Chablis, Vézelay, Autun – durchs nördliche Burgund

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Chablis und das nördliche Burgund, das ist eine Region, in die man vielleicht ein wenig hineinwachsen muss. Altersmäßig. Es gibt hier all das, was eine historisch bedeutende französische Provinz auszeichnet. Kunst und Kultur im Welterbestatus, charakterstarke lokale Gastronomie und Weine, wenig Stress, dafür viel Charme. Was es hingegen nicht gibt, sind international bedeutende Großstädte, Strände, Berge, Hipster-Spots und Ferienclubs. Wer also Trubel liebt, wird in einer Gegend, die eine weitaus geringere Einwohnerdichte besitzt als Mecklenburg-Vorpommern, vermutlich nicht auf seine Kosten kommen. Für alle anderen ist es hingegen wunderbar zum Genießen und Entschleunigen. Eingestreute Highlights inklusive.

Chablis, Vézelay, Autun – Wein und Kultur

Vézelay Weinberge

Dass Weinbau im Département Yonne (denn hier befinden wir uns größtenteils) schon seit langem eine bedeutende Rolle spielt, kann man bereits am Titelfoto erkennen. Das Monatsbild für den Oktober im Mittelportal der Kirche von Vézelay zeigt nämlich einen Mann bei der Weinernte. Und jenes stammt aus dem 12. Jahrhundert. Unterhalb des Bergrückens, auf dem sich die alte Stadt Vézelay befindet, sieht man dann auch einige Weinberge. Dennoch ist dies keine durchgängige Tradition, denn erst im Jahr 2017 bekam Vézelay eine eigene Appellation. Ähnlich wie in Chablis gilt jene ausschließlich für Weißweine aus Chardonnay.

Vézelay La Goulotte

Als wir die einzige Straße vom Parkplatz durch die Altstadt zur Kirche Ste-Madeleine hochgehen, fällt mir auf der linken Straßenseite ein Laden auf. Das Plakat, das dort für die Linolschnittkunst des Ateliers La Goulotte wirbt, erinnert mich spontan an die Etiketten des vielleicht bekanntesten Weinguts der Appellation, die Domaine de la Cadette. Ich nehme mir vor, beim Besuch des Weinguts einmal nachzufragen.

Jetzt direkt nach dem Frühstück ist es in Vézelay wunderbar ruhig. Als wir die Kirche wieder verlassen, hat sich das Bild schon gewandelt. Ein paar Pilger mit Jakobsmuschel am Rucksack kommen die Straße herauf, eine Busladung Touristen wird ausgeladen, und direkt auf dem Kirchplatz fallen einige Gläubige zum Gebet auf die Knie. Vézelay hat, anders als beim Wein, seine Tradition als Pilgerort nicht nur über all die Jahrhunderte erhalten. Dank des Jakobsweg-Booms des letzten Jahrzehnts muss es hier im Sommer auch fast rummelig zugehen. Besser also früh am Tag kommen.

Vézelay – ehemalige Abtei auf dem Jakobsweg

Vézelay Mittelportal

Der Außenbereich der ehemaligen Abteikirche trägt seit der umfassenden Restaurierung durch Viollet-le-Duc keine original romanischen Züge mehr. Der wahre Schatz offenbart sich erst, nachdem man die Vorhalle betreten hat. Um es einmal sehr sehr platt auszudrücken: Wenn man zwei historische Bauten im gesamten Burgund gesehen haben muss, dann sind das wahrscheinlich die Kirchen Ste-Madeleine in Vézelay und die Kathedrale von Autun. Natürlich gibt es darunter noch eine ungeheure Vielzahl anderer Sehenswürdigkeiten. Und anders als bei Romanée-Conti und Leroy im Weinbereich ist das überhaupt nicht prohibitiv angelegt. Man geht schlichtweg hinein und schaut sich alles an.

Vézelay Mittelportal Detail

Sowohl die Figurenwelt im Mittelportal als auch die über 150 Kapitelle im Innenraum erinnern mich dabei ein wenig an das Wimmelbild eines romanischen Ali Mitgutsch für Erwachsene. Oder vielmehr: Die Inspiration für seine Wimmelbilder erhielt Mitgutsch tatsächlich auf den Wallfahrten mit seiner Mutter. Wenn man nicht gerade in mittelalterlicher Kunstgeschichte promoviert hat und deshalb alles auswendig kennt, ist es in Vézelay und Autun sehr gewinnbringend, sowohl einen Kunstreiseführer à la Reclam und ein Teleobjektiv oder Fernglas dabeizuhaben. Man sieht sonst schlichtweg zu wenig von all dem, was sich da in zehn Metern Höhe abspielt.

