Jaja, das hier ist schon der Jahresrückblick eines Menschen, der sich beruflich und privat intensiv mit Wein beschäftigt. Wenn ihr jetzt auf dem Titelbild ein Kochbuch seht, Nudeln mit Soße und ein herzhaftes Pfannengericht, hat das trotzdem seine Richtigkeit. In meinem persönlichen Jahresrückblick 2024 geht es nämlich auch darum, was bei mir im Alltag eine ganz neue Bedeutung gewonnen hat. Und dazu zählt unter anderem eine Art chinesischer Küche, wie sie mir bislang nicht untergekommen war. Aber keine Angst, ein paar Wein- und Reiseerkenntnisse sind ebenfalls dabei…
2024 – wieder ein Silvanerjahr
Mein persönliches Weinjahr stand selbstverständlich wieder stark im Zeichen des Silvaners. Die Große Silvaner-Schau auf dem Blog hat ja bereits eine gewisse Tradition, und 2024 war ich nicht nur bei den Geheimtipps der Region wie dem Öko-Weingut Zang, sondern habe auch in der Rheinhessischen Schweiz die Parzelle besucht, aus der Klaus-Peter Keller seinen extrem raren Silvaner »Austernfels« holt.
Oben seht ihr mich auf der ProWein, wo ich zwei »Masterclasses« (so heißen ja jetzt alle Angebote für betreutes Spucken) in English gehalten habe – über Silvaner natürlich. Und schließlich gibt es unten noch zwei Silvaner unter sehr vielen, die mich im Jahr 2024 beeindruckt haben. Links ist Paul Weltners Lagenwein (also nicht das GG) vom Rödelseer Küchenmeister, Jahrgang 2014. Ohnehin ein großes Jahr für Silvaner mit langer Wachstumsperiode, kommt hier zusätzlich die exzellente Frische zum Tragen. Ich hatte den Wein anlässlich des VDP-Niederfalls getrunken.
Rechts schließlich der Silvaner Wilm 2023 der Winzer Sommerach. Richtig, mit 32 € kann man den Wein nicht mehr wirklich als Schnäppchen bezeichnen. Aber mit seinem mittlerweile subtilen Holzeinsatz, gebremster Kraft und viel Potenzial zeigt er für mich exemplarisch, wie viel die Genossen drauf haben. Ähnlich wie bei La Chablisienne würde ich den Wein in ein paar Jahren gern mal in einem Blindtest mit den Etablierten seiner Kategorie sehen…
Weinfranken 2024
Ihr wisst ja mittlerweile alle, dass ich in Franken lebe und dementsprechend auch an einer ganzen Reihe von Veranstaltungen dort teilnehme. Der Jahrgang 2024 begann in Franken übrigens – wie in vielen anderen Gegenden auch – mit einem fatalen Spätfrost. Was ich eigentlich noch fataler finde: Es war eigentlich gar kein expliziter »Spätfrost«. Die Nächte am 22. und 23. April sind nämlich weit entfernt vom durchschnittlich letzten Frosttag Mitte Mai. Weil der Spätwinter aber so warm war, hatten sich schon extrem früh Triebe gebildet.
Triebe, die sich gebildet haben, gibt es im übertragenen Sinne auch in einem erfreulichen Kontext. Links auf dem Foto seht ihr die neuen Etiketten der 2Naturkinder. Seit dem Jahrgang 2013 sind die Völkers in Franken zu Hause und gehören damit neben Stefan Vetter zu den Pionieren, die sich ganz der »Naturwein«-Idee verschrieben haben. Mittlerweile hat sich besonders um Kitzingen und Iphofen herum ein echter Hotspot entwickelt mit kleinen Weingütern und Projekten, die vielleicht den New Yorkern schon bekannter sind als den Urfranken selbst. Da dürfte es 2025 einiges an Berichtenswertem geben…
In der Mitte habt ihr noch einen Pionier, Manfred Rothe. Was dieser Mann in den letzten zwei Jahrzehnten alles für den Frankenwein getan hat, kann man gar nicht überschätzen. Dass er 2024 zum allerersten Mal die Trophäe beim »Best of Franken« in den Himmel stemmen durfte, erfüllte ihn jedenfalls mit einer sichtlichen und komplett berechtigten Freude.
