Um den hier geht es, den Ceratit Nodosus, in Weinfranken auch unter dem Beinamen “Große Heimat-Schnegge” bekannt. Wer einen solchen Ammoniten am Ende des Abends in die Luft stemmen darf, hat es geschafft. Denn diesen zwar schwergewichtigen, aber formschönen Pokal, wie ihn nur die Natur erfinden kann, gibt es für die Siegerweine beim Best of Gold 2019. Für mich steht vorher aber noch einiges an: Drei Tage auf der Steinburg mit Blick über die fränkische Weinhauptstadt Würzburg, Leute kennenlernen, Weine verkosten (und das nicht zu knapp), erst dann schließlich prämieren, freuen, feiern.
Ein vollgepacktes Programm erwartete uns, super ausgedacht und perfekt umgesetzt von Andreas Göpfert vom Fränkischen Weinbauverband. Was konkret auf der Tageordnung stand? Erst VDP Franken-Jahrespräsentation im Bürgerspital; Treffen, Kellerführung und Essen im Untergeschoss der Residenz, sprich Hofkeller; verkosten, verkosten, verkosten auf der Steinburg; feierliche Präsentation der Best of Gold-Gewinner; Exkursion zur Winzergemeinschaft Franken und zum Weingut Meier Schmidt.
Als Verkoster (= Arbeit) und Teilnehmer (= Vergnügen) waren, wenn ich die Zahl richtig gehört habe, nicht weniger als 46 erfahrene Weinprofis dabei, von der Top-Sommelière über die Weinjournalistin bis zum Händler.
Der Jahrgang 2018 in Franken
Ein paar Worte vielleicht noch vorab zum Jahrgang 2018 in Franken, so wie wir ihn verkostet und mit vielen Winzerinnen und Winzern besprochen haben: Mit dem Sonnenschein auf den Frankenwein wie in der Überschrift hatte es der Wettergott letztes Jahr wirklich gut gemeint. Extrem gut sogar. 2018 war in dieser Hinsicht ein Weinjahrgang zum Jubeln, und unreifen Sauerampfer wird kaum jemand auf die Flasche gebracht haben.
Dafür lagen die Herausforderungen genau auf der anderen Seite: Bereits Ende August schossen die Oechslewerte in den Beeren in die Höhe, während gleichzeitig die Säure in den Keller ging. Wer sich nicht dazu entschloss, extrem früh zu ernten, war später nicht selten auf die Kunst der zweiten Hand angewiesen. “pH-Wert-Stabilisierung”, “Alkoholmanagement”, so nennt man das elegant, dafür braucht man viel Fingerspitzengefühl.
In den meisten Fällen sind die 2018er geschmeidige Weine, und man ist versucht zu sagen, dass sich so ein Stil eher für den frühen Genuss eignet. Trotzdem, wie ich bei meinem Artikel zur Mainzer Weinbörse schon schrieb, würde ich gerade wegen der klimatischen Herausforderungen auch den 2018er einen “Winzerjahrgang” nennen wollen, bei dem Entscheidungen wie Belaubung, Begrünung, Erntezeitpunkt und önologische Verfahren zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben.
Best of Gold – Die Verkostung
Hatte ich eigentlich schon gesagt, was das Best of Gold eigentlich ist? Um beim Best of Gold dabei zu sein, müssen die Weine grundsätzlich eine Goldmedaille bei der Fränkischen Weinprämierung erhalten haben. Das ist die Voraussetzung, um schließlich in zwei Verkostungsrunden blind auf die Tische zu kommen. Dadurch aber, dass nicht alle Winzer ihre Weine bei der Weinprämierung anstellen, gibt es zusätzlich auch noch Wildcards. Das sind Weine, die über Empfehlungen Dritter ins Teilnehmerfeld einziehen. Genau wie bei Olympia steht beim Best of Gold je Kategorie letztlich genau ein Siegerwein oben auf dem Treppchen, gefolgt von zwei weiteren Nominierten. Oben auf dem Foto könnt ihr noch einmal einen Blick in den Verkostungsraum am Morgen werfen.
Und das sind, schlappe elf Stunden später, alle Siegerinnen und Sieger in den zehn Kategorien. Rechts vorn übrigens Hermann Mengler, offiziell Weinfachberater des Bezirks Unterfranken, inoffiziell aber Vater, Mentor und treibende Kraft hinter ganz vielen Weinideen, unter anderem dem Best of Gold.
