K&U-Hausmesse 2011 – die “anderen” Weine

Und weiter geht es mit der fröhlichen Freakshow. Mit den “anderen” Weinen meine ich in erster Linie solche aus Österreich und Frankreich. Von den Namen der Erzeuger her ist Martin Kössler in Österreich nämlich genauso gut aufgestellt wie in Deutschland. Und aus Frankreich kommt alle Jahre wieder eine umtriebige Riege sympathischer Kleinwinzer angereist. Probiere ich jedes Jahr, aber es macht halt auch jedesmal wieder Spaß. Nette Leute und schöne Weine für ziemlich kleines Geld. Aus Italien habe ich mir dagegen gezielt meine vermeintlichen Favoriten ausgesucht. Dazu kommen noch ein paar Weine von Jim Clenenden, von Jorge Moreira – und die “Collection Chandra Kurt” – leider ohne Chandra selbst.

So leer wie oben auf dem Foto kann man es übrigens haben, wenn man am Samstag schon um halb elf Uhr vormittags die heiligen Hallen betritt. Ohnehin wäre es mal spannend zu untersuchen, von welchen Weinen wie viel ausgeschenkt wurde während der zwei Tage. Ob sich das mit den faktischen Verkaufszahlen deckt?

Die Winzer habe ich alphabetisch nach Ländern geordnet. Fangen wir doch gleich mal an mit A wie Austria:

Kirchmayr, Niederösterreich

1988er Riesling Solist Retzer Altenberg, 26,90 €: Kirchmayrs verarbeiten eine Reihe von Weinen anderer Winzer, weshalb das mit der Herkunftsregion “Niederösterreich” gar nicht so unzutreffend ist. Ich habe hier nur einen einzigen Wein probiert, dafür aber gleich das Highlight. Der Riesling stammt aus dem Weinviertel und ist – richtig gerechnet – 23 Jahre alt. Der Nase merkt man das überhaupt nicht an: gelbe Früchte, dazu etwas tropisch Weißes wie Rambutan, aber keine starke Petrolnote. Am Gaumen sieht die Sache dann doch ein wenig anders aus. Der Wein ist von Firne, Fett und Süße geprägt, wobei die Säure ebenfalls noch steht. Etwas über den Höhepunkt hinweg, würde ich sagen, aber in Würde gereift.

Loimer, Kamptal

2010er Grüner Veltliner Spiegel, 27,50 €: Auch von Fred Loimer habe ich diesmal nur einen Wein ausgewählt, was aber vor allem daran lag, dass ich bei den vergangenen Hausmessen bei ihm meist das ganze Programm durchprobiert hatte. Der Spiegel gefiel mir dabei eigentlich immer. Nach den ganzen deutschen 2010ern, die ja teilweise sehr straff waren, fällt der Unterschied hier besonders auf: Der Wein ist vergleichsweise mild, die süße Frucht geht in Richtung Quitte, und statt Säure gibt es eine pikante Würze, die meinethalben auch das stets zitierte Pfefferl sein mag. Auch ein langlebiger Wein, eher auf der etwas kräftigeren Seite.

Moric, Mittelburgenland

2008er Blaufränkisch Moric Reserve, 24,90 €: Nachdem Eline mich besonders darauf aufmerksam gemacht hatte und Roland Velich auch persönlich anwesend war, führte an einer umfangreicheren Moric-Verkostung kein Weg mehr vorbei. Der Einstieg ist eigentlich gar keiner. 25 € sind natürlich nicht von Pappe, aber der Wein ist es erst recht nicht. Wer seinen Blaufränkisch gern mit dem charakteristischen Biss mag, ist bei dem 2008er richtig.

2009er Blaufränkisch Moric Reserve, 26,90 €: Der Nachfolgejahrgang machte auf mich einen deutlich milderen Eindruck. Mehr Frucht in Richtung Blaubeer mit Minze, dazu Eukalyptus und viel Saft. Dass “Frucht” gerade bei Jungweinen wie diesem nicht mit Belanglosigkeit verwechselt werden darf, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Die Qualität ist jedenfalls dieselbe wie beim 2008er.

2008er Blaufränkisch Jagini Zagersdorf, 32,80 €: Jágini, so ist die Betonung, genauso wie Moric nicht “Moritsch”, sondern “Moritz” ausgesprochen wird. Der Jagini ist ein Gemeinschaftprodukt von Roland Velich und Hannes Schuster, aber weil er das Moric-Etikett trägt, wird er an dieser Stelle erwähnt. Ich hatte ihn übrigens an beiden Tagen probiert, zur Sicherheit quasi. In der Nase zeigt sich ein leichter Stinker, so eine Art (bitte nicht schimpfen) “Naturwein”-Nase, also wie ein spontanvergorener, unfiltrierter, nicht übermäßig geschwefelter Wein. Wahrscheinlich ist er das auch. Am Gaumen merke ich am ersten Tag fast bissig wirkende Brombeerkerne, also auch wieder der etwas zupackendere Stil. Vielleicht ist es auch der Jahrgang. Das Tannin wirkt feinkörnig und langlebig. Insgesamt ist dies ein harmonischer Wein, auch wenn die Beschreibung das nicht vermuten ließe. Aber Charakter hat er.

2009er Blaufränkisch Lutzmannsdorf Alte Reben, 78 €: Bei diesem Wein dürfte der Preis das am meisten diskutierte Merkmal sein. Er macht den Wein elitär, und das ist fast immer die Crux bei einem aufwändig und mit viel Liebe handgearbeiteten Produkt: Erreiche ich damit die Käufer, die ich mir wünschen würde? Die den Wein so verstehen, wie ich ihn gemacht habe? Mit solchen Gedanken schlagen sich die Dagueneaus, Gaubys und vielleicht auch Roland Velichs dieser Welt herum. Der Wein ist exzellent. Der Stil vom Jagini wird hier weitergeführt. Die Materie ist noch dichter, die Würze wird immer stärker, aber dennoch wirkt die Reife nicht aufgeplustert, sondern in sich ruhend.

2009er Blaufränkisch Neckenmarkt Alte Reben, 78 €: Dies war für mich der beste Rotwein der Hausmesse. Ein solches Niveau hatte ich nur noch bei zwei anderen Roten gefunden, allerdings anders interpretiert: Gaubys Muntada und Foradoris Sgarzon. Aber die kommen später. Den Neckenmarkt habe ich auch an beiden Tagen probiert, nur um sicher zu gehen, dass ich mich nicht getäuscht hatte. Oder so ähnlich. Der Wein ist tiefdunkel. In der Nase spüre ich eine sehr reife Brombeernote, auch Cassis und Blaubeere, alles sehr dicht gewoben und fast ein bisschen in die portige Richtung gehend. Knapp vor der Überreife also, aber haarscharf auf der guten Seite. Am Gaumen bin ich dann wirklich perplex. Sehr dicht, Säure, Frucht, Viskosität, eine ungeheure Länge und Ausgewogenheit. Die Tannine sind selbstverständlich präsent, sanft aber nachdrücklich. Dies ist einfach ein großer und – da bin ich mir ziemlich sicher – auch langlebiger Wein. Keine Nuance an Stoff ist hier zu viel. Und eine solche Balance besitzen österreichische Rotweine auf diesem Preisniveau nicht häufig.

Muster, Steiermark

Sepp und Maria Muster machen sehr eigenständige Weine. Möglicherweise deshalb, weil es auch sehr eigenständige Leute sind, die sich ihre persönlichen Gedanken machen. Sepp Muster meinte, obwohl er biodynamisch wirtschaftet, wäre er am liebsten das Label wieder los. Nicht weil er nicht streng genug wäre, gedüngt wird bei den Musters beispielsweise überhaupt nicht. Aber weil es auf eine gewisse Art einengt, und weil ein Label immer gleichzeitig eine Schublade ist, die sagt, “so bist du und nicht anders”. Ist irgendwie interessant, dass Freigeister sich ein Garantielabel für Freigeist geben wollten mit der Biodynamik. Aber niemand möge jetzt bitte behaupten, dass biodynamisches Wirtschaften weniger dem Lebensraum Erde zugute kommt als konventionelles Wirtschaften. Es geht übrigens auch mit minimalem Kupfereinsatz, aber das führt an dieser Stelle zu weit, zumal ich ohnehin schon vom Thema abgetrieben bin. Die Muster-Weine also.

