Ein Vormittag in Barolo

Barolo

Es gibt ein paar Weinziele, von denen ich behaupten würde, dass alle Weinliebhaber sie einmal gesehen haben sollten. Barolo gehört definitiv dazu. Es macht für mich einfach einen Unterschied, ob ich von einer Region nur etwas gelesen und Fotos gesehen habe, oder ob ich einmal dort gewesen bin. Gespürt habe, ob es steil dort ist oder flach, abgelegen oder verkehrsumtost, bäuerlich oder herrschaftlich. Am Titel dieses Beitrags könnt ihr allerdings erkennen, dass ich zwar in Barolo war, aber nur sehr kurz. Kommt also einfach mit und schaut, was ich an diesem Vormittag gemacht habe.

Barolo – die Legende für Erwachsene

Was ein Barolo genau ist, brauche ich euch wahrscheinlich nicht zu erklären. Man kann es auch überall nachlesen, in jedem Weinbuch, auf Wikipedia, auf wein.plus, wo auch immer ihre eure Informationen herholt. Dort findet ihr auch Angaben zur Rebfläche, je nach Quelle 1.300 bis 1.750 ha, was ungefähr einem Drittel der Nahe entspricht. Nicht viel also. Was die Unterschiede bei der Rebfläche anbelangt, könnte das damit zusammenhängen (meine Spekulation), dass längst nicht überall Nebbiolo als Rebsorte angepflanzt wird. Es kommen also auch andere Weine als Baroli aus dem Barolo-Gebiet.

Barbera in Barolo

Und noch etwas ist mir gleich zu Anfang aufgefallen. Es gibt ja wunderbare Karten, welche die genaue geologische Situation zeigen. Mehr Mergel, mehr Sandstein, mehr aus dem Messinium, mehr aus dem Tortonium. Das mag sicher einen gewissen Einfluss haben. Was Barolo aber wirklich ausmacht, dass ist das wahnsinnig ausgeprägte Relief. Die Hügel sind steil und zeigen in alle Richtungen. Zusätzlich erstreckt sich die Weinbaufläche zwischen 170 und 540 Metern über Meereshöhe. Soll heißen, es gibt unglaublich viele Mikroklimata. Dem hat das Konsortium insofern Rechnung getragen, als es mittlerweile nicht weniger als 170 ergänzende geographische Angaben gibt. Tatsächlich aber regelt der Markt, was als wertvoller Barolo gilt und was als noch wertvollerer. Und das richtet sich nach den Namen der Produzenten und mit gewissen Einschränkungen nach den Lagennamen.

Weshalb ich übrigens in der Überschrift von einem »Wein für Erwachsene« sprach, hat nur teilweise mit dem Preis zu tun. Ein Wein für Erwachsene ist der Barolo nämlich auch, weil er trotz heller Farbe sowohl tanninreich als auch säurereich als auch lagerbedürftig daherkommt. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber das sind Dinge, die ich in jungen Jahren nicht wirklich zu schätzen wusste. Meinen ersten Barolo habe ich jedenfalls gekauft, als ich schon Ende 30 war

Erste Aufgabe: Überblick verschaffen

Ausblick Barolo

Wegen meiner sehr beschränkten Zeit wollte ich in Barolo als erstes zu einem Punkt fahren, von dem aus man einen guten Überblick über die Landschaft hat. Klar, La Morra wäre eine gute Möglichkeit gewesen. Der Ort liegt ganz oben auf einem Hügel, und vom Belvedere aus hat man wirklich einen großartigen Blick ins Land. Einziges Problem: Dieser Blick geht direkt nach Südosten, vormittags also voll gegen die Sonne. Also bin ich um den Ort Barolo herumgefahren und beim Belvedere Panerole in Richtung Zoccolaio abgebogen. Zwischen Barolo und La Morra ziehen sich etliche bekannte Lagen wie Cannubi, Brunate oder Rocche dell’ Annunziata den Hügel hoch. Wer will, kann sich das bei Weinlagen Info ganz genau anschauen.

Zweite Aufgabe: der Ort Barolo selbst

E Pira Chiara Boschis

Barolo selbst gibt dem Weinbaugebiet zwar den Namen, ist aber tatsächlich nur ein winziger Ort mit einer Durchgangsstraße und einem Fußweg durch den Altort zum Schloss. Parken ist nur sehr eingeschränkt möglich, weshalb ich das Auto an der Durchgangsstraße stehengelassen habe. Bevor es ins Gässchen geht, kommt man an einem Weingut vorbei, das mit Trecker und Kisten im Hof zeigt: Hier wird gearbeitet. Auf der abgewandten Seite des Hauses steht schließlich auch der Name, E. Pira e Figli, heute geleitet von Chiara Boschis.

