Pinot Noir Burgund gegen USA – das Judgment of Bonn

Judgment of Bonn Pinot Noir

Pinot Noir ist die Rebsorte, aus der die feinsten, duftigsten, elegantesten Rotweine gekeltert werden. Obwohl das schon seit langem bekannt ist, hat keine andere Rebsorte in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen vergleichbaren Beliebtheitsaufschwung hingelegt. Nach der Zeit der pechschwarzen, ultrareifen Weine der 90er Jahre ist das Pendel mittlerweile hinübergeschwenkt zu Cool Climate, zu früherer Ernte, zu bewusster Zartheit. Ob in Chile, in Kalifornien oder auf der japanischen Nordinsel Hokkaido, überall gibt es  neue Pinot Noir-Anpflanzungen, die mit großem Aufwand hart am klimatischen Limit gedeihen. Und die klassischen Burgunder sind diesem Aufschwung folgend preislich leider in astronomische Sphären abgehoben. Zeit also, bei einer Blindprobe Burgunder von der Côte d’Or gegen ihre Pendants aus den USA antreten zu lassen.

[Kleiner Hinweis an alle, die sich nicht für Details interessieren: Eine ganz knappe Zusammenfassung gibt es unter der beliebten Abkürzung “TL;DR” am Ende des Artikels.]

Wir befinden uns in Bonn. Bonn am Rhein, ehemalige Hauptstadt einer längst verschwundenen Republik und Sitz des Bonner Weinzirkels, der sich heute zum 75. Mal zusammengefunden hat. Das ist mehr als beachtlich, und ich kann nur erahnen, wie viele große Weine in diesem Kreis schon probiert und besprochen worden sind. Das letzte Treffen dieser Runde, an dem ich auch teilgenommen hatte, war Weißweinen von der Loire gewidmet – ich hatte ebenfalls berichtet.

Diesmal ging es also um Pinot Noir, und zwar in Anlehnung an das berühmte “Judgment of Paris” um einen kompletten Blindtest gleichwertiger Gegner. Ein riesiger Dank erst einmal an unsere Gastgeber, aus deren Privatkeller die heutigen Schätze stammten! Auf französischer Seite waren das in aller Regel Premiers Crus, die seinerzeit zwischen 40 und 80 € gekostet hatten. Heute würde man wahrscheinlich das Doppelte veranschlagen müssen. Ihre Gegner aus der Neuen Welt mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Oregon waren ähnlich bepreist.

Beim “Judgment of Paris” waren die Cabernet Sauvignons zwischen drei und sieben Jahre alt, und gewonnen hatte mit dem Stag’s Leap der allerjüngste Wein, der sich möglicherweise noch in seiner Fruchtphase befand. Wir wollten hingegen auch ein bisschen Reife mit ins Spiel bringen, also möglichst jenseits der Verschlussphase ansetzen. Deshalb waren unsere Pinots im Wettbewerb zwischen sieben und 19 Jahre alt.

Das Procedere war dabei folgendermaßen: In einer ersten Runde traten jeweils vier Weine in einer Gruppe gegeneinander an. Jeder von uns legte danach eine Rangfolge von 1 bis 4 fest, und der Mittelwert dieser Ränge von uns allen bestimmte, in welche Gruppe der jeweilige Wein für die zweite Runde eingeordnet wurde. In der zweiten Runde gab es also wieder vier Vierergruppen. Der Sieger des Abends war dann derjenige, der seine Vorrunde gewonnen hatte und auch die zweite Runde der vier Gruppensieger. Ein Lucky-Loser-Prinzip gab es dabei nicht. Es ist also durchaus möglich, dass ein Erstrunden-Zweiter im Direktduell gegen den “schlechtesten” Gruppensieger hätte gewinnen können. Aber zu kompliziert wollten wir es auch nicht machen. Erst ganz zum Schluss wurden die Weine aufgedeckt. Mit Überraschungen für uns, positiven wie negativen.

