Der neue Weinjahrgang: mein erster 2011er

Das Jahr 2011 könnte durchaus in die Geschichte der besonderen Weinjahrgänge eingehen. Erst war es besonders warm mit einem besonders frühen Austrieb, weshalb dann in manchen Gegenden ein besonders böses Erwachen nach einem fatalen Nachtfrost stattfand. Später im Sommer regnete es dann besonders viel, aber dadurch grünte und gedieh auch alles wie blöd. Wer früh erntete, wurde mit horrenden Massen an wässrigen Trauben belohnt, wer zu lange wartete, konnte sich dafür mit einem potenziellen Alkoholgehalt von 16 vol% herumschlagen. Dazwischen aber, schön gepflegt, phenolisch reif, aber noch ausreichend straff geerntet, sollte uns 2011 doch ein paar sehr schöne Weine bescheren. Dies ist mein erster 2011er, ein einfacher natürlich, und dennoch starte ich gleich mal eine unseriöse Hochrechnung.

Dadurch dass ich nicht auf Teufel komm raus den ersten Wein des neuen Jahrgangs trinken wollte, war meine Entdeckung eher zufällig. Im Biomarkt hatte ich gerade Eier, Käse und Kartoffeln eingekauft, als ich am Weinregal vorbeikam. Da stand er. Der 2011er Rivaner trocken vom Weingut Manfred Rodermund aus Trittenheim an der Mosel. Ich erinnerte mich sogleich an meine gelegentliche Brot-und-Butter-Vorliebe bei Kontextweinen. Das Weingut kannte ich nicht, die fast verschämt klein auf dem Etikett stehende Lagenbezeichnung “Trittenheimer Altärchen” machte mich dann aber doch neugierig. Bei 6,50 € für einen Literwein aus Bioproduktion (okay, nur EU-Biosiegel) gibt es nicht viel zu meckern. Rein in den Einkaufskorb und ab nach Hause.

Das Weingut von Manfred Rodermund ist ein kleiner Traditionsbetrieb, seit 2006 auf ökologischen Landbau umgestellt und – wen wundert es an der Mosel – eigentlich eher ein Riesling-Spezialist. Bei den Probepaketen im Internet habe ich jedenfalls keinen Rivaner gefunden. Nur noch mal als Ergänzung: “Rivaner” ist nichts anderes als der gute alte Müller-Thurgau, der aber – wie Wikipedia weiß – “aus Rechts- und Marketinggründen” eben auch gern einmal ein bisschen mogelpackungsmäßig derartig bezeichnet wird. Die Lage Trittenheimer Altärchen hingegen ist teilweise exzellent (in ihrer Mitte über der Mosel), teilweise, naja, auch ein wenig heterogen. Bei über 160 ha kein Wunder, aber wenigstens steckt der Schiefer immer im Untergrund.

Im Glas ist der Rivaner wirklich sehr blass mit einigen feinen Bläschen. In die Nase steigt mir eine gewisse Parfümiertheit, aber nicht zu stark, dazu Noten von grüner Haselnuss, Trauben und auch Traubenkernen. Am Gaumen erscheint der Wein zunächst hinreichend frisch, bevor ich dann nach und nach denke, dass dieses kleine Literweinchen doch eine ganz schön viskose Materie aufweist. Mit 12,5 vol% ist der Rivaner vollmundig, saftig, besitzt Anklänge von Birnen und weißen Blüten, viele Aromen und eine nicht gerade aufdringliche Säure. Jetzt kann letzteres auch daran liegen, dass der Wein nicht knochentrocken ist, und so ein minikleines Zuckerschwänzchen ja einiges für die geschmackliche Einbindung der Säure tun kann. Ich habe insgesamt das Gefühl, mit diesem angenehmen Schoppenwein ein echtes Kind des Jahrgangs im Glas zu haben, und der Unterschied zu den im letzten Spätwinter probierten 2010ern ist sehr augenfällig.

Jetzt folgt also nach einem einzigen Wein (und meinen Erinnerungen an den Jahresverlauf) eine total spekulative und rein persönliche Prognose: In klimatisch einigermaßen begünstigten Lagen könnten die 2011er Literweine und ihre anderen kleinen Brüder uns ganz schön in Erstaunen versetzen. Es mag sein, dass sich etliche Wassertrauben-Weine darunter finden lassen, aber definitiv auch eine Menge süffiger, saftiger und eher üppiger Tropfen. Ich habe so ein Bauchgefühl, dass ich 2011 eher zu den kleinen Weinen der guten und bewusst agierenden Winzer neigen werde, weil die Spitzen vielleicht ein bisschen matschig und alkoholreich ausfallen könnten. Das war im Säurejahr 2010 ganz anders, das für meinen Geschmack im Basissegment oft wirklich sauer und fad war. Klar, wem das nicht passte, konnte 2010 entsäuern und dafür 2011 Säure zufügen (bis zu 2,5 g/l im Wein übrigens laut Ausnahmeverordnung). Aber ich spreche ja hier vom allgemeinen Jahrgangscharakter und nicht von önologischen Kunstgriffen.