2008er Opok, 9,90 €: Oh, das hätte ich nicht erwartet. Eine gewisse Restsüßeanmutung steigt mir entgegen. Dies ist ein saftig-traubiger Wein, den ich aus vergangenen Jahren auch schon einmal Malvasia-artig fruchtarm in Erinnerung hatte.

2008er Gelber Muskateller, 13,80 €: Ein Muskateller hat dagegen immer Frucht, da kenne ich ehrlich gesagt keine einzige Ausnahme. Hier ist die Muskattraube auch ganz deutlich zu spüren, saftig und animierend.

2007er Sauvignon Blanc Graf, 21 €: Wieder ein saftiger Wein, und wenn Sauvignon Blancs aus Frankreich eins nicht sind, dann ist das saftig. Frisch und mineralisch, klar, aber saftig? Und Sauvignons aus Neuseeland sind grasig-parfümiert, um noch mal eine Schippe an Vorurteilen draufzukippen. Musters Sauvignon wirkt vorn gelb und fruchtig, hinten kommt dagegen doch noch Mineralität. Wird sich länger halten.

2007er Sgaminegg, 29,80 €: Neulich hatte ich ja den 2003er Sgaminegg im Glas, den ich auch vorher schon öfter probiert hatte. Der Jahrgang sagte mir nicht so zu, und deshalb war ich froh, jetzt einen “neuen” Sgaminegg schmecken zu dürfen. Morillon (= steirischer Chardonnay) und Sauvignon Blanc übrigens. Auch hier bin ich überrascht, dass die Süße immer noch spürbar ist. Lang wird er laufen, aber “französisch” wird er nie werden. Nicht dass er das müsste.

Sauvignon Blanc Gräfin, Jahrgang hatte ich nicht geschaut, Preis weiß ich nicht: Eine Überraschung hatte Sepp Muster dann noch im Gepäck, einen orangefarbenen Wein. Das ist ein Weißwein, bei dem die Trauben eine lange Maischegärung durchgemacht haben. Einige Winzer im italienisch-slowenischen Karstgebiet machen solche Weine. Sepp Muster meinte, das sei dort eventuell aus der Not heraus geboren worden, weil die Sonne einfach zu heiß auf die kargen Felsen knallt und ein maischevergorener Weißer den nominellen Alkohol wesentlich besser wegsteckt. Dieses Exemplar ist dann so etwas wie ein Beweis: Mango und Mandarine in der Nase. Am Gaumen überhaupt nicht freakig oder gewöhnungsbedürftig, aber ich muss zugeben, dass ich schon eine ziemliche Anzahl von Freakweinen probiert habe. Vielleicht gehe ich da von anderen Voraussetzungen aus als der “Normalweintrinker”. Der Wein ist – wie könnte es bei der Kollektion anders sein – wieder enorm saftig, fruchtsüß, überhaupt nicht brandig und von einer verblüffenden Traubigkeit. Der leichte Gerbstoffeindruck erklärt sich von selbst.

Muthenthaler, Wachau

2010er Grüner Veltliner Bruck Federspiel, 13,90 €: Martin Muthenthaler ist – soweit ich weiß – neu im K&U-Programm, und mir persönlich sagte der Name vorher nichts. Leider konnte ich das nicht so ganz aufheben, denn als ich die Weine probieren wollte, wurde der Winzer gerade von einem anderen Kunden verbal stark bedrängt, so dass ich nur per Augenkontakt die Weine eingeschenkt bekam. Gesprochen habe ich mit dem Winzer kein Wort. Schade natürlich. Das Federspiel wirkt in der Nase noch ziemlich süß und hefig. Am Gaumen ist der Wein auf eine gewisse Weise gefällig, aber gleichzeitig ungemein jung. Schmeckt fast wie gerade abgestochen.

2010er Grüner Veltliner Schön, 22 €: Bei diesem Wein ist die Nase etwas dezenter, aber am Gaumen spüre ich auch einen bestimmten Restzucker. Im jetzigen Stadium wirkt der Schön (der Riedenname, nicht etwa eine Frage des Aussehens) aber frischer als das Federspiel, was mir besser gefällt.

2010er Riesling Bruck, 22 €: Wieder diese Nase: süß, cremig, hefig. Im Mund ist die Säure prägnanter, aber dennoch habe ich den Eindruck der Hefesüße. Ich weiß, dass nicht wenigen Messebesucher diese Weine gefallen haben. Mir persönlich fällt es schwer einzuschätzen, wohin die Reise geht.

Neumeister, Steiermark

2009er Sauvignon Blanc Klausen, nicht im Katalog: Oh, das ist eine ziemlich klassische Sauvignon-Interpretation, wenn man davon ausgeht, dass der Sauvignon beispielsweise in einem Bordeaux-Blend für die Frische, der Sémillon für die Fülle und die Muscadelle für die Traubigkeit zuständig ist. Sein soll. Der Klausen zeigt genau diese Elemente: Frische, Straffheit, Spritzigkeit, Mineralität. Wirkt ziemlich leichtfüßig, nicht übel.

2009er Sauvignon Blanc Moarfeitl, 28,90 €: Recht dezent in der Nase, leicht parfümiert, aber die Mineralität scheint bereits durch. Am Gaumen kommt eine nicht unbeträchtliche Holznote. Das drängt erst einmal die anderen Aromen in den Hintergrund. Die Würze im Sinne einer pikanten Pfeffrigkeit ist allerdings auch deutlich zu spüren, ebenso ein gewisser Alkohol. Die Mineralität aus der Nase darf natürlich nicht fehlen. Dieser Wein muss für meinen Geschmack noch eine ganze Weile reifen, und das wird er auch können.

Schiefer, Südburgenland

Gerade die kleinen Weine von Uwe Schiefer hatten mich bislang eigentlich immer überzeugt. Biss, Eigenständigkeit, Mineralität, und das alles in einer feinfruchtigen Atmosphäre. Schade, dass er selbst offenbar nie den Weg nach Nürnberg findet (oder habe ich ihn etwa nur verpasst?). Aber ich will mich nicht beklagen, sein Vertreter am Stand war auch ausgesprochen liebenswürdig.

2009er Weißer Burgunder, 29 €: Öha, was ist das? Das ist doch nicht von Uwe Schiefer, sondern von Huey Sheefer, ein 1a kalifornischer Chardonnay. Sehr ambitioniert beholzt. An sich besitzt der Wein die Materie, um den Holzeinfluss dereinst wegstecken zu können, aber das wird noch dauern.

2009er Blaufränkisch Eisenberg, 13,80 €: Der Eisenberg gehört zu jener Gruppe sauerfruchtiger, frisch-kühler Rotweine, die ich wirklich mag. Wenn mir französische Rote zu tanninruppig wirken und deutsche zu restzuckerig, dann nehme ich gern diesen hier zu allerlei Speisen. Geht sogar zu Wild, glaubt mir. Schöne Pflaumennote.

2008er Blaufränkisch Szapary, 29 €: Interessanterweise kann ich diesmal gar nicht so recht die große qualitative Steigerung feststellen. Muss natürlich auch nicht sein, denn der Eisenberg war ja schon gut. Natürlich ist der Szapary noch dichter und hat die Pflaume gegen die Minze eingetauscht.

2009er Blaufränkisch Szapary, ohne Preis: Hm, ein bisschen wie bei Martin Muthenthaler: Dieser Wein ist noch nicht fertig. Dieser Wein ist überhaupt noch nicht fertig. Fast glaube ich, gewisse Gärnoten zu spüren, und das liegt bestimmt nicht daran, dass der Wein fehlerhaft ist. Den hätte ich erst nächstes Jahr auf den Markt gebracht. (Und nein, ich habe ihn nicht mit der 2010er Fassprobe verwechselt, die es am Stand auch noch gab. Wird mal ein guter Wein, der 2010er.)