Bartolo Mascarello

A propos Weingut: der vielleicht größte Kult der Region, das Weingut Bartolo Mascarello, befindet sich auf der Nordseite des kleinen und immer vollen Parkplatzes vor dem Altort. Natürlich steht kein Name dran.

Giuseppe Rinaldi

Ein Name steht zwar am Haus des zweiten legendär traditionellen Produzenten in Barolo, Giuseppe Rinaldi, aber das Weingut liegt in einer Kurve und ist bei flottem Vorbeifahren leicht zu übersehen.

Barolo Wine Shop

Jetzt aber zu Barolo selbst. Eine einzige Straße führt wie gesagt vom Parkplatz bis zum Schloss, die Via Roma. Ein paar Weingüter sind ausgeschildert, und es gibt auch Weinhandlungen. Manche mit eher touristischem Angebot, andere mit der Möglichkeit, in die ganze Welt zu verschiffen. Ein Ort, den man wegen seiner Bedeutung gesehen haben sollte, der aber keinen längeren Aufenthalt erfordert.

Dritte Aufgabe: eine Toplage

Monprivato

Also fahre ich zum Abschluss nochmal auf einem asphaltierten Feldweg mit tiefen Regenrinnen dorthin, wo die Grundsubstanz für große Weine wächst. Monprivato heißt die sechseinhalb Hektar kleine Einzellage, die fast komplett dem Weingut Giuseppe Mascarello gehört. Ich parke an der Stelle, die Morissio rechterhand von Mirasole linkerhand trennt.

Trauben Monprivato

Grasig grün ist es hier, die Trauben sehen sehr gesund aus, und obwohl der Hang weder besonders groß noch besonders exponiert ist, steht eigentlich den ganzen Tag die Sonne drauf. Vorhin in der Enoteca di Bacco in Barolo habe ich gesehen, was ein Monprivato kostet. 230 € werden für den 2018er aufgerufen, die Riserva Ca d’Morissio geht für über 500 € über den Tresen. Das unterscheidet sich kaum von den Preisen, die man hierzulande im einschlägigen Online-Handel bezahlt.

Langsam geht es auf die Mittagszeit zu, und es kann selbst im September nochmal richtig stichig heiß im Weinberg werden. Zu heiß, um länger hierzubleiben.

Letzte Aufgabe: Weine kaufen

Die große Frage, deren Beantwortung ich auf spontane Neigungen vor Ort verschoben hatte: Welchen Wein sollte mitbringen? Einen großen Barolo? Wie gesagt, das ist ein Weltwein, den man woanders ebenso gut oder schlecht bekommt wie hier. Also habe ich mich letztlich erst einmal für einen Barolo eines mir völlig unbekannten Erzeugers entschieden. Weil ich es in dem Artikel über das Mittagsmenü in der SlowFood-Zentrale offenbar nicht geschrieben hatte: Es handelte sich um den generischen Barolo von Gregorio Gitti aus dem schönen Jahrgang 2016, 36 € bei der Local Bottega in Bra. Genau das Gegenteil wollte ich jetzt tun: Kleine Weine von bekannten Erzeugern. Und die könnt ihr auf dem Foto sehen.

Weine Barolo

Links steht der Dolcetto von Giuseppe Mascarello (18 €), ein Must sozusagen, nachdem ich ja jetzt in seinem berühmten Weinberg stand. In der Mitte ist der Pelaverga von G.B. Burlotto. Fabio Alessandria macht wunderbare Weine, aber seitdem einer seiner Baroli mal 100 Parker-Punkte bekommen hat (wobei das nur der Auslöser war), sind die Preise total in die Höhe geschossen. Nicht allerdings für diesen Roten, den ich für exakt 15,25 € erstand. Und zum Schluss noch rechts der Barbera d’Alba von Bartolo Mascarello respektive seiner Tochter Maria Teresa. Seit die eigenen Reben gerodet wurden und bevor die neuen vielleicht 2029 den ersten Ertrag geben, stammt dieser Wein aus Zukaufstrauben, allerdings Top-Parzellen. 29,90 € habe ich dafür bezahlt. Und so habe ich tatsächlich aus Barolo Rotweine von vier verschiedenen Rebsorten mitgebracht, wer hätte das gedacht. Ich jedenfalls nicht.

Hättet ihr euch ähnlich entschieden? Oder ganz anders?

Das war jedenfalls mein Vormittag in Barolo. Ich bin wirklich froh, damit einen der wichtigsten weißen Flecken auf meiner Wein-Weltkarte erledigt zu haben.

Wer sich für weitere Piemont-Highlights in ähnlich latenter Oberflächlichkeit interessiert: Ich habe auch Barbaresco besucht, und zwar unter anderem Gajas Parzelle für den Sorì Tildin. Bis zum nächsten Mal, bella Italia!

Dieser Beitrag wurde unter Unterwegs, Wein abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.