Los also zum Ergebnis:

Platz 1: Domaine Jean-Jacques Confuron, Nuits-St-Georges PC Aux Boudots, 2008, 13,5 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Jean-Jacques Confuron

Der Siegerwein, und er hat den Spitzenplatz verdient. In der ersten Runde hatte er für mich ebenfalls seine Gruppe gewonnen. Zurückhaltend in der Nase, sehr klassisch am Gaumen mit viel Tannin und frischer Säure. Der würde sich auch noch länger halten, wahrscheinlich sogar weiter verbessern. In der Endrunde dann dasselbe Bild: Dies ist der intensivste, nachhaltigste, schlichtweg kompletteste Wein der Probe. Gratulation, ein super Stoff! Nach dem Aufdecken nur mäßige Überraschung in der Runde: Confuron, Côte de Nuits, ein guter Burgunder. Aber aus dem kühlen Jahrgang 2008. Das ist schon ein Hinweis.

Platz 2: Argyle, Pinot Noir Spirithouse, Willamette Valley, 2007, 14 vol%

Judgement of Bonn Pinot Noir Argyle

In der ersten Runde hatte ich auch diesen Wein als Gruppensieger gesehen. Hellfarbig, dezent laktisch in der Nase und am Gaumen sehr klassisch, kühl und zurückhaltend. Ich notiere, dass der Stil mir gefällt, auch wenn der Wein nicht der “hochwertigste” seiner Gruppe ist, wenn man darunter die etwas dichteren Vertreter versteht. In der Endrunde hatte ich lange mit mir gekämpft, diesem Wein aber tatsächlich den Spitzenplatz verliehen. Unter den Gruppensiegern wirkte er erstaunlicherweise ziemlich stark und warm, entwickelte sich mit Luft aber immer positiver. Der Wein ist hervorragend, die Ausstattung mit Schrauber und dem oben abgebildeten Etikett, tja, allerhöchstens Geschmackssache. Die 14 Umdrehungen steckt der Wein dafür ziemlich gut weg.

Platz 3: Beaux Frères, Pinot Noir, Ribbon Ridge 2009, 14,2 vol%

Judgement of Bonn Pinot Noir Beaux Frères

Jetzt kommt ein Wein, den ich in der ersten Runde ganz hinten gesehen hatte. Aber ich war offenbar in der Minderheit. Aufdringlich parfümiert nach Himbeere, hatte ich geschrieben, Gelee am Gaumen, alkoholisch und etwas zu vordergründig. Auch in der Endrunde hatte ich den Wein auf Platz 4 gesetzt, das wäre bei mir allein also eher hinteres Mittelfeld gewesen und nicht etwa Podium. Nach dem Aufdecken schäme ich mich nicht dafür, so ist es nun mal, auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass die Schönen Brüder sehr angesehen sind. Auch in dieser Runde. Für mich ist das alles zu marmeladig und alkohollastig, nicht meine Idealvorstellung eines Pinot Noirs.

Nur falls ich das vergessen hatte zu erwähnen: Wir waren (glaube ich) zu zehnt und hatten uns vorher darauf geeinigt, dass wir rein nach unserer idealtypischen Pinot-Vorstellung bewerten würden. Im Ergebnis bedeutete das, dass ich mit einigen total auf einer Wellenlänge lag (Siggi hatte, wenn ich mich nicht täusche, alle Siegerweine mit mir identisch), während andere eine abweichende Vorstellung vom Pinot-Idealtyp besaßen. Auch darüber lässt sich trefflich diskutieren, aber gehen wir weiter in der Platzierung.