2009er Blaufränkisch Pala, 21 €: Alte Reben, auf ungarischer Seite gewachsen, auf österreichischer Seite vinifiziert, das bedeutet “EU-Tafelwein”. Wenigstens fördert die EU das Projekt, sonst hätte ich über das Schwarze Loch der Bürokratie schimpfen müssen. Aber lieber zum Wein: Der Pala wird immer besser. Ich hatte mir seinerzeit bereits den ersten Jahrgang gekauft, und bereut habe ich es nie. Okay, der Pala wird auch immer teurer. 16 € für den 2007er, jetzt 21 € für den 2009er. Aber der Wein ist den Preis allemal wert. Reife, weiche Nase. Dann kommt eine sehr schöne Frucht, Blaubeere, Eukalyptus, eine präsente Säure und ein elegantes, feinkörniges Tannin. Zudem folgt noch eine mineralische Note, damit der Wein nicht nur auf der Frucht stehenbleibt. Liebe Freunde, vergesst mir bei großen Rotweinreben den Blaufränkisch alias Lemberger alias Kékfrankos nicht. In den richtigen Händen (siehe Roland Velich oder Uwe Schiefer) und natürlich in geeigneter Umgebung lassen sich hieraus ganz starke Weine keltern. Und mit “stark” meine ich Qualität und nicht pure Konzentration.

Schuster, Neusiedlersee-Hügelland

2009er Sankt Laurent Zagersdorf, 44,90 €: Sankt Laurent, noch so eine unterschätzte Rebsorte, nein, noch viel stärker unterschätzt. Sagt mir bitte, dass ich mich täusche, wenn es so sein sollte, aber ich glaube, der Sankt Laurent hat nicht das Potenzial für richtig große Weine. Der Beweis: dieser Wein. Hannes Schuster ist ein exzellenter Winzer, was andersherum bedeutet, dass ich nicht wüsste, wer einen deutlich besseren Sankt Laurent herstellen könnte. Der Wein ist sehr dunkel, sowohl von der Farbe her als auch in der Nase. Dazu kommt ein gewisses Stinkerle, das auf die Vinifikation hindeutet. Am Gaumen ist der Wein sehr dicht gewoben, ein weicher, süßer Stoff. Im Gegensatz zum Blaufränkisch fehlt mir persönlich aber hier ein wenig die puffernde Säure. Das heißt, die Materie ist durchaus da, aber um nicht nur mächtig, sondern auch elegant zu werden, fehlt irgendetwas. Damit wir uns nicht missverstehen: Der Wein ist gut. Und vielleicht wird mich die Zeit Lügen strafen, und in 20 Jahren ist dieser Wein und nicht der Neckenmarkt Alte Reben der 100-Punkte-Kandidat. Warten wir’s ab.

Tschida, Burgenland

2006er Sämling Trockenbeerenauslese, 33,80 € (halbe Flasche): Diesen Wein habe ich ganz zum Schluss getrunken. Sehr richtig, getrunken und nicht etwa wieder ausgespuckt. 363 g Restzucker bei 7 vol% Alkohol, wenn ich die Werte richtig verstanden habe. Österreichische Süßweine sind für meinen Gaumen meist ein wenig zu süß. Edelsüße von der Mosel besitzen in der Regel eine deutliche Säureanmutung. Edelsüße von der Loire scheinen etwas niedriger in der Säure, sind aber höher im Alkohol. Edelsüße vom Neusiedlersee hingegen… Ihr wisst es schon. Wem die Süße dabei etwas zu viel wird, dem empfehle ich Tschidas Beerenauslese vom Sauvignon Blanc. Hat in kleinen Jahren einen ziemlich grünen Touch, ansonsten aber viel Frische, und an der Süße mangelt es selten. Aber jetzt zu diesem Wein, für eine TBA nicht gerade übertrieben bepreist. Die Nase ist wahnsinnig intensiv. Chypre-Parfum, Glycerin (kann man sowas riechen oder sehe ich nur auf die Schlieren auf der Oberfläche?), Glasreiniger. Am Gaumen ist der Wein selbstredend ungemein viskos, medizinisch, leichte Marillennoten, dazu eine Art Ananaslikör ohne Schnaps. Wahnsinnig süß, intensiv, meditativ – aber man wacht recht schnell wieder auf. Hinten ist der Wein nämlich nicht so lang wie erwartet, kommt gar ein wenig technisch daher. Nein, die komplette Offenbarung ist das nicht. Aber den Traubenzucker können wir bis dahin schon mal bunkern.

Veyder-Malberg, Wachau

Lustigerweise ist dieser alphabetisch letzte Österreich-Eintrag der allererste Stand, den ich auf der diesjährigen Messe besucht habe. Und das war kein Zufall. Die Weine sind nämlich jenseits dessen, was die letzten anderthalb Jahrzehnte international beachtete Wachau symbolisieren. Super puristisch, buckelkrümmende Handarbeit, geringstmögliche Eingriffe, botrytisfreie Teuerweine. Was ich leider vergessen habe zu fragen: Veyder-Malberg oder nur Malberg, wie möchte der Winzer selbst am liebsten genannt werden? In jedem Fall hat P(V)M im Jahr 2008 seinen ersten Jahrgang in den eigenen Rieden gekeltert. Nachdem die Parzellen vorher konventionell bewirtschaftet worden waren, setzte er sofort auf biologischen Anbau. Und der Boden erholte sich erstaunlich schnell, in zwei bis drei Jahren – manchmal ist die Regenerationsfähigkeit unser Erde doch ein Wunder – waren die Reben in ihrem erhofften Stadium. Weshalb übrigens die Weine so anders sind als manch andere Wachauer (die aber – das muss ich hier einmal klar sagen – meinetwegen so bleiben sollen, wie sie sind. Nichts wäre schlimmer als Gleichmacherei.) …das ist zum einen der frühe Lesezeitpunkt und zum anderen dessen Festlegung. Peter Malberg hat ausschließlich nach pH-Wert gelesen, also nix mit Oechsle. Interessanterweise hatte mir James Marsden, der englische Cider- und Perrymaker genau dasselbe gesagt: Seitdem er nach pH-Wert erntet, bekommt er genau die Ausgewogenheit, die er schon immer haben wollte.

2008er Grüner Veltliner Loibenberg, 30,90 €: Der preiswerteste Wein des Weinguts im diesjährigen Messeprogramm. Ich weiß, es ist konsequent bis ins Detail, aber hier wie bei Roland Velich (oder Gauby oder Dagueneau oder auch Laurent Vaillé) muss man sich darüber im Klaren sein, welche Geister man damit ruft. Ein mit mir enger befreundeter Winzer hat übrigens auch einen trockenen 2010er Weißwein produziert, dessen reine Kosten 45 € je Flasche betragen (und den er deshalb nicht verkauft, “würde eh keiner nehmen”). So etwas gibt es also tatsächlich, vor allem wenn die Parzellen winzig sind. Aber schnell zu diesem Wein: Ich bin überrascht, wie zugänglich und ausgewogen der Wein bei aller Engmaschigkeit ist. Das ist nicht das Steinemonster aus dem Donautal, aber Peter Malberg meinte auch, die Weine bekommen jetzt langsam die Transparenz, die er gern von Anfang an gehabt hätte.

2010er Grüner Veltliner Hochrain, 32 €: Die Lage (Lössterrassen) macht die Nase gelber und fast noch zugänglicher. Am Gaumen ist der Wein dann zusätzlich schön knackig, und es ist sicher nicht vermessen, den 2010er Jahrgang bei guten Wachauer Erzeugern als Inkarnation des Balanceweins zu sehen.

2010er Grüner Veltliner Weitenberg, 49 €: Die fast 60jährigen Reben haben schon viel in ihrem Leben gesehen, vermutlich aber noch niemals einen solch hochwertigen Wein produziert. Im Moment sehe ich hier nur das weiße Bettuch vor der Lichtquelle wie ein Amazonas-Nachtfalter bei Alexander von Humboldts Klassifizierungs-Expedition. Der Wein ist kalkweiß, puderig, feinkörnig, aber mit einer lebenserhaltenden Säure ausgestattet. Der wird in zehn Jahren noch frisch wirken, reif erst mit 20.

2010er Riesling Bruck, 32 €: Leicht moussiert der Wein noch, was ihm eine gewisse Frische verleiht. Aber auch hier dominierend weißfruchtige Noten, die eine kühle Lage ahnen lassen. 7 g Säure hat der Wein bei beachtlichen 13,5 vol%, aber wer hier einen schweren Wein erkennt, trinkt sonst nur Mosel-Kabinett. Jetzt ist der Wein frisch und pikant, in fünf Jahren wird man ihn gut zu Tisch reichen können.

