Nachlese Weinsalon Natürel & ProWein 2025

Weinsalon Natürel 2025 Konni & Evi

Ich weiß, ich habe hier auf dem Blog schon gesondert über mein Tasting chinesischer Weine geschrieben und auch über das Seminar zu bulgarischen Weinen, das ich bei der ProWein gegeben hatte. Aber trotzdem sind noch jede Menge Schnipsel übrig, Entdeckungen, Skurriles, Trendiges. Und vom Weinsalon Natürel hatte ich bislang nur auf Instagram berichtet. Kommt also mit und flitscht durch die Bilder und Texte. Oben auf dem Titelfoto sind übrigens Konni & Evi abgebildet, die mit bemerkenswerter Zähigkeit, Offenheit und Heimatliebe ganz bemerkenswerte Dinge tun an der Unstrut.

Weinsalon Natürel & ProWein – ich komme!

Dampflok Würzburger Stein

Skurril ging es gleich mal in Würzburg los. Statt meines Anschlusszuges kam diese Dampflok herangefahren. Man sagte früher ja, der Wein aus dem Würzburger Stein würde so rauchig schmecken, weil sich die Reben direkt oberhalb des Dampflok-Bahnhofs befinden. Dann wurde elektrifiziert, der Geschmack war aber immer noch so. Die einen erklären es mit einer bestimmten Mineralität, ich neige eher zu Gärvorgängen. Wie auch immer, dieser rußige Beginn zeigt doch schon mal ganz schön, wie sich unsere fossilen Politiker dies- und jenseits des Atlantiks die Zukunft vorstellen. Jetzt noch eine Kanone draufgebaut, fertig ist der Wirtschaftsboom.

Deutschland ist alter Beton

Vielleicht war ich noch in Gedanken bei der arg gebremsten Zukunft. Jedenfalls ist mir beim Aussteigen in Köln-Deutz ein Satz eingefallen, der nicht mehr aus meinem Kopf wollte: Deutschland ist alter Beton. Jaja, ich bin auch nicht mehr taufrisch, keine Frage. Aber irgendwie schaffen es an sich wunderbare Jahrzehnte voller Krisenfreiheit und eine alternde Bevölkerung, dass es nichts Neues mehr gibt. Ein »Neubau« in der Stadt stammt aus den 1990ern. Die Treppen wurden 1962 gebaut, die Bank, die Gleise, das Pflaster, der Papierkorb, die ganze Republik. Ob ich wohl jemals wieder in einem Land lebe, das wirklich neu aussieht? Nicht latent abgerockt? Nicht dass ihr denkt, ich würde jetzt in diesem Artikel unpassenderweise irgendwelche Forderungen stellen oder gar Lösungen anbieten. Es ist mir halt nur aufgefallen.

Leben in Ehrenfeld – der Weinsalon Natürel

Weingut Lehner Weinsalon Natürel

Ohne jegliche Überleitung geht es jetzt zum Weinsalon Natürel. Jener hat mittlerweile zum neunten Mal stattgefunden, ist also auch nicht mehr brandneu. Aber er atmet doch den Geist der Veränderung. Dinge ausprobieren, Quereinsteiger, Nachfolger:innen, die Wein anders denken. Und das mit handwerklichem Geschick und ziemlich viel Präzision trotz der latenten Laissez-faire-Attitüde. Ein Beispiel dafür ist Sebastian Lehner vom Neusiedler See. Sein puristischer Roter (das ist noch nicht das richtige Etikett) besteht aus Blaufränkisch und Sankt Laurent, beide früh und gleichzeitig gelesen, aber phenolisch reif. Frisch und saftig, 15 €, sehr schöne Sache.

Weinsalon Natürel Konni & Evi

Konni & Evi sagten mir gleich zu Anfang, sie hätten jetzt nicht mehr diese ganzen Kleinstparzellenabfüllungen vom Silvaner, sondern nur noch drei. Oder vier, wenn man die Alten Terrassen dazunimmt, wo aber hauptsächlich Gutedel drin ist. Oder maximal fünf, wenn man den Blauen Silvaner mitzählt, der aber wegen der Rebsorte ganz anders schmeckt. Ihr neuer »Gutssilvaner« heißt Trias, hat aber mit Spontangärung, Unfiltriertheit und anderthalb Jahre Holzfassausbau dieselbe Behandlung bekommen wie die anderen Weine. Es sind halt nur jüngere Reben. Ein fantastischer Einstieg in die Welt der trockenen 10 vol%-Weine. Unten übrigens das Plakat vom Silvanerfest, wahrscheinlich bei seiner zweiten Ausgabe bereits Legende.