Platz 4: Maysara, Pinot Noir Estate Cuvée, McMinnville 2008, 13 vol%

Judgement of Bonn Pinot Noir Maysara

Der günstigste Wein des Abends, mit Schraubverschluss, dafür Demeter-zertifiziert – eine echte Überraschung. In der ersten Runde hatte ich ihn vorn gesehen, ein dunkel und sehr jung aussehender Typus. In der Nase wirkte er etwas weichholzig, am Gaumen aber frisch und sehr fruchtig, Schwarzkirsche, gute Säure, wenngleich etwas zu minzig-modern. In der Endrunde war ich mir auch nicht ganz sicher: Substanz haben die anderen sicher mehr. Dies ist ein leichtfüßiger, kirschiger Typus, wenig Tannin, aber sehr ausgewogen. Das Glas war jedenfalls als erstes leer, ein Leckerschmecker, und wären wir nicht bei einem ernsthaften Wettbewerb, würde ich diesen Wein austrinken und nicht ausspucken. Hat sich seinen Platz hier oben verdient, aber Tiefe haben andere sicher mehr.

Platz 5: Domaine Sérafin Père & Fils, Gevrey-Chambertin Vieilles Vignes 2003, 13 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Sérafin

Tiefe besitzt dieser Wein zum Beispiel. Es gab auch einige in der Runde, die ihn insgesamt vorn gesehen hatten. Also Zweiter in der ersten und Sieger in der Runde der Zweitplatzierten, das wäre mit anderer Gewichtung mindestens das Podium gewesen. However, er hatte in der ersten Runde gegen den Confuron verloren, und zwar deutlich (nach meinen Aufzeichnungen). Dies ist ein starker Wein, gelblicher Rand im Glas, alkoholisch in der Nase, am Gaumen mit viel Tannin und Alkohol, aber auch sehr dicht, sehr kompakt. Ich notiere, dass dieser Wein aus einem kühleren Jahrgang besser gewesen wäre. Und in der Tat ist es ein 2003er, also das Gegenteil von kühl. In der zweiten Runde sah ich ihn ebenfalls auf Platz 2 in seiner Gruppe. Reif und kraftvoll, gute Gerbstoffstruktur, nur halt nicht besonders lebendig.

Platz 6: Hirsch, Pinot Noir San Andreas Fault, Sonoma Coast 2011, 13,4 vol%

Jugdment of Bonn Pinot Noir Hirsch

In der ersten Runde hatte mir der Wein überraschenderweise nicht so gut gefallen. Es handelte sich um den dunkelsten Wein der Gruppe, mit einer erdig-kellerig-kräuterigen Nase und einem weiterhin erdig-dunklen, sehr extrahierten Geschmack. Tannin war auch da, weshalb ich dachte, es wäre ein modern gemachter Pommard oder so etwas. In der zweiten Runde kam der Weine ebenfalls nur auf Platz 3 bei mir wegen seiner aufdringlichen Nase und der mir “modern” vorkommenden Machart. Aber eine große Frische besitzt der Wein. Nach dem Aufdecken war ich etwas verblüfft, denn gerade Hirsch hatte ich doch eher als zarter und heller in Erinnerung. Ob es am Jahrgang lag?

Platz 7: Domaine de la Vougeraie, Vougeot Clos du Prieuré 2002, 13 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Vougeraie

Der zweitgünstigste Wein der Probe, kein Premier Cru zudem. Macht aber nichts, denn der Wein hält leicht mit im Konzert der Premierten. In der ersten Runde hatte ich den Wein auf Platz 2 gesehen, aber es handelte sich definitiv um einen individuellen Vertreter: Hell in der Farbe, in der Nase rauchig, gär-reduktiv und ein deutlicher Ton nach kalter Fleischbrühe, der auch im Mund bestehen bleibt. Das ist nicht so unangenehm, wie es sich anhört, denn der Wein besitzt daneben eine hohe Eleganz. In der zweiten Runde notiere ich “ganz klassisch Burgund”, gefällt mir sehr gut und hätte nach meiner Wertung die Gruppe auch gewonnen. Ein wirklich schöner Wein.