2008er Riesling Buschenberg, 58 €: Eine Lage direkt an der Donau, wärmer, vermutlich auch stärker wasserführend. Die Nase wirkt gereift und mit leichtem Honig. Am Gaumen fließt der Wein glatt mit dennoch hoher Säure. Alles wirkt sehr prononciert, und für mich geht dieser Buschenberg nicht etwa in Richtung eines irgendwo anders angebauten Rieslings, sondern in Richtung eines hochwertigen Chenin von der Loire. Kauft Euch Mark Angelis “Vieilles Vignes des Blanderies” 2004, und Ihr wisst, wo dieser Wein landen wird. Oder ladet Euch bei mir ein, dann hole ich den Wein aus dem Keller.

Frankreich

Bei den französischen Weinen ist K&U meiner Ansicht nach noch etwas spezieller aufgestellt. Bis auf Gauby gibt es keinen im Programm, der auch international als echtes Zugpferd gelten würde. Aber die vielen, offenbar persönlich ausgesuchten Winzer machen das mehr als wett. Und das mit teilweise vollen und charakterstarken Rotweinen, die in etlichen Fällen unterhalb der 10-Euro-Grenze zu haben sind. Meine Probenauswahl war diesmal ein wenig beschränkt. In erster Linie lag das daran, dass gerade die Südrhône- und Midi-Winzer derart eng zusammengepfercht waren an ihren Tischen, dass vor ihnen immer ein heilloses Gedränge herrschte. Sollte man vielleicht nächstes Mal ein bisschen entzerren in diesem Bereich.

Château Bel-Air la Royère, Bordeaux

2006er Malbec, 27 €: “Fig. 10” steht auf dem Etikett, und abgebildet ist die Kopie einer Zeichnung der Malbec-Rebe aus einem Rebsortenlexikon. Nicht gerade ein Wein, mit dem man bei einer Probe startet, aber er steht ja auch nur alphabetisch hier. In Wirklichkeit handelte es sich nämlich um meinen Wein Nr. 134. Beeindruckend, was hier reinsortig gekeltert wurde. Sehr tief, ein fast beängstigender, sehr reifer Fruchtkern in Bläulich. Natürlich hat der Wein viel Tannin, aber das kann er auch gut gebrauchen. Groteskerweise wirkt es so, als sei dieser fünf Jahre alte Wein noch nicht einmal aus seiner Fruchtphase herausgetreten. Das kann doch nicht ewig so weitergehen. Oder doch?

Domaine Nicolas Croze, Südrhône

2010er Côte du Rhône Notre Dame de Mélinas, 9,80 €: Dies ist für mich immer die Inkarnation eines kleinen Südrhône-Weins: erschwinglich, voll, lagerfähig. So auch diesmal wieder. Der Jahrgang 2010 meinte es mit der Rhône ähnlich gut wie mit Bordeaux, und auch dort treffen Würze und Stoff auf Säure und Tannin. Dieser Wein wird zwar einmal viel hochwertiger als sein Preis schmecken, aber bis er ganz oben ist, vergeht noch eine Weile.

2009er Côte du Rhône L’Epicurienne, 12 €: Obwohl es eine reinsortige Syrah ist, besitzt der Wein trotzdem das Côte du Rhône-Label. Die Syrah des Südens ist dunkel und weicher als ein entsprechendes Nordrhône-Pendant, wirkt aber dennoch klassisch ausgewogen. Die Frucht ist schön da, der Alkohol steht nicht im Vordergrund, aber auch hier heißt es lang Dekantieren oder ein paar Jährchen warten.

Domaine Les Eminades, Languedoc

Mir gefällt die Art von Luc Bettoni. Er ist eher zurückhaltend und hört genau zu, was man über seinen Wein sagt, ohne gleich auf Verteidigung zu schalten, wenn mal ein kritischer Kommentar kommt. Selbst meint er, er sei sich nicht ganz sicher, ob sein Weg der charakterstarken Tropfen wirklich “richtig” im Sinne von erfolgversprechend sei. Ein bisschen haben die Weine inzwischen ihre Freakigkeit abgelegt. Aber wer Stromlinienförmigkeit sucht, ist hier immer noch falsch. Hier trägt jeder Wein einen eigenen Charakter – und deshalb habe ich sie auch alle probiert.

2010er Saint-Chinian Montmajou blanc, 12 €: Ja, ein weißer Saint-Chinian, was ja nicht besonders häufig ist. Die Nase gefällt mir sehr. Mir persönlich. Rauchig, mineralisch, ein kleiner Stinker, aber ohne abweisend zu sein. Am Gaumen bin ich überrascht über die Komplexität des Weins. Natürlich gibt es hier weniger Säure als bei einem 2010er Riesling, aber der Wein wirkt keineswegs platt und breit, sondern sehr schön strukturiert. Dazu fallen mir gleich eine Menge passender Gerichte ein, von gegrillter Rotbarbe bis hin zu Brandade.

2010er Saint-Chinian La Pierre Plantée, 9,80 €: Syrah, Nordrhône. Das fällt mir als erstes ein, als ich diesen Wein rieche. Und im Mund setzt sich der Charakter fort: sehr geradeaus, mineralisch, präzise, kein Holzfass hat der Wein gesehen. Dabei sind Grenache und Cinsault hier die wichtigsten Rebsorten (Syrah ist natürlich auch dabei). Frisch und klar, gefällt mir ausgesprochen gut.

2010er Saint-Chinian Cebenna, 12 €: Ja, so einen Wein meinte ich mit “gewöhnungsbedürftig”. Die Nase schreckt bestimmt viele ab. Fast buttersäureartiger Schweiß, eine leicht belegte, eher bräunlich wirkende, tiefe Frucht. Hört sich doch fürchterlich an, oder? Aber der Wein besitzt einfach viel Charakter, den er von der Mischung aus Rebsorte, Boden und Ausbau bezieht. Saint-Chinian, so erklärt es Luc, ist ein sehr differenziertes Terroir. Zwar gibt es auch Schiefer wie in Faugères, aber ebenso alle möglichen anderen Gesteinsformationen auf den verschiedenen Parzellen. Vielleicht schmeckt ein Saint-Chinian (wenn man ihn lässt) deshalb immer weniger nach der Rebsorte und mehr nach dem Boden, auf dem er gewachsen ist.

2007er Saint-Chinian Sortilège, 16 €: Falls die Normalweintrinker sich beim Cebenna geschüttelt haben, dies ist wieder ein Wein für den Konsens. Nach ewigem Ausbau gerade auf den Markt gekommen, wirkt der Sortilège beerig reif, weich und elegant. Weder straff noch stinkig, aber auch nicht diffus, sondern mit Nachdruck.

2007er Saint-Chinian Vieilles Canailles, 24,80 €: 100% Carignan, die wiederentdeckte Paraderebsorte des Midi. Bei diesem Wein schmeckt der Süden nach Süden, nach Garrigue, nach Sonne. Sehr dicht ist der Wein, hinten fast mit einem leicht portigen Anklang und weniger Säure. Dennoch sind hier “nur” echte knapp 14 vol% drin. Das gibt es aus dieser Gegend auch anders. Ich bin wieder mal überrascht, wie eigen die Weine von Luc Bettoni schmecken. Die würde man blind nie verwechseln, und das gefällt mir.

Domaine Gauby, Roussillon

2006er Côtes du Roussillon Villages Vieilles Vignes, 26 €: Natürlich war Gérard Gauby nicht persönlich anwesend, aber seine Weine sprechen meist für sich. Die neue Schule des Südens, von ihm selbst um die Jahrtausendwende herum gegründet und nach ein paar wenigen Durstjahren voll auf die Spur gebracht. Hier hatte ich seinen Stil und den von Hervé Bizeul (Clos des Fées) schon einmal miteinander verglichen, deshalb an dieser Stelle nichts weiter dazu. Dieser Wein hat eine reduktive Nase vom langen Hefelager. Man könnte es auch ein schönes Stinkerli nennen. Am Gaumen ist das aber natürlich weg, und die Vieilles Vignes werden von einer enormen Würze getragen. Für mich ist das immer der “südlichste” Gauby-Wein in seiner Anmutung.

