[In Kooperation mit dem Weingut Sander] Links die Stahltanks in Reih und Glied, rechts die großen Holzfässer – wer macht den besseren Wein? Könnte man meinen, dass es darum geht. Ich möchte euch hier aber erst einmal die Ausbaugefäße vorstellen, die es in einem gut aufgestellten Familienbetrieb wie dem Weingut Sander im Keller gibt. Was ist das eigentlich, Amphore, Stahltank, altes Stückfass, neues Barrique, Steinzeug-Ei? Wieso benutzt man es, und was macht es mit dem Wein? In feiner Sendung-mit-der-Maus-Manier habe ich Stefan Sander also gefragt, was es mit Amphore & Co. so auf sich hat. Und dann habe ich jeweils einen Wein probiert, der aus dem jeweiligen Gefäß stammt.
1. Stahltank – sauber und rein
Der Edelstahltank ist vielleicht die wichtigste Erfindung des 20. Jahrhunderts für den Weinbereich. Wegen seiner besonderen Eigenschaften ist er zum meist benutzten Ausbaugefäß überhaupt geworden. Stahltanks stehen im Weingut Sander in den verschiedensten Größen, 320 Liter fasst der kleinste, 15.000 Liter der größte. Stahl ist inert, gibt also nichts ab an den Wein, luftdicht abgeschlossen, hält ewig. Ein Wein aus dem Stahltank ist sauber, sicher, rein. Keine große Winzerkunst, aber unheimlich praktisch.
Das sagt Stefan: “Ich versuche immer, das Gefäß so zu wählen, wie es am besten mit dem Weintyp harmoniert. Bei mir kommen Basisriesling und Sauvignon Blanc ausschließlich aus dem Stahltank. Bei denen steht die Frucht, die Saftigkeit im Vordergrund. Wenn ich den abfülle, möchte ich da keine Noten von Ausbauform oder Lagerung drin haben.”
Sander Sauvignon Blanc
Sauvignon Blanc (Jahrgang 2021, ganz frisch also, 9,90 € ab Hof) ist eine Rebsorte, die ursprünglich von der oberen Loire stammt. Beliebt wegen ihrer Frische und Aromatik, gibt es sie mittlerweile aber fast überall auf der Welt. Beim Weingut Sander stehen die ältesten Sauvignon Blanc-Reben schon seit 30 Jahren. “Den habe ich als Anregung von meinen Auslandsaufenthalten in Übersee mitgebracht”, erläutert Stefan. “Wir gehörten damals zu den ersten, die einen Versuchsantrag zum Anpflanzen gestellt haben. Für mich ist das weiterhin eine echte Bereicherung.”
In der Nase hält der Sauvignon Blanc genau das, was man sich von ihm verspricht. Deutlich Stachelbeere, Cassis, Holunderblüte, vielleicht ein bisschen Litschi, absolut wiedererkennbar. Im Mund perlt unser Jungwein noch leicht, dazu gibt es eine herzhafte Säure und viel puren, saftigen Sauvignon-Charakter. Trotz der Frische ist der Wein nicht dünn, sondern hat auch in diesem durchaus schwierigen Jahr feinaprikosige Reifenoten zu bieten. Ideal jung zu trinken – genau jetzt im beginnenden Frühjahr. Ich kann absolut verstehen, weshalb das ein viel geliebtes Produkt ist. Da muss man nicht viel diskutieren, der schmeckt einfach.
2. Stückfass – Rheinhessen’s Finest
Am Ortseingang von Mettenheim wird man schon mit dem Fuderfass begrüßt. Was die Amphore für Georgien ist oder das Barrique für Bordeaux, das ist in Rheinhessen das Fuderfass. Fuder ist ein altes Volumenmaß, das je nach Region zwischen 800 und 1.800 Liter Fassungsvermögen bedeutet. Die häufigste Variante ist das Stückfass mit 1.200 Litern. Es soll den Wein nicht etwa mit Holzaromen vollräuchern, sondern einen minimalen Luftkontakt ermöglichen, mehr Struktur und ein bisschen Gerbstoffe mitgeben.