Platz 8: Sanford, Pinot Noir La Rinconada, Santa Barbara County 1999, 14 vol%

Judgement of Bonn Pinot Noir Sanford

Mit diesem Wein hatte ich bereits in der ersten Runde gekämpft. Rumtopfig, zu reif, zu stark, aber dann doch mit Substanz. Das war für mich der Einäugige unter den Blinden, wenn man so etwas bei hochwertigen Pinot Noirs überhaupt sagen kann. Jedenfalls mein Sieger aus einer eher schwachen Gruppe. In der zweiten Runde kommen wieder Dichte, Gerbigkeit, Alkohol und sogar ein bisschen Süße à la 3 g Restzucker. So etwas hatten wir bei den anderen Weinen nicht verspürt.

Platz 9: Au Bon Climat, Pinot Noir Isabelle, California 2007, 13,5 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Au Bon Climat

Und hier einer der Unglücksraben der Probe. In Runde 1 ging es gegen den Confuron und den Sérafin, also die beiden Weine, die letztlich ihre jeweilige zweite Runde gewannen. Genauso wie dieser hier. Ich hatte in der ersten Runde einen leicht künstlichen Muskatton in der Nase bemängelt und etwas klebrige Himbeere, als ob es sich um einen deutschen Spätburgunder handeln würde. Am Gaumen gefiel mir der Wein aber mit seiner feinen Frucht und seiner guten Würze. Das war Platz 2 für mich. In der zweiten Runde hatte ich auch ein bisschen zu viel Bitterkeit verspürt, aber insgesamt ist das ein hochwertiger Wein mit Substanz. Mir kam es vor, als hätte er etwas zu lange im Fass zugebracht, aber da kann ich mich natürlich täuschen.

Platz 10: Domaine Jacques-Frédéric Mugnier, Nuits-St-Georges PC Clos de la Maréchale 2006, 13 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Mugnier

Auch dieser Wein hatte in der ersten Runde ein bisschen Pech, aber nicht etwa, weil die Gegner so übermächtig gewesen wären. Sondern weil er selbst so zugeknöpft daherkam. Extrem dezent in der Nase, kirschig und tatsächlich relativ einfach wirkend, wenngleich Tannine vorhanden waren. In der zweiten Runde war ich vom ersten Moment angetan, aber dann verschwand der Wein irgendwie fast ohne Nachhall. Was ist hier los gewesen, Spitzenwinzer Jacques-Frédéric? Hatten wir dem Wein zu wenig Luft gegeben? Oder ist der Mugnier-Stil im Allgemeinen nicht dazu angetan, im Blindtest gegen expressivere Gegner anzutreten?

Platz 11: Domaine de l’Arlot, Nuits-St-Georges Clos des Forêts St-Georges 2005, 13,5 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Arlot

Berühmtes Weingut, Spitzenjahrgang, teuerster Wein der Probe – das muss doch ein Spitzenplatz werden. Oder auch nicht. Und das hatte möglicherweise etwas mit dem ursprünglich vorgesehenen Wein zu tun. Jener nämlich stellte sich in der ersten Runde als muffig und ziemlich hinüber heraus, weshalb dieser hier spontan einspringen durfte. Frisch aus dem Keller, plopp und los. Nicht nur die Farbe war die dunkelste, sondern die Nase auch noch nicht ganz soweit: ein Stinker, dunkel, jung wirkend. In Runde 2 hätte das also besser laufen müssen, aber auch da kamen rauchig-buschig-gerbige Noten zum Vorschein. Für mich war der Wein tatsächlich deutlich zu jung, verschlussphasig. In fünf oder eher zehn Jahren wäre dies möglicherweise ein potenzieller Sieger. Und ja, das kann man auch von einem bereits 13jährigen Pinot Noir sagen.