Weinsalon Natürel Katla Wines

Sehr gefreut habe ich mich, beim Weinsalon Natürel zum ersten Mal Jas Swan in Person zu sehen. Ihre ersten Weine hatte sie ja an der Mosel gemacht, jetzt ist sie seit einiger Zeit unter dem Namen Katla Wines in Rheinhessen aktiv. Rechts auf dem Foto noch die liebe Junko, die sonst die klassischsten deutschen Weine dem japanischen Publikum vorstellt, aber von der Atmosphäre und den Weinen beim Weinsalon Natürel richtig begeistert war. Ich sehe übrigens gerade, dass ich Jas per Fotoschnitt einen schönen langen Rock gebastelt habe. Der zugehörige Kerner ist meiner Meinung nach ihr bester Wein, auch nur 11 vol% und überhaupt nicht aufdringlich.

Weinsalon Natürel David Amling

Wenn ich auf eine Messe fahre, treffe ich am liebsten Leute, die ich noch nie gesehen habe, die ich aber nachher leicht besuchen kann. Praktisch ausgelegte Neugier sozusagen. In diese Kategorie fällt David Amling aus Untereisenheim, der sich mit seinen bio-zertifizierten und ungeschwefelten Naturals aus der Genossenschaft verabschiedet hat. Ein bisschen schade ist das für beide Seiten, aber ich kann es natürlich verstehen. Mitgebracht hat er seinen Silvaner. Jahrgang 2023, 12,5 vol%, Handlese, Spontangärung, zwei Tage Maischestandzeit, ein Teil Tonneau, ein Teil Edelstahl, 12 Monate sur lie, kein SO2 zugesetzt. Nicht schlecht, mein lieber Eisenheimer Specht, auf diese Weise werden wir uns auf jeden Fall wiedersehen!

Weinsalon Natürel Glow Glow

Die Geschwister Baumberger von Glow Glow hatte ich auch noch nie persönlich getroffen. Ihre Etiketten könnte man von weitem aus jedem Supermarktregal herausscheinen sehen, wenn sie dort denn stünden. Der Spätburgunder ist himbeerfruchtig und schmeichelnd, und das, obwohl auch er nicht geschwefelt wurde. Der Trick? Carl Baumberger sagt: »Früh auf Flasche gefüllt und die Hefe belassen. Dann kann die Frucht auch nicht wegoxidieren.«

Weinsalon Natürel Les deux terres

Les Deux Terres von der Ardèche besteht nicht nur aus zwei Erden, sondern auch aus zwei Menschen, einem Großen und einem Kleinen. Ich habe den Großen getroffen, Vincent Fargier, und ihren Grenache namens »Vin Nu« probiert. Ich mag Grenache als Rebsorte wirklich, nur wird sie oft zu breit angeboten. Hier überhaupt nicht, und trotzdem hat der Wein den Schmelz des Südens. Gibt’s übrigens für 14 € im Online-Shop der Vincaillerie, was wiederum der Laden von Surk-ki Schrade ist, die wiederum als Mutter, Chefin, Organisatorin vom Weinsalon Natürel fungiert.

Weinsalon Natürel L'Arbre Viké

Noch ein französischer Roter, auf dem lediglich »Le Rouge« steht. Dahinter steckt Jan Tailler von L’Arbre Viké aus – Lothringen! Ja, da ganz im Nordosten Frankreichs tun sich auch ein paar spannende Sachen (hier der Link zum großen Shoppingausflug-Artikel, ich war nämlich Ende letzten Jahres in der Region). Der Rouge hier hat nur 10,5 vol%, ist hell, frisch, leicht, feine Säure, aber überhaupt nicht mager. Sowas liebe ich im Sommer!

Weinsalon Natürel

Oben könnt ihr zwei Fotos vom Weinsalon Natürel sehen, einmal fotografiert um 11:46 Uhr und einmal um 16:14 Uhr. So lange war ich da, habe probiert, mich unterhalten, Notizen gemacht. Hat sich wieder absolut gelohnt, und ich hoffe, alle Beteiligten können das ebenso behaupten.

Auf der ProWein 2025

ProWein 2025

Kein Kulturschock, aber doch eine ganz andere Atmosphäre dann auf der ProWein in Düsseldorf. Der geringere Zuspruch an Ausstellern und die (hieß es) wieder engeren Gänge haben dazu geführt, dass man auf zwei Hallen ganz am Ende verzichten konnte. Tatsächlich ist die ProWein teuer, sie streicht ökonomische Unterschiede heraus statt sie zu nivellieren, viele interessante Weingüter kommen nicht oder nicht mehr, sie ist immer noch überwältigend groß, und viele Winzer:innen klagen über dieses und jenes. Aber es ist auch »unsere« Messe. Der deutsche Wein kann sich nirgends besser und einfacher der Weltöffentlichkeit präsentieren als hier. Was wir an ihr hatten, der ProWein, merken wir hoffentlich nicht erst dann, wenn wir sie erfolgreich abgerockt haben.

