Weinzukunft Deutschland – Schmecken die robusten Sorten?

Weinzukunft Bronner Piwi

Weinbau gehört, daran gibt es nichts zu deuteln, zu den Kulturen mit der höchsten Pestizidbelastung. Nach dem Apfel und vor dem Hopfen steht die Weintraube da auf einem bedenklichen zweiten Platz. Jetzt ist es ja nicht so, dass Winzer besonders gern Pestizide ausbringen würden. Sie fürchten vielmehr, dass ihre empfindliche Monokultur ansonsten keine sicheren Erträge mehr liefert (für Äpfel zusätzlich: nicht mehr gut genug aussieht) und sie ohne diese Maßnahmen nicht wirtschaftlich arbeiten könnten. Schwierig sind dabei oft Pilzkrankheiten wie Falscher und Echter Mehltau, weshalb beispielsweise in Frankreich 80% der im Weinbau ausgebrachten Pestizide zu den Fungiziden gehören. Wie großartig wäre es deshalb, hätten wir Rebsorten, die gegen solche Krankheiten immun sind. Die Weinzukunft wäre gesichert.

Weinzukunft mit Piwis

Nun, selbstverständlich gibt es solche Sorten schon lange. Weil sowohl Reblaus als auch Echter und Falscher Mehltau ihren Ursprung in Nordamerika haben, bot es sich an, zunächst dort nach robusten Rebsorten zu suchen. Sorten wie Isabella, die bereits 1820 erstmals nach Frankreich kam, oder Concord, 1854 als Hybrid zwischen einer Tafeltraube und der Wildrebe Vitis labrusca gezüchtet, waren eine Zeitlang die große Hoffnung auch im europäischen Weinbau. Kleiner Nachteil: Die Weine aus diesen Sorten schmecken komplett anders, manche sagen: scheußlich. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, sollte in Österreich einen Uhudler probieren oder in Portugal oder gar in Japan die Augen offen halten.

Nächste Generation, nächstes Glück. Indem man Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts amerikanische mit europäischen Reben kreuzte, wollte man die geschmacklichen Qualitäten verbessern, ohne die Robustheit aufzugeben. Rebsorten wie Léon Millot oder Maréchal Foch entstanden vor allem im Oberlin-Institut im Elsass. Gerade die roten Sorten sind, wenn man keine übermäßige Empfindlichkeit gegen einen minimalen Fox-Ton hat, meiner Meinung nach gar nicht übel. Aber sie waren zwischenzeitlich gar verboten (Argument damals: »nicht-arisches Genmaterial« – diese Unglücksperiode prägt uns stärker, als wir das oft wahrhaben wollen) und sind erst seit 2008 hierzulande wieder für den kommerziellen Anbau zugelassen.

Die Piwi-Generationen von Regent bis Calardis Blanc

Zwischenzeitlich gingen die Züchtungsbemühungen aber weiter. Neuzüchtungen der zweiten »Robust-Generation« fanden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts statt. Bis so eine neu gezüchtete Rebsorte aber tatsächlich auf den Markt kommt, dauert es sehr lange. Manche Leute sagen, zum Glück, weil Eigenschaften erst ausreichend erprobt werden müssen – schließlich ist die Rebe keine einjährige Pflanze, die man im nächsten Frühjahr wieder neu setzt. Andere beklagen hingegen die langwierige Bürokratie. Wer sich näher damit beschäftigen möchte, ich habe in meinem long read über Rebsorten und Klone ein sehr interessantes Gespräch mit Dr. Oliver Trapp geführt. Er ist Genetiker und stellvertretender Leiter des Julius Kühn-Instituts für Rebenforschung.