Platz 12: Gantenbein, Fläscher Pinot Noir 2009, 13,5 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Gantenbein

Das hier ist gewissermaßen der Pirat der Runde. Allerdings lag für mich Graubünden nicht etwa im Burgund, sondern in Oregon, aber dazu weiter unten. In der ersten Runde fiel der Wein vor allem durch seinen Geruch nach frisch gemahlenen Kaffeebohnen auf. Am Gaumen notiere ich “Cola, Kaffee, Fassholz”. Ein bisschen zu rauchig insgesamt, aber nicht gar so übel (nochmal: viele tolle Weine heute hier, seht meine Bewertungen bitte als rein relative Einschätzung). In der zweiten Runde ist uns einfach nicht so sehr nach Kaffee, der Wein zu modern und ein bisschen kurz. Platz 4.

Platz 13: The Eyrie Vineyards, Pinot Noir, Oregon 2007, 13,5 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Eyrie

Richtig Spaß hat es uns gemacht, hier die zweite Runde anzukündigen als “Top of the Flops”. Beim Probieren der vier Letztplatzierten ist uns aber leider wieder eingefallen, warum wir sie jeweils an den Schluss ihrer Gruppe gewählt hatten. In der ersten Runde musste dieser Wein in der Monstergruppe ran – allesamt wurden sie Gruppensieger in Runde 2! Allerdings war dieser in der ersten Runde mit Abstanz hinten, weil es ihm schlichtweg an Nachhaltigkeit mangelte. Ich notiere “frische Himbeere, leider kurz”. Obwohl die Kürze bleibt, genügt die helle Art, um letztlich in der Tat der “Top of the Flops” zu werden.

Platz 14: Domaine de Montille, Volnay PC Les Taillepieds 2009, 13,5 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Montille

Ein großer Schrecken erfasst mich beim Aufdecken dieses Etiketts: de Montille, großartiges Weingut; Volnay, einer meiner Lieblingsburgunder. Der Schreck wird ein bisschen geringer, als ich in meinen Notizen blättere. Ich hatte diesen Wein in der ersten Runde auf Platz 2 gesehen und in der zweiten ganz vorn, also an mir kann dieser Platz nicht gelegen haben. Ich gebe aber zu, dass der Stil ganz sicher nicht allen gefällt. Ich hatte in der ersten Runde eine ziemlich starke Herbheit verspürt, kräuterig, buschig, “Loire-Stil”. Und auch in der zweiten Runde legte der Wein aus diesem doch so warmen Jahrgang die latenten Unreifenoten nicht ab. Zu früh geerntet, phenolisch noch nicht so weit? Ich weiß es nicht. Wie gesagt, mir persönlich gefällt der etwas herbere Stil, aber das ist definitiv kein Wein für Freunde der weichen Harmonie.

Platz 15: Soter, Pinot Noir Beacon Hill, Yamhill County 2002, 13,8 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Soter

Dies hingegen war gar nicht mein Fall, und zwar von Anfang bis Ende. “Süß, alkoholisch, unharmonisch, wenig Frucht”, notiere ich, wobei sich Süße nicht auf Zucker, sondern auf Glycerin bezieht. Genau so möchte ich einen Spitzen-Pinot nicht haben. “Trockener Likör” notiere ich dann bei der zweiten Runde, zweimal letzter Platz für mich. Und was das Erstaunliche ist: Mit 13,8 vol% ist dies nicht der stärkste Wein der Probe, aber Analysewerte sagen manchmal weniger als tausend Worte.

Platz 16: Domaine Michel Lafarge, Volnay PC Les Caillerets 2009, 13 vol%

Judgment of Bonn Pinot Noir Lafarge

Wenn man mir vorher gesagt hätte, dass der Volnay Premier Cru von Michel Lafarge den Wettbewerb gewonnen hätte, ich wäre nicht verwundert gewesen. Über den letzten Platz schon, wir alle eigentlich. In der ersten Runde hatte ich ihn auf Platz 3 in seiner Gruppe gesehen, aber auch da war mir schon der etwas “giftige” Lösungsmittelton in der Nase aufgefallen. Säure und Tiefe waren hingegen viel zu wenig präsent. In der zweiten Runde stellte der Wein dann besonders seine harten Gerbstoffe zur Schau. Interessant für mich, was man aus einem solch heißen Jahrgang im Burgund machen kann. De Montille wagt eine herb-kräuterige Art, Lafarge setzt hingegen offenbar auf eine späte Lese und nimmt damit Säure und Frische.