Bei den Rotweinen gab es auf dem Podium eher Bestätigungen als Überraschungen. Martin Johannes Schmitt (Schmitt’s Kinder) nahm bereits zum dritten Mal hintereinander den Preis für den besten Spätburgunder entgegen. Da in jedem Jahr Teilnehmer- und Jurorenfelder immer wieder völlig unterschiedlich ausfallen, legt diese Konstanz die Vermutung nahe, dass der Wein so schlecht nicht sein kann.
Den Titel in der Nicht-Burgunder-Kategorie erhielt Nicole Roth vom Bio-Weingut Roth in Wiesenbronn mit ihrer Cuvée G. Ein richtig dunkler und wirklich guter, null paprikatöniger Wein aus (Achtung) Blaufränkisch, Cabernet Dorsa und Cabernet Mitos. Ja, das geht! Bei den anderen Gewinnern gab es teilweise echte Überraschungen und echt mitreißende Freude bei der Verkündung. Auf der Seite des Weinbauverbands könnt ihr die Namen, schönere Fotos als von mir und ein paar Hintergründe sehen.
Süß und Sauer
Die Gruppe, bei der ich als Pate später den Best of Gold-Preis überreichen durfte, hatte sich mit Süßweinen auseinanderzusetzen. Gewählt wurde in der Blindprobe letztlich eine Traminer Beerenauslese von der Winzergemeinschaft Franken vor einer Riesling Trockenbeerenauslese vom Weingut Horst Sauer. Das ist ein sehr überraschendes Ergebnis, und vielleicht ist es für den einen oder die andere ganz interessant zu erfahren, wie es dazu gekommen ist.
Zunächst erst einmal muss man konstatieren, dass eine einzige Süßweinkategorie sehr wenig ist, bedenkt man die dahinter stehende Stilvielfalt. Andererseits ist in diesem Bereich sowohl die Zahl eingereichter Flaschen als auch die Marktpräsenz abnehmend, was es schwierig erscheinen lässt, eine andere Lösung zu wählen. Während wir am Vormittag in der Vorrunde Weine mit einem überdurchschnittlichen Qualitätslevel in die Endrunde wählten, standen uns am Nachmittag zwölf sehr individuelle Interpretationen aus sechs Rebsorten gegenüber.
In dieser Finalrunde hatten sich für mich schnell zwei Weine herauskristallisiert, die wirklich so unterschiedlich waren, wie Süßweine es nur sein können. Der eine war ein rosenduftiger Traminer, der bereits in der Vorrunde als Außenseiter gut performt hatte, und der von der Gradation her ganz sicher am unteren Ende der Kategorie anzusiedeln ist. Eine schöne, reintönige Frucht, wunderbar ausgewogen, nichts Seifiges, nichts Mastiges, ein aromatisches Produkt, das auch für gastronomische Kombinationen sehr interessant erscheint. Auf der anderen Seite stand ein Riesling, vermutlich eine TBA, mit einer ungeheuren inneren Spannung. Zudem konnte sie noch mit einer sehr gut ausgeprägten aprikosigen Frucht punkten, die nicht von der Struktur übertönt wird. Wie also entscheiden? Letztlich haben wir nach ausgiebiger Diskussion individuell bewertet. Dass Duftigkeit in diesem Fall knapp vor Intensität landete, trägt vielleicht auch einen kleinen Zeitgeist-Wink in sich. Ein äußerst spannendes Thema jedenfalls.
Exkursion in die Realitäten
Wenn es irgendwo Betriebsbesichtigungen im Rahmenprogramm gibt, bin ich immer mit dabei. Der Plural Realitäten scheint mir übrigens durchaus angemessen, denn die Winzergemeinschaft Franken in Kitzingen-Repperndorf mit ihren jährlich bis zu 15 Millionen Flaschen lässt sich vermutlich nur sehr eingeschränkt mit einem Mini-Familienbetrieb mit 2 ha in der Steillage vergleichen. Das ist aber auch das Großartige an der Weinwelt, dass es für beide Ansätze gleichermaßen Platz gibt. Die Repperndorfer, unter ihrer ehemaligen Abkürzung GWF sicher deutschlandweit bekannt, haben – ich glaube, das darf man so sagen – mit Cornelius Lauter einen jungen geschäftsführenden Vorstand engagiert, der ein enormer Gewinn für so ein großes und herausforderndes Unternehmen ist.
Zum 60jährigen Jubiläum der GWF konnten wir nicht nur beeindruckende Weine aus sieben Jahrzehnten verkosten, sondern erhielten auch einen Einblick in die Komplexität eines solchen Weingiganten. Weinbau ist und bleibt ja Saisonarbeit, und unter diesen Bedingungen 1.300 einzelne Genossenschaftler philosophisch und logistisch unter einen Hut zu bekommen, das ist schon eine Mammutaufgabe.
