Soba-Nudeln richtig essen

TitelAu weh, was kommt denn jetzt? Wird Euch Traveller-Matze, weitberühmt für seine guten Manieren, an dieser Stelle erklären, wie man Messer und Gabel korrekt bedient? Mitnichten. Es soll Euch nur nicht so ergehen wie mir bei meinem ersten Besuch in einem Soba-Restaurant. Dabei hätte es doch eigentlich kinderleicht sein sollen. Endlich einmal nichts Exotisches essen, sondern einfach ein paar Nudeln…

Soba-Restaurants sind in Tokio genauso beliebt wie weit verbreitet. Auf Tabelog sind im Großraum Tokio nicht weniger als 3.092 verschiedene Restaurants in dieser Kategorie gelistet. Da fällt es nicht schwer, ein Soba-Restaurant in der Nachbarschaft zu finden. Bei mir bedeutet das konkret: im Erdgeschoss meines Wohnhauses. Als ich mittags dort essen gegangen bin, habe ich mich unwillkürlich daran erinnert, welche Schwierigkeiten ich hatte, als ich in Azabu-juban zum ersten Mal Soba gegessen habe.

SobadokorokurodaAber was ist überhaupt ein Soba-Restaurant? Nun, Soba sind Nudeln, die in aller Regel aus (hauptsächlich) Buchweizen- und Weizenmehl bereitet werden. Die Palette reicht dabei von der dickeren Futouchi-Soba, die zu 100% aus Buchweizen besteht, bis hin sozusagen zur Soba-Krönung, der Sarashina-Soba, die nur aus dem polierten Buchweizenkorn hergestellt wird und dadurch praktisch weiß ist wie eine Weizennudel.

Die wichtigste Frage, die Euch beim Besuch eines Soba-Lokals gestellt wird, ist diejenige, ob Ihr Eure Nudeln warm oder kalt essen wollt.

Kalte Nudeln? Aber ja, gerade im Sommer ist diese Option, “Mori-soba” genannt, besonders beliebt. Und die Nudeln kommen ja auch nicht kühlschrankkalt auf den Tisch, sondern temperiert. Ich schaue herum und stelle fest, dass sich die meisten der anwesenden Mittagspausen-Herren für die warme Soba-Version entschieden haben. Interessanterweise kommen Soba kalt immer auf einem sehr hübschen Tablett aus Bambus daher, so ähnlich wie eine Portion Pasta. Die warme Variante hingegen bedeutet, dass die Nudeln gleich in einer Suppe gereicht werden. „Kitsune“ heißt dabei mit Frühlingszwiebeln und frittiertem Tofu, „Tanuki“ bedeutet mit Tempurastückchen als Einlage. Die Herren nehmen in der Regel die heiße Suppe und ein bis zwei Tempurateile zusätzlich, Garnele und Aubergine zum Beispiel.

Ich möchte aber kalt essen und bestelle Mori-soba, dazu ebenfalls ein paar Tempurastücke. Beim Anservieren allerdings bekomme ich einen kleinen Schreck: Die Nudelplatte ist ja okay, aber da gibt es noch vier zusätzliche Gefäße: zwei kleine Töpfe mit unterschiedlichen Saucen, ein kleines Schüsselchen mit Frühlingszwiebeln und Wasabi sowie ein Gefäß, das wie ein Trinkbecher aussieht, in dem sich aber rein gar nichts befindet. Was soll ich da bloß wo hinein geben? Was mache ich zuerst, was nachher? Geht es mir so wie den Japanern, die im deutschen Hotel Wurst und Marmelade gleichzeitig aufs Brötchen packen? Werde ich vor Nervosität wieder Sauce aufs weiße Hemd schlabbern, mich beim Schlürfen verschlucken? Ich werde Euch jetzt nicht erzählen, wie ich versucht habe, mich da aus der Affäre zu ziehen. Zum Schluss, als ich dachte, ich hätte es geschafft, kam jedenfalls noch eine weitere Hürde: Die Bedienung stellte eine Kanne auf den Tisch, in der sich eine milchige, heiße Flüssigkeit befand. Zum Händewaschen etwa? Oder irgendwas Rituelles? Soviel also zum „unkomplizierten Nudelessen“…

SobaplatteAlso, noch einmal zurückspulen und gaaanz langsam der Reihe nach: Ich bestelle Mori-soba und als Extra ein paar Tempurateile. Gebracht werden zwei Gefäße mit unterschiedlichen Sojasaucen. Eine davon, bei mir die hellere, ist für die Tempurateile, in die jene nämlich gedippt werden vor dem Verzehr. Das kannte ich ja schon. Die andere Sauce besteht nicht nur aus Soja, sondern heißt „Tsuyu“ und ist eine Mischung aus „Kaeshi“ und „Dashi“, wobei Kaeshi wiederum aus Sojasauce und „Mirin“ besteht, gesüßtem Sake. Dashi ist eine Wissenschaft für sich, die Grundbrühe japanischer Küche sozusagen mit tausendundeiner Variation. Im Prinzip bezeichnet die Standard-Dashi eine Brühe aus Algen und getrockneten Thunfischflocken (genauer: Bonito). Diese Sauce gibt man zusammen mit den Frühlingszwiebeln und dem Wasabi in das Gefäß, das wie ein Trinkbecher aussieht. Anschließend greift man die kalten Soba mit den Stäbchen, tunkt das untere Drittel dieses Nudelstraußes in die Tsuyu und isst das Ganze leicht schlürfend. Die nun leere kleine Schüssel, in der sich Zwiebeln und Wasabi befunden haben (Reste davon immer noch), dient als Dippgefäß für die Tempurateile – die hellere Sauce, Ihr erinnert Euch.