Dafür kann man jetzt auch einige erstaunliche Dinge erkennen. Der Reiseführer schreibt dazu: »Das Portal macht in einprägsamen Bildern den Universalitätsanspruch der christlichen Kirche anschaulich.« Und tatsächlich haben die Baumeister versucht, die ganzen damals bekannten Völker der Erde darzustellen – nicht immer zu deren Vorteil. Auf dem Foto oben besteigt ein Pygmäe mit Hilfe einer Leiter ein Pferd, die Inder besitzen Hundsköpfe und die Panotier riesige Ohren. Universalität heißt offenbar auch, dass man selbst das einzig denkbare Zentrum der Schöpfung und Kulturentwicklung darstellt.

Vézelay Gewölbe

St-Père-sous-Vézelay – Große Pläne im Tal

St-Père L'Espérance

Eine ganz andere Atmosphäre wartet in St-Père auf uns, dem Dorf zu Füßen des Hügels von Vézelay. Schon abends beim Besuch eines Restaurants war uns aufgefallen, dass die Bedienung ungeheuer professionell und mehrsprachig war. Des Rätsels Lösung: St-Père ist Zeuge einer klassischen rise and fall-Geschichte. Der aus dem Ort stammende Spitzenkoch und Unternehmer Marc Meneau hatte den Traum, gleich das ganze Dorf in einen Gourmettempel zu verwandeln. Sein Restaurant L’Espérance erhielt 1983 den dritten Michelin-Stern, es gab eine ausgesuchte Weinbar gegenüber und jede Menge Lieferanten auf entsprechendem Niveau. Tatsächlich aber verstrickte sich Meneau in finanzielle Wagnisse, verlor einen Stern und musste 2007 schließlich Insolvenz anmelden. Einige aus seiner großen Crew sind offenbar in der Nähe geblieben.

Vézelay Chablis Weingut La Soeur Cadette

Außerhalb des Zentrums von St-Père gibt es zwei Unternehmen, die es geschafft haben, von sich reden zu machen. Das ist zum einen die Brasserie de Vézelay und zum anderen die Domaine de la Cadette von Valentin Montanet. Zwar besitzt die Domaine de la Cadette keine Website, aber die Weine findet ihr bei Vins Vivants in Deutschland – und sie werden auch beispielsweise von Kermit Lynch in Richtung USA importiert. Das sind schlichtweg wunderbare, bio-zertifizierte, weitgehend unbehandelte, aber komplett saubere Burgunder. Und die Etiketten stammen tatsächlich von La Goulotte, ich hatte richtig geraten.

Leider wurden die Weinberge im Jahr 2021 von einem üblen Spätfrost heimgesucht, so dass es momentan nicht das gesamte Programm zu kaufen gibt. Als Ersatz könnt ihr jedoch den Juliénas vom anderen Familienzweig nehmen, vinifiziert auf dieselbe Art, ebenfalls ausgestattet mit dem schönen Linolschnitt-Etikett.

Auf dem Weg nach Chablis – Avallon

Avallon

Je nach Alter und Sozialisation fallen einem bei der Nennung des Namens »Avallon« entweder »Die Nebel von Avalon« oder Roxy Music’s gleichnamiger Song ein. Tatsächlich hat beides, zumal mit lediglich einem »l« geschrieben, gar nichts mit der realen Stadt Avallon zu tun. Am nördlichen Rand des Morvan auf dem Weg nach Chablis gelegen, ist dies nämlich ein ausgesprochen netter Ort. Noch netter kam uns sogar die »Dame Jeanne« vor, ein offiziell als Salon de Thé bezeichnetes supersympathisches Restaurant, das mittags um zwölf schon gut voll war. Es gibt sechs Hauptgerichte um 12 €, ebenso Nachspeisen und offene Weine, angeschlagen an der Schiefertafel, alles frisch zubereitet und wunderbar für eine Mittagspause.

Wo die Zeit still steht – Irancy

Irancy

Vom Tal der Yonne aus kann man bereits die ersten Weinberge oben an den Hängen sehen. Dahinter, eingebettet in eine Hügellandschaft, befindet sich der Weinort Irancy. Nach Chablis sind es etwa 20 Minuten mit dem Auto, und ein Besuch von Irancy lohnt sich absolut. Irancy ist nämlich eine ausschließliche Rotwein-Appellation und dazu ein Ort, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Die Rotweine bestehen aus Pinot Noir, oft mit einem kleinen Zusatz der robusten lokalen Rebsorte César. Das Interessante für mich ist, dass ich eigentlich noch keinen einzigen duftig-eleganten Irancy getrunken habe. Immer kommen die Weine kernig, aber sehr reif geerntet auf den Tisch.