Eine der ersten modernen Piwi-Sorten, die man noch auf dem Markt findet, ist Regent (1967 gezüchtet, 1995 Markteinführung). Er gilt zwar nur als teilresistent, weil die Resistenzen aus lediglich einem Elternteil stammen, ist aber – das wurde mir beim Aussuchen der Kandidaten für diesen Artikel klar – immer noch mit Abstand am meisten verbreitet (1.618 ha in Deutschland). Zur selben Generation gehören die weißen Rebsorten Johanniter (Züchtungsjahr 1968), Donauriesling, Helios oder Solaris. Alle wurden nach langer Erprobungsperiode erst in den 2000ern für den gewerblichen Anbau zugelassen. Die Namen der beiden letzteren deuten darauf hin, dass das Züchtungsziel seinerzeit noch eine frühe Reife in kühlen Klimaten war. Davon profitiert heute der Weinbau in Schweden, während bei uns, tja, ihr wisst es selbst…

In der nächsten Generation erschienen dann Sorten wie Cabernet Blanc und Souvignier Gris mit komplexeren Rückkreuzungen und mehr Resistenz. Ziemlich neu auf dem Markt ist jetzt (wenn man so will) die vierte Generation mit Sauvitage oder Calardis Blanc.

Welche Rebsorten habe ich für die Weinzukunft probiert?

Oben schrieb ich ja schon, dass Regent immer noch die mit Abstand am meisten angepflanzte Piwi-Rebsorte ist, allerdings mit massiv abnehmender Tendenz. Die nächsten neun Plätze in den Top Ten machen ausschließlich weiße Rebsorten aus, wobei die Entwicklung natürlich extrem dynamisch ist. Im Jahr 2022 standen in Deutschland 260 ha Cabernet Blanc, gefolgt von Solaris, Souvignier Gris, Johanniter, Sauvignac und Muscaris. Von all diesen Rebsorten habe ich Weine probiert, die meisten sogar reinsortig. Von den »älteren« hatte ich noch die weiße Rebsorte Bronner am Start, von den mittleren den roten Pinotin (nein, trotz des Namens keine Verwandtschaft mit Pinot Noir), von den neuen Sauvitage in Weiß.

Gerade an den Aufstiegssorten Sauvignac, Sauvitage und Cabernet Blanc zeigt sich meiner Meinung nach ein bisschen das Zwiespältige an der modernen Piwi-Züchtung: Als Züchter weiß ich, dass Winzer meine neue Kreation anfangs praktisch vollständig im Bereich einfacher Weine verwenden möchten, die nach der aktuellen Mode gehen. Logisch, die Rebstöcke sind nicht alt genug für substanziellere Weine, die Erfahrung bei An- und Ausbau fehlt ebenfalls, den Namen kennt noch kein Mensch.

Also hat man bei den drei genannten Sorten darauf geschaut (= Züchtungsziel), dass sie sich aromatisch stark an den Züchtungspartner Sauvignon Blanc anlehnen. Der Massenmarkt liebt nämlich solch grasige Sauvignon-Aromen. Nur: Was passiert, wenn sich (nicht unwahrscheinlich gerade bei polarisierenden Ausprägungen) die Moden ändern und alle Leute grasig-stachelbeerig auf einmal »doof« finden? Dann habe ich den Weinberg vollstehen mit einer Modesorte von vorgestern. Das sollte man sich bei der eigenen Auswahl bewusst machen, finde ich.

Meine Favoriten der Weinzukunft Franken

Um es klar zu sagen: Resistenz ist toff, spart Geld für Spritzmittel und Arbeitskraft, entlastet den Boden durch weniger Überfahrten und greift durch weniger Pestizidausbringung selbstverständlich weniger brutal in das ein, was wir Natur nennen.

Weinzukunft Franken

Aber schmecken die Weine aus robusten Rebsorten? Denn das sollen sie, weil Wein Hedonismus pur ist und weniger nach Vernunft ausgesucht wird. Um das herauszufinden, habe ich möglichst viele Piwi-Weine aus Franken blind getestet.

Warum ausgerechnet Franken? Nun, einerseits natürlich, weil ich da wohne und deshalb leichter an die Weine komme. Andererseits aber auch, weil fränkische Piwis außerhalb der Region bislang kaum existieren. Schaut man zu Wettbewerben wie dem EcoWinner, dem Piwi Award oder der DWI-Ausschreibung für »Grapes of the Future«, dann ist praktisch nie ein fränkischer Wein dabei. Wenigstens bei den Zukunftsweinen haben wir jetzt drei Weingüter am Start. Also ging es auch ein bisschen um die Trüffelschweinerei, um das Ausbuddeln entsprechend vielversprechender Exemplare in einer unterbeachteten Region. Hier sind meine Favoriten.