Das sagt Stefan: “Wir haben Stückfässer mit 1.200 Litern, aber auch ganz große mit 3.600 Litern. Die liegen unten im Keller, weil man sie nicht herumrücken kann. Das Anderthalb-Stückfass hat vor vier Jahren glaube ich 5.800 € gekostet, also gut doppelt so viel wie Stahl. Aber wir wollen ja auch was von dem Holz, und es hält sehr lange. Mein ältestes ist zum Beispiel 40 Jahre alt, und ich habe noch nie eins aufgegeben. Für mich ist so ein Stückfass von der Haptik und der Optik her einfach unsere rheinhessische Weinkultur. Das ist nicht nur ein Lagerbehältnis, sondern das ist eine Tradition und irgendwie auch eine Ehre für mich, darin weiterhin Wein ausbauen zu können.”
Sander Chardonnay
Der Guts-Chardonnay (Jahrgang 2020, 9,90 € ab Hof) kommt aus dem großen Holzfass. Stefan sagt, Chardonnay vom Lössboden hätte so eine tolle Fruchtigkeit, die könne man nur mit subtilem Pfälzer Eichenholz unterstützen, damit sie erhalten bliebe.
Ja, man spürt das Holz schon in der Nase. Allerdings nicht als Zimt oder Zeder, sondern eher als Würzigkeit, die fast einen Touch von Strohblumen hat. Frucht gibt es natürlich, reifen Apfel oder eher Apfelquitte. Jene bleibt auch im Mund schön präsent. Der Wein ist unmittelbar da, man kann ihn aufmachen und sofort trinken. Stefan hatte recht, das Holz liefert Geschmeidigkeit und auch einen leichten Grip, aber die Frucht bleibt komplett erhalten. Das ist kein Chardonnay der nördlichen Art wie ein Chablis, sondern es geht mit samtiger Saftigkeit für mich eher in Richtung Kaiserstuhl. Mit diesem Wein kann man schlichtweg gar nichts falsch machen.
3. Amphore – das älteste Ausbaugefäß
Die Amphore aus Ton ist vielleicht das älteste Wein-Ausbaugefäß der Welt. Zwar gab es in der Antike auch Wein in Schläuchen, meistens aus Ziegenhaut, aber lange lagern oder gar gefahrlos transportieren ließ er sich darin nicht. Die Tradition der Amphore hat die Zeit vor allem in Georgien überdauert, wo die Gefäße sogar im Boden eingelassen werden. Dort wird der Weißwein mitsamt den Beerenschalen vergoren. Als orange wine ist diese Maischegärung bei Weißweinen ebenso wie die Amphore als Ausbaugefäß auch bei uns wieder in Mode gekommen.
Das sagt Stefan: “Die Amphoren kommen aus der Nähe von Bordeaux, der Hersteller heißt Vin et Terre, ein richtig guter handwerklicher Betrieb. Ich möchte nicht den maischevergorenen, etwas groben georgischen Stil haben, sondern bei mir soll die Amphore Finesse liefern. Wir sind hier ja im cool climate, und die Amphore hilft, diese Kühle zu erhalten. In der Amphore ist der Wein gegenüber dem Sauerstoff stark abgeschottet, weshalb er frisch geöffnet vielleicht ein wenig stumpf wirkt. Aber keine Angst – mit Luft, egal ob durch Warten oder Dekantieren, kommt er richtig in Fahrt.”
Sander Chardonnay Amphore
Bei Stefan Sander gibt es genau einen Wein aus der Amphore, und das ist der Chardonnay (Jahrgang 2020, 15,70 € ab Hof). Ein ganzes Jahr hat der Wein in der Amphore auf der Hefe gelagert und wurde unfiltriert abgefüllt. Wenn es irgendeinen Wein im Weingut gibt, der am nähesten an der Naturwein-Philosophie dran ist (Bio sind wir hier ja sowieso seit Jahrzehnten, nur zur Erinnerung), dann ist es dieser hier.
Kräftiger in der Farbe ist der Chardonnay Amphore als die beiden anderen Weine davor. Frisch geöffnet duftet der Wein nach… Zündplättchen, Streichholzköpfen. Das ist der Reduktionston, der entstehen kann, wenn Wein ohne Sauerstoffeinfluss auf der Hefe reift. Weil das weltberühmte Winzer wie Coche-Dury aus dem Burgund oder Ganevat aus dem Jura bewusst so machen, gibt es beinharte Fans dieser Noten. Alle anderen sollten tatsächlich warten, bis der Wein mehr Luft “gezogen” hat. Bei mir hat eine Viertelstunde im Glas schon geholfen, man kann den Chardonnay (da wahnsinnig stabil) aber auch viel länger stehen lassen. Dann kommt sein wahrer Charakter zum Tragen. Dieser Wein besitzt nämlich eine raffinierte Substanz, eine echte innere Dichte. Ja, Birne und Quitte gibt es auch, aber vor allem ein erstaunliches Phänomen. Nach einer gewissen Wartezeit weiß man gar nicht, warum der Wein auf einmal so gut schmeckt. Er hat sich einfach gefunden. Ein tolles Produkt.