Das Fazit

Rhein bei Königswinter

Und da sind wir auch schon beim Fazit. Eine hyper-lehrreiche Probe war das für mich, ganz fantastisch! Vier Fragen hatte ich mir vor der Probe gestellt, die ich jetzt irgendwie besser beantworten kann.

Wer ist denn jetzt besser, die originalen Burgunder oder ihre Counterparts aus den USA?

Das war ja die eigentliche Fragestellung, die dem “Judgment of Bonn” zugrunde lag. So ganz eindeutig lässt sich das nicht beantworten, denn nach dem Sieger aus Frankreich folgen dreimal USA, dann wieder Frankreich und das Ganze dann weiter in bunter Folge. Die US-Vertreter haben im Durchschnitt der Platzierungen aber besser abgeschlossen.

Welchen Typus haben wir bei unseren Bewertungen bevorzugt?

Pinot Noir – ich schrieb es ja schon weiter oben – ist die rote Rebsorte mit dem höchsten Eleganzpotenzial. Weil das sozusagen ihr USP ist und ihren Charakter prägt, haben wir das als idealtypisches Merkmal (so sehe ich es jedenfalls) auch am stärksten in die Bewertung einbezogen. Fast alle unserer Sieger der Runden 1 und 2 waren wirklich sehr schöne, elegante Weine. Daneben gab es aber tatsächlich Pinot Noirs, die heiß und plump wirkten, was beispielsweise den Soter und den Lafarge auf die letzten beiden Plätze hat fallen lassen. Frische ist also immer ein Thema, aber natürlich darf es bei der Premier-Cru-Klasse auch nicht zu dünn zugehen. Soll heißen: Eleganz und Nachhaltigkeit bei gleichzeitig einer gewissen Delikatesse – wer das hat, kommt zumindest in unserer Probe auf den Thron. Dadurch, dass wir hier zehn erfahrene Tester waren und uns zwischendurch nicht ausgetauscht hatten, könnte ich mir vorstellen, dass ein ähnliches Urteil auch in anderen Runden herauskäme.

Wann ist denn die ideale Trinkreife bei höherwertigen Pinot Noirs erreicht?

Wir hatten es hier ja mit Vertretern zu tun, die im Schnitt ein gutes Jahrzehnt auf dem Buckel hatten. Einer, ein 1990er, war aufgrund muffiger Alterungstöne ausrangiert worden. Alle anderen hingegen waren nicht zu alt, sondern nach meinem Empfinden gerade bei den traditionell tanninreicheren Exemplaren eher zu jung. Aus ihrer Fruchtphase waren selbstverständlich alle heraus, aber nur beim Soter hätte ich gesagt, dass die Frucht wirklich zu stark verschwunden war. Alle anderen besaßen noch genügend davon. Besonders bezeichnend war das für mich beim 2005er Arlot, den ich lieber noch etwas länger gereift probiert hätte. Die leichteren Weine wie den Maysara würde ich jetzt – zehn Jahre nach ihrer Ernte – aber tatsächlich auf dem Höhepunkt sehen.

Kann man blind Pinots aus dem Burgund und aus den USA auseinanderhalten?