Ganz rechts noch ein GG des Weinguts Schäffer aus dem Jahrgang 2022, das mir bei der VDP-Vorpremiere in Würzburg besonders gefallen hatte. Möglicherweise werde ich 2025 ja auch zum ersten Mal zur riesengroßen Vorpremiere nach Wiesbaden fahren.
Gibt’s auch guten deutschen Wein außerhalb Frankens?
Falls ich tatsächlich in Wiesbaden sein werde, darf ich mich dann durch 500 Spitzenweine schlürfen, die es in Deutschland außerhalb Frankens noch so gibt. 2024 hatte ich mir dafür ein bisschen mehr Zeit gelassen. Den »Wild Ferment« von Kloster Eberbach konnte ich beispielsweise in den Falstaff-Räumlichkeiten erstmals aus der Flasche testen. Ein Jahr davor hatte ich alles direkt im Kloster probieren können und auch die Stelle inspiziert, an der der Ballon mit dem Wild Ferment mitten im Weinberg vor sich hinblubberte. Das ist ein krass individuelles Exemplar, das wirklich niemand blind dem Staatsweingut zugetraut hätte.
In der Mitte seht ihr mich mit der wunderbaren Marlis in der Bamberger Edelfrei-Vinothek bei der Nikolausprobe. Obwohl wir das Ganze ja moderieren, scheinen sich die Gäste auch ohne uns gut zu unterhalten. Solltet ihr mal in Bamberg sein, geht unbedingt hin und holt euch euren Hofgut Falkenstein-Kabi ab – oder wonach euch sonst der Sinn steht.
Rechts wiederum ist ein Wein, den ich schon lange gern einmal probiert hätte. Vor Jahren war ich bei Viniculture in Berlin, als ganz frisch die erste Lieferung von Jakob Tennstedt hereinkam. Seitdem hatte ich immer mal damit geliebäugelt, mir den »Waldportier« zuzulegen, seinen wohl größten Wein. Dass ich ihn 2024 völlig ungeplant bei einer großartigen Blindprobe vorgesetzt bekam und er dort auch noch den ersten Platz belegte, ist natürlich umso schöner.
Top-Weingutsbesuch – Danjou-Banessy
Jetzt aber in die weite Welt. Oder zunächst mal ins Roussillon. Aus Barcelona herübergekommen, erwarteten mich jede Menge Weingüter mit wirklich schönen Weinen bei wirklich schönem Wetter. Den spektakulärsten Weingutsbesuch hatte ich aber ausgerechnet am einzigen Regentag meines Aufenthalts. Da erschien ich nämlich auf der Baustelle, aus der momentan das Weingut Danjou-Banessy besteht. Ich hatte die beiden Brüder bei der K&U-Hausmesse verpasst, zu der sie praktisch jedes Jahr nach Deutschland kommen. Jetzt vor Ort konnte ich dieses Versäumnis aber mehr als nachholen.
In strömendem Regen fuhr ich mit Sébastien zu den Parzellen auf spektakulär schwarzem Boden. Oben seht ihr ihn bei den uralten Einzelstöcken des Estaca stehen. Ohnehin haben die Brüder Danjou tausend durchdachte Details draußen in den Weinbergen etabliert, vom Nachwachsen, von der Erziehungsform, der Bodenpflege, alles unglaublich interessant. Sogar noch spektakulärer ist allerdings das, was sie im Grunde gar nicht verkaufen, sondern nur ab und zu mal vorzeigen: ihre trockenen Rancios. Ich hatte für die Wein+Markt darüber geschrieben und deshalb bislang nicht hier auf dem Blog. Aber glaubt mir, das war (besonders natürlich der 1952er) das unvorstellbar Konzentrierteste und Intensivste, was ich bislang im Weinbereich probieren durfte. »Eine Würzzutat«, sagt Sébastien deshalb auch zurecht.
