Hermann Mengler liebt und lebt den Silvaner. Das wird jeder mit Sicherheit sofort bestätigen können, der ihn einmal in Aktion erlebt hat. Die Aktion besteht diesmal in der Begrüßung von uns 44 Jurorinnen und Juroren, die zusammen gekommen sind, um die besten Silvaner in fünf Kategorien zu küren. All das findet statt im Rahmen des mittlerweile zehnten Internationalen Silvanerpreises, der alljährlich vom in Alzey ansässigen Silvaner.Forum veranstaltet wird. 375 Weine stehen uns gegenüber, und wir sind alle sehr gespannt.
Dass man aus Silvaner sehr gute Brot- und Butterweine bereiten kann, ist den meisten Weinfreunden bekannt. Ich bin sogar der Meinung, dass man aus Silvaner besonders gute Brot- und Butterweine bereiten kann, weil die Rebsorte (bis auf den feinen Birnenton) nicht zu besonders stark hervorstechenden Aromen neigt und zunehmend wieder richtig trocken ausgebaut wird. Solche Weine passen zu derartig vielen unterschiedlichen Speisen, dass ich spontan eine ziemlich lange Liste damit folgen lassen könnte.
10. Internationaler Preis des Silvaner.Forums
Für diese vielseitigen Speisenbegleiter gibt es beim Silvanerpreis zwei Kategorien. Einmal ist das die Kategorie „Basic“ (diesmal 61 Weine), die alle aus dem neuen Jahrgang 2018 stammen müssen und höchstens 12,5 vol% haben dürfen. Diese Kombination dürfte der Grund dafür sein, dass in der höheren Kategorie „Premium“ mit 195 Weinen weitaus mehr Flaschen angestellt worden sind, weil es im heißen Jahrgang 2018 in den meisten Fällen ziemlich schwierig war, einen frischen Leichtwein zu produzieren. Die Premium-Weine dürfen aus allen Jahrgängen stammen und auch mit Holz in Berührung gekommen sein, allerdings eher dem großen Holzfass. Alles, was nicht so recht in diese beiden Kategorien zu passen scheint (die Winzer bestimmen selbst, in welche Kategorie sie ihre Weine einordnen wollen), landet in der Kategorie „Solitär“ (71 Weine). Das sind sozusagen Freestyle-Silvaner ohne Beschränkungen.
Zwei weitere Kategorien gibt es noch, nämlich „Nobel“ für traditionelle Edelsüße und „Gereift“ für wirklich gereifte Weine. Jene müssen nämlich mindestens zehn Jahre alt sein, also jüngstens aus dem Jahrgang 2009 stammen. Als Juror hatte ich mit den meisten Kategorien gar nichts zu tun, denn ich war sowohl in der Vor- als auch in der Endrunde für die Solitäre eingeteilt. Und das war mir sehr recht. Wer nämlich noch seine Zweifel hatte, was man mit Silvaner alles machen kann, dem wurde hier eine Bandbreite vorgeführt, die seinesgleichen sucht. Silvaner aus dem Barrique, aus dem Qvevri, dem Betonei, klar oder trüb, maischevergoren, ohne Schwefelzusatz, von wuchtig-edel über fein und tief bis hin zu wilderen Noten – alles war dabei.
Wie lassen sich Individualisten bewerten?
Diese ungeheure Vielfalt brachte zwar viel Vergnügen für uns Tester mit sich, aber auch die Schwierigkeit, wie man dieses Spektrum an Äpfeln und Birnen punktemäßig miteinander vergleichen sollte. Bei einem Basic-Wein können glaube ich alle Profis auf ein relativ gleichartiges Bewertungsschema zurückgreifen. Aber bei einem gerbigen Orange Wine und einem mit Neuholz ausgekleideten Silvaner wird das schon schwieriger. Zumal auch unter uns Jurorinnen und Juroren das Spektrum sehr breit war und von solchen, die primär in der Qualitätswein-Kontrolle sitzen bis zu Avantgarde-Sommeliers reichte.