2003er Côtes du Roussillon Villages Muntada, 59 €: Künftig wird dem Muntada innerbetrieblich eine echte Konkurrenz erwachsen, denn Gérard Gauby hat im neuen Jahrgang zwei ebenso hochwertige Parzellenweine einzeln vinifiziert. Im Jahrgang 2003 gibt es aber keine Konkurrenz. Gar keine, erst recht nicht in der Region. 13 vol% hat der Wein nur, und 2003 war auch im Roussillon der “été caniculaire”, der Hundsstern-Sommer, was nichts anderes bedeutet als hundsheiß und hundstrocken. Die Nase geht dann auch erst in diese Richtung: stark, süß, portig fast, dazu mit dem obligatorischen Stinker. Am Gaumen ist dann aber alles anders. Kein flaches, ausgezehrtes Alkoholmonster, sondern ein zwar reifer Wein, aber eben nicht überreif. Sehr präsente Säure für den Süden, spürbares Tannin und gerade erst der Beginn einer Trinkreife, die sich noch über viele Jahre hinziehen wird. Ohne Frage ein großer Wein, meine Hochachtung.

La Gramière, Südrhône

2009er La Gramière, 9 €: Amy Lillard hat wie immer nur einen regulären Wein dabei. Der Weiße, den sie diesmal auch mitgebracht hatte, war leider nicht mehr gekühlt, und die 2010er Fassprobe halt eine Fassprobe mit fruchtsüßem Moussieren. Allerdings wirkt der künftige Wein so, als könnte er qualitativ dem 2009er den Rang ablaufen. Jener ist allerdings auch nicht schlecht, ein kleinerer, ein bisschen heiß geratener, aber tanninmäßig haltbarer Wein. Kommt für mich ganz persönlich nie ganz an Eminades oder Croze ran, wenn wir mal in diesem Preissegment bleiben, aber wer die Aromen des Südens mag, wird daran auch Gefallen finden.

Domaine Huet, Loire

2010er Vouvray Clos du Bourg sec, 19,90 €: And now for something completely different. In Frankreich gilt die Domaine Huet als heimliches Nationalheiligtum. Hier entstehen (und entstanden schon unter Übervater Gaston Huet) jedes Jahr aufs Neue enorm präzise, klassisch langlebige Weißweine aus der Chenintraube. Man sagt übrigens nur “Chenin” und nie “Chenin blanc”, wie mir die Dame am Stand eindrücklich mitteilte. Nur die Amerikaner täten das, weil sie nicht wüssten, dass es nur einen Chenin gäbe, den weißen nämlich. Wie auch immer, ich war vor zwei Jahren selbst auf dem Weingut und habe ein Rebhuhn durch den von einer alten Steinmauer umgebenen Clos du Bourg huschen sehen. Solltet Ihr als Urlaubsziel auch mal ins Auge fassen. Dieser Wein ist – ich wiederhole mich – der Prototyp eines trockenen Chenin: Birnennote, deutliche Säure, viel Frische und dennoch mit einer Cremigkeit ausgestattet, die den Wein eher in die Rubrik “Eleganz” einlistet.

2010er Vouvray Le Mont sec, 19,90 €: Gefällt mir in heißen Jahren immer etwas besser als der Clos du Bourg, weil er in der Regel mehr Frische besitzt. 2006, 2007 und 2009 hatte ich den Mont deshalb vorn gesehen, aber 2010 war wieder mal ein eher ausgewogener Jahrgang. Die Charakterzüge bleiben aber hier dieselben: etwas schlanker, vor allem mit weniger Birnenfrucht in der Mitte. Den Wein würde ich etwas früher aufmachen als den Clos du Bourg.

1996er Vouvray Clos du Bourg moelleux Première Trie, 49,90 €: Zum Abschluss einer der berühmten Süßweine von der Loire. Ich hatte ihn schon vor Ort probiert, dann im Cave des Oblats, und in meinem eigenen Keller liegt er auch. Ich mag die Süßweine von der Loire deshalb so gern, weil sie eine Kreuzung zwischen einem Sauternes (bei dessen Herstellung mir persönlich mittlerweile zu viel erlaubt ist) und einer deutschen Beerenauslese darstellen. Also Kraft und Üppigkeit bei säurehaltiger Langlebigkeit. Dieser Wein hier weist die üblichen feinen Honignoten auf, dazu aber einen unglaublich jung wirkenden Ton nach grüner Papaya. Wie immer in diesem Segment ist das ein Edelstein, der erst nach vielen Jahren so richtig zu glänzen beginnt. Gibt’s dann zu meinem Sechzigsten.

Domaine de la Janasse, Südrhône

2008er Châteauneuf du Pape blanc, 39 €: Die Domaine de la Janasse, ganz ohne Zweifel eines der Spitzengüter an der südlichen Rhône, musste im vergangenen Jahrzehnt auch mit einigen für das Terroir eigentlich zu heißen Jahrgängen kämpfen. Mit der von ihnen eigentlich bevorzugten Spontangärung war da wenig zu holen, und die Alkoholgradation erreichte manchmal Werte, die einem Likörchen gut zu Gesicht stehen würden. Trotzdem sind das auch im Rotweinbereich nie karikaturhafte Monster, aber heute wollte ich nur den Weißen haben. 2008 war nach 2002 der schwierigste Jahrgang vor Ort, aber die großen Domainen mit den heißen Terroirs haben vielleicht genau deshalb wesentlich präzisere Weine hinbekommen als es manch seltsame Punktbewertung suggeriert. In der Nase Petrol, Wachs, Kräuter. Am Gaumen viskos und nicht alkoholschwach aber ausgewogen. Materie und Säure sind auf derselben Höhe, eine leichte Kräuterbitterkeit kommt dazu. Lang ist der Wein, intensiv und nicht eindimensional. Im Moment wirkt er auf mich fast noch ein bisschen gerbig, aber das wird mal ein edler Weißer des Südens.

Patrick Piuze, Burgund

2008er Chablis Premier Cru Vaucoupin, 26 €: Vorher hatte ich gerade andere Chardonnays probiert, Deutschland, Österreich, USA – und jetzt das: Unverkennbar Chablis, belegte Frucht, Feuerstein, eine feine Säurestruktur, eine dichte und dennoch straffe Materie. Schimpft meinetwegen mit mir, aber dagegen lasse ich die ganzen vanilligen und vollfruchtigen Chardonnay-Brüder stehen. Für mich ist das – aus einem klassischen Jahrgang, einem guten Terroir und von einem exzellenten Winzer – die wahre Seele des Chardonnay. Unkaschiert.

Clos Puy Arnaud, Bordeaux

2006er Côtes de Castillon, 19 €: Für den Clos Puy Arnaud hatte ich vor einiger Zeit schon mal 10 € mehr auf die Ladentheke legen müssen. Gut, der Jahrgang war nicht unproblematisch an der rive droite, aber wahrscheinlich hat es eher etwas mit dem Preiskampf in Bordeaux außerhalb der spekulativ gehypeten Großweine zu tun. Bordeaux geht es im Allgemeinen nämlich gar nicht gut, vor allem nicht den kleineren Winzern, nur geht das in der Regel bei der Diskussion um explodierende Preise bei den Granden völlig unter. Dieser Wein bietet jedenfalls mehr als manch ein St-Emilion Grand Cru: leichte Kokosnoten, die mir ja nicht so gefallen, dann aber eine verblüffend dichte, würzige und tanninhaltige Materie. Für mich persönlich ist dieser Wein noch nicht trinkreif, aber er ist ein Beweis für das, was Bordeaux so ausmacht. Wer sich wegen der Spekulationsgeschichten emotional von Bordeaux verabschiedet hat und sein Glück eher im Languedoc findet, sollte mal diesen Wein antesten.

Domaine Saladin, Südrhône

Ich weiß nicht, ob es ein Geheimtipp ist oder kalter Kaffee, aber die Domaine Saladin überzeugt mich jedesmal komplett. Zwei kluge Schwestern mit Sinn für die Historie der Region und die ihres eigenen Weinguts. Quereinsteiger übrigens auf gewisse Weise gemäß ihrer Ausbildung, sowas täte vielen Winzersöhnen und -töchtern gut…

2010er Côtes du Rhône Paul, 11 €: Grenache und Clairette, und dennoch haben sie für diese Rot-Weiß-Kombination die Appellationsnummer bekommen. Dies sind die ältesten Reben des Weinguts, die noch vom Großvater gepflanzt wurden. Der Wein ist sehr saftig, beerig, schön ausgewogen und bereits zugänglich. Eine Empfehlung zu vielerlei Speisen für heute und übermorgen, denn dazwischen könnte er wieder dicht machen.

