Glanz und Elend eines Pilzsammlers – das dritte Kapitel

Beim letzten Beitrag dieser kleinen Reihe hatte ich die Pilze ja noch beschworen, sich nunmehr in einem vorteilhaften Licht zu zeigen. Offenbar hat es etwas genützt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich diesmal den hochgelegenen Fichtenwald des Harzes betreten habe. Irgendwie spürt man ganz instinktiv die feuchte Kühle der “Waldesluft”, diese würzigen Noten, diese ganz besondere Atmosphäre. An sich bin ich ja ein großer Mischwald-Verfechter, was der Artenvielfalt viel mehr zugute kommt. Aber in der Hitze des Sommers dieses Refugium der Frische zu betreten, das ist ein echtes Vergnügen.

Nun muss ich zugeben, dass mir der kleine Ausflug nicht so leicht gefallen ist, wie ich erhofft hatte. Unterwegs musste ich nämlich feststellen, dass der Umwerfer meiner Fahrradschaltung nicht mehr funktioniert und ich deshalb nur auf dem großen Kettenblatt in die Harzberge fahren konnte. Naja, einmal oben angekommen, wird das Fahrrad ohnehin abgestellt, und es geht nur noch zu Fuß weiter.

Das erste, was mir auffällt, sind Wildschweinspuren. Ich klettere mühsam und völlig ohne Grazie einen kleinen Hang hoch, weil ich oben einen mittelgroßen Röhrling erspäht habe. Als ich wieder runtergeschlittert bin, blicke ich direkt in eine fest installierte Kamera. Irgendein Biologen-Projekt dürfte hier das Suhl- und Fressverhalten der Wildschweine untersuchen, und jetzt bin ich mitten in ihrem Film. Ich überlege kurz, ob ich noch irgendein Späßchen machen soll, weil ich ja jetzt die Kamera entdeckt habe. Aber mein vorheriger Auftritt ist ohnehin nicht mehr zu überbieten. Ich sehe die Wissenschaftler vor mir, wie sie sich in ihrem kleinen Unizimmer vor Lachen ausschütten. Auf leisen Sohlen verschwinde ich wieder.

Allerdings lande ich innerhalb kurzer Zeit in einem prächtigen Pilzgebiet. Ich weiß nicht, ob ich schon jemals derartig große Röhrlinge gesehen habe. Meist sind es Maronen, die ja glücklicherweise nicht zur Madigkeit neigen, aber ein wenig Schneckenfraß hat bereits stattgefunden. In einer kleinen Rinne zwischen zwei Fichtenhängen entdecke ich endlich die ersten veritablen Steinpilze. Dicker Stiel, kompakter Hut, völlig ohne Maden und einfach viel schwerer als andere Röhrlinge vergleichbarer Größe. Der Ausflug hat sich bereits gelohnt.

Weil ich genügend Papptüten bei mir habe, beschließe ich, gezielt auf zweierlei Pilzzubereitungen hinzuarbeiten. Früher in meiner Studentenzeit konnte ich meine Freunde mit “Spaghetti Soße weiß” und “Spaghetti Soße rot” beglücken. Diese schöne Tradition möchte ich jetzt mit den Pilzen fortführen. In die weißen Soße kommen nur Röhrlinge, in die rote Soße nur Fichtenreizker. Letztere färben ohnehin meine ganzen Finger schon orangerot ein, und außerdem sind sie mit ihrer knackigen Konsistenz einfach gut geeignet für diese Arrabiata-Art.

Bevor das nächste Regenwetter droht, mache ich mich mit dem Rad wieder auf den Rückweg. Sehr zufrieden, wie Ihr Euch denken könnt. Nun ist das hier kein Kochblog, was in erster Linie daran liegt, dass mich die Produktkunde mehr interessiert als die Verarbeitung. In zweiter Linie natürlich daran, dass ich eine faule Socke bin und möglichst schnell etwas auf dem Tisch haben möchte, wenn ich Hunger bekomme. Das verhindert raffinierte Zubereitungen ziemlich zuverlässig. Die Steinpilze habe ich deshalb nur in Scheiben geschnitten und von beiden Seiten angebraten, ganz bisschen Salz und Pfeffer, ansonsten gar nichts. Damit war dann auch der Hunger weg, und ich konnte mich zu später Stunde noch ans Soßenköcheln machen.

Für die weiße Soße brate ich die Röhrlinge in Olivenöl an, dann kommen Schinkenwürfel dazu, später dann Paprikastücke. Der Garten gibt derzeit die von meinen Eltern aus Kernen gezogenen “griechischen” Paprika her. Von der Form her ist das eine Spitzpaprika, aber irgendwie werden die Dinger von Jahr zu Jahr größer und saftiger in unserem feuchten Klima. Dafür reifen sie meist erst sehr spät aus. Wieder Salz, Pfeffer, etwas Muskatnuss und zum Schluss einen guten Becher Sahne hinein.

