Bangkok-Nachschlag: Für wen lohnt sich der Chatuchak Weekend Market?

“Wie denn, Du kennst den Chatuchak Weekend Market nicht? Dann warst Du noch nie wirklich in Bangkok!” Falls Ihr jemals von einem Bangkok-Aufenthalt wiederkommt und zu Hause zugebt, ebenjenen Markt nicht zu kennen, könnt Ihr Euch schon mal auf eine ähnlich lautende Ansprache unter sämtlichen weitgereisten Freunden gefasst machen. Eigentlich wollte ich genau dieses Risiko auch eingehen, aber dann traf ich Mark, einen seit längerer Zeit in Bangkok lebenden Engländer. Ich hatte ihm gerade meine Bedenken mitgeteilt, von wegen “übertrieben gehypt”, “bestimmt kommerziell”, “typischer Lonely-Planet-Tip”. Er hörte sich alles geduldig an und meinte dann kategorisch: “Nein, der Markt ist toll. Da musst du hin!” Also bin ich hin, und das ist dabei herausgekommen.

Zunächst einmal sollte ich vielleicht für die Uneingeweihten in wenigen Worten erklären, was dieser “Chatuchak Weekend Market” eigentlich ist. Der Markt befindet sich im Norden Bangkoks, zwar einige Kilometer vom Zentrum entfernt, aber durch die Skytrain- und die Metro-Haltestelle quasi vor der Tür äußerst problemlos zu erreichen. Am Wochenende sollen hier mehr als 10.000 Stände für 200.000 bis 300.000 tägliche Besucher geöffnet haben. Damit ist Chatuchak (meint Wikipedia) der größte Markt der Welt seiner Art.

Bloß welcher Art? Zu kaufen gibt es angeblich alles, und das zieht vor allem die Touristen in Massen an. Sie hoffen, verbotenes Elfenbein, Tigerklauen und allerlei Geheimnisvolles zu sehen, finden es abenteuerlich, dass die nahe Skytrain-Station “Mochit” im Backpacker-Jargon als “more shit” verballhornt wird (nicht um Faeces, Leute, um Drogen geht es hier!) – und kaufen dann doch bloß ein buntes T-Shirt und einen Schal für die Daheimgebliebenen.

Für wen sich der Markt tatsächlich lohnt, versuche ich hier mithilfe einiger Fotos zu verdeutlichen. Voilà:

…für Leute, die Eihunger und Kohldampf haben. Das auf dem Foto sind Schälchen mit Wachtel-Spiegeleiern auf einem Kohlbett.

 

…für Leute, denen nicht davor graust, dass ihr Essen – hier Garnelen – von einem Seinszustand in den anderen übergeht.

 

…für Leute, die ein Restaurant mit Tischdecken brauchen, um sich hineinzutrauen. In diesem Fall solche aus Wachstuch.

 

…für Leute, denen farbenfrohe Erfrischungsgetränke, versetzt mit Eiswasser, kein vorsorgliches Magengrimmen verursachen.

 

…für Leute, denen farbenfrohe Erfrischungsgetränke, versetzt mit Eiswasser, vorsorgliches Magengrimmen verursachen.

 

…für Leute, denen farbenfrohe…, gut, das hatten wir schon. Hier heißt die Alternative Zuckerrohrsaft, oben Kokoswasser.

 

…für Leute, denen die asiatische Küche ansonsten zu kalorienarm daherkommt. Auf dem Bild: knackige Schweineschwarten.

 

…für Leute, die danach auch noch gern ein Buttercreme-Törtchen folgen lassen, wiederum in farbstarken Varianten.

 

…für Leute, denen Bananen mit Schokosoße und bunten Streuseln ein Lächeln der Erinnerung an die Jugend aufs Gesicht zaubern.

 

…für Leute, die wissen, dass etwas, das aussieht wie getrocknete Igelhaut, keinesfalls tatsächlich getrocknete Igelhaut sein kann.

 

…für Leute, die erst nach ihrer Rückkehr einsehen, dass sie die drei Nummern zu kleine Hose doch besser nicht gekauft hätten.

 

…für Leute, die sich nicht davor fürchten, dass der Zoll die gerade erworbene Hunde-Nachbildung als Antiquität deklarieren wird.

 

…für Leute, die ihrem Besuch dank täuschend echtem Plastik-Obst eine gesunde Ernährung weismachen können.

 

…für Leute, an deren Wohnzimmerwand seit 30 Jahren ein Setzkasten hängt, der nie voll genug sein kann.

 

…für mich. Denn was ich Euch auf den letzten beiden Bildern gezeigt habe, fand ich derart faszinierend, dass ich mir hier meine einzigen echten Mitbringsel in Bangkok gekauft habe. In Wirklichkeit soll das wahrhaft täuschend echte Obst und Gemüse aus Plastik weder als Dekoration noch als Gag dienen. Vielmehr handelt es sich – wie mir gesagt wurde – um eine Art Erntedank-Brauch. Dabei werden kleine Schalen auf den Hausaltar gelegt, die man individuell mit solchen Früchten oder Gemüse füllen kann. Teilweise werden aber auch bereits fertig gestaltete Gerichte verkauft. Wie fein das Ganze gearbeitet ist, könnt Ihr ja auf dem Foto sehen, bei dem ich die Suppe mitsamt ihren Zutaten auf der Hand halte. Und übrigens: Das Titelfoto zu diesem Post besteht auch nicht aus einem Tisch im Restaurant, sondern aus genau jenen Miniatur-Gerichten. Großartig, oder?