2009er Côtes du Rhône Loï, 14 €: In der Nase tiefer, südlicher, alkoholischer. Das mag auch ein wenig mit dem Jahrgang zu tun haben. Am Gaumen kommt erst eine leicht eingekochte Note, dann aber auch die Säure und ein gut platziertes Tannin. Extrem jung wirkt der Wein noch, aber die Anlagen sind ganz traditionell und erinnern mich ein wenig an die Weine der Domaine de la Rectorie aus dem Roussillon.

2007er VdT Chaveyron 1422, 14,80 €: Ein Tafelwein, künftig also ein “Vin de France”. Hier hat es mit der Rot-Weiß-Kombination appellationsmäßig nicht hingehauen, obwohl Syrah mit einem Schuss Viognier an der Côte Rotie Usus ist. Aber eben nicht an der Ardèche. Ich finde, dass die blutig-ledrig-frische Note nur in wenigen Südrhône-Weinen derart präsent ist wie bei diesem Wein. Sehr straff, nördlich und tief. Gefällt mir natürlich.

2007er VdT Haut Brissan, 16,80 €: Aber auch dieser Wein gefällt mir, obwohl er ganz anders beschaffen ist. Das liegt in erster Linie an der Rebsorte, 100% Grenache. Offener wird der Wein dadurch, reicher und üppiger, bleibt aber in einem ohne Frage als elegant zu bezeichnenden Rahmen.

Italien

Mit Italien als Weinbauland habe ich manchmal meine Probleme, und das liegt – so wie ich es interpretiere – vor allem an der dortigen Landwirtschaftsstruktur. Natürlich gibt es großartige Weine in Italien, aber man muss sie erst selbst entdecken. Ich will jetzt nicht allzu weit ausholen, aber die mediterrane Landwirtschaft war über Jahrhunderte geprägt von Latifundien. Großgrundbesitzer, Großbauern, Adlige und Textilkönige aus der Stadt, die auch Weinbau betreiben. Beziehungsweise betreiben lassen. So sind dann auch mit dem Blick auf den Weltmarkt die Super-Toskaner entstanden – und nicht etwa aufgrund der Experimentierfreude einiger Kleinwinzer. Die Zahl der Flaschenabfüller ist in Italien bei weitem geringer als in Frankreich, obwohl der Weinbau eine vergleichbar hohe Bedeutung besitzt. Ich habe mich in K&Us Italienprogramm deshalb auf ein paar Weine konzentriert, die mich von ihrem Ansatz her interessieren.

Vini Biondi, Sizilien

2009er Etna bianco Outis, 19,80 €: Als ich den Rotwein dieses Weinguts noch probieren wollte, befand sich bereits eine dreireihige Menschenmauer vor dem K&U-Stand. Also nur der Weiße. Dies ist eine der Entdeckungen, nach denen man suchen kann. Alles andere als standardisierter Weltmarktwein, aber auch alles andere als leicht verständlich. Was Italien neben Latifundien nämlich auch noch zu bieten hat, sind kleine Bauern und Winzer, die ihre Weine in einer fast mittelalterlich wirkenden Arbeits- und Lebensweise herstellen. Diverse lokale Rebsorten bringen hier einen Wein zustande, der stark apfelig in der Nase wirkt. Fast wie ein maischevergorener Vino Vero, dem neuen, na, Hassobjekt möchte ich nicht sagen, aber jedenfalls einer derzeit bei K&U nicht sehr angesagten Weinbereitungsart. Am Gaumen bleibt der Apfeleindruck bestehen, geht aber jetzt stärker in Richtung Bratapfel. Ein sehr natürlich, sehr wenig weinig wirkender Weißer. Manchen der umstehenden Besucher macht die Säure zu schaffen, aber das ist nur problematisch, wenn man wirklich gar keine Säure erwartet hat. Und Lüften hilft auch für die Entfaltung. Dennoch ist der Wein hinten recht kurz. Interessant, aber – ich gebe es zu – keine Sensation für mich.

Cos, Sizilien

2009er IGT Sicilia Pithos bianco, 18,50 €: Zwei Rotweine von Cos hatte ich ja neulich im Enopolio in Bottrop schon getrunken, den Weißen allerdings nicht. Direkt nach dem Outis probiert, wirkt der Pithos einerseits deutlich kräftiger in der Materie, bleibt aber andererseits sehr trinkig und nicht gerade schwer, ohnehin das Markenzeichen von Cos. Natürlich geradezu der Kontrapunkt zu einem fruchtbetonten Riesling, aber für mich eine gelungene Interpretation alter Weinbaukunst.

2010er IGT Sicilia Pithos rosso, 19,80 €: In der Amphore ausgebaut wie sein weißer Bruder, aber auch hier haben die Cos-Leute die richtige Balance, um den Wein nicht derartig freakig werden zu lassen wie beispielsweise die Produkte von Frank Cornelissen. Den 2008er hatte ich wie gesagt vor ein paar Tagen getrunken, der 2010er wird aber noch schöner. Liebstöckel in der Nase (“Schlehe” sagt die Mitarbeiterin, und das kommt auch hin, zusätzlich) und ein guter Fruchtansatz, der den Wein in die nächste Zeit führen wird. “Endlich” muss ich bei Cos fast sagen ist hier auch mal ein gewisses Tannin zu verspüren, so dass ich den Wein jetzt noch nicht öffnen würde. Ansonsten sind die Cos-Roten ja fast erschreckend früh trinkreif.

2009er IGT Sicilia Nero di Lupo, 16,80 €: Ein reinsortiger Nero d’Avola, und da ist sie, die Rache des Weltweins. Einige Standbesucher haben sich nämlich bereits über die Farbe beschwert, denn so hell sind sie ihren fruchtbombigen Nero d’Avola gar nicht gewöhnt. Auch ansonsten setzt sich das Alternativprogramm fort: eine gewisse Säure, ein gewisses Tannin, aber sehr sphärisch, trinkig, nachhaltig. So einen luftigen Rotwein machen nicht viele auf Sizilien. Die Cos-Weine sind meiner subjektiven Meinung nach sehr gelungen.

Elisabetta Foradori, Trentino

2009er IGT Vigneti delle Dolomiti Fontanasanta bianco, 28,90 €: Eisabetta Foradori, eine der echten Grandes Dames der Weinszene, war leider persönlich nicht anwesend. Und die Vertreterin eines anderen Weingutes, die ihre Weine ausschenkte, wusste leider nichts über die Details zu berichten. Dies ist jedenfalls ein 100%iger Nosiola, eine autochthone Rebsorte, die eher für säurearme und kräuterbittere Weine bekannt ist. Hier geht die Interpretation jedoch in eine ganz bestimmte Richtung: Oh, denke ich, Naturwein-Nase. Streng also, hefig, grasig, maischeanmutend. Im Mund habe ich auch nicht das Gefühl, als sei hier besonders stark geschwefelt worden. Das geht doch eher in Richtung Radikon und Gravner. Der Wein besitzt eine mittlere Länge und wird irgendwie noch von Gärnoten beherrscht. Hinten am Zäpfchen beißt es leicht, was für mich ein Anzeichen für flüchtige Säure ist. Den Wein würde ich lieber erst in zehn Jahren aufmachen – und intensiv dekantieren. Individuell, aber anstrengend.

