Kochexperimente auf dem Zeltplatz

Es gibt mittlerweile in Frankreich einige Bücher zum Thema Kochen im Freien. In geschmackvollen Bildern wird dabei gezeigt, wie man mit feinen Zutaten auch auf einem Gaskocher allerlei raffinierte Häppchen zubereiten kann. Dass diese Rezepte dann unter den Rubriken “tendance” oder “branché” geführt werden, deutet schon an, dass es hier seltener um deftige Hacksteaks geht. Die Realität auf dem Campingplatz sieht aber meist anders aus. Von der Parzelle unserer Nachbarn weht nämlich jeden Abend der unnachahmliche Duft einer echten Tüten-Tomatensoße herüber. Kurz danach macht es “Ping!”. Aha, der Kartoffelbrei aus der Mikrowelle ist fertig.

Dass ich nicht der große Meisterkoch bin, brauche ich sicher nicht extra zu betonen. Dass ich aber trotzdem gern etwas Abwechslungsreiches und Interessantes esse, dürfte genauso klar sein. Mit dieser Kombination liegt mir die Zeltküche eigentlich im Blut. Dabei bin ich bei weitem nicht der einzige, der gern mit primitivsten Mitteln eine Mahlzeit zubereitet. Priorat-Torsten ist als Kletterer beispielsweise auch mit dem Zelt unterwegs und gibt auf seinem Blog unter ähnlichen Umständen entstandene Rezepte zum Besten.

Das folgende Rezept koche ich jedes Jahr genau einmal, immer im Sommer und immer beim Zelten. Diesmal ist es allerdings ein wenig spät am Tag geworden, so dass die Dunkelheit bereits über meine Aktivitäten hereinbrach. Jetzt beim Schnippeln die milde Paprika nicht mit den Chilies zu verwechseln, bringt einen zusätzlichen spielerischen Reiz in die Kochaktion.

Ein paar Worte noch zu der wichtigsten Zutat: Es handelt sich um Jakobsmuscheln. Als ich einmal im März in Etaples an der französischen Kanalküste war, rieten mir die Fischer, jetzt schnell ihre Jakobsmuscheln zu kaufen, die direkt von den Booten abgeladen wurden. Die Fangsaison sei für sie am 31. März vorbei, danach gäbe es nichts mehr. Offiziell dauert die zugelassene Fangperiode in Frankreich vom 1. Oktober bis zum 15. Mai, und zwar aus sehr sinnvollen Artenschutzgründen. Alles, was in der restlichen Jahreszeit angeboten wird, stammt entweder nicht von hier (in Frankreich meist aus dem Südpazifik) oder ist tiefgefroren. Die Wahl zwischen Not und Elend sozusagen. Das ist auch der Grund, weshalb das folgende Gericht genau ein einziges Mal auf meinem Zeltplan steht. Im Bewusstsein dessen geht es jetzt dennoch ans Werk.

Zuerst werden Zucchini geraspelt. Zwei kleinere Exemplare reichen locker für zwei Personen. Wenn Ihr mehr nehmt, habt Ihr nicht nur einen ganzen Haufen Beilagen, die dann keiner mehr essen will, die Pfanne quillt auch schnell über. Der nächste oder auch gleichzeitige Schritt besteht im Feinhacken einer Zwiebel. Hier würde ich persönlich die mildere Version empfehlen, denn Schärfe kommt noch genug hinein. Jenes passiert durch das Hinzufügen einer mittelgroßen grünen Chili. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass der Schärfegrad, den ich gerade noch als “aushaltbar” bezeichnen würde, ein solches Gericht nicht etwa bereichert, sondern in den Ruin treibt. Damit wir uns nicht missverstehen: Scharf sollte es schon sein, aber nicht derartig, dass die anderen Aromen übermäßig darunter leiden. Hier geht es ja nicht darum, den Goût bereits angegangener Fleischstückchen zu übertünchen.

In die Pfanne kommt ein nicht zu knapper Schuss Olivenöl. Dann werden erst die Zwiebeln hineingegeben, nach Annahme des Glasigkeits-Zustands die Zucchini, dann die Chili und zum Schluss die Jakobsmuscheln. Jene sind bei dieser direkten Gasbefeuerung im Handumdrehen durchgebraten, während die Zucchini noch als Rohkost durchgehen würden. Ergo: immer ein wenig Pause einlegen zwischen den einzelnen Zugaben.

Wenn alles schön brutzelt, kommen noch Koranderblätter dazu, ein wenig Salz als Würze und eine ausgepresste Zitronenhälfte. Wer keinen Koriander mag, sollte sich an diesem Gericht besser nicht versuchen – es fehlt dann nämlich ein wirklich entscheidendes Geschmackselement.

Auf diese Weise habe ich in weniger als 20 Minuten auf einer einzigen Gasplatte ein Gericht gezaubert, das wesentlich aufwändiger und edler wirkt. Eventuelle Gäste würden sicher behaupten, ich hätte mindestens 25 Minuten dafür gebraucht. Oder aber zwei Gasplatten.

Als passende Weinbegleitung würde ich einen öligen Weißen aus dem Süden empfehlen. Zu viel Säure wirkt aggressiv, zu viel Frucht bringt eine unpassende Note in das Gericht. Ich habe mich für den 2010er Laudun blanc der Domaine Pélaquié entschieden. Er kostet 9 € und kann beim Altern durchaus Noten annehmen, die an einen kleineren Châteauneuf-du-Pape erinnern. Diese Entwicklungszeit können wir ihm aber nicht.

