Welcher Winzer hat nicht schon immer davon geträumt, seine Weine nach irgendeinem coolen Vorbild zu benennen. Also nicht Dimpfelhausener Sonnenhang Riesling Kabinett trocken. Sondern ein Name, der sofort eine Reaktion hervorruft, bei dem die Leute anfangen zu diskutieren. Die einen finden’s super, die anderen schlecht, die dritten können sich nicht mehr so richtig erinnern, weshalb die vierten gleich mal die Hookline vorsingen. Voyage Voyage zum Beispiel. Ein Song, der so eightiesmäßig ist, so Euro-Frenchie-eightiesmäßig ist, dass ihn alle kennen, die damals schon älter als sieben Jahre waren. Genau so, also Voyage Voyage, heißt dieser Wein von Sven Leiner. Muss man ihn allein deshalb haben?
Voyage Voyage von Sven Leiner
Ich kenne die Weine von Sven Leiner schon ziemlich lange. Eigentlich waren sie von Anfang an implizit experimentell angelegt. Das Weingut selbst hatte Vater Jürgen in den 70er Jahren im pfälzischen Ilbesheim gegründet. Sven stellte es dann zunächst auf biologischen, später auch auf zertifiziert biodynamischen Anbau um. Es gibt eine Fusion-Linie als Einstieg, die Handwerk-Linie für den kernigen Terroirgenuss und schließlich die Top-Linie, die den Lagen und ihren Charakteristika vorbehalten ist. Die Lagennamen stehen allerdings nicht auf den Etiketten, weil sich Sven dazu entschlossen hat, unter dem freieren Landwein-Modell zu operieren.
Ich finde das immer, tja, interessant sagen wir mal, dass bei jemandem, der extrem achtsam mit Böden und Reben umgeht, der spontangärt, nicht schönt und nicht filtriert, dass ausgerechnet bei so jemandem “Landwein” oder gar noch etwas Allgemeineres draufsteht. Aber ich glaube, das ist ein anderes Thema. Man kann aus der Not nämlich auch eine Tugend machen und die Freiheitsgrade noch ein wenig mehr ausdehnen. So geschehen mit der Natural-Linie ohne Limits aber mit Verstand, zu denen auch der Voyage Voyage gehört.
Der Voyage Voyage ist ein reiner Spätburgunder und passt deshalb top in das Portfolio des Roten Deutschlands. Die Trauben wurden der macération carbonique unterzogen, was nicht nur im tempogeprägten Beaujolais, sondern auch in der Naturweinszene einige Beliebtheit genießt. Klar, man kann damit die Weine mit sanfterem Tannin schneller auf den Markt bringen. Man kann dadurch aber auch den Schwefel deutlich reduzieren oder sogar (wie hier) ganz darauf verzichten, weil die Gärung praktisch sauerstofffrei stattfindet. Anschließend, ich erwähnte es ja schon, wird nichts mehr herumgefuhrwerkt. Sondern der Wein kommt ungeschönt, unfiltriert und eben auch ungeschwefelt auf die Flasche.
Wie schmeckt der Wein?
Weil wir gerade bei Voyage Voyage sind, Reise Reise also, habe ich in Ermangelung eines Fotos mit den Leiners den letzten Ort fotografisch festgehalten, an dem ich sie getroffen hatte. Die Millésime Bio in Montpellier. Das war noch vor Corona. In diesem Jahr zur digitalen Ausgabe habe ich dann lieber mit ihnen telefoniert, und Sven erzählte mir dabei von seinen Experimenten mit echter Agroforst à la Reben die Bäume hochklettern lassen. Langweilig und uninteressant wird es im Hause Leiner also nie.
Aber zurück zum Voyage Voyage: Wie schmeckt unser Zeitreise-Schoppen denn nun? In der Nase gibt es zunächst einen kleinen Stinker, der sich allerdings in Rekordgeschwindigkeit verzieht. 30 Sekunden später ist davon nichts mehr zu spüren. Dafür gibt es eine sehr frische, krautige, buschige Art. Rote Johannisbeere, Himbeere, viele Sträucher, bissle Bohnenkraut, Kerbel, so etwas.
Im Mund perlt der Voyage Voyage noch leicht, ist vollkommen trocken und mit einer herzhaften, aber nicht übertriebenen Säure ausgestattet. Das ist ein Wein, der gleich nach vorn geht, auf die silberne Tanzfläche mit der Diskokugel. Nein, halt, mit diesen Zitterlichtern, wir sind ja in den 80ern. Es gibt eine unfiltrierte fruchtdichte Kirschnote, frisch, keine Würze, kein Nachhall, herb und lecker. Sowas trinkt man enorm schnell weg. Auch am nächsten Tag geht die Reise noch wunderbar weiter. Erst an Tag 3 zeigen sich bräunliche Aspekte, der Sauerstoff grätscht hinein, Neonlicht an, Sperrstunde, Party vorbei. Bis dahin dürfte allerdings bei keinem verständigen Zecher noch etwas in der Flasche geblieben sein.
Wo kann man ihn kaufen?
Kaufen kann man den Wein ziemlich exklusiv (oder sogar vollkommen exklusiv?) bei Viniculture für 15,50 €. Diese Kombination passt aber auch absolut ideal.
Wo man solche Weine weniger vermuten würde, das sind die Redaktionen der einschlägigen Weinguides. Insofern war ich total angenehm überrascht, als ich gesehen habe, dass Sven seine Projektweine auch zum Falstaff Guide geschickt hatte. Alle, das heißt neben dem Voyage Voyage auch noch Foxy Lady, Bitches Brew und Delight. Rock, Jazz, Rap, alle mit Vinyl-Etikett.
Wer übrigens mal mit unnützem Wissen glänzen möchte innerhalb der Spät-Boomer-Community: Wir alle wissen ja, dass die Interpretin von Voyage Voyage Desireless hieß. Oder sich so nannte. Und wie hieß sie wirklich? Claudie Fritsch-Mentrop. Was dann auch die desire nach einem coolen Künstlernamen erklären dürfte. Sichert euch also ein Fläschchen des feinen Weins, viel wird es nicht mehr geben.
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