2009er IGT Vigneti delle Dolomiti Sgarzon rosso, 28,90 €: Was ich verblüffend finde: Der Rotwein aus 100% Teroldego präsentiert sich ganz anders, obwohl es sich doch auch um einen naturnaher An- und Ausbau in der Amphore handelt. Vielleicht stecken die Rotweine das auch besser weg und entwickeln statt dieser gärigen Gerbigkeit echte Eleganznoten. Sehr dunkel ist der Wein jedenfalls. In der Nase kein wirklicher Stinker, eher ein Geruch wie nach Bimsstein und die Andeutung einer fast schwarzen Frucht. Am Gaumen kommt zunächst eine große Würze heran, viel Frucht, aber ein erstaunlich mildes Tannin. Gibt ein Holzfass beim Ausbau tatsächlich derartig viel dazu (die Amphore logischerweise nicht), dass die Tannine in den Schalen gar nicht so ausschlaggebend sind? Der Wein ist nämlich – wie schon die Roten von Cos – verblüffend trinkig, glatt, elegant und auf eine subtile Weise tief. Hier habe ich keinen Freakwein im Glas, sondern einen meiner drei Spitzen-Roten der Verkostung. Was bin ich froh, dass ich neulich bei Christoph den Morei in der Magnumflasche gekauft habe, das sind wirklich tolle Weine.

Villa Terlina, Piemont

2004er Monferrato rosso Piediferro, 27 €: Ich nenne Paolo Alliata von Villa Terlina insgeheim immer den “Professor”, weil er so klug und so wissenschaftlich argumentiert, in fabelhaftem Deutsch übrigens. Er ist übrigens tatsächlich promoviert, ich habe gerade nachgesehen. Den Piediferro habe ich deshalb probieren wollen, weil hier mit der fast ausgestorbenen Rebsorte Uvalino noch ein zusätzlicher Zug in die piemonteser Weinbaukunst kommt. Ein Stinker in der Nase, das sollte einen nicht beunruhigen. Am Gaumen ist dann eine dunkle Frucht zu spüren, sehr viel Würze, Cassisnoten und ein (letztendlich) gut eingebundenes Tannin. Der Wein kommt in seine erste Phase der Trinkreife. Wie der Muntada von Gauby changiert der “Eisenfuß” zwischen Dichte und Leichtigkeit, zwischen südlicher Würze und nördlicher Kühle. Passt sehr gut ins Programm.

Portugal

In Portugal war ich in diesem Jahr ja einen ganzen Monat lang. Insofern fand ich es interessant, dass hier mit Jorge Moreira der Önologe für beide Weingüter, Poeira und Quinta de la Rosa, persönlich anwesend war. Bei beiden Weingüter handelt es sich im Rotweinbereich um den typischen “field blend” des Dourotals, den traditionellen gemischten Satz also. Jorge möchte aber die Unterschiede beider Lagen zum Ausdruck bringen. Die Rosa-Lage ist heißer und üppiger, bei Poeira sind die Reben stattdessen zur Nordseite ausgerichtet, so dass der Wein stärker in Richtung kühle Eleganz geht. Relativ gesehen natürlich, denn der Douro-Schiefer erwärmt sich stark.

Quinta do Poeira, Douro

2010er Douro Po de Poeira branco, 14,90 €: Aus Alvarinho stammt der Wein, also der galizischen Nationaltraube sozusagen, die auf beiden Seiten der Grenze in den letzten Jahren große Erfolge feiern konte. Nett ist der Wein, frisch, weinig, ausgewogen, ein schöner Speisenbegleiter.

2008er Douro Po de Poeira tinto, 16,80 €: Der Rote schlägt in dieselbe Kerbe: zugänglich und dennoch wertig wirkend, ohne mit allzu mächtigem Tannin belastet zu sein. Auch ein Esswein.

2006er Douro Poeira, 22,99 €: Erstaunlich stark im Preis reduziert, was auf den ersten Eindruck gar nicht nachvollziehbar erscheint. Extreme spicyness, auch ordentliches Tannin, kein wirklich nördlich wirkender Wein, aber einer, der noch eine gewisse Reise vor sich hat.

2008er Douro Poeira, 32 €: Ah, jetzt verstehe ich den Unterschied. Der 2008er besitzt natürlich auch Würze und Tannin, stellt aber beides weiter hinten an. Vorn kommen nämlich fruchtig-beerige Noten zum Tragen und ein reifer, eleganter Kern, der dem Wein eine harmonische Zukunft bescheren wird. Ja, das ist ein Wein, der als Pirat bei allen Bordeauxverkostungen für Furore sorgen kann. Nicht dass er unbedingt exakt wie ein Bordeaux schmecken würde. Aber er wird den klassischen Bordeauxtrinkern gefallen, denen die neue Mopfigkeit ihrer Lieblingsregion auf die Nerven geht.

Quinta de la Rosa, Douro

2008er Douro Reserva, 26 €: Ein tiefdunkler Wein in all seinen Eigenschaften. Mächtiger wirkt er als der Poeira, und das ist es ja, was Jorge herausarbeiten wollte. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, es hier mit Überreife oder Unausgewogenheit zu tun zu haben. Ist für mich in der Tat fast auf dem Poeira-Niveau.

USA

Kleiner Ausflug in (für mich) exotische Gefilde. Jim Clenenden war am Samstag persönlich anwesend, weshalb ich seine Bon Climat-Weine probieren musste. Abgesehen davon habe ich mir nur einen weiteren hochwertigen Pinot Noir genehmigt, im Vergleich mit – Ihr erinnert Euch vielleicht – dem Luckert’schen Frühburgunder.

Au Bon Climat, Santa Barbara

2009er Chardonnay K&U-Sonderedition, 24 €: Oh, der Wein gefällt mir gar nicht mal so gut. Eine süße Holznase steigt mir entgegen, und stilistisch bleibt es in diesem Bereich. Täusche ich mich, oder hatte der Wein früher einmal weniger Holzeinfluss?

2008er Chardonnay Sanford & Benedict, Santa Rita Hills, 28 €: Gut, auch hier ist das Holz in der Nase vorhanden, aber der Wein beweist gleich einmal, dass man mit Stereotypen nicht unbedingt weiterkommt. Die Materie besitzt nämlich eine ganz andere Qualität (oder auch der Jahrgang, da bin ich mit Kalifornien nicht so vertraut). Dezenter und ausgewogener ist dieser Chardonnay.

2009er Pinot Noir K&U Sonderedition, 24 €: Eine fette Himbeere in der Nase lässt Schlimmes befürchten. Ganz so kommt es dann nicht, aber von feinfruchtiger Eleganz ist man hier ein ganzes Stück entfernt. Vielleicht sollte man den Wein allerdings auch erst einmal in Ruhe reifen lassen.

2006er Pinot Noir Barham Mendelsohn, Russian River, 34,90 €: Die Nase dieses Weins ist komplett anders. Nicht so sehr in Richtung reifer Himbeere, sondern irgendwie bräunlicher wirkend, fast leicht oxidativ, aber auch sehr natürlich. Am Gaumen ist der Wein strenger als seine Vorgänger hier, vielleicht ein wenig spitz, aber deutlich besser nach meinem Dafürhalten.

2008er Pinot Noir Isabelle Morgan blue label, 43,90 €: In der Nase geht es wieder zurück in Richtung Beerengelee. Am Gaumen ist der Wein weich, ein bisschen von der reifen Süße der Beeren getragen und einfach sehr geschmeidig. Mir persönlich mangelt es hier ein wenig an Charakter, aber die Qualität ist zweifellos da.

Beaux Frères, Oregon

2008er Pinot Noir, 78 €: Wie gesagt, verglichen mit Luckerts Frühburgunder aus demselben Jahrgang, der zwar auch nicht gerade günstig ist, aber dennoch nur gut drei Achtel dieses Preises kostet. Der Luckert-Wein zeigt in der Nase die typischen Himbeernoten, oder halt, fast in Richtung Himbeerbrand. Der Pinot der schönen Brüder hingegen besitzt vorn auch einen Himbeerton, der aber deutlich stärker als beim Luckert-Wein vom Holz unterlegt ist. Ansonsten ist der Unterschied nicht eklatant. Beide besitzen übrigens eine erstaunlich helle Farbe, sehr mutig und konsequent auf dem Markt der farbfixierten Konsumenten. Am Gaumen ist der Frühburgunder von einer deutlichen Säurenote geprägt, während das Tannin kaum vorhanden zu sein scheint. Die Ahnung eines Brombeerbusches schwingt noch mit. Hätte der Wein noch mehr Materie und Tannin, würde er sicher auf einem höheren Level reifen können. So wird er halt primär würzig, was aber auch nicht schlecht ist. Diese Würze besitzt der Oregon-Wein schon, dazu einen gewissen Alkoholanklang und eine deutliche Zitrusnote. Nein, eher Citronella. Das Tannin ist dagegen fast genauso mild wie beim Luckert. Jener wirkt auf den letzten Schluck ein wenig stengelig, der Beaux Frères-Wein spielt dann doch noch ein bisschen stärker die reife Materie aus. Aber das ist alles nur relativ. Wir haben es hier mit zwei Cool Climate-Weinen zu tun, die beide auf Feinheit und Eleganz statt auf Wucht setzen. Die Preise sind jeweils allerdings mutig angesetzt.