4. Barrique, Tonneau & Co. – das kleine Holz
Das Barrique, 225 Liter in Bordeaux, 228 Liter in Burgund, ist das klassische Ausbaugefäß für hochwertige Weine. Weil das so ist, und zwar seit langer Zeit und mittlerweile weltweit, ist der Ausbau im Barrique eine wahre Wissenschaft geworden. In eine ähnliche Kategorie gehören auch noch das Tonneau mit 500 und das Halbstückfass mit 600 Litern Volumen. Bei allen geht es darum, dass das Holz zum einen (große Oberfläche, kleines Volumen) mehr oxidative Elemente zulässt als die anderen Gefäße. Zum anderen gibt das Holz aber auch etwas ab, und zwar Geschmacks- und Gerbstoffe. Je neuer das Holz ist, desto mehr Geschmackskomponenten gehen davon in den Wein über. Auch das Toasting, das Anrösten der Holzdauben, hat einen Einfluss darauf, ob die Aromen eher in Richtung Vanille, Kokosnuss oder Räucherspeck gehen.
Das sagt Stefan: “Ich bin 1987 oder 1988 zum ersten Mal mit meinem Vater ins Burgund gefahren, Barriques kaufen. Elf Stück waren es, alle unterschiedlich. Akazie, verschiedene Eichen aus Allier, Limousin, Vosges, verschiedene Toasting-Grade, und dann haben wir experimentiert, was zu unseren Weinen am besten passt. Für die eleganteren Weine nehme ich gern die Fässer von François Frères, bei manchen Roten aber auch die von Demptos, weil sie ein rustikaleres Holz haben. Wie neu die Barriques für den Wein sein dürfen, hängt von seiner Dichte ab. So ein neues Barrique kostet mittlerweile an die 1.000 €, aber es ist auch eine alte Handwerkskunst, die ich damit unterstütze.”
Sander Cuvée Holzkelter GS
Bei der Cuvée Holzkelter GS gibt es gleich zwei Besonderheiten. Zum einen wurde die klassische Bordeaux-Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot konsequenterweise für 15 Monate im Barrique ausgebaut. Zum anderen ist der Schritt davor interessant. Wie der Name schon andeutet, hat Stefan für die Pressung nämlich eine alte restaurierte Holzkelter benutzt. Der Pressvorgang von Hand dauert natürlich länger, ist aber auch viel sanfter. Die Cuvée GS aus dem Jahrgang 2019 kostet 9,90 € ab Hof.
Farblich hat die Cuvée Holzkelter GS ein mittleres Rot zu bieten, was andeutet, dass wir es hier nicht mit der überreifen Mucki-Art zu tun haben. Bereits in der Nase sind die Charakteristika der beiden Rebsorten super wahrzunehmen: weiche Pflaume beim Merlot und eine gewisse kräuterige Herbheit beim Cabernet Sauvignon. Letzterer liefert im Mund noch die typische Johannisbeere. Niemandem würde hier der Holzgeschmack als erstes auffallen. Einerseits ist er wirklich dezent, andererseits passt das auch ganz hervorragend zu diesem Bordeaux-Typus. Die Gerbstoffe sind allerdings wesentlich sanfter als bei manchen Bordelaisern, wir sind schließlich in Rheinhessen, und man kann den Wein auch jetzt schon super trinken.
5. Steinzeug-Ei – Avantgarde für Historisches
Zum Abschluss gibt es noch die größte Seltenheit – das Steinzeug-Ei. Stefan hat davon ein einziges, überlegt aber, sich ein zweites zuzulegen. Das Ei stammt wiederum von Vin et Terre, ein heiß gebranntes Material mit großer Dichte. Weil es nur eines davon im Weingut Sander gibt, kommt auch nur ein Wein aus dem Ei – der Grünfränkisch, eine der beiden historischen Rebsorten.
