Ausblick auf 2016

Neue GeschichteKein Rückblick diesmal, wie noch für 2014, 2013, 2012 oder 2011, dafür ein Interview mit mir über das, was ich mir für das Jahr 2016 vorgenommen habe, geführt von meiner geschätzten Kollegin tzeMa vom Blog “Tzema zecht”.

tzeMa: Meine erste Frage ist gleich ein bisschen indiskret: Warum hast Du diesmal auf Deinem Blog keinen Jahresrückblick gemacht wie in den vergangenen Jahren?
Matze: Das hat einen etwas unglücklichen Hintergrund. Mir sind gleichzeitig Laptop und externe Festplatte abgestürzt, Kurzschluss wahrscheinlich, und damit könnten alle Fotos der vergangenen zehn Jahre verloren sein. Die Festplatte ist noch in Reparatur, ich hoffe, dass da noch was geht. Aber vorerst habe ich nur noch die Dezemberfotos.
Nebel?: Das ist ja nicht schön. Wechseln wir lieber zu etwas Erfreulicherem, dies hier soll ein Ausblick aufs neue Jahr werden. Was können wir also im Jahr 2016 hier auf dem Blog erwarten?
!: Eine ganze Menge. Erst wird es langsam losgehen, weil ich in den nächsten Wochen wenig Zeit haben werde, aber ab März werde ich mehr Gas geben können.
?: Ich habe gehört, dass Du bei Weinthemen nur noch über Bio-Weine berichten willst. Wie bist Du denn darauf gekommen?
!: Erst mal: Ja, das stimmt. Darauf gekommen bin ich nicht plötzlich, sondern das war eher so ein Prozess, ein ähnlicher wahrscheinlich wie bei bei einem Winzer selbst, der auf bio umgestellt hat. Zum einen geht es um die Natur selbst, um eine Art „Heimatschutz“ im alternativen Sinne. Mit Ressourcen intelligent umzugehen ist ohnehin eine der großen Herausforderungen dieses Jahrhunderts, und das umso mehr, als Wein kein überlebenswichtiges Nahrungsmittel ist, sondern schlichtweg Genuss und Vergnügen. Vergnügen und Verantwortung, Naturromantik und Handwerksbewusstsein, das sind so in etwa die Koordinaten, in denen sich mein Wein-Weltbild bewegt.
Hagebutten?: Wenn es um Biowein geht, habe ich eigentlich drei Vorurteile bislang am häufigsten gelesen: 1. Er schmeckt auch nicht besser als konventionell hergestellter Wein. 2. Bio ist nur eine Art Marketingmasche, um den Wein teurer zu machen. 3. Die Bestimmungen sind eh viel zu lasch. Was sagst Du dazu?
!: Das mit dem Geschmack ist zum einen natürlich Ansichtssache, denn als subjektives Kriterium entzieht er sich so groß angelegten Pauschalierungen. Zum anderen sind für den Geschmack viele Faktoren verantwortlich, die teils in der Natur, wahrscheinlich noch mehr allerdings in der Umsicht und der Kunstfertigkeit des Winzers begründet sind. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ein Wein „besser“ schmeckt, wenn man im neunten Mond ein Kuhhorn im Weinberg vergräbt. Ich vermute eher, dass jemand, der sich so viel Mühe gibt, der auf Kleinigkeiten achtet, der häufig im Weinberg unterwegs ist und ein Gespür für Zusammenhänge entwickelt hat, dass der dann auch den besseren Wein macht. Aus Umsicht, aus Achtung, aus Erfahrung.
Das Argument mit dem Preis wäre ja nur eins, wenn die Risiken bei beiden Verfahren gleich wären. Je mehr ich die externen Risiken zulasse, in diesem Fall den Einfluss von Witterung, Krankheiten und Schädlingen auf die Rebe, desto mehr muss das Produkt letztlich kosten, damit ich nicht sofort in die Pleite reite, wenn die Ernte mal geringer ausfällt. Das ist aber überall so: Ein Schlepper nimmt für die Strecke von Verona nach München auch mehr Geld als der Flix-Bus, eben weil er ein wesentlich höheres Risiko eingeht.
?: Das ist aber ein sehr gewagter Vergleich…
!: Ja, mag sein. Ich wollte damit auch nur deutlich machen, dass der Faktor „Risiko“, also die immanenten Schwankungen der Natur, dass so etwas hinzunehmen oder vielmehr in die eigene Philosophie zu übernehmen, zwangsläufig zu einem höheren Preis führen muss. Und Ausdruck einer bestimmten Einstellung ist.