Schweiz

Chandra Kurt Collection, Wallis

Last but not least drei Weine aus dem Wallis, die hierzulande fast in die Exotenecke gesteckt werden, obwohl das Wallis bei weitem nicht so weit entfernt ist wie Oregon. Chandra Kurt, die rührige Weinexpertin, hat eine Kollektion autochthon sortenreiner Weine zusammen stellen lassen, vinifiziert – soweit ich weiß – bei Provins.

2009er Humagne Blanche, 24,80 €: Wahnsinnig anders als die meist säurefrischen Weißen aus Deutschland und Österreich. Ein säurearmer Wein, viskos, nussig, fast wie Marsanne von der Nordrhône. Sehr interessant, aber wahrscheinlich für hiesige Weintrinker schwer verständlich.

2009er Heida, 24,80 €: Weiter geht es in einem ähnlichen Stil. Gut, von einem Traminer erwartet man auch keine übermäßigen Säure. Hier kommt zusätzlich noch eine Blütennote ins Spiel wie von Almwiesen (kann man sich zumindest so vorstellen). Wiederum viel Körper mit wenig Säure. Das sind beides Weißweine, die zu einer ganz anderen Küche passen als die Nordweißen. Und zu Tisch geben sie vermutlich auch die beste Figur ab. Schärferes Essen könnte ich mir vorstellen, aber auch Hartkäse oder ein Kartoffelgratin.

2009er Humagne Rouge, 24,80 €: Eigentlich hatte ich gedacht, die größten Überraschungen schon hinter mir zu haben, und jetzt das: Portig in der Nase, leicht sumpfig, brandig, oxidativ. Krass. Am Gaumen ist diese leicht sumpfige Note wieder da, bevor sich eine starke Würze aufmacht. Die Viskosität ist ohnehin da, das Tannin kommt später. Als Frucht fällt mir vor allem eine bittere Hagebutte ein. Dieser Wein ist meilenweit von frischen, straffen oder auch stark fruchtigen Rotweinen entfernt. Was man dazu reichen sollte? Weiße Bohnen, Entenconfit mit Pflaumen, libanesische Küche. Ob mir die Weine von Chandra Kurt gefallen in einem herkömmlichen Sinne, das muss ich erst noch überlegen. Aber eine derartige Andersartigkeit hätte ich ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Es wird wohl Zeit für eine kleine Wallis-, Savoyen und Aostatal-Expedition, auf zu den vergessenen Reben der Berge.

So, das war der ganze Wein-Rundlauf. Bevor ich mich zu einem (diesmal wirklich) kleinen Fazit aufmache, werde ich zwischendurch erst einmal etwas aus meinem neuen Alltag posten. Das Leben ist nämlich inzwischen weitergegangen… Ihr könnt Euch in der Zwischenzeit das ganze Wochenende über mit diesem Mammut-Text beschäftigen, wenn Euch langweilig sein sollte.

Meine persönlichen Top 3-Rotweine noch mal in aller Kürze: 1. Moric Neckenmarkt Alte Reben, 2. Gauby Muntada, 3. Foradori Sgarzon.

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10 Antworten zu K&U-Hausmesse 2011 – die “anderen” Weine

  1. Das mit Moric glaube ich Dir sofort. Vor 2 Jahren präsentierte Herr Velich bei einem Essen im “Fischers Fritz” diverse gereifte Versionen von 2002. Zum niederknien……….

    • chezmatze sagt:

      Bei der Messe selbst wollte ich nix kaufen, und ich wüsste ja auch gar nicht, wohin ich mir den Wein momentan liefern lassen sollte… Aber ich weiß, dass ein Moric-Wein in meinen Keller gehört 😉

  2. jens sagt:

    Hallo Matze!

    Eigentlich bin ich ja ein Fan von Jim Clenderen und seinen Weinen. Der Typ als Althippie mit seinem Ed Hardy T-Shirt ist einfach endgeil. In weiß fand ich immer die Cuvee Hildegard super – Corton Charlemagne läßt grüßen.

    grüße Jens

    • chezmatze sagt:

      Ja, der ist wirklich unverkennbar! Aber er steht mittlerweile auch an der Spitze eines ganzen Imperiums. Ich weiß gar nicht, für wie viele Flaschen jährlich er mittlerweile verantwortlich ist. Aber es werden nicht so wenige sein. Die Cuvée Hildegard war diesmal nicht dabei, aber in einer der vergangenen Hausmessen hatte ich sie auch probieren können. Ich fand seine Weine diesmal – hast Du ja lesen können – eher durchwachsen. Normalerweise überzeugt mich sein Stil.

  3. Eline sagt:

    Da hast du ja einiges geleistet!
    Kirchmayr:
    Etwas schrulliges Weinproduzenten, von denen ich schon lange nichts mehr verkostet habe.

    Loimer:
    Ich mag vom Fred Loimer den Dechant Pinot Noir, den Chardonnay/Pinot Gris und die Schellmann-Weine.

    Moric:
    Der beste Rotwein der Messe? Das finde ich toll. Den Neckenmarkter Moric trinken wir gerne in einem Wirtshaus im Salzkammergut, wo gereifte Jahrgänge auch nicht mehr kosten als der hier genannte (korrekt kalkulierte) Einkaufspreis.
    Vom Jagini habe ich gerade eine Kiste 2007 gekauft, ganz ohne Stinkerl und schon sehr elegant.

    Muster:
    Die Muster-Weine sind mir immer einen Tick zu breit und zu opulent.

    Neumeister:
    Dafür mag ich die Moarfeitl-Weine von Neumeister umso mehr.

    • chezmatze sagt:

      Ja, war echt anstrengend, auch wenn ich praktisch nix geschluckt hab 😉

      Kirchmayr hatte ich vor ein paar Jahren mal alles durchprobiert. Soweit okay, und deshalb wollt ich’s diesmal nicht wieder tun. Denn wenn ich die “soweit okay”-Weine hier auch noch probiert hätte, wäre ich wahrscheinlich irr geworden. Von Fred Loimer hatte ich letztes Mal die größeren Rieslinge und Veltliner probiert, aber den Roten noch nie. Diesmal wieder nicht. Die kleinen Weine à la “Lois” find ich persönlich zu gefällig, aber von der Schellmann-Linie (muss man ja so ausdrücken) hatte ich den Gumpoldskirchener – allein wegen der Rebsorte – und den Chardonnay Gumpold schon mal getrunken.

      Was die Muster-Weine anbelangt, sind die in der Tat recht üppig in Frucht, Süße und (wohl auch) Alkohol. Aber den “orange wine” oder wie man da sonst so sagt, den fand ich als Dessert-Alternative wirklich toll. Neumeister hatte ich vor zwei Jahren (oder gar drei?) alle probiert. Wie war das noch mal, der Junior hatte da gerade die Verantwortung übernommen und den Weinstil ziemlich umgekrempelt. Hatte MK glaube ich gesagt. Seitdem sind sie wunderbar mineralisch, der Saziani muss ja früher auch eher fett gewesen sein.

      Die Moric-Weine waren wirklich sehr schön, und zwar auf eine Art, dass es irgendwie jeder erkennen kann. Also anspruchvoll und hochwertig ohne Allüren. Aber der Pala von Uwe Schiefer ist auch eine echte Empfehlung. Eine ganze Kiste von einem einzigen Wein passt aber irgendwie nicht in mein Konzept, auch wenn die Leute mich für verrückt halten mit meinen ganzen Einzelflaschen 😉

  4. Eline sagt:

    Den Pala habe ich noch nie im Glas gehabt, werde ihn bald mal verkosten.

    • chezmatze sagt:

      Mach das! “Pala” heißt übrigens “Schiefer” auf Ungarisch, falls ich das noch nicht gesagt hatte. Wie der Boden, auf dem er wächst und wie der Winzer, der ihn bereitet. Schöne Kombination.

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