Kulinarischer Streifzug durch Frankreichs Südwesten

TitelWenn ich mir anschaue, dass bis auf weiteres mit Winterwetter gerechnet werden muss (keine so ganz ungewöhnliche Sache für den Februar), denke ich mich doch gern in Frankreichs Südwesten zurück. Vielleicht geht es Euch ja ähnlich, und Ihr kommt einfach mit in sommerliche Gefilde auf der Suche nach den urtümlichen Spezialitäten dieser bauchorientierten Region.

Confit de CanardNeulich habe ich in einer französischen Zeitschrift gelesen, ich weiß gar nicht mehr wo, dass es eine große Umfrage gegeben hatte nach dem beliebtesten Gericht der Franzosen. Der Sieger war zu meiner Überraschung, mit weitem Abstand übrigens: “Confit de Canard”, Entengeköcheltes. Wer so etwas auf authentische Art und Weise probieren möchte, kann sich beispielsweise auf der Karte dieser Website informieren, in welchen Dorfbistrots der Region welche “Assiettes de Pays” angeboten werden – typische Speisen, deren Zutaten alle von lokalen Produzenten stammen müssen. Ich habe die Website ausgiebig konsultiert, aber anscheinend ist sie jetzt im Winter zur Überarbeitung offline. Jaja, die Franzosen und das Internet…

Chez AbelWie so ein Treffen mit der “Assiette de Pays” aussehen kann, zeigt das Foto oben in Ausschnitten: “Chez Abel”, ein Ein-Stern-Hotel und Treff der Dorfbewohner, dazu ein paar Angler im Seniorenalter, Wachstischdecken, Furnierapplikationen – und eine Platte mit herzhaften Entenprodukten, dazu der wahrscheinlich altmodischste Roséwein, den ich je getrunken habe. Großartig.

PalombesIn Fett eingelegtes und eingekochtes Fleisch hat ohnehin eine sehr lange Tradition im Südwesten – es ist einfach die hierzulande bevorzugte Art der Konservierung. Eine besondere Leidenschaft entwickeln viele Dorfbewohner bei der Jagd auf Ringeltauben (später eingelegt), die als Kurzzieher den Winter südlich der Pyrenäen verbringen. Zum Glück handelt es sich um sehr robuste Bestände; die Ringeltaube ist in Europa nicht gefährdet, und der europäische Bestand liegt laut Schätzungen bei mehr als 20 Millionen Individuen. Obgleich damit das schlechte Gewissen sich nicht mehr so stark regt, sollte man beim Genuss der Spezialität dennoch ein wenig aufpassen. In meinem Taubengericht, in der Metzgerei von Mauléon eingedost, fanden sich doch tatsächlich drei kleine Bleikügelchen.

BaskenlandIrgendwie hatte ich gar nicht so recht verinnerlicht, dass sich das französische Baskenland ja ganz schön weit ins Landesinnere hineinzieht. Nicht wenige behaupten sogar, in den Dörfern der Soule Xiberoa hätte sich noch das “echte” Baskenland erhalten ohne die touristisch beeinflussten Ausprägungen der küstennahen Gebiete. Was ich jedenfalls bestätigen kann: Ja, gerade die älteren Bewohner sprechen hier eine Sprache, bei der man kein Wort versteht. Ja, ausnahmslos jedes Dorf besitzt eine Pelota-Wand auf dem Dorfplatz. Und ja, die Basken können aus einem ungeheuren Schatz an Eigenheiten schöpfen, seien sie kulinarischer oder anderweitig kultureller Natur. Eine Spezialität sind zum Beispiel die dreizipfeligen Fassaden der Dorfkirchen, denen man mit dem Erklärungsversuch, sie würden die heiligen Dreifaltigkeit abbilden, nur sehr bedingt näher kommt.

KäseIn dieser Landschaft, in der die Transhumanz noch weit verbreitet ist, stehen Schafe und Kühe gleichwertig nebeneinander, wenn es um die Produktion einer weiteren Spezialität geht: Käse. Der bekannteste Käse der Gegend ist möglicherweise der Ossau-Iraty, der auch noch durch eine AOP geschützt ist. Bilder wie oben, wo der Bauer und Hirt Michel Erbin seinen Käse auf dem Markt eines Dorfes verkauft, findet Ihr hier überall. Es gibt sogar eine Karte des Fremdenverkehrsverbandes, auf der Ihr die Highlights dieser Käseregion von Hof zu Hof erfahren oder erwandern könnt. Der möglicherweise beste Schnittkäse, den ich je gegessen habe, besaß allerdings überhaupt keine besondere Bezeichnung. Eine junge Frau hatte das namenlose Stück “fromage” einfach in einem klapperigen Citroën auf den Markt gebracht und auf den Holztisch gelegt. 1.000 Kräuter, Blüten, Rauch und Schmelz traten mir auf der Zunge entgegen.

Ballot-FlurinTief in die Berge der Pyrenäen müsst Ihr vordringen, wollt Ihr an den Ort kommen, an dem die meiner unmaßgeblichen Meinung nach großartigsten Honige überhaupt hergestellt werden. Catherine Ballot-Flurin aus Cauterets geht mit ihrer “apiculture douce” sogar weit über das hinaus, was der Demeterverband von seinen Imkern fordert. Das sind wahre Grands Crus, und wer hier einmal den Tannenhonig probiert hat, der weiß, wo der Hammer hängt.