Irancy Domaine Colinot

Vermutlich der wichtigste Exponent dieses Stils ist die Domaine Colinot. Jean-Pierre und Anita Colinot machen je nach Jahrgang ein knappes Dutzend Rotweine und einen Rosé. Die Roten stammen meist aus jeweils einem einzelnen Gewann. Da sich die Weinberge kreisförmig um den Ort herum befinden mit unterschiedlichen Ausrichtungen, Höhenlagen und geologischen Bedingungen, schmecken die Weine tatsächlich auch alle unterschiedlich. Ich kann das beurteilen, denn Monsieur nötigte mich freundlich, doch bitte das gesamte Portfolio zu probieren. Auf diese Weise erschließt sich einem dieser extreme Terroir-Ansatz am besten.

Natürlich ist das Ganze ökonomisch nicht vernünftig, zumal alle Weine etwa gleich viel kosten. Und die Installationen sind, in ein historisches Gebäude im Ortskern hineingezwängt, auch derartig beengt und altmodisch, dass man sich in die virtuellen 1960er Jahre zurückversetzt fühlt. Vielleicht ist dieses ausgesprochene Beharrungsvermögen auch der Grund dafür, dass die Tochter des Hauses die Domaine nicht übernehmen wollte und lieber mit ihrem Mann dessen Chablis-Weingut führt. Wer spätsommerlich reife, tanningeprägte, lagerungsbedürftige, schlichtweg großartig aus der Zeit gefallene Pinot Noirs sucht, wird hier für knapp 20 € je Wein fündig. Eine weitere gute Adresse ist die bio-zertifizierte und auch ansonsten jung-bewusster wirkende Domaine Richoux am Ortsausgang.

Chablis – auf dem Weg zurück an die Spitze

Chablis Grand Cru Les Clos

Chablis erinnert mich, verzeiht meine wirre Assoziation, immer ein wenig an Chianti. Nicht weil beide mit »Ch« anfangen, sondern weil beide ihren historischen Ruf in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beinahe erfolgreich zunichte gemacht hätten.

Mittlerweile sind nicht nur beide Weingebiete definitiv wieder auf der Spur, ich bin sogar der Meinung, dass in Chablis mittlerweile die besten Chardonnays überhaupt bereitet werden. Wegen der globalen Erwärmung muss man sogar hier aufpassen, dass die Weine nicht zu heiß werden. Das enorm steinige Terroir bringt viel Mineralität und Spannung in die Weißen, zudem ist in Chablis stilistisch zwischen stahliger Präzision, würzigem Holz und freakigen Interpretationen alles zu haben.

Auf dem Foto oben seht ihr im Vordergrund den Ort Chablis und (leider) im Schatten dahinter die Grand Cru-Lage Les Clos. Alle Grands Crus befinden sich an diesem Hang mit meist südwestlicher Ausrichtung nebeneinander. Das Gebiet ist schön zu erwandern, Chablis selbst ein hübscher Ort, und neben den ganzen Weingütern gibt es auch ein paar sehr nette Restaurants.

Chablis Grand Cru Les Clos Terroir

Ohnehin ist es im Burgund so, dass ihr die begehrtesten Weine am besten in den lokalen Restaurants bestellt. Da gibt es noch Raveneau oder Dauvissat zu unspekulativen Preisen, was ansonsten ja unglücklicherweise nicht mehr der Fall ist. Meine persönliche Empfehlung, wenn euch der Sinn nach klassischem, gut gemachtem und gleichzeitig bezahlbarem Chablis steht, ist die (bio-zertifizierte) Domaine Grossot. Auch da gab es in der letzten Zeit geringe Erntemengen, der normale Chablis liegt bei 15,70 € ab Hof.

Zwischen Irancy und Auxerre in Saint-Bris-le-Vineux befindet sich mein zweites Lieblingsweingut, die Domaine Goisot. Die Produkte beider Weingüter bekommt ihr mittlerweile auch gut in Deutschland, z.B. bei K&U oder Kreis. Ich könnte jetzt noch mindestens eine Handvoll weiterer Erzeuger nennen, die mir gefallen haben, aber davon vielleicht an anderer Stelle.