Wein #1 – Krämer Johanniter trocken 2018

Krämer Johanniter Piwi

Stephan Krämer erzählte mir neulich die Geschichte dieses Weins. Frisch abgefüllt und ausgeliefert, gab es Beschwerden von Handel und Gastro, dass die Kunden den Wein nicht »mochten«. Er musste gar Flaschen zurücknehmen. Jetzt, fünf Jahre nach Abfüllung, scheint man den Wein auf einmal zu verstehen, es wird sogar nachgeordert, aber da ist natürlich nichts mehr. Bei Vinocentral habe ich ihn noch für 12,90 € gefunden.

Dort gibt es auch eine sehr schöne Geschmacksbeschreibung, die ich nach meinem eigenen Test gelesen und tatsächlich genauso empfunden habe. Bioanbau (wie alle hier), Ganztraubenmaischung mit intrazellulärer Gärung, zwölf Monate Hefelager ohne Abstich, ohne Schönung oder Filtration, 20 mg/l SO2 vor der Füllung, 11,5 vol%. Das Ergebnis ist dunkelgold, deutlich gerbig, Bratapfel, geschrumpelte Aprikose, gleichzeitig abweisend und fruchtsäurefrisch. Wenig Würze, wenig Tiefe, gar kein Zucker, aber ein absolut genialer Speisenwein.

Wein #2 – Hemberger Donausriesling Auslese 2023

Hemberger Donauriesling Auslese Weinzukunft

Von Tobias Hemberger, der sich mit diesen Weinen der Zukunftswein-Initiative angeschlossen hat, konnte ich gleich mehrere Kandidaten probieren. Einer durfte hier nur rein, deshalb seht ihr rechts und links oben auf dem Foto die beiden gut gemachten Grand Public-Weine.

Noch ist das im Mini-Bocksbeutel nur eine Fassprobe, gefüllt wird im September. Aber was die Donauriesling-Auslese jetzt schon zu bieten hat, zwingt mich einfach dazu, sie hier aufzunehmen. Das ist schlicht »unfassbar« (Lieblingswort etlicher Menschen derzeit) lecker! Viel Aprikose, insgesamt wunderbar reintönige Frucht, dem Silvaner letztlich näher als dem Riesling. Zusätzlich gibt es eine leicht grüne Stimmung, die Säure bringt Frucht, Süße und Pikanz perfekt ins Gleichgewicht. So geht’s definitiv auch. Was dieses Schmuckstück kosten soll, weiß ich logischerweise noch nicht, aber schaut doch mal rechtzeitig im Hemberger-Shop vorbei.

Wein #3 – Rothe Muscaris Sekt Brut Nature

Rothe Muscaris Sekt Piwi

Ich glaube, als Manfred Rothe diesen Sekt zum ersten Mal gemacht hat, hat er ihn sozusagen als Weihnachtsgeschenk an treue Stammkunden mit dazugelegt. Letztes Jahr im Vinum-Guide gab’s dafür schon 90 Punkte. Klassische Flaschengärung, handgerüttelt, versektet bei Höfer in Würzburg, dem Spezialisten der Region.

In der Nase nehme ich bei meinem Exemplar (mittlerweile gibt es neue Etiketten) irgendwie Töne von Blauschimmel und Keller wahr, was überhaupt nicht so unattraktiv oder seltsam wirkt, wie es sich anhört. Tatsächlich hätte ich gern den Roquefort dazu probiert, aber leider hatte ich ihn gestern aufgegessen… Weshalb das passen könnte: Es gibt viel Süßextrakt, so dass man das Brut Nature überhaupt nicht als karg wahrnimmt, dazu eine echt lebendige Säureader. 18,50 € ab Hof, und auch hier wird meiner Meinung nach der Mut absolut belohnt, etwas Besonderes aus der Piwi-Sorte zu machen.

