Beim König der Scheureben – Zehnthof Weickert

Tobias Weickert

[In Kooperation mit dem Zehnthof Weickert] Tobias Weickert ist ein positiv denkender, in sich ruhender Mensch. So kommt es mir auf jeden Fall vor, als wir uns an diesem Herbstmorgen auf seinem Weingut im fränkischen Sommerach treffen. Eigentlich wollte ich bei ihm schon im Rahmen der Silvaner-Schau im Mai vorbeischauen, aber sowohl Grüner als auch Blauer Silvaner waren ab Hof bereits ausverkauft. Das ist aber tatsächlich nicht weiter wild. Denn einerseits kommt ein neuer Jahrgang bestimmt. Und andererseits hat sich der Zehnthof Weickert auf eine Rebsorte spezialisiert, die anderswo eher als Adabei fungiert – die Scheurebe. Nicht weniger als fünf trockene Lagen-Scheureben gibt es mittlerweile bei den Weickerts. Dabei besaßen sie vor gut zehn Jahren erst eine einzige Parzelle davon. Wie es zu dieser erstaunlichen Entwicklung gekommen ist, erzählt mir Tobi in der neuen Vinothek.

Was ist der Zehnthof Weickert?

Ein Zehnthof war vor der Säkularisierung der Ort, an dem die Bauern ihre steuerähnlichen Abgaben abzuliefern hatten – in diesem Fall an das Kloster Münsterschwarzach. Diese Vergangenheit erklärt auch die ungewöhnlichen Dimensionen unter der Erde mit 500 m² Gewölbekeller. Die Weickerts übernahmen dann vor 80 Jahren den Hof. Im Grunde aber sind Tobias und Ehefrau Justina die erste Generation, die hier in neue Dimensionen vorstößt. »Meine Eltern und Großeltern hatten nicht Winzer gelernt, die haben das einfach gemacht«, lacht Tobi. »Deshalb brauchten sie mich auch schnell nach meiner Ausbildung wieder hier.« Tatsächlich kann der junge Mann dadurch bereits auf 25 verantwortete Jahrgänge zurückblicken.

Zehnthof Weickert

Verändert hat er alles, aber Schritt für Schritt. »Wir hatten zu Anfang nur gut zwei Hektar Rebfläche und haben zu 90% Literweine verkauft. Davon können mehrere Generationen natürlich nicht leben.« Also wurden sukzessive ein paar Flächen dazugekauft (mittlerweile 7,5 ha), die Weinqualität erhöht, die Erträge aber auch deutlich gesenkt. Dadurch dass sie darauf angewiesen waren, Rebflächen dort zu übernehmen, wo sie zum Verkauf standen, ist das Rebland der Weickerts heute ziemlich zerteilt. Die Parzellen stehen in Sommerach selbst, in Nordheim, Astheim, Volkach und Obervolkach. Günstiger Nebeneffekt der Zersplitterung: Man kann unterschiedliche Lagenweine anbieten.

Familie Weickert und die Scheurebe

So war es zu Anfang jedoch noch nicht. »2010 hatten wir eine einzige Parzelle mit Scheurebe«, erzählt Tobi. »Zwar liegt uns der fruchtig ausgelegte Typus gut, aber es standen halt nur geringe Mengen dahinter. Mit dieser einen Scheurebe haben wir dann beim Best of Gold mitgemacht.« Best of Gold? Das ist der bundesweit ziemlich einmalige Wettbewerb, den die Franken seit mittlerweile 25 Jahren veranstalten. In diesem Artikel zur Ausgabe 2022 habe ich alles beschrieben – ein vor allem für die Region unglaublich wichtiges Event. Das kann man auch am Werdegang der Weickerts erkennen. »2011 haben wir tatsächlich gleich beim ersten Mal die Best of Gold-Trophäe gewonnen. Und 2012 schon wieder!”, freut sich Tobi. Also wurde der Scheurebeanbau ausgeweitet. Als sie dann bei der Falstaff-Scheurebe-Trophy gleich drei Scheureben innerhalb der Top Ten unterbrachten, gab es keinen Weg zurück mehr.

In Wirklichkeit liegt der Scheurebe-Anteil an der gesamten Rebfläche aber immer noch bei lediglich 20 Prozent. Warum das? »Weil es unheimlich schwierig ist, an alte Scheurebe-Anlagen zu kommen. Und genau die wollen wir ja haben.« Nicht dass die Rieslinge, Silvaner, Traminer den Weickerts nicht gefallen würden. Auch jene werden geliebt, und sie verkaufen sich gut. Aber die Scheureben sind nun einmal ihr USP geworden.