SonnenblumenölHonig, Sonnenblumenöl, Mais, gar Sojaprodukte – das sind alles Dinge, bei denen ich oft unwillkürlich an industrielle Pampe, an bestenfalls gestrecktes und schlimmstenfalls genmanipuliertes Zeug denken muss. Natürlich geht es auch anders, aber man muss manchmal ganz schön danach suchen. Der Südwesten Frankreichs ist seit langer Zeit ein wichtiges Anbaugebiet von Sonnenblumen und Mais. Besonders das Département Gers rühmt sich seiner schmucken, gelb leuchtenden Felder mit ihren schwerfällig wippenden Blüten. Auf dem Markt von Navarrenx habe ich nicht nur einen sensationellen Piment d’Espelette erstehen können, sondern auch ein ebensolches Sonnenblumenöl. Natürlich hatte das einen relativ ausgeprägten Eigengeschmack, ist für feine Salate also kaum geeignet. Aber es war reif, nussig, gelb, weich, trüb und irgendwie ungemein spätsommerlich.

WeinDie Weinkultur des Südwestens ist ein Thema für sich. Zunächst einmal sollte klar sein, dass herzhafte Speisen auch nach einer herzhaften Weinbegleitung verlangen. Und so sind weder die Weißen und erst recht nicht die Roten dieser großen Region magere Brausen. Jede Unterregion und jede Appellation besitzt hier ihre eigene Leitrebsorte. Malbec, Tannat, Braucol, Négrette, Duras – eine eigene Welt, ich sagte es ja schon. Jung schmecken die Rotweine eigentlich immer recht ansprechend und fruchtig. Dann kippen sie aber schnell weg in ihre Verschlussphase und zeigen ihre tanninigen Zähne. Erst nach über einem Jahrzehnt tut sich wieder etwas, und der Cahors, den ich neulich aufgemacht habe (La Fage von Cosse-Maisonneuve) hatte wirklich die ganzen 15 Jahre des Reifens gebraucht, um jetzt erstaunlich edel und elegant dazustehen.

Markthalle PauWenn Ihr das ganze große kulinarische Sammelsurium dieser so üppigen Region erfassen wollt, müsst Ihr unbedingt einen Markt besuchen – und zwar einen, der alles zu bieten hat, was das Herz begehrt. Pau, ansonsten nicht gerade eine quirlige Metropole, zieht jeden Samstag die Massen in die Markthalle. Die eine Hälfte der Halle besteht aus den ortsfesten Marktbeschickern, und auch das genügt schon, um mal wieder richtig Appetit zu bekommen. In der anderen Hälfte hingegen, schmucklos an einfachen Holztischen, finden sich ausschließlich die “producteurs” ein, die kleinen Produzenten wirklich interessanter Dinge. Ob dort alte Tomatensorten angeboten werden, aus dem Wald geholte Stoppelpilze, urtümliche Käse von urtümlichen Verkäufern, bei denen ich unwillkürlich kein “merci” als Antwort erwartet hatte, sondern ein “mäh”, sowie blättriges Grünes aus dem Garten, dessen Namen ich weder vorher gehört noch nachher behalten hätte.

Und was mich im Nachhinein gar nicht mehr wundert: Als ich in Pau aus dem Flugzeug aus Paris gestiegen war, roch die Luft so ungeheuer nach Gras, als wäre ich gerade auf einer Almwiese gelandet. Glaubt Ihr nicht? Na, dann fahrt selbst hin. Ihr werdet Euch wundern, was es in diesem vordergründig gewöhnlich anmutenden Landstrich alles zu entdecken gibt.

Landschaft

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6 Antworten zu Kulinarischer Streifzug durch Frankreichs Südwesten

  1. Charlie sagt:

    Ha, endlich mal wieder das Wort “Transhumanz”!
    Im eigenen Schmalz konserviertes Schweinefleisch, einmal im Jahr aus eigener Schlachtung hergestellt (im Hof), war eines meiner Lieblingsgerichte. Kalt oder aufgewärmt, mit Brot und was “saurem” dazu.

    • Matze sagt:

      “Fêtes de la Transhumance” gibt es übrigens einige in Frankreich – also praktisch bei allen höheren Mittelgebirgen wie Cevennen, Vercors, auch im Elsass in Richtung Vogesen. Seit längerer Zeit habe ich vor, Ende Juni in Die dabei zu sein, aber geschafft habe ich es noch nie (wird in diesem Jahr leider genauso). Gefeiert wird übrigens immer nur beim Aufstieg 😉

  2. Richard sagt:

    Welche Freude dieser Artikel bereitet. Allein der Link zu Transhumanz und damit ein mir völlig unbekanntes Wissen welches man wirklich als archaisch bezeichnen kann. Danke für diesen Beitrag, werde mein Französisch ein bisschen auffrischen und dann im Frühjahr da hin gondeln.

  3. fischkutter sagt:

    Oh, das macht Lust auf Ferien in Frankreich!
    Liebe Grüsse

  4. kormoranflug sagt:

    Da könnte ich sofort losreisen und alles probieren.

  5. Thomas sagt:

    Schon wieder ein Reiseziel mehr auf meiner Liste…

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