Alois Lageder – Vertikale Cor Römigberg 1996-2017

Lageder Cor Römigberg Vertikale

Südtirol (von uns aus gesehen) oder Alto Adige (vom Süden aus) ist eine faszinierende Gegend. Landschaftlich ohnehin, aber auch weinbezogen. Da gibt es einerseits die traditionelle Pergelerziehung, die sich die Hänge emporzieht. Andererseits wurden hocheffiziente Techniken aus dem Obstbau abgeschaut. Da gibt es kleinbäuerliche Strukturen, andererseits Genossenschaften, die den Weltmarkt genau kennen. Da gibt es autochthone Rebsorten wie Lagrein und Vernatsch, andererseits seit langer Zeit schon solche aus dem Bordelais. Bereits im Jahr 1875 wurde hier der erste Weinberg mit französischen Rebsorten angelegt. Der Römigberg vom Weingut Lageder kam zwar erst Mitte der 1980er Jahre hinzu, wurde aber schnell einer der bekanntesten seiner Zunft. Ich war in Margreid und habe sieben Jahrgänge vom Cor Römigberg probieren können.

Was ist der Cor Römigberg?

3 Südtirol Roèn Blick Kalterersee

Der Römigberg ist ein steiler Hang nordwestlich des Kalterer Sees. Im Sommer vor ein paar Jahren hatte ich bei meiner Wanderung auf den Monte Roèn einen wunderbaren Blick auf das Unterland zwischen Bozen und Salurn. In der Mitte seht ihr den Kalterer See, und links von ihm, oberhalb der Felsnase, beginnt der Römigberg. Nun wusste ich zu der Zeit leider nicht, dass die Lage noch Bedeutung für mich bekommen würde, also handelt es sich nicht gerade um ein Portraitfoto. Aber hier könnt ihr die Vigna schön auf der Karte sehen.

Alois Lageder hatte seit jeher seine Nase weit aus den engen Altentälern herausgestreckt. Im Jahr 1981, so erzählt er, besuchte ihn beispielsweise Robert Mondavi und empfahl ihm, doch ein paar neue Barriques anzuschaffen. 1986 wurde dann der Weinberg am Kalterer See neu bepflanzt. Cor bedeutet Herz, also geht es hier um die Kernparzelle des Römigbergs. Bis heute ist jene mit 92% Cabernet Sauvignon und 8% Petit Verdot bestockt. Petit Verdot deshalb, weil er auch bei extremer Reife die Säure hält. “Und wir haben wirklich um Reife gekämpft”, erinnert sich Lageder. Waren die 1980er Jahre noch zu kalt, sind die neuesten Jahrgänge fast zu heiß ausgefallen, so dass der Erntezeitpunkt nach vorn verschoben wurde. “Die Beeren müssen immer noch vital sein, crunchy”, sagt Lageder.

Die Cor Römigberg Cabernet Sauvignon-Vertikale auf der Summa

Cor Römigberg Cabernet Sauvignon Vertikale

Auch ansonsten hat sich in den 25 Jahren, die seitdem vergangen sind, eine Menge getan. Eines ist jedoch gleich geblieben; der Ertrag liegt immer um die 28 hl/ha herum. Und auch die Dauer des Ausbaus hat sich nicht wesentlich verändert. Ganz zu Anfang lag sie noch bei 24 Monaten, spätestens seit dem 1998er sind es jetzt 18 Monate. Der Anteil neuer Fässer ist allerdings von einem Drittel zu Anfang mittlerweile geschrumpft.

Eine Sache fand ich noch sehr interessant. Wenn ihr in Südtirol unterwegs seid, werdet ihr auch in den Weinbergen überall Bewässerungsschläuche sehen. Das ist dort seit langem völlig normal, und so berichtete auch Alois Lageder, dass er auf die Frage, ob sie bewässern, in den 1980ern “ja, natürlich” geantwortet habe. Schließlich ist der Römigberg 76% steil und trocknet im Sommer extrem schnell aus. Unter den lehmhaltigen Moränenablagerungen befindet sich schotteriger dolomitischer Kalkstein. “In speziellen Fällen”, sagt Lageder heute, “finde ich die Bewässerung schon angemessen. Aber es muss immer um Qualität gehen, nie um Quantität.”

Tatsächlich ist das ein sehr komplexes Thema. Aber wer sich die Sonderkulturflächen in Südtirol anschaut, muss wahrscheinlich kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass die Bewässerungsfrage zukünftig noch stärker auf die Agenda kommt. Aber zurück zum Römigberg und zur Vertikale.

1996-2003

Ambiente Ansitz Löwengang

Im Grunde kann man die Lageder’schen Weine in drei Perioden einteilen. Die erste war diejenige des internationalen Durchbruchs mit internationalen Weinen. Der Cor Römigberg als Super Tuscan sozusagen. Die zweite Periode begann 2006 mit dem Umstieg auf die biodynamische Wirtschaftsweise. Und schließlich endete im Jahr 2013 die Ära von Luis von Dellemann, Lageders Schwager und Kellermeister für 44 Jahre. Das neue Team um den promovierten Biodynamiker Georg Meißner, Alois Lageders Sohn Clemens und den jetzigen Kellerchef Jo Pfisterer ließ deutlich mehr Raum für Experimente, für Anpassungen an veränderte Bedingungen.

