Die Gegend zwischen dem Abhang des Jura-Gebirges und der Bresse-Ebene ist ein wasserreiches Land. Kaum irgendwo anders habe ich auf so engem Raum so unterschiedliche Flussformen sehen können, spektakuläre Wasserfälle und ruhige Ströme mit Anglern an ihren Ufern. Vom Land der Flüsse möchte ich ein bisschen fotolastig in meinem letzten Beitrag berichten – in der Reihe der kleinen Freuden der französischen Provinz.
Eine unvermeidliche Sache sei gleich zu Anfang erwähnt, denn irgendwoher muss das ganze Wasser ja letztlich kommen. Nun ist es nicht so, dass es im französischen Jura häufiger regnen würde als in vergleichbaren anderen Mittelgebirgen wie dem Schwarzwald oder dem Harz. Aber wir sind hier auch nicht an der Mittelmeerküste im Juli. Wer (wie ich) ohne Regenschirm angereist kommt, wird sich (wie ich) spätestens am dritten Tag einen solchen auf dem Markt kaufen.
Das ganze Juragebirge ist durchlöchert wie der sprichwörtliche Schweizer Käse. Oben in den Hochlagen sammeln sich die kleinen Bäche, versickern unterwegs im Gestein und treten geballt mit großer Macht am Abhang des Berglandes wieder zutage. Ihr könnt im Jura eine große Anzahl fantastischer Karstquellen besuchen und fast ebenso viele Tuffkaskaden wie auf dem Foto oben in Baumes-les-Messieurs.
Dadurch dass sich das gesammelte Bachwasser des Hochlandes an einigen wenigen Punkten in das vorgelagerte Land ergießt, sind die Oberläufe der Flüsse praktisch direkt ab ihrer Quelle wild und wasserreich – hier die Cuisance bei Arbois. Was isst man hier? Forellen natürlich.
Im weiteren Verlauf finden sich die ehemaligen Bäche zu einigen größeren Flüssen zusammen, die zwar immer noch ein paar Stromschnellen besitzen, ansonsten aber durch breitere, aber nicht weniger romantische Täler fließen – wie hier der Doubs bei Rochefort.
Und in diesem Fluss findet Ihr das ganze Jurawasser vereint. Die Saône entspringt in den Vogesen und mündet südlich der Altstadt von Lyon in die Rhône. Vielleicht liegt es daran, dass die Grenzen der einzelnen Départements ständig wechseln oder aber daran, dass sich an ihren Ufern keine größeren Städte befinden – jedenfalls ist das Tal der Saône touristisch wenig beschrieben und auch sonst relativ unerschlossen. Umso schöner für Flussliebhaber, die hier ohne Bahnstrecken, Autobahnen, Industriezonen und Touristenmassen einen großen Fluss in seiner vollen Schönheit genießen können.
Die Ebene südwestlich von Dole, in der Doubs und Saône zusammenfließen, ist allerdings nur auf dem menschlichen Atlas ein dünn besiedeltes Niemandsland. In den jeweiligen Ausgaben für Rinder und Wasservögel befindet sich hier ein bedeutendes Zentrum.
Viele Angler aus den Orten der Umgebung machen sich am Wochenende auf, um hier ihrem Hobby oder auch ihrem Beruf nachzugehen – die Flussfischerei an der Saône war einst ein gewisser Wirtschaftsfaktor. Mittlerweile wird die Profiszene allerdings von den vogeligen Fischern wie Graureiher, Kormoran oder (wie hier auf dem Foto) Seidenreiher beherrscht.
Einer der wenigen Orte, an denen Ihr authentische lokale Flussküche in einem Ambiente vom Anfang des 20. Jahrhunderts genießen könnt, ist das Restaurant “Beau Rivage” in Allerey-sur-Saône. Hier machen wir Mittagspause.
Die Friture des Ablettes ist Teil des Menüs, man kann sie sich aber auch als Vorspeise teilen. Es handelt sich hierbei um die in der Saône recht häufige Ukelei, eine kleine Fischart, die wegen ihrer geringen Größe und ihrer grätenreichen Art jedoch kaum irgendwo angeboten wird.