Wein #4 – Roth Johanniter trocken 2021

Johanniter Roth

Mit diesem Wein habe ich eine On-Off-Beziehung geführt. Eigentlich wollte ich ihn schon in der Vorrunde rausschmeißen, mein Verdikt: »unterkomplex«. Und ja, dieser Weiße von Nicole Roth ist auch so gar nicht stoffig, substanziell, würzig oder tief. Das kann an der Rebsorte liegen, denn Johanniter steht ja für Frucht und Frische, aber natürlich auch am geringen Rebalter.

»Trocken« steht zwar auf dem Etikett, aber furztrocken ist der Wein ganz sicher nicht. Dafür kann er etwas, das vielen anderen Weißen in diesem Test abging: Er ist völlig ungekünstelt, hat keine Grasaromen, kein Lakritz, es gibt ein bisschen Zitronenperlen, zum Matjes mit leicht süßer Dill-Mariande funktioniert das hervorragend. Zwar leicht und kurz, aber super beschwingt und mit einem Anklang, den ich gern als »VDP-Ton« bezeichne, fein erdig, ähnlich wie beim Heindel Silvaner neulich. Lustigerweise sind beides keine VDP-Betriebe… Den 2021er gibt’s ab Hof nicht mehr, dafür aber den Nachfolger für 7,50 €.

Und die Roten haben keine Weinzukunft?

Jetzt habe ich als Gewinner meines Weinzukunft-Tests ausgewählt: einen leichten Weißen, eine weiße Auslese, einen weißen Sekt und einen nicht ganz weißen (fast) Orange Wine. Wo bleiben aber die Roten, habe ich da keine probiert? Doch, natürlich habe ich das. Mein Problem: Ich hatte beim Test einfach einen Spätburgunder und einen Lemberger als Piraten daruntergemischt (einen leichteren, einen kräftigen), und beide lagen zum Schluss auf den Plätzen 1 und 2. Das lag an ihrer Duftigkeit, ihrer Würze, ihrem Nachhall. Die roten Piwis besaßen zwar durch die Bank enorm viel Farbe, und auch der leicht herbe Touch störte mich nicht. Aber dann kam nicht mehr viel.

Einer war wunderbar ausgebaut, edles Holz, tolle Nase. Aber Regent als Rebsorte halt, sie bricht irgendwie in der Mitte ab. Schimpft mich meinetwegen, aber ich neige dazu, bei Regent den Winzern ganz stark entweder Rosé oder einen verperlten trockenen »Deutschen-Lambrusco« zu empfehlen. Olivier Geissbühler von Delinat, die einen Forschungsweinberg in der Provence mit etlichen robusten Sorten besitzen, meinte zu mir, es gäbe schon weitaus bessere rote Rebsorten (ich werde demnächst auch ein paar aus Frankreich und Spanien probieren). Da müssen wir also einfach dranbleiben.

Mein Fazit zur Weinzukunft mit robusten Rebsorten

Ich finde es ungemein positiv, auf Pestizide im Weinbau zu verzichten. Gerade im Gutsweinbereich gibt es eigentlich kein Argument dagegen. Nicht nur wegen der Umwelt, auch wegen Arbeitsersparnis, weniger Überfahrten, weniger Geld an die Pharma-Aktionäre.

Aber: Wein ist Hedonismus. Schmeckt er nicht oder schlechter als ein anderer, hat er keine Existenzberechtigung. Erst recht nicht auf einem übersättigten Markt. Meine Auswahl zeigt, selbstverständlich subjektiv, wenngleich im Blindtest, dass es schon einige sehr spannende Weine aus den neuen Rebsorten gibt. Allerdings handelte es sich dabei eher nicht um die einfachen »Bacchus-Ersatz«-Weine, sondern um ziemlich explizite Varianten, die einen gewissen Winzermut erforderten.

Vielleicht, aber das ist nur eine Vermutung, sind manche Piwi-Sorten tatsächlich zu stark von einer »nördlichen Philosophie« geprägt und über den Zeitraum ihrer Zulassung von den klimatischen Veränderungen bei uns überholt worden. Da wird es sicher spannend zu sehen sein, was ursprünglich für das Burgund oder Oberitalien gedachte Rebsorten zu bieten haben.

