Im Grunde genommen wissen wir es: Im Erdgeschoss der Pyramide zu bestehen, ist eigentlich die Königsdisziplin. Aber genau damit möchte ich die »Große Silvaner-Schau 2024« beginnen lassen, mit den besten Silvanern unter 10 €. Persönlich neige ich wenig zur Sparfuchserei, was nicht etwa damit zu tun hat, dass ich viel Geld zur Verfügung hätte. Es ist eher so eine psychologische Sache, schließlich zählt Neid auch nicht zu meinen größten Hobbys. Aber rein inhaltlich habe ich mich auf diesen großen Test schon riesig gefreut. Und wenn man das Angenehme mit dem Nützlichen für Sparfüchse verbinden kann, dann sind doch alle zufrieden. Schaut also, was meine Auswahl ergeben hat – Überraschungen garantiert!
Silvaner für Sparfüchse – wie habe ich sie ausgewählt?
Zunächst einmal lässt sich nicht leugnen, dass die Gruppe der »einfachen« Silvaner rein vom Umfang her relativ groß ist. Da ich als Obergrenze besagte 10 € festgelegt hatte, sind Gutsweine oft mit dabei, je nach interner Preis- und Parzellenstruktur aber sogar Lagenweine. Ich habe deshalb möglichst viele dieser Silvaner zusammengetragen. Einziges Kriterium war, dass sie aktuell auf dem Markt verfügbar sind. Dann habe ich wie beim Modus »Champions League Alt« Gruppen zu je vier Silvanern gebildet, allerdings ohne jede Strategie. Ich hatte ja keine Ahnung, was die einzelnen Weine können.
Innerhalb dieser Gruppen habe ich dann blind probiert und, anders als in der Champions League, diejenigen in die zweite Runde kommen lassen, die mir gefielen. Das konnte (bei der zufälligen Zusammensetzung der Gruppen nicht unlogisch) manchmal ein Wein sein, meist zwei, gelegentlich sogar drei oder aber gar keiner. So ging das dann weiter bis zum Finale.
Und die finalen Silvaner mit der besten Qualität (und in diesem Fall nach Art der Sparfüchse auch dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis) seht ihr hier. Vier davon stammen aus dem Blind-Parcours, zwei sind in Kooperation mit Weingütern dazugekommen. Also: Vorhang auf!
Weingut M. & M. Heindel – Silvaner 2022
Das Weingut Heindel befindet sich in Ipsheim, und solltet ihr nicht aus der Region stammen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihr von beiden noch nie gehört habt. Geleitet wird es von Julia Haller (geborene Heindel) und Victor Haller, beides Geisenheimer. Unheimlich viel hat sich in den letzten Jahren in diesem mittelfränkischen Weingut auf halbem Weg zwischen Nürnberg und Würzburg getan. Unter anderem werden alle Silvaner ab dem Jahrgang 2023 bio-zertifiziert und unfiltriert sein. Der kleinste Heindel-Silvaner hat im Jahrgang 2022 12 vol% zu bieten, ist knochentrocken und kostet 9 € ab Hof.
Schon in der Vorrunde war mir der Wein in der Nase aufgefallen, floral und irgendwie mineralisch, Meilen entfernt von jedwelcher Künstlichkeit. Im Mund ist das ein schlankes Exemplar, ziemlich straight natürlich, aber nie spitz, hohe Salzigkeit, auch am dritten Tag (dem Finaltag) noch super präsent in seiner Eleganz. Luft tut ihm ohnehin gut. Wer ganz präzise Weine liebt und Silvaner ohne Gelbstich, ist bei dem Heindel-Silvaner wirklich ausgezeichnet aufgehoben. Vermutlich deutet er an, was weiter oben im Programm noch kommt. Ausgesprochen vielversprechend auf jeden Fall.
Weingut Rothmund – Silvaner 2021
Wenn ihr vom Weingut Heindel schon nichts gehört habt, was soll euch dann erst das Weingut Rothmund sagen? Nein, glaubt mir, ich kannte es bislang auch überhaupt nicht. Das hat einerseits damit zu tun, dass sowohl Weingut als auch Winzer Levin Rothmund noch sehr jung sind. Andererseits befindet es sich in Eltmann, also zwischen Schweinfurt und Bamberg fast an der Grenze zu Oberfranken. »Abt Degen-Weintal« heißt die Unterregion am Nordrand des Steigerwalds. Der Silvaner, den ich euch hier vorstelle, ist auch ihr einziger. Er bringt im aktuellen Jahrgang 2021 (da scheint schon ein bisschen die Philosophie durch) wie der Heindel nur 12 vol% mit und kostet ab Hof ebenfalls 9 €.