Die Hauptstadt Auxerre

Auxerre Yonne

Auxerre ist die Hauptstadt des Départements Yonne, bleibt aber selbst mit Vororten unter der 50.000 Einwohner-Grenze. Auxerre besitzt nach meiner Empfindung zwei charmante Bereiche. Einer ist ganz sicher unten am Fluss mit Booten, Schilf und Platanen. Unglücklicherweise ist es der Stadt nicht gelungen, darüber hinaus irgendetwas Nettes direkt dort unten anzusiedeln.

Auxerre

Und so muss man sich erst durch ein paar enge Straßen hoch bis zur Altstadt schlängeln. Fast hätte ich nach Irancy und Chablis wieder vergessen, dass wir uns ja eigentlich relativ weit im Norden Frankreichs befinden. So nördlich und so waldnah jedenfalls, dass Auxerre über eine ganze Reihe attraktiver Fachwerkhäuser verfügt.

Durch den Morvan

Morvan Mont Beuvray

Fachwerk oder vielmehr Bäume als Grundlage des Fachwerks sind ein gutes Stichwort. Wer es nämlich noch einsamer haben möchte als im Tal der Yonne, muss einfach nur ein kleines Stück nach Süden fahren. Der Morvan ist der äußerste Ausläufer des granitischen Zentralmassivs – und definitiv baumreich. Im Mittelalter von Armut geprägt, zur Zeit der deutschen Besatzung ein Zentrum der Résistance, war dies schon immer eine Region mit besonderem Charakter.

Auf dem Mont Beuvray gibt es eine große keltische Ausgrabungsstätte mit Museum. Natürlich darf man sich darunter keine monumentalen Tempelbauten vorstellen. Aber wer sich für Vercingetorix, Druiden und überhaupt (in feiner Ergänzung zu Autun oder Vézelay) allerlei »Heidnisches« interessiert, ist hier definitiv gut aufgehoben. Ohnehin wohnt dem Morvan immer noch etwas Widerständiges inne. Bei der Recherche von Unterkünften sind mir jedenfalls nicht wenige Stadtflüchtlinge und holländische Hippies aufgefallen. Übrigens: Wer gern richtig einsam und mittelgebirgig mit dem Fahrrad fährt, der Morvan ist dafür allein durch seine geringe Verkehrsdichte hervorragend geeignet.

Autun – die nächste Weltkultur

Autun St-Lazare Mittelportal

Direkt am Rand des großen Waldes liegt Autun, ursprünglich eine römische Gründung. Die Stadt besitzt zwar lediglich 13.000 Einwohner, aber eine allein aufgrund der einsamen Lage deutlich größere Bedeutung für die Umgebung. Anders als in Vézelay befindet sich die romanische Kirche zwar ebenfalls auf dem höchsten Punkt, aber es führt nicht nur eine einzige Straße herauf. Was beide Kirchen gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass die bedeutendsten Kunstschätze aus dem Mittelportal und vielen einzelnen Kapitellen im Innenraum bestehen.

Autun St-Lazare Kapitell Detail

Viele dieser Darstellungen lohnen einen zweiten Blick. So sind die Kapitelle sozusagen über Eck gestaltet, die Geschichte geht also jenseits des Frontbildes noch weiter. Auf dem Foto oben sind auf der Frontseite eigentlich Maria und die Geburt Jesu dargestellt. Ums Eck sitzt dann aber Josef auf seinem Stuhl und stützt sich nachdenklich, vielleicht gar ein wenig konsterniert auf dem Ellbogen ab. Dank der unbefleckten Empfängnis ist seine Rolle ja unbedeutender, als er sie sich vielleicht gewünscht hätte.

Kulinarisches in Autun

Autun Logis Hotel La Tête Noire

Die ganze Fahrt durchs nördliche Burgund kam mir bislang schon ungemein zeitreisig vor, auf den Spuren der Bildungstouristen vor 50 Jahren. Wir waren deshalb sehr froh herauszufinden, was diese urfranzösische und sympathisch unhippe Atmosphäre zusammenhält. Es sind offenbar die Hotels der Logis-Gruppe. »Gruppe« ist allerdings der falsche Ausdruck, denn es handelt sich ausschließlich um kleine, inhabergeführte Häuser, fast alle auf dem Land und fast alle auch mit großem Stolz auf das angeschlossene Restaurant. Gerade die einfacheren Unterkünfte atmen dabei einen Geist, der ideal zu solcher Art zu reisen passt.