Das ist eine interessante Frage, die ich mir auch gestellt hatte. Ich hatte deshalb bei jedem der blind probierten Weine in meinen Notizen am Rand ein F oder ein U geschrieben, je nachdem, wie ich seine Herkunft einschätzte. Den Gantenbein steckte ich in die USA, weil ich diese Rauch- und Kaffeenoten im Burgund noch nie geschmeckt hatte (Terroir oder Vinifikation, was auch immer stärker dafür verantwortlich war). Den Hirsch hatte ich in der ersten Runde als Franzosen gesehen, in der zweiten als Amerikaner. Und den Bon Climat hatte ich zunächst als Amerikaner eingeschätzt, in der zweiten Runde aber als Burgunder. Alles andere hingegen hatte ich korrekt eingeordnet. Und glaubt mir, das liegt keineswegs daran, dass ich ein so genialer Verkoster wäre. Ich halte gern mal einen Chenin aus Südafrika für einen Sémillon aus dem Bordelais. Das scheidet also aus.

Ich hatte mir hingegen überlegt, wenn das in der Regel ähnlich alte Weine sind, dann müssten die Burgunder der traditionellen Philosophie folgend eigentlich tanninreicher sein als ihre US-amerikanischen Pendants. Das habe ich als einzig wichtiges Unterscheidungskriterium herangezogen. Alkoholreich (wirkend) und ein bisschen schwer können Burgunder nämlich auch sein, das hatte ich bei vergangenen Proben schon gelernt. Aber Premiers Crus ohne Gerbstoffe, das gibt es kaum. Bei ganz jungen (oder sehr günstigen) Weinen würde ich mich das nicht trauen zu behaupten, bei ganz alten ebenfalls nicht. So ähnlich würde ich übrigens auch versuchen, deutsche von französischen Pinot Noirs zu unterscheiden. Ob sich die Deutschen dabei genau wie die US-Boys verhalten, wäre eine Sache, die mich ehrlich gesagt sehr interessieren würde.

TL;DR

Zehn Weinfreaks waren in Bonn zusammen gekommen, um via Blindprobe herauszufinden, ob Pinot Noirs aus dem Burgund oder aus den USA die besseren sind. Gewonnen hat zwar ein Burgunder (der Nuits-St-Georges 1er Cru Aux Boudots von Jean-Jacques Confuron), aber im Durchschnitt waren die US-Weine besser platziert. Zudem hat sich herausgestellt, dass wir Weine aus kühleren Jahrgängen und mit frischeren Noten insgesamt besser bewertet haben. Dick können viele Rotweine; wer aber Pinot Noir liebt, will genau diesen Hauch Zartheit auf hohem Niveau erleben.

 

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5 Antworten zu Pinot Noir Burgund gegen USA – das Judgment of Bonn

  1. Wie Du Dir vorstellen kannst, wäre ich gerne dabei gewesen und habe Deinen Artikel schon allein deswegen gerne gelesen. Es hat nicht sollen sein, aber dafür hat das Lesen dann noch mehr Spaß gemacht. Was mich aber irgendwie ratlos zurück lässt, ist der Anspruch eines Judgments, auch wenn es natürlich Spaß ist, und die Tatsache, dass die Jahrgänge der Weine so weit auseinander sind. Wie soll man den etwas ableiten können wenn auf der einen Seite ein 1999er Sandford steht und auf der anderen ein 2009er Gantenbein, oder was auch immer? Ich fände es toll, diese Weine alle an einem Abend zu probieren aber für ein Battle müssten die Jahrgänge der Weine doch näher beieinander liegen, finde ich. Just my two cents…

    • Matze sagt:

      Ja, Du hast natürlich völlig recht, dass wir am besten denselben Jahrgang für alle hätten nehmen müssen und dann auch noch “dichtere” Paarungen, also nicht zwei Runden, und das war’s. Andererseits: Auch beim echten Judgment of Paris waren die Weine ja unterschiedlich alt, und ein (aufs heutige Datum bezogen) 2016er und ein 2011er Cabernet wären sicher von ihrer Entwicklung her auch weit auseinander. Soll aber keine “Entschuldigung” sein, nur ein Hinweis.

