[In Kooperation mit dem Weingut Sander] April 2022. Seit über zwei Jahren war ich auf keiner Weinmesse mehr. Genau jetzt ist die Zeit des Darbens aber vorbei. Ich bin in Südtirol, in Margreid, auf der Summa. Und mir gegenüber, im sonnendurchfluteten Innenhof inmitten schmucker alter Gebäude, sitzt Stefan Sander. Ihr wisst ja vermutlich, dass ich in diesem Jahr öfter von seinen Weinen und seinen Aktivitäten berichten möchte. Diesmal bin ich ihm also auf eine Weinmesse gefolgt, die (wie man so hört) eine der schönsten überhaupt sein soll. Wie das für uns so abgelaufen ist, davon könnt ihr hier lesen…
Was ist die Summa?
Ihr kennt wahrscheinlich das Weingut Lageder. Alois Lageder ist einer der legendären Winzer der Region. Nach internationalen Erfolgen in den 1990er Jahren hat er sich seit einiger Zeit für biologischen, gar biodynamischen Weinbau entschieden und macht jetzt gemeinsam mit seinem Sohn Clemens einiges anders als damals. Was aber geblieben oder sogar gewachsen ist, das sind die Kontakte zu ähnlich denkenden Qualitätsweingütern. Die Summa ist sozusagen Lageders Hausmesse mit einem Haufen professioneller Freunde. Über 100 Spitzenweingüter finden jedes Jahr den Weg nach Margreid, um hier in ausgesprochen schmucker Umgebung ihre Weine zu präsentieren. Während ich zum ersten Mal hier bin, ist es für Stefan schon das sechste Mal. Also frage ich ihn einfach, was ihm an dieser Messe denn so gefällt.
“Also das Publikum ist schon mal super”, meint der darauf, “da ist von der kleinen Kneipe um die Ecke bis zum Weinimporteur aus den USA oder dem Winzer aus Südtirol alles dabei. Und es geht nicht in erster Linie um den Wein, den ich dem Interessenten morgen schicken kann, den er vermarkten kann. Sondern es geht um etwas Wichtigeres. Es geht um das Qualitätsabbild eines Betriebes. Die Visionen, die Ideen, mit denen sich ein Betrieb hauptsächlich auseinandersetzt. Und nicht ausschließlich um das schnelle Tagesgeschäft. Wenn man da einen gereiften Wein mitbringt und die Leute fragt, ob sie den auch probieren wollen, sind alle begeistert.”
Der frühe Vogel…
Während ich relativ bequem einen Tag vorher mit dem Zug angereist war, hatte Stefan einen anderen Weg gewählt. Nachts um zwei fuhr er mit Sohn Lukas und seinen Weinen los, um letztlich rechtzeitig um neun am Stand zu sein und aufzubauen. Vorher musste er sich allerdings durch den Schnee auf der A8 kämpfen. Ja, richtig, Schnee, erinnert euch, zehn Zentimeter Neuschnee am 9. April.
Ich selbst bin im Nachbarweiler Entiklar untergekommen und gehe morgens einfach zu Fuß nach Margreid. Übrigens, nur für den Fall, dass euch ein Bergbewohner erzählt, es würde sich um eine ganz flache Strecke handeln, seid vorsichtig. Diese Menschen halten auch 1.000 Höhenmeter für einen Spaziergang. Ich musste also gleich aus der Haustür einen steilen Hang hoch. In Margreid angekommen, war ich für die Summa selbst noch viel zu früh dran. Es wurden erst alle Schilder aufgehängt, die Tische aufgestellt, die ersten Winzer kamen. Ich hatte allerdings ebenfalls einen frühen Termin bei Othmar Sanin im Ort ausgemacht. Der ist Biowinzer, Wildkräuterführer, und er macht so ungewöhnliche Dinge wie Traubenblattpâté, wie er es nennt. Ihr werdet noch von ihm lesen.
Stefan Sander auf der Summa
Zurück auf der Summa sehe ich, dass Stefan und Lukas die ersten Kunden erwarten. Jedes Weingut ist angehalten, jeweils nur vier Weine mitzubringen, die den Betrieb sozusagen repräsentieren. Beim Weingut Sander ist das zum einen der Lagenriesling aus dem Schlossberg von 2019, dazu der 2017er für Interessierte als Reifevergleich. Riesling ist genau das, was die internationalen Besucher von Deutschland erwarten. Dazu vermehrt auch Spätburgunder, also gibt es die Pinot Noir Reserve. Als Repräsentant der regionalen Vergangenheit und Identität hat Stefan den Zeitensprung Grünfränkisch mitgebracht. Und schließlich gibt es als Erinnerung an seine Lehr- und Wanderjahre noch den Sauvignon Blanc aus der Doppelmagnum.
Mögen denn die Leute Sauvignon Blanc aus Deutschland? “Naja”, sagt Stefan, “erst sind sie vielleicht ein bisschen skeptisch. Wenn ich ihnen sage, dass wir ein vergleichbares Klima wie an der oberen Loire haben, wollen sie dann doch probieren. Und dann gibt es meist ein dickes Strahlen auf dem Gesicht. Deutschland steht für Cool Climate, auch stilistisch, und das ist für Weinleute aus dem Süden zunehmend interessanter.” Stimmt, das hatte man nach den heißen Jahrgängen wie 2018 oder 2019 bei uns ja fast vergessen.
