, der Wein wird würzig-samtig und durchaus anspruchsvoll.
Weingut Ottenbreit – Marktbreit Ortssilvaner
Zu guter Letzt, uff, noch ein Muschelkalker. Aber vielleicht liegt meine Präferenz beim Gutswein auch deshalb bei dieser Formation, weil Muschelkalk-Weine sich einfach früher öffnen, fruchtiger erscheinen. Wenn dann die Lagenweine kommen, gar die großen Kaliber und Individualisten, wird es auch garantiert in andere Gefilde gehen. Hier sind wir nun an der allersüdlichsten Schleife des Mains. Das Weingut heißt Ottenbreit, befindet sich in Obernbreit, der Ortswein stammt aus Marktbreit – da sollte es einen doch wundern, wenn sich ein schlanker Wein dahinter verbirgt. Christian Ottenbreit (der dritte Christian des Artikels) hat mir erzählt, dass der Wein aus einer sehr steinigen Parzelle mit 40 Jahre alten Reben stammt. Mit Spontangärung, Ausbau im Halbstückfass, 13 vol% und 9,50 € ab Hof sind wir hier ganz am oberen Ende der Kategorie.
Erster Test, erster Abend. Mittesterin J. kommentiert: “Was ist das? Das ist zu edel!” Und wie immer hat sie Recht. Okay, wer Holz in einem deutschen Weißwein überhaupt nicht mag, wird zumindest frisch geöffnet etwas zu meckern haben. Das war es dann aber auch schon. Ich bin ganz ehrlich: ein sensationelles Produkt in dieser Kategorie. Präsente, aber flächige Säure, ein eher ruhiger Fluss, ganz viel Schmelz und Tiefe. Der Wein erinnert mich an die Untereisenheimer Höll von Tom Glass vom letzten Jahr. Ein ganz starkes Ding, glaubt es mir, das die vanillig-haselnussigen Holznoten am zweiten Tag komplett eingebunden hat. Wahrscheinlich wird der Wein nächstes Jahr 10,50 € kosten und damit aus meiner Einstiegskategorie fallen. Aber sei’s drum, heute ist er hier.
Mein Fazit
Vielleicht ist Gutswein et al. für mich als Rosinenpicker die schwierigste Kategorie überhaupt. 2020er Weine sind notwendigerweise noch sehr jung und besitzen die Gabe, sich in Windeseile zu verändern. Insofern habe ich hier versucht, das Spektrum vom frischen Leichtwein bis zum anspruchsvolleren Lagerkandidaten möglichst vollständig abzubilden. Logisch, ich hätte fünf derartige Artikel mit immer wieder anderen Weinen schreiben können, ohne dass es qualitativ allzu sehr ins Gewicht gefallen wäre. Aber ich persönlich bin mit dieser Auswahl hier sehr zufrieden. Subjektivität rules eh immer, wenn es um Geschmack geht. 2020 war weinbautechnisch sicher kein einfaches Jahr. Aber wer Ausgewogenheit und Frische schätzt, wird im Gutswein-Bereich mit Sicherheit glücklich.
Hallo Matthias,
weil ich für meine privaten Zwecke Wein fast ausschließlich als Speisenbegleitung kaufe, habe ich inzwischen mehr Silvaner (und weiße Burgunder) im Keller als Riesling. Wie Du ja selber schreibst, ist Silvaner eine fast immer passende Begleitung zu Gemüsegerichten.
Da meine Frau und ich entschieden haben, so gut es geht nur noch Nahrungs- und Genussmittel aus biologischer Erzeugung zu kaufen, wäre für mich von Deinen Empfehlungen nur der Wein von Weigand eine Option.
Ich hatte mich aber schon mit dem Basissilvaner vom Bioland-Winzer Manfred Rothe aus Nordheim eingedeckt und mit Silvaner vom Bioland-Winzerpaar Ehrlich der Iphofener Weinmanufaktur 3 Zeilen.
Was auch Tipps für Gutsweine zu einem Preis von unter 10 Euro wären.
Beste Grüße!
Ja, das sind natürlich zwei sehr gute Adressen! Hatte ich allerdings letztes Jahr schon dabei, und zumindest Christian Ehrlich bringt seine Weine ja immer mindestens ein Jahr später, wenn ich mich nicht täusche. Bio kommt aber am Dienstag wieder 😉
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