Kölsches Bloggerkochen: Zum Teufel mit den guten Vorsätzen

Mein guter Vorsatz für 2012: mal wieder nett essen gehen. Und schon ist es da, das sich ewig perpetuierende (neuerdings eins meiner Lieblingsworte) Dilemma: Gehe ich hin zu diesem “Kochblogger-kochen-Event”, habe ich zwar meinen guten Voratz wahrgemacht, aber gegen ihr Motto verstoßen, das mit dem Teufel. Halte ich mich aber an das Motto, dann dürfte ich entweder gar nicht hingehen, oder sie müssten grottenschlecht kochen, damit der Vorsatz nicht erfüllt wird. Die kochenden Protagonisten ließen aber die Befürchtung zu, dass es wahrscheinlich doch ganz gut, wenn nicht gar exzellent wird. Ich sage nur: Nata von Pastasciutta, Marqueee von Allem Anfang… und Marco vom Marieneck, dem mobilen Kochereignis. Ort der Handlung: das Claers in Köln. Also Gummistiefel draußen ausziehen und rein in die gute Stube!

Was diesen Blogpost von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich trotz hinreichend schummrigen Lichts viele Fotos gemacht habe. Schließlich dürften die meisten hier daran interessiert sein zu sehen, was Foodblogger rein optisch so zu bieten haben. Deren kreative Werke meine ich natürlich. Zum anderen habe ich diesmal keinerlei schriftliche Aufzeichnungen gemacht, kein winziges Fitzelchen. Der Abend war einzig und allein dem Vergnügen gewidmet.

Dass ich solche Bilderfluten hier nicht allzu oft anbiete, hat allerdings zwei handfeste Gründe: 1. Meine Gratis-Software bricht jedesmal zusammen. 2. Ich alte Quasselstrippe bin ja immer noch der Meinung, dass ein Satz viel mehr sagt als 1.000 Bilder. Gegen diese beiden Grundsätze versuche ich jetzt mal zu verstoßen, wobei der erste mir hoffentlich keinen Strich durch die Rechnung macht.

Lockerer Aufgalopp mit mäßig starker Verspätung. Ein kurzer Blick von außen: Alle stehen noch. Glück gehabt, ich hätte ungern auf den ersten Gang verzichtet.

Gang 1: Dreierlei aus dem Lebenszyklus eines Schafskäses. Könnte man beim Blick auf den Teller meinen. Links Apfel, in der Mitte Sellerie, rechts tatsächlich Schafskäse, jener ganz aus der Nähe von Köln. Fängt ausgezeichnet an, und ich schreibe mir ins innere Moleskine, dass ich den kindlichen Missmut vor Sellerie komplett abgelegt habe. Aber komplett.

Gang 2: Sämige Kartoffelsuppe mit Trüffelscheiben. Heißt in Wirklichkeit sicher eleganter, macht sich aber nicht nur optisch gut vor dem Teelicht, sondern gefällt auch geschmacklich. Die optimale Begleitung dazu war übrigens der wilde Weiße von Angiolino aus dem Veneto. Mehr darüber später.

Gang 3a: Und ewig schwimmt die Forelle. Links Forellen-Mousse, unten Feldsalat-Frischkäse-Melange, rechts gebeiztes und handfiletiertes Forellenstück, oben Feldsalat, in der Mitte, tata, Kerbelknollen. Schlichtweg großartig. Wenn ich nur einen einzigen Gang hätte essen dürfen, dieser wäre es gewesen. Okay, ich bin fisch-vorbelastet, aber die Kerbelknollen sind wirklich genauso einzigartig wie selten. Hier hat der Koch sich höchstselbst dazu geäußert.

Gang 3b: Ausgewrungene Forelle, halb frisch, halb geräuchert. Sehr schöne Brühe.

Gang 4: Regionalkolorit. Und die Region dehnt sich kulinarisch bekanntlich recht weit nach Westen aus. Links Schwarzbrot mit Sirop de Liège, rechts Käsekroketten wie aus der Friture und oben marinierte rote Zwiebeln. Herzhaft, dazu ein Bier. Oh, gibt’s heut nicht…

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Kleine Pause und die Gelegenheit, den Saal zur Gänze aufzunehmen und dem Kochteam ein wenig über die Schulter zu schauen. Aha, Fleisch gibt’s, und zwar in einer Form, die einen dazu verleiten könnte, auf Messer und Gabel zu verzichten. Die Rippe eignet sich doch hervorragend als Griff, oder nicht? Ich nehme mich aber zusammen, schließlich bin ich hier nicht allein.