Endlich mal in Georgien
Die »alten Töpfe« aus der Überschrift, das sind die georgischen Kvevris. Bei Winzer Kakha Tchotiashvili steht ein solches Kvevri im Garten, das vermutlich aus dem 12. Jahrhundert stammt. Endlich war ich also selbst einmal im Land der 8.000 Jahre alten Weinkultur. Ob ich jetzt wie Manfred Rothe nach einer ähnlichen Reise anfangen werde, mir ein Kvevri zuzulegen? Eher nicht. Aber als Weinmensch nicht begeistert zu sein von der Kultur, der Küche, der Vielfalt und der Eigensinnigkeit, mit der die Georgier durch die Zeiten wandeln, das geht eigentlich gar nicht.
Wer fast alles erfahren möchte, was ich dort mitbekommen habe, kann ja mal vorsichtig auf meinen längsten Post ever klicken. Wem ein paar interessante Details genügen, es gibt auch eine kürzere Version. Und schließlich kommt im Februar dann noch ein weiterer Artikel in der Wein+Markt über den »Shavkapito« von Château Mukhrani. Shavkapito sagt euch nichts? Zugegeben, mir vorher auch nicht. Aber das ist eine Rebsorte, die stilistisch fast in Richtung Pinot Noir geht. Sowas vermittelt ein völlig anderes, extrem feingliedriges Bild von Weinen aus Georgien.
Obwohl man tatsächlich mit ein bisschen Flexibilität und ein bisschen mehr Zeit auch allein in Georgien herumreisen kann, war ich doch froh, gerade bei diesem ersten und deshalb so dichten Mal in einer Gruppe unterwegs gewesen zu sein. Ganz anders als bei meiner letzten Weintour des Jahres…
Allein durchs spanische Hochland
Ende Oktober war ich nämlich allein mit einem kugeligen Fiat 500 in Spanien unterwegs. Genauer gesagt im Hinterland von Valencia. Indirekt auf die Idee gebracht hatte mich Thomas Götz, übrigens einer der nettesten Menschen, die ich in letzter Zeit kennengelernt habe. Er lebt selbst in Spanien und schreibt für verschiedenste Magazine und auf seinem Blog darüber. Die zweite Koinzidenz war, dass ich unter anderem für denn’s Biomarkt arbeite, und sie im Sortiment jede Menge Weine aus der Region haben.
Weshalb ich darüber auf dem Blog noch nicht groß berichtet habe, liegt daran, dass eben kurz nach meiner Rückkehr die Flutkatastrophe dort passierte. Irgendwie schien es mir da nicht passend, über die Stadt, den Sonnenschein und die roten Weinbergsböden zu schwärmen, wenn jene gerade Häuser und Menschen weggespült hatten.
Ein bisschen kann ich euch hier aber schon einmal andeuten, was ich dort alles gesehen habe. Links oben erst einmal die spektakulären Felsformationen der Ciudad Encantada in der Nähe von Cuenca. Ganz in der Nähe (für spanische Verhältnisse) befindet sich auf 1.100 Metern Höhe das Weingut Altolandon, eine meiner persönlichen Entdeckungen des Jahres. Winzerin Rosalía Molina und ihr Mann Manolo Garrote bewirtschaften über 100 Hektar, es ist also nicht gerade ein Mini-Betrieb. Und spektakuläre Abfüllungen wie bei Kultproduzenten wie Comando G oder Terroir al Límit braucht ihr auch nicht zu erwarten. Aber alles ist bio-zertifiziert, mit Ernsthaftigkeit, vielen Ideen, Charakter und zu angenehmen Preisen.
Den Weißen rechts auf dem Foto, Doña Leo aus Moscatel de Grano Menudo, bekommt ihr vor Ort für 6,50 €. Dafür gibt es einen wahnsinnig attraktiv-fruchtigen Weißen, frisch und orangenblütig. Ebenso überzeugend fand ich den Hochlagen-Garnacha aus hundertjährigen Reben, ausgebaut in Amphoren (Tinajas), den sie für 16 € verkaufen. Eine spannende Gegend, und ja, ich liebe ab und zu diese langen Fahrten durch einsame Landschaften.