Kleiner Messerundgang
Ich mache mich auf meinen Rundgang über die Messe. Es gibt zwei alte Gebäudekomplexe, Casòn Hirschprunn und Ansitz Löwengang. An letzteren schließen sich die Weinherstellungsanlagen an. Beides sind traumhafte Locations, die einen Gutteil des Charmes der Summa ausmachen. Und überall gibt es Weinstände. Im zweiten Stock des Renaissance-Palasts residieren die Österreicher. Ein bisschen komisch fühlt es sich schon an, hier ganz ohne Maske herumzulaufen. Ich habe meinen eigenen crachoir mitgebracht, wie man das etwas eleganter auf Französisch ausdrückt. Unten an den jeweiligen Eingängen werden die Zugangszahlen kontrolliert, damit nicht zu viele Leute auf einmal in einem Komplex sind (angemeldet sind ja eh alle). Da steht man dann gelegentlich ein bisschen in der Schlange, aber dafür gibt es oben kein Gedrängel, was die Sache sehr angenehm macht.
In den Innenhöfen sind gastronomische Stände für die Messebesucher aufgebaut. Stefan und Lukas essen in der Betriebskantine Spinat- und Käseknödel, ich nehme einen Teller mit Tóc. Was das ist? Das ist eine Polenta, in die auf kleiner Flamme langsam Butter und Käse eingerührt werden. Vom Vortag kann es dann auch aufgebraten werden. Schmeckt super, geht schnell und sättigt. Ideal, wenn man wenig Zeit hat.
Ich “muss” nämlich weiter zu einer Vertikalverkostung. Moderiert von Alois Lageder selbst, gibt es sieben Jahrgänge Cor Römigberg Cabernet Sauvignon, von 1996 bis 2017. Sehr interessant, wie sich hier ein Stilwechsel vollzogen hat. Die ersten Jahrgänge waren noch klar im üppigen Neuwelt-Stil gehalten, während es zum Schluss immer präziser wurde. Das ist natürlich die biodynamische Arbeit, die frühere Lese bei phenolischer Reife als Reaktion auf den Klimawandel. Das ist aber auch eine bewusste stilistische Entscheidung, die an das anknüpft, was Stefan mit dem Cool Climate gesagt hat. In gehobenen Restaurants, in der Avantgarde-Sommelier-Szene, überall wollen die Leute keine fetten Brummer mehr. Sogar bei der fränkischen Naturwein-Konsumenten-Studie konnte man das feststellen.
Und – wie war’s?
Um 17 Uhr ist Messeschluss, und tatsächlich lichten sich die Reihen. Ich komme noch einmal zu Stefan und Lukas an den Stand zurück und frage sie, wie es gelaufen ist. “Stark”, sagt Stefan, “das war endlich mal wieder eine gelungene, gut organisierte Messe.” Dann fügt er mit einem Schmunzeln hinzu, dass man “das Babbeln mit den Gästen und das Philosophieren über Wein erst wieder ein bisschen lernen” müsse. Wir sind das alle nicht mehr richtig gewohnt. Und woher kamen die Gäste? “Viele Italiener natürlich, auch Deutsche, Bayern vor allem, aber das meiste findet auf Englisch statt. Das können dann auch Skandinavier oder Franzosen sein. Das Interesse an der Summa besteht jedenfalls weit über die italienischen Grenzen hinaus.”
Und noch etwas ist so eine Messe natürlich auch: ein Networking-Event. Das gilt nicht nur für Einkäufer oder Dienstleister wie mich, sondern auch für die Winzer. Lukas ist mittlerweile in die Weinwelt eingestiegen und überlegt nun, wo er möglicherweise Praktika machen könnte, Teile der Ausbildung absolvieren. Vielleicht bei einem großen Betrieb wie Lageder, wo viel experimentiert wird, man aber mit dem Chef selbst gar nicht so oft zusammenkommt. Oder auch auf einem kleineren Weingut, das zwar limitiertere Möglichkeiten bietet, aber eine dichte persönliche Betreuung. “In jedem Fall”, findet Stefan, “sind die Winzer auch wesentlich entspannter als bei großen Messen wie der ProWein. Das ist ein schöner Zusammenhalt hier, man empfiehlt Kollegen weiter, wenn die Gäste diese oder jene Präferenz zeigen. Wir kommen nächstes Jahr bestimmt wieder.”
Zurück aus dem Paradeis
Ich nehme den Weg zurück nach Entiklar, die Sonne scheint. Tatsächlich ist die Summa nicht nur eine sehr angenehme Messe mit qualitativ hochwertigen Erzeugern. Sie war auch die Gelegenheit, wieder mal herauszukommen, etwas anderes zu sehen, den Horizont zu weiten. Ich habe beispielsweise ausgiebig die Chance genutzt, traditionellen Sangiovese aus der Toskana zu probieren. Oder auch Bordeaux von Lurton oder Stephan von Neipperg, der natürlich selbst ausgeschenkt hat. Dazu der Austausch über das Wetter, die Jahrgänge, die Branche, die heißen Themen.
Was die Messe geschäftlich gebracht hat, weiß man natürlich wie immer erst später. Aber das ist ja bei allen so. Ich bin jedenfalls sehr froh, endlich einmal hiergewesen zu sein. Und dank Stefan natürlich auch ein bisschen näher am Winzergeschehen…
Hier findet ihr die bisherigen Folgen meines Weinjahres mit dem Weingut Sander:
Schöner Bericht!
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