Für die rote Soße nehme ich die Fichtenreizker, brate sie ebenfalls in Ölivenöl an und füge dann in Stücke geschnittene Tomaten dazu, eine Chili, Knoblauch und ein paar getrocknete Kräuter. Letztere sind ziemlich intensiv im Geschmack, Donnerwetter, das erfordert eine andere Dosierung als bei Supermarktware. Zum Schluss fülle ich die Soßen jeweils in Gläser und stülpe die Gläser sofort um, damit sich ein Vakuum bilden kann. Das funktioniert bei Marmelade ganz ausgezeichnet, aber bei weniger viskosen und eher stückigen Zubereitungen nur mäßig. Weil ich auf Nummer sicher gehen will (denn ich muss die Soßen noch über mehrere hundert Kilometer transportieren und werde sicher nicht alles an einem Tag aufessen), werfe ich noch den Einmachtopf an. Doppelt gekocht hält besser, wobei meine Mutter meint, dass das wegen des hohen Sahneanteils in Soße I ein bisschen kritisch sein könnte.

Funktioniert aber alles hervorragend und schmeckt zu entsprechenden Nudeln einfach ein ganzes Stück besser als die Tütensoßen aus der Studentenzeit. Als Foodblogger sagt man wohl eher “Pasta” als “Nudeln”, wenn man italienische Ware und keine schwäbischen Eierspätzle meint. Ist mir neulich mal aufgefallen, dass niemand in diesem Genre von “Nudeln” spricht. Egal. Was mir nämlich noch auf den Nägeln brennt, und wobei Ihr mir weiterhelfen müsst, ist ein ganz seltsamer Pilz, den ich im Wald gefunden habe.

Er sieht aus wie eine kleine Tonne mit einem zu großen Deckel, ein bisschen auch wie ein Baobab. Der dicke Stiel mag vielleicht einmal vollgesogen gewesen sein, jetzt ist er trocken und federleicht. Der Pilz besteht im Inneren aber auch nicht aus Sporen, sondern aus einem (jetzt trockenen) Schwamm. Dunkelbraun bis schwarz ist er, etwa 7-10 cm hoch, und gefunden habe ich ihn auf einer Lichtung im Fichtenwald mit vereinzelten Buchen. In meinem Pilzbuch war nichts dergleichen zu finden, und ich wüsste ehrlich gesagt auch nicht, wie ich danach suchen sollte. Vielleicht ist Euch dieses seltsame Gebilde schon einmal begegnet, und Ihr könnt der ganzen Gemeinde ein wenig Weiterbildung angedeihen lassen…

So. Das war es erst einmal mit der ganzen Pilzerei. Das liegt weniger daran, dass ich keine Lust mehr auf Pilze habe. Vielmehr werde ich mich ab morgen aus der Provence melden, aus der “Drôme provençale”, genauer gesagt. Ein wenig Campingleben im Stil der 60er Jahre – allerdings mit WiFi.

Nachtrag: Hier noch mal ein Foto von einem anderen Exemplar des “Dickpilzes”:

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17 Antworten zu Glanz und Elend eines Pilzsammlers – das dritte Kapitel

  1. Eline sagt:

    Hatte der unbekannte Dicke aussen Leisten? Dann könnte es ein uraltes Schweinsohr sein.
    Schöne Stein- und Herrenpilze hast du erbeutet!
    Sind dir Fichtenreitzker nicht zu scharf im Geschmack?

    • chezmatze sagt:

      Der “Stamm” des unbekannten Dicken war außen ganz glatt. Der “Schirm” wirkte wie ein aufgesetztes Viereck. Ich lad unter dem Artikel nochmal ein Foto hoch, nach einem Schweinsohr sah’s mir nicht aus. Vielleicht hab ich eine neue Art entdeckt 😉 Wohl kaum.

  2. anna sagt:

    Hmmm… Ich würde mich liebend gerne bei Dir zum Abendessen einladen, wenn Du nicht so weit weg wohnen würdest 😉 Pilze sind soooooo lecker! Und Deine Fundstücke sehen prächtig aus.

    • chezmatze sagt:

      Nur Mut, Pilze kannst Du dieses Jahr offensichtlich ohne Probleme finden. Wie gesagt, bei Röhrlingen kann man fast nichts falsch machen. Ein gutes Buch und das Internet helfen dabei, den Satanspilz und den Gallenröhrling rauszufiltern – fertig! Allerdings gibt es ja etliche Leute, die Pilze im Allgemeinen nicht so gut vertragen. Ich habe letzte Woche wirklich übermäßig viele gegessen, musste irgendwie sein. Dafür habe ich nie Alkohol dazu getrunken. Manchmal ist diese Kombination für manche Unverträglichkeiten verantwortlich.

      • anna sagt:

        Ich war früher als Kind mit meinen Eltern oft Pilze sammeln, daher kenne ich mich noch ein wenig aus. Vielleicht sollte ich wirklich mal alleine losziehen…? – Ich esse sie ja so gerne aber auf dem Markt oder im Laden sind sie ja unbezahlbar (und viel Abfall, den man ja mitbezahlt).