Was passiert in Weinberg und Keller?

Keller Zehnthof Weickert

Zwei Dinge kommen den Scheureben der Weickerts dabei besonders zugute. Zum einen bleibt der Ertrag gering. Mehr als 60 hl pro Hektar sind es auch in üppigen Jahren nicht, der letzte Jahrgang lag bei 40 hl. Zum anderen werden die Trauben spät geholt, wenn sie wirklich phenolisch ausgereift sind. Also: Aroma ja, Grasigkeit nein. Im Weinberg verzichtet Tobi schon seit einiger Zeit auf Glyphosat, die Zeilen sind begrünt, und »demnächst« würde man sich auch intensiver mit Bio beschäftigen. Dieses Vorgehen Schritt für Schritt passt in die Betriebsphilosophie.

Im Keller stehen bis auf zwei Holzfässer ausschließlich Stahltanks. »Ich versuche das so schlicht wie möglich zu machen«, sagt Tobi. »Die Scheureben werden alle gleich vinifiziert, die Unterschiede stammen also nur aus der Lage. Rotwein machen wir kaum. Zwischendurch hatte ich das mal überlegt, aber irgendwie fand ich es wichtiger, unsere Stärken zu verfeinern.« Und diese Stärken liegen auch in der persönlichen Betreuung. 96 Prozent der Weine des Zehnthofs werden an Privatkunden verkauft, deutschlandweit, alle Altersstufen. Ein knappes Viertel läuft mittlerweile auch über den Online-Shop. Viele Kunden kommen aber am liebsten direkt auf den Hof, um zu probieren, Sommerach ist ja ein attraktives Touristenziel. »Das ist natürlich super, denn so bekomme ich selbst am besten mit, was den Leuten warum schmeckt.«

Auch ansonsten blickt Tobi positiv in die Zukunft. »Eigentlich haben wir jetzt eine ideale Größe erreicht.« Also nicht die Philosophie der ständigen Expansion? »Nein«, lacht Tobi, »auf keinen Fall. Wir machen ja alles innerhalb der Familie, das bleibt übersichtlich, jeder Jahrgang ist ausverkauft, bevor der neue kommt…« Wenig zu meckern also. »Mir fällt jedenfalls grad nichts ein.« Das ist doch sehr schön zu hören. Immerhin gilt Franken ja nicht unbedingt als der Landstrich mit der enthusiastischsten Weltsicht.

Ausflug zum Obervolkacher Landsknecht

Obervolkacher Landsknecht Stettenburg

Ich beschließe zum Obervolkacher Landsknecht zu fahren, weil das die überregional vielleicht unbekannteste Lage ist. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wir sind eben nicht in Volkach, sondern drei Kilometer weiter in Richtung Nordosten, mithin auch nicht mehr am Main. E-Bike-Kolonnen an Touristen gibt es keine hier, aber ganz objektiv sieht der Hang in seiner Herbstfärbung nicht weniger attraktiv aus als woanders. Auf dem Foto oben seht ihr das Gewann Stettenburg, benannt nach der Ruine, die sich hinter den Bäumen versteckt. Es handelt sich um den steilsten Bereich des Landknechts, und genau hier hat der Zehnthof Weickert gleich mehrere Parzellen nebeneinander stehen. Riesling, Scheurebe, Kerner, Blauer Silvaner – alles kommt aus dem Landsknecht.

Obervolkacher Landsknecht Franken

Oben an der Landsknechtlaube wird mir wieder bewusst, warum ich diesen Teil Weinfrankens besonders mag. An den Südhängen stehen Reben, ansonsten blickt man aber in eine Landschaft, die weder von Verkehrstosen noch von Monokultur geprägt ist. Für die Vielfalt der Landwirtschaft steht auch das Gebäude in der Bildmitte. Es handelt sich nämlich um die Fischzucht Gerstner. Im Tal hinter dem Wald rechts liegen ein paar Fischteiche, und man kann im Hofladen freitags frischen Räucherfisch erwerben.

Wie es sich für eine Grenzregion zwischen Maindreieck und Steigerwald gehört, hat der Untergrund des Landknechts auch Elemente von beidem zu bieten. Unten befindet sich noch der Obere Muschelkalk, oben schon der Lettenkeuper.