Insgesamt ist die (zumindest theoretische) Auswahl für Winzer derzeit ein bisschen wild, zumal jede brandneue Sorte ja wieder resistenter zu sein scheint als die neue von gestern. Die Winzer in diesem Bereich Erfahrungen sammeln zu lassen, indem wir sie von Anfang an bei diesem Prozess unterstützen, halte ich deshalb für unheimlich wichtig. Schließlich dürfte die Kombination aus Winzer-Know-how und Marktmechanismen letztlich dazu führen, dass sich die am besten geeigneten Sorten durchsetzen. Ein guter Anfang ist auf jeden Fall gemacht.

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13 Antworten zu Weinzukunft Deutschland – Schmecken die robusten Sorten?

  1. Helmut Dolde sagt:

    Gut recherchiert und ohne Vorbehalte in die Probe gegangen.
    Für Winzer ist es ein Dilemma: Auf der Seite Ökologie und Arbeitswirtschaft punkten die PIWIs. Beim Wein ist noch “Luft nach oben”. Ist auch nich teinfach. Die klassischen Sorten haben sich zum Teil über Jahrhunderte am markt behaupten müssen und sind züchterisch immer weite rgepflegt bzw. selektiert worden.
    Aber offen bleiben…

    • Lieber Matthias

      Ich lese deine Beiträge immer gerne, dein ehrlicher, zielgerichteter und pragmatischer Ansatz gefällt mir und fehlt meines Erachtens oft etwas im Wein-Business 😉

      Ich denke auch, dass ein zentrales Problem der Rebenzüchtung die zeitliche Verzögerung ist: Bezüglich Trends und Anforderungen ist man als Züchter eigentlich immer 20-30 Jahre zu spät, weil die Sorte erst Jahrzehnte nach der Züchtung auf dem Markt landet. Rechnet man die Vermarktung der Sorte, die Anpflanzung in verschiedenen Regionen und die Erfahrungsgewinne im Weinkeller dazu, vergehen schnell 30-40 Jahre, bis eine Sorte von Winzerinnen und Winzer, aber auch Konsumentinnen und Konsumenten, komplett verstanden und geschätzt wird… Und in dieser Zeitspanne kann sich bezüglich Resistenzeigenschaften natürlich auch wieder viel verändern. Züchter und Winzer müssen deshalb versuchen, in die Zukunft zu denken, aber auch bereit sein, in kleinen Schritten voranzugehen; denn die perfekte PIWI-Sorte wird es wohl noch eine Weile nicht geben (wenn überhaupt)…

      Und bezüglich neuer, roter PIWI-Sorten: Meines Wissens hat der spanische Delinat-Winzer Albet i Noya aus seinem Züchtungsprojekt mit Valentin Blattner dieses Jahr auch 5 rote Neuzüchtungen zum Sortenschutz angemeldet, welche auch spanische Vinifera-Genetik beinhalten. Ob sich diese auch für nördlichere Regionen wie Deutschland eignen, wird sich noch zeigen, aber der Regent wird wohl definitiv früher oder später abgelöst…

      • Matze sagt:

        Danke für deinen Beitrag!

        Ja, was Albet i Noya macht, finde ich auch extrem spannend. Miguel Torres, bei dem ich letztes Jahr war, meinte, er würde die katalanischen Sorten bei fortschreitendem Klimawandel in 20 Jahren definitiv in Regionen wie dem Beaujolais sehen. Und das gelte auch für dort entwickelte Piwis. Ich bin ja gestern aus dem Roussillon wiedergekommen, wo viele Weingüter aktuell neu Xarel.lo anpflanzen wegen höherer Hitze- und Trockenheitstoleranz. Keine Piwi-Sorte natürlich, aber halt ein Indiz.