Das sagt Stefan: “Das Spannende an dem Ei ist die liegende Form. Der Wein liegt also nicht statisch da drin, sondern ist ganz langsam permanent in Bewegung. Dadurch kommt jeder Partikel Wein sozusagen in regelmäßigen Abständen an der Wand vorbei. Wenn du aus einem Stahltank mehrere Proben ziehst, einmal von der Oberfläche, einmal aus der Mitte und einmal von unten, dann riecht und schmeckt das jedesmal anders. Das ist beim Ei nicht so, da ist alles viel homogener und stabiler. Der Wein wird dadurch sehr rund, und genau das wollte ich für den Grünfränkisch haben.”
Sander Zeitensprung Grünfränkisch
Grünfränkisch ist eine uralte Rebsorte, von der man schon glaubte, dass sie ausgestorben sei. Per Zufall ist sie vor einigen Jahren in der Pfalz wiederentdeckt worden und wird seitdem über die Rebschule Martin auch wieder vermehrt. Ein echtes Zeitdokument und immer noch ziemlich einmalig in Deutschland. Grünfränkisch besitzt normalerweise durchaus Kraft, 13,5 vol% in diesem Fall. Das Exemplar aus dem Jahrgang 2020 kostet 15 € ab Hof.
Interessant, der Chardonnay aus der Amphore war ja schon ziemlich zugeknöpft zu Anfang, und zumindest in der Nase ist es der Grünfränkisch aus dem Ei auch. Es gibt wenig Primärfrucht, dafür Walnuss mit Schale, Mineralik, Kräuterstrauß und eine versteckte Aprikose. Die Nussigkeit bestimmt den Wein auch im Mund. Da gibt es schon Power, aber keine Schwerfälligkeit, dafür einen gewissen Gerbstoffgrip. Den kann der Wein gut gebrauchen, er strukturiert und schafft sozusagen das Knochengerüst. Den schwebenden, runden Charakter kann ich beim Grünfränkisch durchaus nachvollziehen. Ansonsten fühle ich mich total nach Kontinentaleuropa versetzt, tatsächlich vielleicht nach Österreich. Diese subtile Kraft, die Nussigkeit, die Struktur ohne Holztouch, da denke ich an Veltiner und an Backhendl.
6. Betontank – wieder im Kommen
Als wir eigentlich schon durch sind, sehe ich noch die Betontanks in der Ecke. Dass es welche sind, muss man wissen, denn für Uneingeweihte ist da eher eine geflieste Wand mit kaminähnlichen Aussparungen. Beton als Ausbaumaterial gab es früher öfter, weil man da richtig große Dinger für relativ wenig Geld bauen konnte. Außerdem lässt Beton normalerweise ein wenig Luft durch, gibt aber keine Aromen ab wie Holz. In Südfrankreich ist Beton deshalb wieder ganz groß en vogue, und man findet richtig gute Weine daraus, wie ich bei meinem Montirius-Besuch feststellen konnte.
Stefan sagt: “Die Betontanks standen lange leer, aber das Gute ist ja an diesen Ausbaugefäßen, dass sie nicht vergammeln. Meine stammen aus den 1960ern und sind mit Glasfliesen ausgekleidet, haben also nicht diese Offenporigkeit. Ich möchte deshalb anders mit ihnen experimentieren. Die Behälter sind nämlich ins Erdreich hineingebaut, selbst oben drauf ist noch ein Meter Erde, was eine wesentlich konstantere Temperatur bedeutet. Ich finde die Verbindung mit der Erde auch vom biodynamischen Aspekt her interessant. Aber wie gesagt, ich bin noch nicht auf einer Stufe, dass es da etwas Fertiges gibt. Du weißt ja, ich muss immer etwas Neues zum Ausprobieren haben.”
Sagt er und grinst. Meine werten Freundinnen und Freunde des Weingenusses, das war doch mal eine veritable Tour de Force durch den Keller eines Modell-Weinguts. Ich hoffe, ihr habt bis zum Ende durchgehalten und hattet ebenso viel Spaß dabei wie ich.
Meine bisherigen Beiträge zum Weingut Sander findet ihr hier:
- Der Lössterrassen-Spätburgunder bei der Probe der besten Pinot Noirs unter 15 €
- Die Ankündigung meines Jahres mit dem Weingut Sander
- Das große Interview mit Stefan Sander über gute Butter, alte Rebsorten und Bio-Zukunft