      Was ich ganz spannend finde, ist die Frage, was man denn allen Ernstes WIRKLICH ableiten könnte von einem Tasting mit 16 2005er Pinots. Zu kaufen gibt es die in der Regel nicht mehr, jedenfalls nicht aus gleichen Lagerbedingungen. Bei dem einen Weingut hat sich der Stil inzwischen geändert, bei dem anderen nicht. Insofern hast du ja immer ein Zeitkontext-Element drin, selbst unter idealen Bedingungen. Für die Jetztzeit und den Jetztkäufer bringt das letztlich auch nicht viel. Vielleicht sind Battles ja allgemein ein bisschen gestrig und an überkommenen Vorstellungen von Competition orientiert… Ich bin mir da auch nicht so sicher, genau wie bei Bepunktungen, Medaillen und Ähnlichem. Mal sehen, was der Zeitenlauf dazu noch so sagen wird 😉

      • Thomas Riedl sagt:

        Hallo Christoph, hallo Matthias,

        Eure Diskussion verstehe ich gar nicht.
        Ich war bei der Verkostung dabei und habe schon die Ankündigung des “judgements” ausschließlich ironisch verstanden.
        Dennoch habe ich an dem Abend, der Aufforderung des Organisators Folge leistend, völlig subjektiv die Qualität der Weine beurteilt. Dabei stellte ich wieder mal fest, dass die Meinungen der Anwesenden so weit gar nicht auseinander lagen.

        Wenn ich an solchen Proben mit hochwertigen und damit teuren Weinen teilnehme oder sie organisiere, dann mit dem ganz persönlichen Wunsch sensorische Erfahrungen zu machen, die mir im Weinalltag aus schnöden finanziellen Gründen verschlossen bleiben.
        Das ist für mich wie der Besuch in einer Wellness-Oase: Hedonistischer Eskapismus, Selbstbelohnung und Selbstpflege nach anstrengenden Arbeitswochen, kurzum eine Ausnahme.

        Ich kaufe privat Weine als Essenbegleiter zu Preisen zwischen 5-10 Euro die Flasche ausschließlich bei Winzern und Fachhändlern. Für besondere Essen mit Freunden, für Feierlichkeiten und als Geschenke erwerbe ich jedes Jahr auch ein paar Flaschen, die bis 20 € kosten. Teurere Flaschen kann ich mir schlicht nicht leisten.
        Für den privaten Konsum meiner Familie kaufe ich also weder Burgund, noch West Coast, noch Bdx, Barolo, Barbaresco oder Große Gewächse.
        Die Preise solcher Weine sind m. E. Folge eines reinen Marketing-Hypes und haben mit den Produktionskosten und nicht selten mit der sensorischen Güte nichts mehr zu tun.

        Dank wine-searcher.com, wein-plus.de, der Datenbank des Meininger-Verlages, zahlreichen Weinführern und Fachzeitschriften mit Vergleichstests ist der Weinmarkt heute so transparent wie nie zuvor. Und “dank” der Überproduktion, der Bankenkrise in Südeuropa und des gnadenlosen Wettbewerbes im Internet ist es heute gar kein Problem, mit etwas Sachkenntnis bei Fachhändlern oder Winzern ausgezeichnete bis hervorragende Weine aus fast aller Welt zu erwerben und dabei trotzdem in der mir möglichen Preisbandbreite pro Flasche zu bleiben.
        Selbst 5-10 € für eine Flasche Wein ist für ~95% der Menschen in diesem Land schon exorbitant viel Geld. Ich erinnere mal: Der durchschnittliche Weinkäufer in D erwirbt seit Jahren 23 Liter Stillwein im Jahr und gibt dafür rund 3 € je Liter aus.

        Insofern hätten wir jetzt auch über die existentielle Bedeutung von Louis-Vuitton-Taschen, BMV-SUVs oder 500 g-Rindersteaks diskutieren können.

        Eine besinnliche Weihnachtszeit wünsche ich allen Leser*innen dieses Blogs.

        Thomas

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