        Ich denke, das Problem werden in unseren Breiten die klimatischen Schwankungen bleiben, der spätfrostgefährdete Austrieb und damit die vergleichsweise kurze Reifeperiode. Aber warten wir’s ab, trial and error and different trial. Ohnehin ist es ja so, dass es nicht nur die beiden Varianten “es funktioniert” oder “es funktioniert nicht” im Weinbau gibt. Wäre ja blöd, wenn wir in der Landwirtschaft jetzt auch noch diese simplifizierenden Argumente übernehmen würden 😉

        • Spannende Einschätzung von Miguel Torres! Interessanterweise zeigt bei Albet i Noya auch der Cabernet Blanc, der dort steht, eine beeindruckende Trockenheits- und Hitzeresistenz, obwohl das ja damals bei der Züchtung nicht unbedingt berücksichtigt wurde. Aber ist auf jeden Fall wichtig, bei der künftigen PIWI-Züchtung auch möglichst viel verschiedene Vinifera-Genetik aus autochthonen Sorten einzukreuzen, damit der Gen-Pool möglichst gross bleibt…

          • Matze sagt:

            Definitiv!

            Ich hatte bei Torres auch Weine aus wiederentdeckten Prä-Phylloxera-Rebsorten probiert (Forcada, Moneu, Pirene, Querol, Gonfaus), die aus experimentellen Weingärten stammten und eine weitaus höhere Hitze- und Trockenheitstoleranz besaßen als die heute in der Region populären Sorten. Und gut schmeckten, das ist in dem Fall ja nicht ganz unwesentlich. Ich denke, sowas wären auch interessante Sorten zum Einkreuzen. Wobei, da haben wir ja den Salat, den ich im Text angerissen hatte, wenn wir alles immer noch besser machen, ab wann wollen wir dann Winzer:innen dazu motivieren, in die Piwi-Anpflanzung einzusteigen… 😉

    • Matze sagt:

      Ja, offen bleiben finde ich auch ganz wichtig, und zwar für alle Seiten. Wenn es keine Winzer gibt, die neue Sorten ausprobieren und über ihre Erfahrungen berichten, wird es da auch keine Fortschritte geben. Trotzdem bin ich natürlich keineswegs der Meinung, dass die neuen Piwis die traditionellen Sorten verdrängen werden. Dafür, du sagst es ja, ist die Qualität dank der großen Erfahrung bei letzteren viel zu hoch. Plus Marketing-Gesichtspunkte natürlich. Aber an der Basis (ich spreche vom Supermarktwein) gibt’s bei Piwis einfach viele Vorteile.

  2. EC sagt:

    …meine Erfahrung mit den PiWis ist bis dato relativ überschaubar, dabei aber nicht unbedingt negativ; auffällig für mich, daß die meisten schönen, teils sogar Weltklasse-Sachen (Pure & Naked von Knoll) Schäumer sind. Da ist auch ein sehr schöner Regent-Schaum von Krämer dabei, Solaris von Pojer e Sandri etc.

    Die Sorten haben es vermutlich noch schwerer als die konventionellen Underdog-Sorten wie Müller-Thurgau und Co., ein einziger beständiger Icon-Wein wie der Feldmarschall aus Südtirol reicht halt nicht, um der Sorte soviel Renommée zu geben, daß sich mehr Winzer trauen, was Anspruchsvolles aus der Sorte zu machen. Ich fürchte, ich werde es nicht mehr erleben, daß irgendwann das erste GG aus einer PiWi-Sorte gefüllt wird. Vermutlich weniger deswegen, weil die Sorten bei entsprechender Kultivierung / Vinifizierung zu wenig expressiv sind, sondern weil die oberste Kaste der Rebsorten schwer zu entern sein wird…

    • Matze sagt:

      Ja, da sind sicher Können und Wollen gleichwertig vertreten. Die traditionellen Spitzenrebsorten stehen ja nicht zufällig dort, und wie Helmut schon schrieb, sind sie ja auch im Laufe der Zeit immer weiterentwickelt worden. Und ein GG als Anerkennung des über einzelne Weingüter weit hinausgehenden Potenzials braucht es auch gar nicht zu sein. Aber ab und zu ein kleiner Versuch mit einer kleinen Charge wäre sicher ganz spannend. Das würde auch zeigen, auf welchem Niveau welche Piwi-Sorten zu stehen vermögen… 😉