Das “Nationalgericht” der Gegend, das ich übrigens bis dahin selbst nicht kannte, ist die Pôchouse. Hier im “Beau Rivage” gibt es sie in zwei Formen, einmal als Pôchouse Verdunoise (von Verdun-sur-le-Doubs, dem zwei Kilometer flussaufwärts gelegenen Ort) mit Gräten und als Pôchouse Beau Rivage ohne Gräten. Ich nehme die Version mit Gräten, weil die Fischstücke da einfach besser zusammenhängen. Eine Pôchouse besteht aus drei oder vier unterschiedlichen Flussfischen. Wenn ich das richtig verstanden habe, hatte ich Schleie, Zander und Aal in der Schüssel, aber das kann je nach Fang leicht variieren. Gekocht werden die Fische in einer Sahne-Weißweinsauce mit viel Knoblauch, “trés aillé”, wie die Kellnerin lobend warnte. Schmeckt köstlich, hält lange vor.
Während wir also gemütlich unser Flussmenü zu uns nahmen, hatte sich am Nachbartisch eine lebendige Runde eingefunden. Einige ältere Damen und Herren des Kirchenvorstands hatten es sich zur Aufgabe gemacht, den kaum dreißigjährigen Jungpfarrer einmal auszuführen, auf dass auch er die alten Spezialitäten kennenlerne. Es wurde ausgiebig erzählt, probiert und dem guten Wein zugesprochen. Als die dritte Flasche die Runde macht, ergreift der Pfarrer das Wort und gesteht, dass er sich elf Kartons billigen Messwein habe andrehen lassen. Jetzt wisse er nicht, wohin damit. Wie es denn wäre, wenn er nach der Messe sozusagen noch einen Apéro reichen würde. Mit dem Messwein natürlich. Großes Hallo unter den Kirchenvorstehern, das seien ja sehr innovative Methoden. Was er denn als Häppchen dazu anzubieten gedenke? Nun, meint der Jungpfarrer, vielleicht Chips? Noch größeres Juchzen. “Das ist die neue Generation der Priester”, ruft eine Dame aus, “erst einen Apéritif nach der Messe und dann dazu noch Kartoffelchips!” Alle sind sehr vergnügt, die Witze werden politisch und zunehmend auch auf andere Weise unkorrekt, aber dafür reichen meine Französischkenntnisse leider nicht mehr aus. (Ohnehin belauscht man keine Gespräche am Nachbartisch, aber wenn es doch so lustig ist…)
Wie kann man sich nun am besten im Land der Flüsse fortbewegen? Mit dem Rad natürlich, ich hatte ich einem der vorherigen Artikel ja bereits davon berichtet.
Am originalsten ist es natürlich, an den ruhigen Unterläufen mit dem hölzernen Ruderboot herumzustromern. Na gut, vielleicht nicht mehr mit diesem hier.
Dann kann man sich – wie hier in Dole – an einigen Stellen auch moderne Hausboote mieten.
Als Katze findet man die altmodischen Kähne mit ihren Bullaugenfenstern allerdings wesentlich ansprechender als diese sterilen Plastikboote.
Und damit geht nicht nur dieser Beitrag, sondern alle meine Artikel über unseren Aufenthalt in Dole zu Ende. Für mich hat sich gezeigt, dass die kleinen Freuden der französischen Provinz tatsächlich existieren. Vielleicht haben wir Euch ja ein wenig Lust gemacht, auch einmal in die Gegend um Dole herum zu fahren, um an diesen kleinen Freuden teilhaben zu können.
Beautyjagd beschließt unsere Themenwoche heute ganz stilecht mit ihrem Abschlusspost aus dem Café.
Mit Vergnügen fast alle Folgen gelesen, merci!
Tolle Idee, diese zweiseitige Serie! Vielen Dank für die schönen Impressionen jenseits des Mainstreams. Vielleicht gibt’s ja mal eine Fortsetzung in einer anderen Region?