Meine persönliche Erkenntnis aus solchen „Massenbepunktungen“ lautet denn auch: Der Gewinnerwein wird immer gut sein. Aber die stark polarisierenden Gewächse haben in aller Regel wenig Chancen. Das ist selbstverständlich keine Katastrophe, aber es zeigt mir, dass vom Winzer frei interpretierte Weine eher in Richtung Kunstwerk als in Richtung Gebrauchsmittel tendieren. Und ebenso, wie es nicht wirklich vernünftig erscheint, Bach und Mozart oder Rubens und Picasso punktemäßig gegeneinander auszuspielen, so schwierig ist das auch bei Freestyle-Weinen.
Allerdings ist mir noch etwas anderes endgültig klar geworden: Silvaner ist eine Rebsorte, die sich für freie Interpretationen hervorragend eignet. Es gab wirklich eine Vielzahl sehr interessanter Weine, die wir hier probieren durften. Darunter waren auch intensive und dennoch straffe Gewächse. Ich persönlich kann ja mit leicht aus der Form lappenden 14,5 vol%-Silvanern nicht so wahnsinnig viel anfangen, und hier gab es Gegenentwürfe von erstaunlicher Eleganz und Tiefe.
Meine persönlichen Favoriten
Da die gesamte Verkostung ausschließlich blind erfolgte, wussten wir natürlich überhaupt nicht, womit wir es zu tun hatten. Also weder vom Anbaugebiet her noch vom Winzer. Ich hatte mir aber in Vor- und Endrunde die Prüfnummern aufgeschrieben und konnte dann später meine Top-Favoriten in Erfahrung bringen. Hier also meine Top Four:
- der 2013er Silvaner Nierstein von Kai Schätzel. Ich hatte den Wein schon einmal probiert, als er gerade auf den Markt gekommen war und dachte seinerzeit, hui, der ist ja ziemlich streng ausgelegt, ob der wohl gut reifen wird? Jawohl, das hat er getan, eine echt schöne Überraschung für mich.
- der 2015er Silvaner Indigenius von Manfred Rothe. Bei der diesjährigen ProWein hatte ich bereits das große Vergnügen, eine Reihe von Jahrgängen vom Indigenius probieren zu dürfen. Ein toller Wein und (leider) der einzige etwas extremere, der es dann auch in die Endrunde geschafft hatte.
- das 2017er GG aus dem Stettener Stein von Ludwig Knoll. Auch diesen Wein hatte ich bereits bei der Weinbörse Mainz in diesem Frühjahr probiert, und auch dort war er mir sehr angenehm aufgefallen, weil ungemein frisch, fein und dennoch nachhaltig. Allerdings würde ich persönlich eher dazu neigen, einen solchen Wein als „Premium“ denn als „Solitär“ zu bezeichnen – trotz des Barrique-Einsatzes.
- der 2015er Grenzstein von Klaus Höfling, ebenfalls aus dem Stettener Stein und ebenfalls eher Premium als Solitär. Bei den fränkischen Weinprämierungen spielt das Weingut aus Eußenheim zwar immer eine große Rolle, aber ich habe das Gefühl, dass man es außerhalb des Anbaugebiets noch nicht so richtig wahrnimmt. Das könnte sich mit einem solchen Wein ändern, der natürlich kein crazy stuff ist, aber ein Silvaner, der seiner Rebsorte wahrhaftig Ehre erweist.
Die Preisverleihung
Ein paar Wochen waren seit unserem Testmarathon ins Land gegangen. Ein Wettbewerb wäre allerdings kein solcher, würde es nicht auch eine vernünftige Preisverleihung geben, und die fand am 22. Juli auf der wirklich netten Dachterrasse der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim statt.Natürlich gibt es zu einem solchen Event auch immer eine entsprechende Pressemeldung, auf die ich hiermit verweisen möchte.
Gewinnerinnen und Gewinner sind auf den Fotos hier im Beitrag ebenso zu sehen wie die Etiketten der Siegerflaschen. In der Kategorie „Basic“ gab es zwei punktgleiche Sieger, nämlich das Weingut Clemens aus Sulzheim/Rheinhessen und das Weingut Höfling aus Eußenheim. Bei den „Premium“-Weinen hatte Manfred Braun aus Nordheim die Nase vorn. Der „Solitär“-Gewinner war der Aussteiger von Thomas Plackner. Das ist ein zur Hälfte maischevergorener und teilweise im Barrique ausgebauter Wein, sehr gut, ein Konsens im allerbesten Sinne. Die Tatsache, dass es sich um einen 2012er Jahrgang handelte, zeigt umso mehr, dass es sich lohnt, nicht alle Silvaner im Jahr nach der Ernte sofort wegzugluckern.