Im Test: die Scheureben vom Zehnthof Weickert

Scheurebe Riesling Zehnthof Weickert

So, jetzt aber Butter bei die Fisch’, wie es die Fischzüchter sagen würden. Mehrere Weine vom Zehnthof Weickert habe ich ausgesucht, aber nur zwei Flaschen fotografiert. Warum? Weil die Etiketten der Scheureben von vorn komplett gleich aussehen. Sie sind gesetzlich trocken (es gibt auch feinherbe Varianten), und sie haben tatsächlich alle fünf die Goldmedaille bei der Fränkischen Weinprämierung gewonnen. Nur der Riesling hatte bei der deutschen Weinprämierung mitgemacht und dort das DLG-Gold abgeräumt.

Auf dem Rücketikett stehen dann natürlich die Lagen. Ich probiere die Scheureben vom Astheimer Karthäuser, vom Volkacher Kirchberg, vom Sommeracher Katzenkopf und gleich zwei vom Obervolkacher Landsknecht. Die »Normale« aus einer Parzelle direkt am Ort und die Stettenburg von der Steillage oben. Was ich euch gleich sagen kann: Sie schmecken alle nach Scheurebe, besitzen ansonsten aber faszinierende Unterschiede, die nur dem unterschiedlichen Terroir zuzuschreiben sind. Die größten Unterschiede gibt es zwischen diesen beiden hier:

Karthäuser vs. Stettenburg

Die trockene Spätlese vom Astheimer Karthäuser stammt aus einer Lage, aus der unter anderem Sebastian Fürst zwei fantastische Chardonnays holt. Jener erzählte mir, dass der hohe Aktivkalkanteil im Boden fast ein bisschen an Chablis erinnert und seiner Meinung nach definitiv nicht reichhaltig genug für Silvaner ist. Dieses Feste, diese Mineralität, das spürt man auch in der Weickert’schen Scheurebe. Ich schmecke die sortentypische Stachelbeere, aber auch Mandarinenschale, Akazienblüte und eine leichte Rauchigkeit. Obwohl alle Scheureben diese fruchtige Saftigkeit besitzen, gibt es hier das höchste Säuregefühl, den strukturiertesten Körper.

Die Scheurebe von der Stettenburg hingegen erinnert mich total an ein belgisches Witbier. Nein, nicht wegen des Hopfens, sondern wegen der dort verwendeten Gewürze. Ganz deutlich kommen da nämlich zerstoßene Korianderkörner, dazu Maiglöckchen, etwas Süßkirschen aus dem Glas und eine Frucht, die von Orange bis Banane reicht. Das schwebt mehr heran, das gräbt nicht so tief in den Boden. Wirklich faszinierend in ihrer unterschiedlichen Art, sollte man unbedingt mal »gegeneinander« probieren. Sprach ich schon vom Preis? 11 € ab Hof und im Online-Shop. Und zwar für alle Lagen-Scheureben gleichermaßen.

Wer sich noch weiter vorwagen möchte (ich habe natürlich alle probiert): Der Kirchberg hat einen festeren Kern ähnlich des Karthäusers, dazu viel weiße Johannisbeere. Der »normale« Landsknecht besitzt die Witbier-Anklänge wie die Stettenburg, etwas heller, zitroniger allerdings. Und schließlich hat der Katzenkopf am meisten Kraft, ist am weitmaschighsten und vielleicht auch am subtropischsten mit seinen Mandarinen-Anklängen. Soweit die Scheureben. Und was gibt es sonst bei den Weickerts?

Riesling & Co.

Riesling zum Beispiel, ihr konntet die Flasche ja schon oben auf dem Foto sehen. Die alten Reben aus dem Obervolkacher Landsknecht stammen ebenfalls aus dem steilen Stück an der Stettenburg. 13 € kostet das gute Stück, wir haben hier schließlich Deutschlands Aushänge-Rebsorte vor uns. Dass man auch in Franken trotz aller Silvanerliebe gute Rieslinge machen kann, hatte ich erst letztens wieder bei der GG-Präsentation des VDPs gesehen. Das Exemplar von Tobi Weickert ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern, ich bin wirklich überrascht.

In der Nase gibt es eine Note, die mich total an die saure Mandarine erinnert, die ich diesen Januar von einem Baum im südfranzösischen Hyères gepflückt hatte. Eine Mischung aus grün und orange, frisch und pikant, sehr faszinierend. Dazu kommt noch ein bisschen grünes Tabakblatt, was ich im Zusammenhang mit Weinen glaube ich noch nie geschrieben habe. Im Mund kommt dann weniger spitze Säure als erwartet. Vielmehr fächert sich der Wein weiter auf, wird flächiger, harmonisch trocken, etwas Aprikose deutet sich an. Sehr stark. Aber wie gesagt, schaut mal im Shop bei den Lagenweinen nach, da gibt es noch mehr zu sehen.