Bulgarien ProWein 2025

Wein aus Bulgarien. Ich hatte ja schon darüber berichtet und auch geschrieben, dass mir das Seminar viel Spaß gemacht hat. Bulgarien ist weintechnisch wirklich eine unbekannte Welt für die allermeisten von uns. Allerhöchstens verbindet man international gemachte Rotweine damit. Aber keinesfalls die frischen Weißweine aus dem Nordwesten von Tipchenitza (links oben). Oder die Reinsortigen aus autochthonen Rebsorten von Bononia (links unten). Und erst recht nicht einen stylischen Rosé mit Maischeanteil namens Blush von Zagreus, dem wichtigsten Bioweingut des Landes (rechte Seite). Ja, der Typ rechts oben bin ich selbst, weil Elisabeths Ehemann und Winzer Dimitar noch beim Weinsalon Natürel war.

ProWein 2025 VDP.Franken

Natürlich bin ich parteiisch, wenn es um Wein aus Franken geht. Es macht immer was mit einem, wenn die Weinberge sozusagen vor der Haustür liegen, man die Leute kennt und schätzt. Aber ganz objektiv ist das, was in Franken in den letzten Jahren passiert, einfach ziemlich gut. Weg vom breitschultrigen Typus, der dann in der Substanz doch nicht hält, was der Alkohol verspricht. Hin zu wirklich trockenen, präzisen und vor allem langen Weinen, die wirklich ideal in der Küche kombiniert werden können. Oben seht ihr vier der sechs VDP.Franken-Weingüter, von denen ich jeweils einen Wein präsentiert habe. Links oben das Bürgerspital mit Robert Haller und seinem Nachfolger Karl Brand, rechts oben Andrea Wirsching und Klaus-Peter Heigel vom Weingut Hans Wirsching, links unten Daniel Sauer vom Weingut Rainer Sauer und rechts unten Rudi May von sich selbst mit Sohn Benedikt im Hintergrund. Top-Erste-Lagen-Weine für 15 €. Krass wenig für Leute aus anderen Ländern, gut für euch…

ProWein 2025 Cotnari

A propos andere Länder. Und à propos unbekannt. Wie steht’s mit Rumänien bei euch? Irgendwelche Vorstellungen? Also erstmal gibt’s deutlich mehr Weiß- als Rotwein. Und dann habe ich hier den einzigen Vertreter aus der nordöstlichsten Provinz Moldau ausgesucht, Cramele Cotnari. Der Cotnari war einst ein berühmter Süßwein aus der Traube Graşa de Cotnari. Kann unglaublich fein sein. Hier seht ihr aber zum einen einen trockenen Weißen aus derselben Rebsorte, ein bisschen in Richtung trockener Sémillon. Und den in Rumänien selbst unglaublich beliebten Rosé Busuioacă de Bohotin. Vier Vokale hintereinander, 11,5 vol%, frisch und köstlich.

ProWein 2025 Trend hell und leicht

Trend Nr. 1, der bei vielen Weingütern gerade aus dem deutschsprachigen Raum zu sehen war, sind in der Tat die niedrigeren Alkoholgehalte bei voll durchgegorenen Weinen. Jene wirken aber nicht grün oder mager, weil die Trauben vermutlich dank aufwändiger Bodenarbeit phenolisch reif eingebracht werden konnten. Super Beispiele dafür fand ich beim neuen Riesling (noch nicht abgefüllt) des Weinguts Kopp aus der Isoliertlage Feigenwäldchen, beim Weingut Riffel mit dem nach Osten ausgerichteten Kirchberg, beim Weingut Zähringer mit dem Edelgräfler, einer genial sommerlichen Piwi-Cuvée zum Aufschütteln und beim Rotweingut Iby, das dank der Rotweinkrise einen wunderschönen Blanc de Noir aus Blaufränkisch anbietet. Demnächst kommt ein nochmal leichteres Exemplar dazu.

ProWein 2025 Trend alkoholfrei & zukunft

Alkoholleichter sind natürlich nochmal Produkte, die überhaupt keinen Alkohol enthalten. Links oben seht ihr den weiterhin vielgeliebten Holger Schwarz, mittlerweile offiziell German Board Director und (habe ich das richtig verstanden?) auch eine Art Teilhaber bei Muri Drinks aus Kopenhagen. Eine der Kompositionen, der frisch-erdbeerige Uzume, entstand in Zusammenarbeit mit der französischen Drei Sterne-Legende Anne-Sophie Pic. Die jungen Leute von aus Lyon (rechts oben auf dem Foto) machen einerseits Wein, agieren aber auch als Kollektiv mit anderen Winzer:innen, und aus den Biodiversitäts-Pflanzen stellen sie zudem alkoholfreie Sodas her – berückend duftend mit Feigenblättern oder richtig bitter aus Enzianwurzel. Ein superspannendes Unternehmen. Links unten schließlich Philipp Weinreuter aus Württemberg mit seinem ziemlich wilden 2021er Donauriesling, ein echter Charakter-Piwi.