Im »Tête Noire« in Autun hatten wir jedenfalls einen schönen Blick rückwärtig auf den Morvan, und unten im Restaurant waren fast alle Gäste auf Halbpension eingebucht. Wir zwar nicht, aber dafür gab es auch für uns burgundische Klassiker wie beispielsweise »Oeufs en Meurette», pochierte Eier in Rotweinsauce. Und zwar richtig gut gemacht.

Autun Epicerie Isabelle Laly

Falls ihr auf der Suche nach lokalen Spezialitäten zum Mitnehmen seid, in der Altstadt von Autun gibt es diesbezüglich ein paar nette Läden. Bei Isabelle Laly findet ihr von Wein über Senf, feine Konserven und Süßwaren alles, was sich als Mitbringsel eignet. Ich erstand zwei Marmeladen von Céline Dubreuil, La Trinquelinette, die tatsächlich zum besten gehören, was ich in dieser Hinsicht gegessen habe. Im Nachhinein hätte ich noch mehr davon kaufen sollen…

Autun Markthalle

Die alte Markthalle von Autun passt ebenfalls ins Bild. Eigentlich handelt es sich um das Erdgeschoss des Rathauses. Zwischen dicken Pfeilern und mit viel Platz werden hier immer mittwochs und freitags die Erzeugnisse der Region angeboten. Das ist komplett anders als im überbordenden Dijon, aber eben auch sehr sympathisch.

Chablis und nördliches Burgund – meine Weinfunde

Chablis Irancy Vézelay Weine

Zu guter Letzt möchte ich euch auf diesem Foto einfach drei Weinflaschen zeigen, die ich auf der Rundreise durchs nördliche Burgund erstanden habe. Rechts seht ihr den Irancy der Domaine Colinot aus dem Gewann Palotte, das hoch über dem Tal der Yonne nach Süden blickt. Der Wein ist deshalb eher warm ausgerichtet (zumal aus dem Jahrgang 2018), könnte sich noch lange halten, passt aber auch jetzt schon zu solchen Sachen wie Rinderschmorbraten. 10% César übrigens.

In der Mitte ist der Vézelay La Châtelaine der Domaine de la Cadette, 16,50 € ab Hof, reiner Chardonnay und ausschließlich im Stahl ausgebaut. Dennoch – der Wein hat den biologischen Säureabbau durchgemacht – braucht die Châtelaine viel Luft, bevor sie sich öffnet. Eigentlich waren Würze und Harmonie erst am dritten Tag auf dem Höhepunkt. Ein charakterstarkes Gewächs jedenfalls.

Und schließlich seht ihr links den »einfachen« Chablis der Domaine Vincent Dauvissat. Das ist natürlich ein Kultprodukt, seit 20 Jahren unzertifiziert biodynamisch, sehr traditionell im Holzfass ausgebaut, kaum geschwefelt und bereits im Einstiegsbereich für eine längere Kellerreife gedacht. Und, wenn man nicht Unsummen dafür ausgeben müsste, praktisch ausschließlich bei Händlern zu erwerben, die einem vertrauen.

Damit bin ich am Ende der Tour durchs nördliche Burgund angelangt. Der leicht anachronistische Ansatz hat mir gerade in dieser Gegend der stillen Sensationen viel Spaß gemacht. Allerdings darf es demnächst auch gern einmal wieder ein pulsierender Ort mit internationaler Atmosphäre sein. Die Abwechslung macht es halt aus…

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7 Antworten zu Chablis, Vézelay, Autun – durchs nördliche Burgund

  1. Merci beaucoup für diesen ausführlichen und sehr inspirierenden Bericht über eine herrliche Region.
    Das macht unglaubliche Lust auf Wein und Reisen.
    Liebe Grüsse aus dem Elsass von Sabine

  2. Wilfrid sagt:

    Hallo Matze,
    danke für wieder mal ein tolles und informatives Portrait einer spannenden Region. Wenn die Tage länger werden und das Wetter einladender, kann ich mir gut vorstellen, diese Anregungen aufzugreifen.
    Radeln auf den kleinen weißen Straßen der Michelin-Karte in einer verkehrsarmen Mittelgebirgslandschaft, was gibt es Schöneres!
    Was den Wein angeht: Wir hatten kürzlich die Gelegenheit, das gesamte 2020er Goisot-Programm durchzuprobieren. Allesamt zu jung, muss man zunächst sagen. Aber eine gewisse Skepsis gegenüber der Entwicklung bleibt: Den Weißen fehlt es an Frische, am Gegengewicht der Säure. Die Roten sind fett, warm und alkoholreich, “sudistes” (14%). Nicht das, was man von einer nördlichen Region erhofft und schätzt. Das machen manch andere auch in diesem heißen Jahrgang besser! Leider in diesem Jahr für uns eine Enttäuschung.
    Ob der Klimawandel den cool climate-Zonen ihre Leichtigkeit und Eleganz raubt? Das wäre bitter!