Das führt dann zu Deiner dritten Frage: Es gibt ja mittlerweile EU-Bio als Siegel sowohl für Weinberg – das schon seit einiger Zeit – als auch für Keller – das ist neuer, und wenn man sich Verordnung und Durchführungsbestimmungen anschaut, dann ist das in der Tat eine Art kleinster gemeinsamer Nenner. Da gehen die Bestimmungen der einzelnen Verbände, seien es Bioland, Naturland, Ecovin, Biodyvin oder Demeter weiter, manche sogar erheblich weiter. Aber das alles im Hinblick auf die tatsächliche Wirkung der Maßnahmen und Zusatzstoffe zu differenzieren, das wird auch eine Aufgabe für mich im weiteren Verlauf des Jahres sein.
Weg?: Willst Du denn nur noch Weine mit Bio-Siegel vorstellen? Es gibt doch bestimmt auch Winzer, die genauso bewusst arbeiten, ohne sich zertifizieren zu lassen?
!: Nein, mein zweiter Name ist ja nicht Dogma, ich werde natürlich auch Ausnahmen machen. Ausnahmen vor allem bei älteren Weinen, die ich bereits gekauft habe oder die auf Proben angeboten werden. Und ja, es gibt sicher Winzer, die umweltschonend und handwerklich auf dem höchsten Niveau arbeiten und sich dennoch nicht zertifizieren lassen. In der Regel scheinen mir da zwei Gründe ausschlaggebend zu sein: 1. Der Winzer ist ein prinzipieller Individualist und möchte sich nirgends organisieren, weder bei bio noch sonstwo. 2. Der Winzer betrachtet ein Bio-Siegel als eine politische Botschaft, die er nicht für angemessen hält, oder vermutet das von seiner Kundschaft. Nun ist es ohne Zweifel so, dass „Bio“ als Bewegung hier bei uns von den Grünen initiiert und ausgebaut wurde, aber mittlerweile sollten doch Winzer und Kunden soweit sein, dass sie den bewussten Umgang mit der Natur über parteipolitische Grenzen hinweg für wichtig erachten. Winzer oder Kunden müssen ja nicht Claudia Roth wählen, nur weil sie Biowein herstellen oder trinken.
?: Müssen nicht, aber können schon?
!: Natürlich.
?: Willst Du Deinen Leser/innen Deinen Wein-Ansatz nur über Reviews nahebringen?
!: Nein, das ist das Zweite, was sich ändern wird. Ich werde versuchen, mehr in Richtung Reportagen zu gehen, so ähnlich, wie ich das bei meinen fernen Städtebesuchen auch schon gemacht habe. Ich möchte beispielsweise zu den Winzern hinfahren, sie interviewen, die Weinberge fotografieren und dann natürlich auch die Weine beschreiben.
?: Also wie in einem Magazin?
!: Naja, das wird ein sehr individueller Ansatz, also freier in Themenwahl und Ausdruck. Es soll um Natur gehen, um Jahreszeiten, und auch den Heimatbegriff möchte ich diskutieren, wenn’s denn soweit ist.
?: Also ab März.
!: Ja, März/April.
Titel?: Und was können wir sonst erwarten? Irgendeine Fernreise in Sicht? Technische Updates? Veranstaltungen?
!: Fernreise kommt sicher, steht aber noch nicht. Wein werde ich da nicht ganz so gut unterbringen, aber ich möchte demnächst sehr gern nach Korea, weil sich dort ungeheuer viel tut. Südfrankreich sollte mal wieder drin sein und die Alpenländer, na, mal schauen, was sich so anbietet.
Technische Updates sind dringend erforderlich, manche Rubriken habe ich ja seit Jahren nicht mehr befüllt, meine Blogroll ist mager, meine Vernetzungen lassen zu wünschen übrig. Ja, daran werde ich auch arbeiten und insgesamt mehr Zeit und Energie für Blog und Drumherum verwenden, für Themen, die mir mittlerweile doch sehr ans Herz gewachsen sind. Ich habe mich da Schrittchen für Schrittchen entwickelt, aber jetzt scheint es mir an der Zeit zu sein, nach zwei Jahren des relativen Verharrens mal wieder ein entscheidendes Stück weiterzukommen.
?: Und womit willst Du dann künftig Dein Geld verdienen? Auch mit solchen Dingen, über die Du auf dem Blog berichtest?
!: Das wird sich erweisen.
?: Na, dann alles Gute für 2016 und darüber hinaus. Wir würden uns freuen, wenn Du ab März Deinen Ankündigungsworten auch Taten folgen lässt. Ich werde beizeiten mal nachfragen.