        • chezmatze sagt:

          Ich glaube, ich habe noch nie Pilze auf dem Markt gekauft, aber das soll jetzt nichts gegen die Marktpilze sagen. Meine sehen meist auch ein wenig schäbiger aus, aber es ist auch der Akt des Pilzesuchens und -findens, der mir gefällt. Auf den möchte ich nicht verzichten.

  3. Also bei diesem Pilz ist auch die Bezirksschwammerlpflückerin 😉 ratlos. In meinen bevorzugten Wäldern wohnt er nicht – und meine Pilzliteratur hilft mir auch nicht weiter. Falls du es jemals rausfindest, möchte ich es bitte auch wissen!
    Ansonsten: großer Neid! Jedenfalls weiß ich jetzt schon, was ich am Wochenende mache: Pilze finden!

    • chezmatze sagt:

      Oooohhh, auf Dir ruhte meine Hoffnung. Aber wie gesagt, vielleicht gehe ich ja noch in die Entdeckergeschichte ein 😉 Übrigens hatte ich beim Suchen an Waldwegen diesmal weniger Glück, ich musste wirklich rein in den Wald…

  4. Charlie sagt:

    Du könntest die Preserve auch ohne Sahne zubereiten und diese dann erst beim Aufwärmen dazugeben. Die Tomatenpreserve mit Pilzen mache ich genauso und friere sie ein.

    • chezmatze sagt:

      Das stimmt, werde ich nächstes Mal so machen. Übrigens hatte ich sehr schlechte Erfahrungen mit eingefrorenen Pilzen gemacht. Sie waren nachher richtig “wapschig” und hatten den Großteil ihres Geschmacks eingebüßt. Seitdem habe ich das nicht mehr probiert…

      • Charlie sagt:

        Ich habe auch nur die Tomatensoße eingefroren und da waren die Pilze sehr kleingeschnietten drin und sowieso ziemlich zerkocht, haptisch war also kaum noch was da, dafür hatte sich das Aroma gut erhalten. Ich würde „tastbare“ Pilze auch nicht einfrieren, stimmt!

  5. Hallo Matze,
    du sollst aus meinem Kommentar nicht schließen, dass ich aufgebe – jetzt hat sich noch mein Mitkoch (auch Bezirksschwammerlpflücker, natürlich der Bessere) eingeschaltet, dem die Sache auch keine Ruhe lässt. Du wirst (hoffentlich) noch von uns hören 🙂

  6. jens sagt:

    Hallo Pilzfreaks!

    Ich oute mich jetzt mal als Novize der Steinpilze, Maronen und Pfifferlinge kennt – das wars. Das hält mich jedoch nicht davon ab, unregelmäßig durch die Wälder zu streifen und auf Pilzschau zu gehen. Was mir jedoch jedesmal zu schaffen macht, sind die Zecken. Fast jedesmal hab ich mir mindestens eine eingefangen, die ich jedoch noch rechtzeitig entdeckt habe, so dass ich sie entfernen konnte ohne Opfer eines veritablen Bisses zu werden. Wie schützt Ihr Euch vor Zeckenbissen? Hilft da Autan?

    Grüße Jens

    • chezmatze sagt:

      Ich bevorzuge die mechanische Methode 😉 Ich ziehe immer eine lange Trainingshose und feste Schuhe an. Die Hose kommt danach in die Wäsche, das T-Shirt auch, und ich dusche mich gleich ab. Auf diese Weise habe ich in den letzten Jahren keine Zecken entfernen müssen. Autan nehme ich nicht. Es stinkt und ist sicher nicht gut für die Haut. Generell scheinen mir Waldwege mit hohem Gras unangenehmer zu sein als trockenes Holz, aber das kann auch Zufall sein.

  7. Hallo Matze,
    ich bin mir ziemlich sicher, dass wir es hier mit einem einjährigen Stäubling zu tun haben. Bei diesen aus Kopf- und Fußteil bestehenden Bovisten wandelt sich im reifen Zustand nur der Kopf zur Gänze in Sporenmasse um. Die Haut reißt ein, die Sporen werden weggeblasen und weggespült. Übrig bleibt der recht stabile Stiel mit ein wenig glatter Haut des Kopfteiles. Da der Stiel relativ glatt aussieht, tippe ich auf Beutelstäubling Jahrgang 2010.
    Der Mitkoch

    • chezmatze sagt:

      Herzlichen Dank, lieber Schaben-Mitkoch! Das hätte ich in der Tat nie vermutet, zumal weit und breit keine frischen Stäublinge zu sehen waren. Aber es hört sich sehr schlüssig an, der “übrig gebliebene” Stiel war ja federleicht und wies auch nur noch eine sehr mäßige Verwurzelung auf.

      Mal schauen, ob ich hier in Frankreich noch in den Genuss der Steinpilz-Saison komme, das fängt im (bislang) trockenen Süden ja jetzt erst an. Heute hat es jedenfalls zum ersten Mal richtig heftig geregnet, aber alle einschlägigen Zeitschriften sind schon voller Rezepte…

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