    • Matze sagt:

      Danke für den Kommentar! Ich werde jetzt Ende Januar bei der Millésime Bio die Gelegenheit haben, die Goisot-Weine nochmal durchzuprobieren. Vielleicht hätte er bei den Weißen doch den BSA unterbinden sollen. Aber gut, wenn du von der Philosophie her wenig Eingriffe vornimmst, gibt halt der Jahrgang die Richtung vor.

      2020 war ja bei uns nicht ganz so katastrophal heiß, aber in Frankreich (weißt du natürlich, ist eher als allgemeiner Kommentar gedacht 😉 ) gab es gerade an der Loire, in Nordburgund und Champagne ein paar unglaubliche 40 Grad-Perioden. Für die meisten Winzer war das richtig problematisch, inklusive nicht wirklich schöner Ergebnisse. 2021 kamen dann der Spätfrost und im Frühsommer der hohe Pilzdruck. Was gerettet wurde, hatte wieder diesen Stil, den man sich vom cool climate wünscht, aber halt mit Mini-Ertrag. 2022 wird hingegen tendenziell moppelig. Mir sagte eine Winzerin in Vézelay, dass sie hofft, dass es endlich mal wieder ein »normales« Jahr gibt, typisch durchwachsen. Der letzte Jahrgang, der ihr gefallen hat, war 2017.

      Da wir jetzt aber die anderen Jahrgänge auf dem Markt haben, bin ich auch gespannt darauf, wer das feinfühlig hinbekommen hat. Zu früh und phenolisch unreif geerntet, ist ja auch nicht schön. Da gefällt einem zu Anfang vielleicht die Frische, aber nach einem Jahr wirkt das schon gezehrt.

      Die Gefahr des Verlusts von Leichtigkeit und Eleganz sehe ich auch. Ich glaube, dass die Winzerinnen und Winzer im Norden erstmal lernen müssen, wie man mit heißen Jahrgängen umgeht. Da fehlen ja die praktischen Erfahrungswerte, und die Lese ist genau einmal im Jahr. Das Problem sind auch die Schwankungen, die ja immer noch möglich bleiben. Da kann es passieren, dass du dich für eine niedrige Laubwand im Frühjahr entscheidest, und dann regnet es den August durch.

      Wenn du es dir leisten könntest, nur einen Wein zu machen und den Rest des Traubenmaterials zu verkaufen, wäre es wahrscheinlich am besten, eine Lagencuvée zu machen aus unterschiedlichsten Expositionen und weinbaulichen Entscheidungen. Dann könntest du das jeweils so komponieren von den Anteilen her, dass es stilistisch passt. Aber da sind wir dann natürlich auch schnell in der Gefahr, damit den Jahrgang wegzuradieren und den besten »Coca Cola«-Markenwein der Welt zu machen… Es bleibt also spannend.

  3. Alex sagt:

    Ein wunderbarer Bericht.

    Gut zu hören , dass neben Kultur und Wein auch gastronomisch viel geboten wird. Es ist so schade, dass man mittlerweile auch in Frankreich gute Restaurants auf dem “flachen Land” und abseits der Hotspots kaum mehr findet. Oft wird mit Schäumchen und Geltupfen aus der Quetschflasche Eindruck geschunden und die tolle regionale Küche vernachlässigt.

    Danke dafür, Sie haben uns richtig Neugierig gemacht!

    Gruß Alex

    • Matze sagt:

      Sehr gern geschehen! Ich muss zugeben, dass ich in der Stadt auch mal gern in Neo-Bistros oder innovativere Läden gehe (wie in Dijon: https://chezmatze.de/2022/10/14/kulinarischer-rundgang-durch-dijon/). Aber bei lokaler Küche auf dem Land schaue ich gern, wo die richtig alten Französinnen und Franzosen hingehen. Da sieht es zwar nie stylisch aus, weder im Restaurant noch auf dem Teller. Und man sollte auch wirklich ALLES essen können/wollen, sonst macht das wenig Spaß. Aber wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, finde ich, dass es in Frankreich immer noch tolle Essmöglichkeiten gibt.

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