Clemens Höfling Braun Plackner Brügel Juliusspital Neustift
Das gilt ebenso für den Gewinner der „Gereift“-Kategorie, den 2008er Greuther Bastel vom Weingut Brügel. Silvaner vom Keuper haben es wegen ihrer etwas verschlosseneren Art als Jungweine ja oft ein bisschen schwer. In späteren Jahren können sie jedoch zu einer sehr individuellen Gelbfrucht heranreifen. Ich hatte ja bereits neulich beim Weingut Castell die Gelegenheit, das Keuper-Spektrum einmal näher zu beleuchten.
Dass Süßweine reifen müssen, bevor sie zur richtigen Ausgewogenheit finden, ist hingegen allen offensichtlich. Insofern ist der Gewinner in der Kategorie „Nobel“, die 2011er Trockenbeerenauslese vom Juliusspital, eher ein Jungspund.
Sehr angenehm überrascht hat mich auch der Sieger in der internationalen Kategorie. Damit wurde der beste Wein eines nicht-deutschen Weinguts prämiert, unabhängig von seiner geschmacklichen Einordnung. In diesem Fall wäre es die Kategorie „Premium“ gewesen, in der der Sylvaner der Stiftskellerei Neustift/Novacella aus dem Eisacktal angetreten war. Ein wirklich sehr guter und ausgezeichnet balancierter Wein, der daran erinnert, dass dort um Brixen herum mittlerweile hervorragende Weißweine gekeltert werden.
Historische Rebsorten im Versuchsweinberg
Zum Abschluss habe ich es mir nicht nehmen lassen, noch einmal im Versuchsweinberg der Veitshöchheimer vorbeizuschauen. Wer sich intensiver mit der Historie des Weinbaus in Deutschland beschäftigt (und vielleicht auch der Zukunft), sollte sich das Betrachten dieser Rebstöcke nicht entgehen lassen. Kürzlich hatte ich ja einen 2011er Wein der Veitshöchheimer aus der alten Rebsorte Adelfränkisch getrunken, der wirklich der absolute Knaller war. Und andere historische Rebsorten wie Vogelfränkisch, Hartblau, Mohrenkönigin, die alle hier wachsen, versprechen ebenso spannende Ergebnisse. Der Leitrebsorte Silvaner werden sie in den nächsten 50 Jahren jedoch kaum den Rang ablaufen.
Summa summarum war für mich die Teilnahme als Juror beim Internationalen Silvanerpreis wieder einmal eine schöne Horizonterweiterung. Aus Silvaner lassen sich in allen Kategorien wirklich sehr interessante Weine bereiten, spannungsgeladen und alterungsfähig. Man muss es nur wollen.
Hallo Matze,
sehr schöner Artikel , als Halb-Franke kreist mir der Silvaner seit meiner Kindheit in der Nase, und seit der Jugend dann auch ein bisschen im Blut 🙂 – und ist damit bis heute eine echte Vorliebe. Mit Silvaner lässt sich in fast jeder Lebenslage überleben. Finde ich zumindest 🙂
Interessant, dass in der Kategorie “Basic” konsequent auf 12,5 Vol.-% begrenzt wird. Da kann man fast spekulieren, dass das bei den heutigen Wetterlagen einen früh und teils knapp berechneten Lese-Zeitpunkt verlangt, und / oder auch die eine oder andere (harmlose) Intervention bei der Vinifikation, um da hinzukommen. Da werde ich künftig mal verstärkt drauf achten.
Solitair = Freestyle
Auch eine interessanten Formel. Und die kann ich eigentlich bestätigen – da ist mir einiges ungewohntes in den letzten 3 Jahren ins Glas gekommen. Manches nicht zu erkennen, anderes wild und ungestüm, gelegentlich hatte ich auch mal einen regelrechten Unfall im Glas. Auf jeden Fall spannend, denn das waren allesamt neben den Standbein-Weinen dann immer die, wie ich finde, erlaubten Spielbein-Weine. Ohne gesunde Neugier am Ende auch kein echtes Vorwärts kommen 😉
Einigen oben genannten Weinen und Weingütern werde ich somit demnächst gerne etwas mehr nachspüren und wenn es passt, dann freudig probieren.