Zum Abschluss machen wir nochmal eine kurze Re-Live-Schalte. So ähnlich wie unten hatte es vor zwölf Jahren beim Best of Gold ausgesehen, als Tobi seinen Hauptpreis in die Luft streckte. Das war die Initialzündung, die Bestätigung, auf einem guten Weg zu sein. Da wird einem dann auch wieder bewusst, weshalb es solche Wettbewerbe gibt. Die guten Vibes, die man beim Besuch des Zehnthofs spürt, nehme ich auf jeden Fall mit nach Hause.

Best of Gold Tobias Weickert

P.S. Zwischen dem Schreiben dieses Artikels und seiner Veröffentlichung ist zwar nur eine Woche vergangen. Aber die hatte es für die Weickerts in sich. Erst gab es den Ehrenpreis des Fränkischen Weinbauverbandes für die Scheurebe aus dem Obervolkacher Landsknecht. Dann kam gar der Bundesehrenpreis dazu. Und schließlich holte die Scheurebe aus dem Volkacher Kirchberg bei der AWC Vienna auch noch Gold und den zweiten Platz in der Kategorie »Sortenvielfalt« (eine breite Kategorie, wie ihr euch vorstellen könnt). Was will man sagen, well done

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7 Antworten zu Beim König der Scheureben – Zehnthof Weickert

  1. Thomas Riedl sagt:

    Hallo Matthias,
    mmmh, ja Scheurebe! Wäre auf jeden Fall ein Probenthema. Und dann wären die Weine vom Zehnthof Weickert unbedingt dabei. Ebenso die Scheureben vom Weingut Pfeffingen-Eymael in Ungstein, Pfalz.
    Interessant auch der “Estheria” von Johann Ruck aus Iphofen, eine im Tonneau ausgebaute Scheurebe. Ruck hat aber auch eine alte Parzelle im Julius-Echter-Berg.
    Die ältesten Scheurebe-Stöcke pflegt meines Wissens das Bio-Weingut Wallrapp in Theilheim. Und einige Orange- und Naturweine gibt es inzwischen auch.
    Aber: Die meisten Weinfreunde stehen der Bukettsorte immer noch sehr reserviert gegenüber.
    Was mich noch interessieren würde: Wie kommt die Sorte mit dem Klimawandel und der insbesondere in Franken starken Trockenheit zurecht?

    Weinfreundlichen Grüße

    Thomas

    • Matze sagt:

      Hallo Thomas, logisch, Pfeffingen war mir auch zuerst in punkto Scheurebe eingefallen. Oder um in Franken zu bleiben: Scheurebe Vinz von Ludwig Knoll, Weingut am Stein. Habe ich selbst im Keller, sehr spannend, äußerst fein auch, aber selbstverständlich eher hochpreisig.

      Was den Klimawandel anbelangt, offenbar besser als befürchtet. Nicht so dickschalig wie Silvaner natürlich, aber die Weickert-Scheureben aus unbewässerten Parzellen, die spät geholt werden, scheinen bislang gut durchgekommen zu sein. Okay, niedriger Durchschnittsertrag, das ist ja ein wesentliches Kriterium…

  2. Uli Teige sagt:

    Klasse! Habe gleich mal alle verfügbaren Scheureben bestellt…

    • Matze sagt:

      Oh, das freut mich ja! Man muss sie übrigens nicht alle »gegeneinander« testen; ich habe mir sagen lassen, das ginge auch weniger akademisch 😉

  3. EC sagt:

    …bin auf dem Weg nach Hause über Sommerach gefahren… 😉

    • Matze sagt:

      Das ist sehr löblich! Ich hoffe nur, du verwechselst sie nicht mit einer Tondonia Gran Reserva 😉

      • EC sagt:

        …nee, die Gefahr besteht nicht! 😀
        Ich finde einfach die Möglichkeit, 4 Lagen-Scheus eines Gutes (mehr waren nicht mehr da) horizontal zu verkosten, sehr spannend wie unique. Sind auch alle äußerst belebend, da hab ich aus 22 leider schon deutlich behäbigere Sachen probieren dürfen…

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