Weiter ging es dann zum Essen und Besichtigen ins mittelfränkische Ulsenheim. Dort warteten Markus Meier und Lukas Schmidt vom Weingut Meier Schmidt auf uns, das erst seit zwei Monaten so heißt. Die beiden haben sich nämlich zu dem (im konservativen Bauernstand sehr seltenen) Schritt entschlossen, zwei unabhängige Familienbetriebe aus wirtschaftlichen Gründen zusammenzulegen. Kleines Beispiel gefällig, wie die beiden ticken? Weil sie neue gemeinsame Etiketten haben wollten, engagierten sie nicht etwa Manni und Gitti aus dem Nachbardorf, die schon beim Abi damals die T-Shirts bedruckt hatten, sondern schrieben bei 99designs ihr Anliegen schlichtweg online aus. Das Ergebnis: Eine australische Agentur gewann, und seitdem flattert ein stilisierter Kolibri über die Blumenwiesen am Bullenheimer Paradies.
Was bleibt?
Die natürliche Bescheidenheit der Franken (“net g’schimpft is g’nug g’lobt”), verbunden mit der kontinentalen, von internationalen Businessrouten doch eher entfernten Lage bringt es mit sich, dass Frankenweine oft immer noch ein bisschen unter dem Radar laufen. Zudem hat es die Leitrebsorte Silvaner als idealer Speisenbegleiter ein bisschen schwer, sich in Soloverkostungen gegen aromatischere Rebsorten richtig in Szene zu setzen.
That having said, ist es nicht nur so, dass Franken mit der glasklaren Abfolge dreier geologischer Formationen (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper) echte Terroirweine am Start hat, bei denen man diese Unterschiede auch tatsächlich schmecken kann. Das allein scheint mir schon einmal ein großer Vorteil, wenn es um Herkunftscharakter geht. Zudem gibt es nicht eine große, zusammenhängende Weinfläche, sondern immer wieder Weininseln, die über das Land verstreut sind.
Was in logistischer Hinsicht herausfordernd ist, punktet in den Bereichen Diversität und Weinromantik umso mehr. Vom Saaletal bei Hammelburg bis zum Glimmerschiefer fast vor den Toren Frankfurts, von schnuckeligen Mainweindörfern über den Steigerwald bis zum Taubertal, überall gibt es noch diese Orte, bei deren zufälligem Durchfahren man denkt, “wie kann es nur sein, dass ich vorher noch nie etwas davon gehört hatte?”
Diese Vielfalt, und vor allem der Reiz, den eine solche Vielfalt mit sich bringt, hat sich glaube ich auf alle Verkostungs-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer total übertragen. Was für mich bleibt, das ist vor allem eine Erkenntnis: Ich muss wiederkommen. Auf eigene Faust. Winzer besuchen. Berühmte Lagen bewundern. Versteckte Schätze entdecken. Mit der Aussicht auf die kommenden sechs milden und grünen Monate sind das doch Vorhaben, die einen fröhlich stimmen können.
Vorzügliche Gesamtschau, präzise Einschätzung des Jahrgangs 2018, exzellente Fotos. Kompliment!
Merci, gern geschehen!
Hat mir auch sehr gefallen, Dein Bericht. Aber sag mal, Matze, wie sind denn die Weine von Meier Schmidt? Hast Du sie probieren können?
Ja, hab ich – allerdings eher nebenbei zum Essen, also ohne intensives Schnüffeln und große Notizen.
Der Sauvignon Blanc hatte ja beim Best of Gold in seiner Kategorie mit auf dem Treppchen gestanden. Das ist ein frischer, eher grüner Typus, also vermutlich das, was die meisten Leute von einem Sauvignon erwarten. Riesling und Silvaner fand ich auch ansprechend, sehr frisch und gut gemacht. Mir persönlich am besten gefallen hatte der Spätburgunder Pur, weil er dem Beinamen entsprechend eher strikt und nicht so erdbeer-röstholzig angelegt ist. Mit 35 € ist das aber natürlich auch ein preisliches Wort.
Das ist jetzt alles nichts Freakiges, aber ich kann mir gut vorstellen, einen Wein in die nächste Querverkostung mit reinzunehmen. Zumal es sich bei den Bullenheimer Weinen um Mittelfranken handelt. Kleiner Außenseiter-Bonus 😉
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