Dass wir uns hier auf Keuper-Terrain befinden, kann man schon deutlich in der Nase wahrnehmen. Vor allem, wenn man dem Wein ein bisschen Luft und Wärme gibt. Ähnlich wie der Heindel ist auch dies ein Silvaner, der sich über zwei, drei Tage positiv weiterentwickelt – und einer, der definitiv oberhalb seiner Preisklasse boxt. Auch dies war bereits ein Gruppensieger in der Vorrunde. Vergleicht man ihn mit dem schlank-präzisen Heindel-Exemplar, fällt sofort die grüngelbe Keuperwürze auf, Quitte, kandierte Angelika. Im Mund ist der Wein dann weicher und voller trotz des geringen Alkohols, geschmeidig, saftig und ungemein keupertypisch. Super gemacht! Das Weingut besitzt übrigens enorm kleinteilige Parzellen, und dieser Wein stammt aus den Lagen in Augsfeld, Oberschwappach und Donnersdorf. Alles im Grunde auch terra incognita für mich, da würde ein Besuch sicher lohnen.
Weingut Zehnthof Weickert – Sommeracher Katzenkopf 2023
[In Kooperation mit dem Weingut Zehnthof Weickert] Den Herrn auf dem Foto oben kennt ihr vielleicht, wenn ihr öfter hier auf dem Blog unterwegs seid. Es handelt sich um Tobias Weickert aus Sommerach. Letztes Jahr hatte ich sein Weingut besucht und danach vom »König der Scheureben« geschrieben. Dieser Beiname ist auch nicht ganz unberechtigt, denn so viele Lagen-Scheureben wie hier findet ihr nirgends sonst. Dass Tobias auch Silvaner kann, sollte man bei seiner Verortung zwar annehmen, aber ich wollte noch einmal sicher gehen. Das Exemplar, das ich euch hier vorstellen möchte, stammt aus dem Sommeracher Katzenkopf, also der »Hauslage« des Ortes und kostet genau 9 € im Online-Shop. Vor Ort übrigens auch, und ich kann den Besuch wirklich sehr empfehlen. Moderne Vinothek, ausgesprochen nette Leute, da geht man nie ohne Mitbringsel.
Unterhalb des Katzenkopf-Silvaners gibt es noch den Orts-Silvaner aus Nordheim, wir sind hier also schon in der gehobenen Kategorie. Was mir schon bei den Scheureben aufgefallen war, die ja oft ziemlich grasgrün und leicht ruppig daherkommen, zeigt sich auch wieder beim Silvaner: Tobias macht wirklich ungemein geschmeidige Weine. Die Reife ist etwas höher als bei anderen Weinen dieser Preiskategorie, es gibt weißfleischigen Pfirsich und die erwähnte seidige Textur. Von Barock möchte ich noch nicht sprechen, dafür fehlen Breite und Wumms, aber dieser Silvaner kündet definitiv von einer schmuckreicheren Zeit. Leicht galant und mit Handkuss. Das ist nichts für Nerds, die Silvaner am liebsten brutal kantig mögen. Obwohl, wer weiß, so ein im besten Sinne »leckerer« Wein sorgt manchmal auch für die genau richtige Abwechslung…
Divino Nordheim-Thüngersheim – Franconia 2023
[In Kooperation mit der Divino] gibt es hier einen der fränkischen Verkaufsschlager schlechthin. Trotz des göttlichen Namensanklangs besitzt die Divino übrigens ein durchaus weltliches Erscheinungsbild. Entstanden ist der Betrieb nämlich durch den Zusammenschluss der Genossenschaften von Thüngersheim und Nordheim, dem heutigen Sitz aller Weinwerdung. Auf diese Weise zu einem der schlagkräftigsten fränkischen Weinproduzenten geworden, darf man nie die Bedeutung unterschätzen, den Divino-Weine für das Renommee der gesamten Region besitzen. Viele Hanseaten oder Westfalen erleben beim Divino-Silvaner ihre erste Berührung mit Rebsorte und Anbaugebiet. Gefällt ihnen der Wein, profitieren alle davon. Oben auf dem Foto seht ihr übrigens Geschäftsführer Gerald Wüst links beim Einschenken und Kellermeister Felix Reich halbrechts beim Erläutern während der Masters of Wine-Frankentour letztes Jahr. World, here we come!
Momentan noch in der »Franconia«-Linie verortet, wird dies der künftige Silvaner-Gutswein von Divino sein. Die Trauben stammen aus dem Bereich um Weininsel und Volkach, also vom Muschelkalk-Terrain. Im Keller kühl vergoren mit neutraler Reinzuchthefe und Ausbau im Edelstahl, ist das ein moderner Wein ohne jegliche Extravaganzen. Nicht nur im Sommer finde ich technische Werte wie 11,91 vol% und einen »fränkisch trockenen« Ausbau unter 4 g Restzucker pro Liter sehr angenehm. Tatsächlich überrascht der Franconia im Mund dann wirklich positiv. Feinfruchtig, feinwürzig, leicht, aber nie substanzlos – das ist wirklich ein schöner Repräsentant von Rebsorte und Region. Dank seiner Distribution und seines Preises (7,60 €) erreicht er wie erwähnt auch größere Kreise. Sehr schön, so soll das sein.