Um dem leicht frotzelnd gehaltenen Artikel noch ein ernsthaftes Fazit anzuschließen: Der Chatuchak Weekend Market ist nicht der beste Markt, auf dem ich in Bangkok war. Wer kein Interesse an Massen billiger Klamotten und entsprechendem Nippes hat, wird sich schnell fragen, was es denn sonst hier noch gibt. Die Essstände sind nicht spektakulärer als an jeder größeren Straßenkreuzung, Lebensmittel gibt es ansonsten gar nicht zu kaufen. Die durchaus interessante und etwas abgelegenere Halle mit Möbeln und Ausstattungsgegenständen für den asiatischen Haushalt ist zwar kulturell lehrreich, aber mitnehmen wird man im Zweifelsfall weder ein Bettgestell noch eine Kommode. Gefallen hat es mir trotzdem. Vor allem natürlich wegen der Miniatur-Gerichte, aber auch sonst ist es einfach interessant, über einen derart großen Markt zu schlendern und Leute zu beobachten. Nettes Entertainment halt – aber ganz sicher nicht das absolute Must für jeden Bangkok-Besucher.

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8 Antworten zu Bangkok-Nachschlag: Für wen lohnt sich der Chatuchak Weekend Market?

  1. Eline sagt:

    Bei diesem Markt kriege ich kein Fernweh. Allerdings, der knusprige Schweinsbraten mit Chilisauce sieht schon gut aus …..
    Die Plastikminiatur sieht ja lieb aus. Aber sie ist irgendwie auch ein trauriges Symbol für unsere Plastikwelt.

    • chezmatze sagt:

      Beim Schweinsfoto kannst Du links auch noch die, tja, Schwartenabschnitts-Spießchen erkennen, denn in dieser Form wurde es (mit Chilisauce natürlich) verkauft.

      Und es ist schon richtig mit dem Plastik. Früher und/oder woanders wurden den Göttern immer echte Lebensmittel dargereicht. Ob das mit dem Plastik jetzt ein Rückschritt oder doch ein Fortschritt ist, darüber lässt sich natürlich diskutieren…

  2. Birgit sagt:

    Ich wäre zu gerne auf den Chatuchak-Markt gegangen, wenn es die Zeit nur erlaubt hätte und zwar um genau eine Sache zu erwerben – kleine Teller aus Mangoholz. Tja, und dann wäre ich auch ganz, ganz schnell wieder weg gewesen.

    • chezmatze sagt:

      Ein paar kunsthandwerkliche Sachen gab es schon, das stimmt. Ich wollte eigentlich die typische Lackware der Bergstämme kaufen, aber gefunden habe ich sie nicht. Übrigens habe ich gerade auf Wetteronline gesehen, dass der Markt mittlerweile auch komplett überschwemmt ist. Sehr unglücklich, das scheint dort nicht besser zu werden 🙁

  3. utecht sagt:

    Ob Du’s glaubst oder nicht: Ebensolcher Obst- und Gemüsenippes steht seit 3 Jahren bei mir auf einem Ehrenplatz. Natürlich vom Chatuchak. Ansonsten hast Du mit allem recht, was Du beschreibst.

    • chezmatze sagt:

      Doch, das glaube ich Dir aufs Wort! Ich habe festgestellt, dass ich solche mit und ohne Magnet erstanden habe. Letztere verzieren seitdem die Kühlschranktür, die anderen stehen aus Platzgründen neben einem traditionellen “Caganer” (der ja auch den Kreislauf des Lebens symbolisiert – sozusagen).

  4. Charlie sagt:

    Diese Kunststoffgerichte kann man immer wieder opfern, so wie man Vögel mit gestutzten Flügel immer wieder befreien kann. Eine Art Ablaßhandel mit Karma.

    • chezmatze sagt:

      Wobei – aber korrigier mich, wenn ich mich da irre – diese Speiseopfer ja auch den Vorfahren gewidmet sind und nicht nur den Göttern. Soweit ich weiß, stellt man den Verstorbenen, damit sie auch im Jenseits essen können, zum Beispiel eine Schüssel mit Obst auf den Hausaltar. Nach einer Weile wird jene aber wieder heruntergenommen und das Obst dann auch gegessen. Das dürfte es also vom Grundansatz (Symbolcharakter) her erstens möglich machen, ohne große theologische Verluste Kunststoffgerichte zu benutzen und zweitens diese auch mehrfach zu verwenden. Hat also mit Ablass weniger etwas zu tun, wiewohl ich Religion nicht gerade als mein großes Spezialgebiet bezeichnen würde ;).

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