Wenn es nicht weingesetzlich als unter aller Sau gelten würde und auch ansonsten der Naturgebundenheit des Weinbaus nicht gerade entspräche, würde es mich vielleicht unter Umständen eventuell interessieren, wie eine Cuvée aus 2010 und 2011 aussehen könnte. Egon Schäffer hat doch solche erstaunlich komplexen und langlebigen Sachen schon einmal auf die Flasche gebracht. Wenn er noch etwas von seinem 2010er übrig hat, kann er es ja wieder versuchen…

Habt Ihr schon ein paar 2011er-Erfahrungen? Oder lasst Ihr generell von solchen Frühabfüllungen die Finger?

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6 Antworten zu Der neue Weinjahrgang: mein erster 2011er

  1. jens sagt:

    Hi Matze!

    Hatte letztens den Literriesling von Kruger Rumpf von der Nahe aus 2011 im Glas. Naja. Einiges zu jung mit noch leicht Kohlensäure und hefigen Noten. Muss ich in dem Stadium nicht haben.

    • chezmatze sagt:

      Och, leicht Kohlensäure, das finde ich bei jungen Leichtweinen gar nicht unattraktiv. Aber stimmt natürlich, so ein füllkrank-hefiger Wein ist wahrhaftig kein großes Vergnügen.

  2. Hi Matze,
    vor solchen versuchungen bin ich mittlerweile zu100 % gefeit. Ich warte bis der Händler meines Vertrauens die Weine ankarrt. Auch da bin ich wählerisch und greife nur auf altbewährtes zurück. Markus Schneider meide ich auch bei diesen frühen Abfüllungen. Zehnthof Luckert fällt mir jetzt spontan als der erste kaufenswerte ein.
    Gruß Wolfgang

    • chezmatze sagt:

      Als notorisch neugieriger Mensch bin ich natürlich nie zu 100% vor so etwas gefeit. Aber ich gebe gern zu, dass meine Hauptmotivation tatsächlich diese Neugier ist, denn richtig gute Weine nach meinem Verständnis werden einfach nicht so früh abgefüllt. Man lässt denen auch als Winzer Zeit.

      Markus Schneider, das ist ein hochinteressantes Thema. Und hochemotional offensichtlich, denn ich kenne eigentlich niemanden, der da völlig neutral ist. Um es ganz kurz zu machen: Ich freue mich, wenn jemand als Winzer Pep und auch kommerziellen Erfolg hat, weil so etwas der Branche an sich nur gut tun kann. Ganz grundsätzlich. Mit seinen Rotweinen kann ich wenig anfangen, weil sie nicht meinem persönlichen Geschmack entsprechen. Seinen Riesling Kirchenstück hingegen finde ich gut. Aber ich habe das Gefühl, dass ich bei Schneider noch mal nachprobieren muss. Auch aus Neugier. Schließlich sind das ja mit die erfolgreichsten deutschen Weine in Deutschland, wenn ich mich nicht täusche.

      Und ja, bei den Luckerts gefallen mir schon die “kleinen” Weine sehr, der Blaue Silvaner zum Beispiel.

  3. Charlie sagt:

    Leider stimmt bei weinlagen-info einiges bei den Trittenheimer Lagen nicht. Hoffe es findet sich jemand der hilft! http://weinlagen-info.de/#gemeinde_id=92
    Habe bisher nur 2 Fassproben vn 2011 probiert und zwar von süßen 2 Auslesen von der Mittelmosel. Sehr reife Frucht, satt, saftig, eher weiche Säure.

    • chezmatze sagt:

      Zum Altärchen gehört glaube ich die ganze Rebfläche, die Du bei Google Earth oberhalb der K 128 sehen kannst. Also zusätzlich zu dem Stück an der Mosel, das Du schon eingetragen hast. Bestockt ist davon laut Luftbild allerdings nicht mal die Hälfte. Aber ich bin in Trittenheim höchstens mal durchgefahren, also nicht der wahre Experte…

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