Gang 5: Unten Hirsch, oben Wirsing mit Maronen, rechts blatziert sich der Blatz. Neulich war ich im Wald joggen, als es plötzlich neben mir knallte. Ich war mitten in eine Treibjagd geraten und sah mich schon am Ende des Tages in einen Zustand versetzt wie der Hirsch auf dem Teller. In solchen Momenten kommen einem die Gründe, auf Fleisch zu verzichten, doch sehr sehr nachvollziehbar vor.

Gang 6a: Erdbeerstrudel, noch auf dem Backblech abgepasst. Eigentlich waren das aber nicht Gang 6a und 6b, sondern alles kam zusammen auf verschiedenen Tellerchen.

Gang 6b: Schokoladenkuchen mit Matcha-Füllung (links) sowie ein Tässchen Espresso mit überbrühten Austern und rohem Zwiebelschaum (rechts). Wer erkennt den Fehler? Richtig, es heißt nicht “Matcha”, sondern “Matsch”.

Nein, alles gemogelt natürlich, der Espresso (nicht auf dem Bild) war Abschlussgang 7. Auf dem Bild in der Espressotasse befand sich eine ziemlich exklusive Sesammousse, die, wenn ich die gutturalen Laute um mich herum richtig gedeutet habe, sehr gut angekommen ist.

Natürlich gab es zu jedem Gang auch die passende Weinbegleitung. Garanten dafür waren Christoph von Originalverkorkt, der mit einer ganzen Batterie exzellenter Weine erschienen war, sowie Hermann von Gaillac et Voisins, der zwar nur einen Wein dabei hatte – aber den haben wir ihm nachher aus den Händen gerissen. Die Sache mit dem “passenden” Wein hatte sich übrigens ziemlich schnell erledigt, denn im Handumdrehen waren zehn verschiedene Flaschen auf unserem Tisch geöffnet und alle probierten querbeet. Irgendwas ging immer. Im folgenden seht Ihr eine kleine Auswahl der schönen Weine, bevor ich auf zwei Exemplare ein wenig näher eingehen möchte.

Angiolino Maule hat Tonamphoren in seinem Tomatenbeet vergraben. Dort baut er seinen Wein aus. Mitten im hochindustrialisierten Soave-Weinbaugebiet, das eigentlich eine eigene Zusatzstoffverordnung bräuchte, so mannigfaltig sind die segnenden Eingriffe der Önologen. Aber Angiolino macht trotzdem und vielleicht auch gerade deshalb seine ziemlich komplexen, trüben und leicht gewöhnungsbedürftigen Weine nach Uraltväter Art. Der oben abgebildete Sassaia duftet nach mildem Heu, nach Herbstblättern, nach Streichhölzern und frisch verklebter Auslegware. Dekantieren hilft, aber nie vollständig. Am Gaumen kommt dann aber eine transparente Sanftheit durch, die nicht für sich allein getrunken werden will, sondern allen Ernstes kongenial zur Kartoffelsuppe mit Trüffeln passte und auch ansonsten zu allerlei gekochtem Gemüse. Kostet sensationell wenig (auf jeden Fall unter 10 €), aber leider waren es Christophs vorerst letzte Flaschen aus dem Keller.

Den zweiten Wein hatte Hermann aus dem Gaillac mitgebracht, und es müsste ihn genau hier auch noch zu kaufen geben, für 18,20 €. Auch vorsintflutliche Weinbereitung in der Nähe von Toulouse, eine Gegend, die ich ehrlich gesagt sehr gern einmal bereisen würde. 50% Braucol, 50% Duras, autochthone Rebsorten, ein Rotwein übrigens, habt Ihr Euch sicher denken können. Der Winzer heißt Michel Issaly, und wie er es schafft, neben seinem knapp 6 ha großen Weingut auch noch den Vignerons Indépendants vorzustehen, weiß ich auch nicht. Der Wein bietet uns mal wieder einen kleinen Stinker in der Nase an, Zeichen seiner Vinifikation. Mit ausreichender Belüftung verfliegt das aber. Natürlich ist ein fast drei Jahre im alten Holzfass ausgebauter Wein nicht scharf, sondern gnädig mit unseren Zungen. Mild und weich gleitet er in den Mund, das Holz ist längst eingebunden, die Tannine samtig, aber die Frucht in Richtung Sauerkirsche steht noch ganz prächtig da. Ich bin überrascht von der Lebendigkeit des Ausdrucks. Nichts Mattes hat der Wein, nichts Beliebiges, sondern viel Saft und Schwung. Das macht zu rotem Fleisch wirklich Spaß, und deshalb muss auf unserem Tisch auch noch die zweite Flasche daran glauben, denn die erste hatten wir schon vorzeitig in der Esspause geleert.