  3. Thomas Riedl sagt:

    Nicht nur die Skandinavier profitieren von den PIWIs. Der ehemalige belgische Reedereibesitzer Frans van den Dries zeigt seit 2010, dass der Südtiroler Weinbau dank PIWIs in alpine Zonen vordringen kann. Im Dorf Laatsch, auf 984 Meter üNN am Übergang vom Münstertal zum Vinschgauer Oberland gelegen, ließ er hinter seinem „Calvenschlössel“ einen Hektar Steillage mit Solaris, Souvignier Gris, Muscaris, Cabernet Jura und Cabernet Cortis bepflanzen. Er bewirtschaftet sie biologisch und kommt aufgrund der Rebsortenwahl ohne Kupferspritzungen aus. 2015 wurden dort Solaris-Trauben mit 155° Oechsle und 9 g/l Säure gelesen.
    Zu den Liebhabern der Weine vom Calvenschlössel gehört der Abt des Klosters Marienberg in Burgeis, der höchstgelegenen Benediktinerabtei Europas. 2013 ließ er Frans van den Dries den nach Süden ausgerichteten Steilhang unterhalb des Klosters terrassieren und auf 2,2 Hektar in 1350 Metern Höhe mit Solaris und Muscaris bepflanzen. Dort befindet sich nun der höchste Weinberg Westeuropas. 2017 kamen die ersten Marienberg-Weine auf den Markt.
    Ebenfalls auf Solaris setzte 2013 das Hotel-Restaurant Geyererhof in Oberbozen. In Zusammenarbeit mit der Versuchsanstalt Laimburg unter der Leitung von Direktor Michael Oberhuber und den sechs Weinbauern der Winzervereinigung Tirolensis Ars Vini. wurden in 1.300 Metern üNN 800 Stöcke gepflanzt, um daraus einen Süßwein zu erzeugen.
    Ich hatte Ende April auf der demeter Wine Fair in Mainz die Gelegenheit, eine Masterclass von Romana Echensperger mit ausgesuchten PIWI-Weinen zu besuchen.
    Die waren alle gut zu trinken und stellen die Masse der Weintrinker*innen zweifelsohne zufrieden. Mir persönlich war aber die Aromatik meist (noch?) zu vordergründig und gekauft hätte ich keinen.
    Weine aus Regent habe ich schon einige probiert. Wenn sie gut sind – und besser werden sie m. E. nicht – dann sind sie so teuer, dass ich zum gleichen Preis erheblich bessere Pinots bekomme.
    Wie geht es den übrigen Leser*innen? Kennt jemand irgendeinen PIWI-Wein, der zumindest so interessant ist, wie ein ernsthafter Müller-Thurgau?

  4. EC sagt:

    …wir waren gestern bei Thomas Niedermayr in Eppan, einem der PiWi-Pioniere überhaupt. Wenn man wissen möchte, wo der PiWi-Hammer hängt, dann sollte man genau da hingehen! Das Weingut konzentriert sich nicht nur voll auf diese Sorten, sondern treibt die Züchtung neuer PiWi’s auch selbst voran, war einer der spannendsten Weinguts-Besuche der letzten Zeit, absolut wegweisend!

    • Matze sagt:

      Von Thomas Niedermayr habe ich zwar schon viel gehört – aber noch nie einen Wein probiert. Tatsächlich, das muss ich zugeben, hatten mich die Preise ein bisschen abgeschreckt, obwohl es doch “nur” Piwis sind. Also genau das, was ich mir jetzt wünschen würde: die qualitativen Grenzen der Piwis auch mal auszuloten 😉 . Sollte ich also wirklich einmal angehen…

  5. EC sagt:

    …tatsächlich gibt man wohl nicht so ohne Weiteres 58 Euronen für einen Solaris “Alte Reben” aus, so ganz ohne Probieren und gleichzeitiges Staunen, was mit der Sorte tatsächlich möglich ist. Wenn man’s dann aber getan hat…

    • Matze sagt:

      Ich glaube, das ist der große Vorteil, wenn man wirklich mal vor Ort ist. Da fügt sich das dann alles leichter in ein Gesamtbild ein, als wenn man sozusagen vom Schreibtisch aus nur die nackten Zahlen vor sich hat 😉

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