Wald

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9 Antworten zu Ausblick auf 2016

  1. Yay, da dürfen wir Leser ja in diesem Jahr einiges erwarten! In diesem Sinne alles Gute für 2016 (und toi, toi, toi für die Festplatte)! Und danke für das erfrischende Interview, ich habe mehrfach laut gelacht. 🙂

    Liebe Grüße und bis bald (Biofach/Vivaness?)
    Ida

  2. utecht sagt:

    Viel Glück bei allem Neuen! Wir lesen uns…

  3. Jens sagt:

    Hallo Matze!

    Ich sehe diese ganze Biosache im Wein eher kritisch mittlerweile. Ich habe in letzter Zeit viele oxidierte Weine oder doch zumindest Weine mit Oxidationsnoten getrunken…..und das hat mir überhaupt nicht gefallen. Darunter waren so renommierte Winzer wie Leon Barral und auch der Dido von Sara Perez und Barbier Junior. In Paris hat man aktuell das Gefühl, es wird alles gesoffen, Hauptsache Bio. Überall gibt es Naturweinbars oder die Cavisten listen immer mehr Biowein von weiß der Geier woher oder weiß der Geier von wem…….ein Biowinzer der mich noch nie enttäuscht hat ist Descombes in Morgon…..

    Ich bin mir sicher, dass Bio im Wein geht, durchaus möglich ist und auch sinnvoll…..aber irgendwie kriegen das die wenigsten auch nachhaltig hin. Was habe ich von einem Wein, den ich in seiner Jugend trinken kann, der aber nach 2 oder 3 Jahren oxidative Noten zeigt, weil ihm einfach der Schwefel fehlt…..und somit ist sein ganzes Entwicklungspotenzial verschenkt.

    Dem Faß den Boden ausgeschlagen hat letztens einer Winzer der seinen Landwein aus dem Gard für 15 Euro verkauft…weil er Bio ist und dann auf meine Kritik mit der Oxidation (Jahrgang 14) sagte, dass seien Terrornoten und keine Oxidation…..ja ne….iss klar……

    Grüße Jens

    • Matze sagt:

      Naja, es ist ja wie mit eigentlich allen anderen Sachen auch: Der eine weiß, worauf es ankommt und macht es richtig, der andere weiß es auch und macht es trotzdem nicht, der dritte weiß es nicht und macht es aus Versehen mal richtig und mal falsch, und der vierte lernt es nie.

      Was für mich ganz klar ist: Wer sich darauf einlässt, im Weinbau naturschonender und nachhaltiger zu agieren, der geht Risiken ein, und ich fürchte, Schludrigkeiten werden da noch viel weniger verziehen als im konventionellen Bereich.

      Was die Oxidation angeht, also die unfreiwillige, meint Jean-Marie Guffens ja, das liege primär am exzessiven Kupfereinsatz im Weinberg, und Kupfer wäre nun mal ein Problem der Bio-Branche. Hat sicher alles eher etwas mit Maß und Ziel zu tun.

      Was den Schwefel angeht, wäre ich auch selbst sehr daran interessiert, einen echten wissenschaftlichen Versuch zu sehen, wie ich das in dem nächsten Post geschrieben habe. Also was ist wirklich der entscheidende Faktor, wenn es um unsaubere Noten oder eben Oxidation geht? Arbeit im Weinberg (viel/wenig Kupfer, viel/wenig “Achtsamkeit”), Gärtemperatur, Gärart, Schwefelgabe, Ausbau, Lagerung, Verschluss der Flasche – oder auch weinimmanente Elemente wie Gerbstoffe, Säure, Zucker, Alkohol? Und was macht wieviel aus? Ich weiß, das wäre natürlich eine Mammutaufgabe, aber wenn es wirklich “nur” der fehlende Schwefel wäre, der Weine hinreichend stabilisiert und haltbar macht, dann bräuchten wir über solche Sachen wie “vins naturels” nicht mehr ernsthaft zu diskutieren. Oder disktutieren vielmehr doch, aber über subjektive Vorlieben und nicht über “Wahrheiten”.

      Ich habe selbstverständlich auch schon eine Menge oxidiertes oder sonstwie fehlerhaftes Zeug probiert, und ein gewisser Anteil daran war garantiert bio. Und ich gebe Dir recht, es gibt trendige Weinbars und auch Leute in jenen, die Weine aus Kultgründen oder ideologischen Gründen trinken und im Zweifelsfall noch nicht mal merken, wenn die Weine daneben sind. Wenn ich sage, dass ich jetzt primär über Bioweine schreiben möchte, dann hat das meinethalben auch etwas Ideologisches, aber nur sanft ideologisch, nicht ersatz-religiös, eher so ein betonter Naturzugang. Ein oxidierter 2014er passt da übrigens nirgends gut rein, egal ob konventionell oder bio 😉

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