Wie ihr euch denken könnt, sind die drei probierten Cor Römigbergs der Jahrgänge 1996, 1998 und 2003 allerdings auch alles andere als schlechte Weine.

1996 duftet nach altem Mahagoni-Schrank und ein bisschen Paprika, nach Leder und Teer, besitzt dann aber ein sehr feinkörniges Tannin und durchaus Druck.

1998, viel kritisiert seinerzeit, präsentiert sich in der Nase weitaus dezenter, weniger würzig und auch insgesamt mit einem leichteren Fluss. Einige in der Runde sehen hier gar ihren Favoriten.

2003 hingegen, das kochendheiße Jahr, zeigt einen südlicheren Typus mit viel Tannin, der es trotzdem nicht an Eleganz fehlen lässt.

2006-2017

Lageder Cor Römigberg 1996 2017

2006, der erste biodynamische Jahrgang, überrascht mich mit einer neuholzigen Kokosnote in der Nase. Im Mund ist das ein Wein, der sich erst noch öffnen muss, dann aber durchaus warm und konzentriert wirkt.

2008 hingegen, das laut Lageder ein gutes Jahr gewesen sei, “Sonne und Regen im Wechsel, weniger Extraktion”, beginnt mit leichter Laktik und etwas Kräuternoten. Dann aber folgt eine völlig neue Säurestruktur, die pikant ist und erst von hinten angekrochen kommt. Ein leichterer, elegant wirkender Römigberg.

2010 sei der perfekte Jahrgang gewesen, genau 100 Tage zwischen Blüte und Ernte, wobei letztere am 6. und 7. Oktober stattgefunden habe. Die Nase pendelt zwischen fleischigen und beerigen Noten, wirkt aber nie heiß. Im Mund ist das ebenfalls ein sehr stringenter Typus mit deutlich vorhandenem, aber samtigem Tannin. Vielleicht zum ersten Mal wird hier auch eine waldbeerige Note deutlich. Ein wie auch immer gearteter Fruchtgeschmack stand beim Cor Römigberg nie im Vordergrund. Der Wein wird sich auf jeden Fall sehr gut weiterentwickeln.

Und schließlich 2017, der jüngste Jahrgang. Die Vorlese fand am 8. September statt, die letzten Beeren wurden am 27. September eingebracht. Mit analytischen 5,9 g pro Liter ist die Säure hier auch am höchsten, aber es sind eher die phenolischen Komponenten, die eine zusätzliche Frische mit hineinbringen. Die 12,5 vol% Alkohol sind ohnehin ein Wert wie vor vielen Jahren. In der Nase gibt es dann einen minimalen Reduktionston, etwas Holzkohle, dazu florale Noten. Im Mund ist das wenig überraschend ein frischerer, spannungsreicherer Wein als die anderen. Pikante Säure, null Unreife, eleganter Fluss. Wie wird er reifen, anders als die dichteren Jahrgänge davor?

Ever Curious – Alois Lageder

Alois Lageder

Das Faszinierende an der Cor Römigberg-Vertikale war für mich der sichtbare Wunsch, immer wieder neue Erkenntnisse in die Weinwerdung mit aufzunehmen. Auch wenn Lageder sagt, der Klimawandel habe zu Veränderungen geführt, auf die sie reagieren mussten, war doch immer auch das Element des bewussten Vorgehens im Spiel. Jüngere Jahrgänge dürfen hier gar eine spürbare Flüchtigkeit besitzen, ein bisschen dreckiger wirken. Der Ganztraubenanteil ist erhöht worden, und es gibt drei verschiedene Partien, die miteinander komponiert werden.

Auch schwebt das Ever Curious-Zeichen überdeutlich über dem Weingut. Verblüffend, wenn man bedenkt, dass der Betrieb jährlich 1,5 Millionen Flaschen abfüllt, etliches natürlich von Vertrags-Zulieferern. Letztes Jahr, so berichtet Lageder Senior, hätten sie nicht weniger als 150 verschiedene Experimente durchgeführt, von denen einige dann immer als “Kometen“, also als limited edition auf den Markt kommen.

Die Vergänglichkeit, dieses Ephemere, das jedem Wein innewohnt, der ja eigentlich nicht ein Produkt, sondern einen Prozess darstellt, kommt auf diese Weise besonders eindrücklich zum Vorschein.

In solchen Produkten zeigt sich, dass Lageder gar nicht so weit von den neuen Gestirnen an Südtirols Firmament wie Garlider, Pranzegg oder In der Eben entfernt ist. Für mich war die Cor Römigberg-Vertikale jedenfalls eine wunderbare Möglichkeit, diese ganze Gedankenwelt im Glas nachzuvollziehen. Und wenn ihr auch einmal vor Ort sein solltet, probiert euch fleißig durch das sonstige Sortiment. Es lohnt sich.

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