ProWein 2025 Wein aus China

Von den chinesischen Weinen aus der Provinz Ningxia hatte ich ja schon berichtet. Rechts unten mein persönlicher Favorit, ein ungemein eleganter Pinot Noir von Silver Heights. Solche Horizonterweiterungen liebe ich an der ProWein. Allerdings muss ich zugeben, dass ich auch immer erst am Dienstag kurz vor Toreschluss genügend Freilauf habe, um mir solche Sachen anzuschauen.

ProWein 2025 Wein USA Morlet

Genau das gilt für diese Weine aus den USA, die ich zum ersten Mal probiert habe. Der Zinfandel von Grgich bietet Brombeergelee in der Nase, ist tief, reif, pfefferig, ein bisschen anstregend. Okay, er hat auch 14,7 vol%. Vom Paso Robles Big Red Monster (links unten) habe ich das Rücketikett fotografiert. Ein dichter, durchaus säurehaltiger, ansonsten aber völlig nahtloser Wein, weniger strukturiert als Grgich (15 vol%). Noch weiter nach oben im Alkohol gehen wir bei Morlet. Rechts oben der Côteaux Nobles, 15,1 vol% für einen Pinot Noir, und fast muss ich sagen, ja, das funktioniert. Aber nur, weil er eben extrem dicht und konzentriert ist, ohne überkocht zu wirken. Rechts unten dann der Rekordhalter, Coeur de Vallée, 15,7 vol%, 250 €, 94% Cabernet Sauvignon. Tatsächlich noch etwas grüne Paprika in der Nase, dann Kokosholz, viel Pfeffer, wenig Frucht und Charme. Müsste ich nicht haben, aber war sehr interessant, sowas mal zu erfahren.

ProWein 2025 Niepoort

Und jetzt die allerletzten Weine, vier echte Schätzchen von der iberischen Halbinsel. Naja, fast. Die spanische D.O. Ribeira Sacra in Galicien hat spannende Weine zu bieten, in Rot wie in Weiß. Mein Favorit war vielleicht dieser hier, der Secular der Adega Saíñas. Hauptsächlich Mencía, frisch mit Substanz, super Balance, »the new style of wine«, sagt Winzer Jorge. Fand ich besser als Dominio do Bibei. Rechts oben: nur ein Schluck und zum Abschied nicht gespuckt. Prado Enea Gran Reserva von Muga/Rioja. Ganz großes Eleganzkino, etwas altmodisch im Holzeinsatz, ansonsten Velours, ein Grand Cru für 70 €.

Bei Niepoort habe ich aus der ungeheuren Auswahl zwar nicht alles probiert, aber doch sehr viel. Robustus und Turris sind hervorragende Weine, entfalten aber für mich überraschend noch nicht die erhoffte Magie. Jene gibt’s dafür beim Charme, einer der allerbesten Weine der Messe, wenn man mit einer rauchig-reduktiven Nase umgehen kann. Rechts unten dann noch der Falkenberg von Fio. Ja. Leichter Naturwein-Touch, dann fast erdbeerig, rotbackiger Apfel, Zitruspuder, Moselsäure.

Mein Messefazit

Abschluss Taiwanese beef soup

Nach Weinsalon Natürel und ProWein, also zwei Messen an vier Tagen, muss ich dringend sowas hier zu mir nehmen. Taiwanese Beef Soup bei Ilha Formosa in Düsseldorf. Mein Fazit lautet deshalb: bin durch. Interessante Leute getroffen, interessante Weine probiert. Ein paar kleinere Enttäuschungen sind immer dabei, aber alles in allem haben mir die Besuche doch wieder gezeigt, dass ich in der richtigen Branche gelandet bin. Es ist zu hoffen, dass die Konsumzurückhaltung in Deutschland nicht von allzu langer Dauer ist. Dabei geht es ja gar nicht um Menge, denn ich halte auch nichts davon, dass Leute mehr Wein trinken sollen. Aber wenn möglich solche tollen Sachen, wie ich sie hier probieren konnte. In diesem Sinne Goodbye for now – und bis zu einem neuen Thema, das nichts mit Wein zu tun hat. Okay, fast nichts…

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