Alte Liebe rostet (symbolisch) nicht
Ganz zum Schluss komme ich noch zu drei ganz persönlichen Dingen, die mein Jahr 2024 geprägt haben, und zwar auf sehr angenehme Weise. Erst einmal muss ich alter Knochen zugeben, dass ich es mehr und mehr genieße, mit dem E-Bike durch Wald und Flur zu radeln. Wenn’s gerade ist oder bergab geht, trampele ich mit Beinkraft. Und wird es mir doch einmal zu steil, summ, dann mache ich den Motor an. Für mich ganz neu in 2024 und ein Stück echte Lebensqualität.
Aus alt mach neu gilt besonders für das, was ihr auf dem rechten Foto seht. Ich habe nämlich wieder angefangen, mich ein bisschen mehr mit Münzen zu beschäftigen. Hier seht ihr beispielsweise 12 Mariengroschen aus dem Jahr 1670 und meiner alten Heimat. Das Silberstück wurde im Harz in Zellerfeld geprägt. Hält der legendäre Wilde Mann die Tanne in seiner Rechten, wurde es von Hannover in Auftrag gegeben. Hält er sie jedoch in der Linken, ging die Münze nach Braunschweig.
Kulinarische Revolution im Alltag
In der Mitte schließlich seht ihr ein aufgeklapptes Kochbuch, ein paar obskure Flaschen und Knoblauch. Das alles gehört zu dem Phänomen vom Titelfoto, der neu entdeckten chinesischen Küche. Alles hat eigentlich angefangen, als Julia begann, Xi (Sissi) Chen auf Instagram zu folgen, die dort unter eatinginberlin firmiert. Mittlerweile ist Sissi auch unter die Kochbuchautorinnen gegangen, und ihr Buch hat unsere Küche total revolutioniert. Ja, man muss sich ein paar Zutaten im Asia-Markt oder online besorgen. Aber dafür gibt es jetzt wochentags in 15 Minuten Kochzeit ungemein aromatische Gerichte zu essen. Instagramer und Koch Jing Chen aus Wien erklärt, worum es sich dabei handelt: 家常菜 [jiā chǎng cài], Familienrezepte, Alltagsküche, Dinge, die zu Hause gekocht und gegessen werden.
Ähnliche Rezepte wie bei Sissi Chen gibt es auch auf Instagram von Wei Guo aus England. Ein bisschen elaborierter handhabt das Handa Cheng, den ich über die Zeitschrift Fou de Cuisine entdeckt hatte und dessen Buch mittlerweile auch auf Deutsch erschienen ist. Überall gibt es Tipps, Kniffe und Rezepte wie Wuhan Reganmian-Nudeln, geschlagenen Gurkensalat, Zha Jian Mian und so weiter und so fort. Das wirft einen ganz anderen Blick auf China als Quelle kulinarischer Vielfalt und macht ehrlich gesagt große Lust, demnächst einmal selbst dort zu sein. Denn nicht nur angesichts der weltpolitischen Entwicklung schadet es nichts, sich ein bisschen intensiver mit China zu beschäftigen…
2024 wird zu 2025
Gut, die Politik, sei sie national oder global, dreht momentan einige groteske Volten. Das kann auch noch eine Weile so weitergehen. Aber es hilft es ja nichts, sich einfach nur darüber zu beklagen. Zwar mag es für die Weltpolitik wenig relevant sein, ob wir einen sprichwörtlichen Sack Reis umwerfen oder neu aufstellen. Aber für unsere Umgebung, sowohl privat als auch beruflich, hat das eigene Handeln doch eine nicht unerhebliche Relevanz. Deshalb werde ich 2025 auch versuchen, ein bisschen was Neues auf die Beine zu stellen. Was das sein wird? Abwarten und Früchtetee trinken.
Und damit wünsche ich euch allen einen großartigen Start ins Jahr 2025.