Und so neigt sich ein denkwürdiger Abend dem Ende zu. Dass das Glück die Privilegierten auch noch belohnt, mussten beautyjagd, Utecht und ich erfahren, als wir auf dem Nachhauseweg den Bahnsteig der Kölner U-Bahn betraten. Denn da fuhr sie auch schon ein, die Ungerechte. Würden wir jetzt von der Arbeit kommen, hätte sie sich bestimmt wieder in einen Kleinwagen verkeilt und würde uns eine Stunde in Regen und Kälte warten lassen.

Ein Hoch den Gastgebern, die für eine derart große Runde derart viele Gänge derart souverän kochten, buken und brieten, als seien Eile und Versagensangst Fremdworte für sie. Sah jedenfalls so aus.

P.S. Wer auch dabei war/selbst etwas darüber geschrieben hat/interessante Dinge zu sagen weiß/das Recht am eigenen Bild geltend machen und mich verklagen möchte, bitte schreibt alles in die Kommentare. Ich werde den Text dann entsprechend verfeinern.

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18 Antworten zu Kölsches Bloggerkochen: Zum Teufel mit den guten Vorsätzen

  1. Marqueee sagt:

    Hab dank für die ausführliche Berichterstattung und das Lob. Ein Detail nur sei korrigiert: die Forelle rechts war mitnichten geräuchert, sie war gebeizt (u.a. in/mit Orange).

  2. nata sagt:

    Aaaaaah! *kreisch!* Endlich gibt es Fotos! Toll, dass Du alles festgehalten hast. Vielen Dank für diesen herrlichen Bericht und vor allem für Deine Teilnahme! Ich bin immer noch ganz begeistert davon, dass wir so tolle Gäste hatten.

    • chezmatze sagt:

      Und ich bin begeistert, dabei gewesen sein zu dürfen! Ist ja nicht so häufig, dass man ein Restaurant betritt und gleich denkt, “hier würde ich privat auch hingehen” ;). Beim nächsten Mal müsst Ihr bestimmt die Teilnehmer unter notarieller Aufsicht auslosen, so groß wird der Andrang sein.

  3. utecht sagt:

    Der Leuchtkasten hat ja prima funktioniert! Wie alles an diesem Abend…

    • chezmatze sagt:

      Der Kasten hatte mich auch schwer beeindruckt. Da dachte ich mir gleich, wer sowas organisatorisch und technisch hinbekommt, wird mit den nachfolgenden Kleinigkeiten wie “für 30 Menschen kochen” auch keine Probleme haben.

  4. Marco sagt:

    Hey, danke für die tollen Bilder und die netten Worte zur Küche. Schaut mal genau auf das Bild bei Frau Küchenlatein: Ihr seht die Anbringung des Logos unter schwierigen Umständen.
    http://www.flickr.com/photos/42113263@N00/6749764057/

  5. Ulrike sagt:

    Frau Küchenlatein jetzt auch einen Bericht mit Bildchen 😉

    Ja, es war ein gelungener Abend und ich hoffe auf eine Wiederholung

  6. Pingback: Köln, an einem Samstagabend « Utecht schreibt

  7. jens sagt:

    Hi Matze!

    Den Wein dürftest Du auch in BOT bei Iggy bekommen. Bei zwei Roten des Erzeugers (war glaub ich Merlot) hatten wir allerdings das Problem der Nachgärung durch fehlende Schwefelzugabe.

    In Köln müsste man wohnen….

    Herzliche Grüße Jens

    • chezmatze sagt:

      An Iggys Homepage kann ich zumindest erkennen, dass daran gearbeitet wird ;). Ja, diese Art der Weinbereitung scheint mit einem gewissen Restrisiko verbunden zu sein. Ich versuche, bei empfindlichen Weinen mich verhaltensmäßig darauf einzustellen, aber was vorher war, weiß ich natürlich auch nicht.

      Übrigens kenne ich einen beinharten Schalke-Fan, der in GE wohnt und jeden Tag zur Arbeit nach Köln kommt. Geht sicher auch in umgekehrter Richtung ;).

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