Sensationen für Sparfüchse – Meyer Greuther Bastel & Schäffer 2015
Eigentlich wollte ich den Artikel ja nicht ausufern lassen. Aber ihr könnt euch vorstellen, dass es noch mehr Weine gab, von denen ich unbedingt berichten muss.
Links seht ihr den Greuther Bastel vom Weingut Meyer, Jahrgang 2022, 9,50 € ab Hof. Winzerin Carolin Meyer war über die Corona-Zeit die am längsten amtierende Fränkische Weinkönigin, aber außer Repräsentieren und Moderieren kann sie ganz offensichtlich auch, nein nicht Weinen, sondern Wein bereiten. Sage und schreibe vier unterschiedliche Silvaner unter 10 € habe ich von ihr probiert (Sparfüchse jubeln), und alle waren sie richtig gut. Letztlich hat sich dieser hier durchgesetzt, vielleicht weil im Hintergrund das meiste Potenzial schlummert. Alle übrigens »fränkisch trocken« – das klingt nach einer schönen gemischten Kiste…
Rechts seht ihr den Charaktersieger meines mittelkleinen Blindtests. Das VDP-Weingut Schäffer in Escherndorf wird mittlerweile von den super-sympathischen Geschwistern Peter und Sophie geleitet, und die Weine sind schlicht grandios eigen. So wie dieser hier. Ein Gutswein aus dem Jahrgang 2015, frisch für 8,50 € bei Marlis im Laden erworben, kostet ab Hof glaube ich 7,90 €. Wie lange der Silvaner im Fass zugebracht hat, weiß ich nicht. Was ich aber weiß: Goldgelb im Glas, hohe Intensität in der Nase, gebranntes Karamell, im Mund Aprikose, saftige Orange, Apfelschale, weiterhin Karamell, trocken, wahnsinnig spannend, und das ohne jede Breite. Ich fühle mich viel mehr an Riojas à la López de Heredia erinnert als an einen fränkischen Silvaner. Ein riesiger Tipp also für alle Sparfüchse, die für wenig Geld das große Off-Kino erleben wollen. Überhaupt kein Tipp allerdings für Leute, die fruchtig-frische Weine mögen. Der alternative Oscar sozusagen.
Mein Fazit: Sparfüchse aufgemerkt!
Im Segment der preisgünstigen Weine schlummern viele verborgene Schätze. Kleines Beispiel aus dem Blindtest: ein Liter-Silvaner (!) aus dem Bio-Weingut (!) Bausewein von 48 Jahre alten Reben (!) im Iphöfer Kronsberg, vollkommen trocken, für 8,60 €. Sehr sehr anständig, leider in der Vorschlussrunde knapp gescheitert.
Die Weine, die ich für den Artikel ausgewählt habe, sind dabei nicht nur qualitativ einwandfrei, sie verkörpern auch bereits auf dieser Stufe eine überraschende Bandbreite an Ideen und Stilistiken. Ob geschmeidig wie bei Tobias Weickert, mineralisch wie beim Weingut Heindel, strukturiert wie bei Carolin Meyer, feinfruchtig wie bei Divino, keuperschmelzig wie bei Levin Rothmund oder komplett outstanding wie bei den Schäffers – hier kann selbst ein Freak wie ich richtig viel Spaß haben.
Ja natürlich, auch unter 10 € ist nicht alles Gold, was in Schlegel oder Bocksbeutel steckt. Aber Weine, die ich mit Genugtuung dem Ausguss überantwortet habe, waren jedenfalls kaum darunter…
Respekt, lieber Matthias. Das hast du wieder fein hinbekommen, dass mir das Wasser in Mund zusammenläuft und ich am liebsten gleich losziehen würde, um Hamsterkäufe zu tätigen.
Es freut mich auch, dass du die Rothmunds gefunden hast. Ich kenne die Weine gut und bin immer positiv überrascht, was Levin jetzt schon auf die Flasche bringt. Ich meine, da ist noch einiges zu erwarten.
Ich freue mich schon auf die Folgebeiträge.
Lieber Gruß
Hartmut
Dankeschön 🙂 !
Ja, ich hatte gehört, dass der Silvaner von Levin Rothmund gut sein soll, konnte ihn hier aber nicht auftreiben. Also bin ich selbst hingefahren (kein großes Opfer, es sind ja nur wenige Kilometer 😉 ), und ich muss sagen, ja, das ist richtig stark. Und vielversprechend, das finde ich auch!
Wenn ich mir anschaue, was jetzt schon hier im Büro steht (und ein paar Flaschen kommen noch), bin ich auch sehr gespannt auf die nächsten Tastings. Am »unberechenbarsten« werden sicherlich die Piwis. Ob da schon einer dabei ist, der mit den besten Gutssilvanern mithalten kann… na, warten wir’s ab.
Pingback: Weinzukunft Deutschland - Schmecken die robusten Sorten? - Chez MatzeChez Matze