Mit besten Grüßen
Michael Holzinger
Danke für den Kommentar! Ja, ich habe auch darüber nachgedacht, ob die fixe 12,5 vol%-Grenze “vernünftig” ist, gerade in Anbetracht des Jahrgangs 2018. Da gibt es natürlich immer Für- und Wider-Argumente, die du ja auch genannt hast. Im Endeffekt bin ich zu dem Schluss gekommen, ja, das ist vernünftig, weil es ansonsten den leichten Sortenvertretern gar keine Chance mehr lassen würde. Und es dient auch ein bisschen dazu, den Winzern zu zeigen, dass nicht ausschließlich extrem reifes Lesegut für einen Alltagswein das Passende ist. Ich möchte auch frische, leichtere Weine aus der Rebsorte haben, und das wird mit dieser Deckelung gewahrt. Das mit den “harmlosen” aber trotzdem nicht immer erfreulichen Interventionen, tja, das lässt sich vermutlich nie ganz ausschließen.
Das mit dem Spielbein kann ich ebenfalls nur unterstützen. Logischerweise werden (jedenfalls in der Regel) die Solitäre von den verkauften Mengen her nie der Renner sein. Aber sie zeigen, was mit Silvaner alles möglich ist. Und das wiederum trägt dazu bei, die Rebsorte auch über die Region hinaus ernst zu nehmen.
Stimmt, dem pflichte ich ebenfalls bei – Wein aus ausgereizten Ernte-Terminen, und manchmal leider ja auch Weine aus überreiztem Lese-Zeitpunkt, sind mehr als reichlich am deutschen Markt zu finden.
Da sind etwas früher geerntete Weine mit etwas leichteren Stilistiken eine wichtige und bei vielen beliebte Variante. Man will tatsächlich nicht immer eine de facto “Spätlese trocken” zu allen Gelegenheiten. Und gerade der Silvaner kann es ja gut auch leichter und frischer.
Viele Grüße
Michael Holzinger
Hallo das ist ein schöner Text. Auch wenn ich mich immer Frage welche Birne du im Silvaner findet. Ich finde nicht so viel Birne oder nicht deinen Birnentyp Da ich vom Keuper komme findet mein Zunge die Weine vom Keuper wohl zugänglicher, da sie das kennt! Ganz besonders mochte ich die Zeilen wo du schreibst dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen kann. Das sehe ich auch so! Zu mindest ab einem bestimmten Qualitätsniveau. Welche Vielfalt der Silvaner in den letzte 10 Jahren, nicht ohne Herrn Menglers zutun, und welche vielfältige Qualitätssteigerung der Silvaner in Franken in den letzten Jahren durchgemacht hat, ist wirklich beachtlich. Zum Glück, habe ich mich aus anderen Gründen, 2009 zur Sommelierausbildung in HH entschlossen und mich dort durch die Weinmessen verkostet und kann das nun in Würzburg geniesen und auch halbwegs beurteilen. Ein Blick vom Aussen tut den Franken gut und gute Texte können die wortkargen Franken gebrauchen. LG
Ja, ich finde tatsächlich häufiger Birnen im Silvaner, also weitaus mehr als in, sagen wir, Riesling oder Müller-Thurgau 😉 .
Ich weiß nicht, ob du dem zustimmen würdest, aber ich habe das Gefühl, dass sich die spannendsten Entwicklungen beim Silvaner außerhalb des “traditionellen” oder “hierarchischen” Systems getan haben. Mit Großen Gewächsen (und ähnlichen Ansätzen) habe ich oft ein bisschen Schwierigkeiten, weil sie manchmal zu einer Mächtigkeit ohne Form neigen. Ich weiß auch nicht, ob man dem Silvaner als Rebsorte wirklich einen Gefallen tut, seine Spitzen in der GG-Philosophie zu suchen. Da kommen mir doch die Solitäre, wie wir sie probieren konnten, wirklich gelungener vor. Das passt für mich – wenn es um den Anspruch großer Weine geht – irgendwie besser zur Rebsorte…
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