Was übrigens trotz aller Gaskocher-Blechnapferei bei mir auf dem Zeltplatz immer dabei sein muss, ist das Silberbesteck meines Urgroßonkels und meiner Urgroßtante. Ich mag einfach diese Geschichte, die es erzählt. Und ich bilde mir ein, dass das Essen von Silbergabeln und besonders -löffeln aufgrund der spezifischen chemischen Reaktionen mit bestimmten Säuren besser schmeckt. Ist das wirklich nur Einbildung?

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6 Antworten zu Kochexperimente auf dem Zeltplatz

  1. jens sagt:

    Na ja! Auf alle Fälle ist es natürlich sehr stilvoll mit Silberbesteck zu essen. So quasi zum Ausgleich für den vermutlichen Plastikteller, den Klappstuhl und den Campingtisch, gepaart mit nem’ viel zu dickwandigen Glas aus dem Du sicherlich Deinen Wein getrunken hast!? 😉

    Wie auch immer Matze. Das mit dem Silberbesteck gefällt mir gut und auch ich packe auf Reisen immer eine sogenannte Küchenkiste, aber auf die Idee das Silberbesteck meiner Urgroßmutter mitzunehmen, bin ich noch nicht gekommen. Ich lege Wert auf meine Weingläser (VDP Tastingglas von Schott Zwiesel und Bordeauxpokal von Riedel sowie Champagnergläser zu erwerben im Les Crayers in Reims und designet vom dortigen Chefsommelier). Wie Du siehst, jeder Jeck ist anders…

    • chezmatze sagt:

      Ich muss dazu auch etwas beichten: Ich kaufe mir eigentlich bei jedem Aufenthalt ein (empfindliches) Weinglas vor Ort, um die Weine auch entsprechend profihaft testen zu können. Bislang hat nur eins dieser Gläser den Weg zurück nach Deutschland gefunden. Alle anderen habe ich dagelassen, für die nächsten Weinfreunde 😉 Dafür habe ich jedesmal die von Dir angesprochenen dickwandigen Dinger wieder dabei…

    • chezmatze sagt:

      Na, der schaut ja richtig schick aus! Ich schwöre allerdings auf die Produkte der Firma “Campingaz”. Nicht deshalb, weil es die besten wären, sondern weil man überall die Austausch- und Ersatzteile bekommt.

  2. Hallo Matze,

    schön, dass es noch mehr “verrückte” Camper gibt, die selbst vor Jakobsmuscheln und Co nicht zurückschrecken, wenn sie draußen sind.

    Die Schwierigkeit ist, den Dreh mit den Abläufen bei nur einer Flamme hin zu bekommen. Aber mit etwas Übung gelingen auch Sachen, für die man zu Hause drei Flammen genommen hätte.

    Ich schwöre allerdings auf den Trangia, das edle Teil von Martin wär mir viel zu schwer zum Schleppen, allein über zwei Kilo der Kocher + Kartuschen + Töpfe und Pfannen etc. Beim Trangia ist alles intelligent beieinander, leichtes Material, alles intelligent ineinander verpackt – 2 Teile Gestell + 2 Töpfe + Deckel, der zugleich Pfanne ist. Im Beutelchen dann der Brenner + Nebenmaterial, da ist dann noch genug Platz im kleineren Topf für etwa 8 Filmdosen mit diversen Gewürzen (da mir das zumindest im großen Urlaub inzwischen nicht mehr reicht, hab ich noch einen Beutel mit weiteren Filmdosen etc. bei. Glaub mir, manche deutsche normalmoderne Hausfrau hat weniger Gewürze im Schrank, als ich auf Reisen mitnehme, nach dem Motto: Besser man hat, als man hätte…

    Enormer Vorteil neben geringem Packmaß und Gewicht ist die Nutzung auch bei starkem Wind.

    Einig sind wir uns alle wieder beim Weinglas – ein dickwandiges Robusta geht gar nicht und selbst die kleinen INAO – Gläser sind mir lang schon nicht gut genug für draußen.

    Ich schlepp dann schon ein Spiegelau Authentis oder ein Riedel o.ä. mit. – hin wie zurück. Lediglich wenn ich mehrere Tage per Rucksack im Hochgebirge und weit weg vom Auto = Basislager bin, gebe ich mich mit dem INAO Glas noch zufrieden – aus Packmaßgründen… Nenn mich jetzt Camping-Snob, ich steh dazu…

    Ansonsten freu ich mich auf mehr Draußen – Rezepte auf deiner Seite und revanchiere mich natürlich…

    Torsten

    • chezmatze sagt:

      Ja, der Trangia ist natürlich legendär bei Expeditions-Freaks. Ich muss zugeben, dass meine Ausrüstung ziemlich zusammengewürfelt ist, weil sie aus verschiedenen Stationen im Lebenszyklus eines Zelters stammen. Schalfsack und Matte sind zum Beispiel ultraleicht und mit winzigem Packmaß, weil ich damals noch gar nicht mit dem Auto unterwegs war und deshalb alles in der Hand tragen musste. Statt zu kochen, habe ich damals meist kalt gegessen und ansonsten in der Pizzeria ;). Andere Dinge stammen aus späteren Perioden. Mal sehen, vielleicht werde ich ein paar der Sachen zum Schluss hier mal im Bild vorstellen…

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