KanneWenn man Nudeln und Tempura aufgegessen hat, wird wie erwähnt eine Kanne an den Tisch gebracht, gefüllt mit dem heißen Wasser, in dem die Soba gekocht wurden. Weiß ist es in der Farbe und schmeckt für sich nach wenig. Nun gießt man jedoch dieses Wasser in den „Trinkbecher“, in dem sich ja noch der Rest der gemischten Sojasauce befindet. Das zusammen trinkt man genüsslich aus. Es schmeckt wie eine gut gewürzte Brühe. Perfekt.

Bei diesen komplexen Abläufen könnt Ihr Euch vorstellen, dass diese so simpel wirkende Speise aus Nudeln und Sauce einen in Wirklichkeit ungeheuer großen Detailreichtum aufweist. Alle einzelnen Bestandteile und erst recht die Kombination aus ihnen ist eine Kunst – oder kann das zumindest sein. Es gibt Restaurants, die Geheimrezepte für ihre Sojasauce über Generationen weitergeben. Selbstverständlich beinhaltet das die Auswahl der Sojabohnen, die verschiedenen Schritte der Fermentation und gewissermaßen die Cuvetierung.

Namiki Yabu SobaDie Soba im Restaurant bei mir unten im Haus kosten mit Tempura etwa 8 € und schmecken bereits sehr gut. Es gibt allerdings auch spezialisierte Soba-Restaurants mit zwei Michelin-Sternen und einer Historie bis tief in vergangene Jahrhunderte hinein. In Asakusa kam ich an einem elegant aussehenden Restaurant vorbei (auf dem Bild oben), vor dem sich bereits eine lange Schlange gebildet hatte. Es handelt sich um das „Namiki Yabu Soba“, und wer weiß, vielleicht werde ich mich auch einmal in diese Schlange einreihen.

Irgendwie fasziniert es mich immer wieder, wie die Japaner für praktisch jedes Handwerk die ganze Bandbreite zwischen einfacher Ausführung und höchster Meisterschaft entwickelt haben.

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8 Antworten zu Soba-Nudeln richtig essen

  1. Bei dir bekomme ich immer hunger …Immer 😀

  2. Mom sagt:

    Ihre Blogposts sind immer so interessant und stillen auch, nachdem ich momentan nicht sehr mobil bin, auch ein Stück weit meinen Reisehunger – vielen herzlichen Dank!

  3. djdadaeus sagt:

    Sehr interessant. Danke dafür. Dumme Frage mal wieder von mir:Wie sieht es mit anderen japanischenNudelsorten aus (Rahmen, Udon).. Haben die auch ihre eigenen Restaurants und eine damit verbundene Servier- und Esskultur?

    • Matze sagt:

      Im Prinzip ja. Ramen werden meist in “Ramen-Bars” gegessen, in denen man an der Theke sitzt. Es gibt in Tokio eine Zeitschrift namens “Ramen Walker”, die in Wort, Bild und mit Testnote unglaublich viele Ramen-Bars in Tokio auflistet. Das alles aber immer mit einem Augenzwinkern, Ramen-Bars sind irgendwie eine Mischung zwischen Schnellessstätte und Eckkneipe, also ein eher volkstümlicher Ort.

      Udon werden häufig parallel zu Soba in denselben Restaurants angeboten. Es gibt allerdings auch welche, die sich speziell auf Udon konzentrieren (ich war mal in einem davon). Die Spezialisierung hängt vermutlich damit zusammen, dass die allermeisten Restaurants (und die zugehörigen Küchen) für unsere Verhältnisse schlichtweg winzig sind. Da kann man nun einmal nicht gleichzeitig Sushi und Ramen und Schnitzel und Kaiseki anbieten. Wobei ich nicht weiß, was zuerst da war, die Henne oder das Ei, sprich die Mini-Restaurants oder die Spezialisierung…

      • djdadaeus sagt:

        Also sind Ramen eher sowas wie bei uns die Currywurst oder Bratwurst,ein volkstümliches Imbissgericht das zum Bier passt, während Udon und Soba mit mehr mit gehobener gutbürgerlicher ,klassischer Küche ala Wiener Schnitzel (also richtiges) oder Tafelspitz zu vergleichen sind? Weiss,so ein Vergleich hinkt wahrscheinlich total…..Finde sowas nur unglaublich faszinierend, gerade die Details der Esskultur-wie esse ich was,welche Speise wird in Zusammenhang mit welchen überhaupt gesehen usw., und gerade wie das in anderen Esskulturen komplett eigen funktioniert..
        War selbst leider nie in Japan. Irgendwann mal.

        • Matze sagt:

          Zu Ramen gibt’s in aller Regel höchstens ein Glas Wasser (das gibt’s eh in Japan in allen Restaurants kostenlos dazu), weil es ja schon eine Suppe ist 😉 . Bier trinkt man eher in der Izakaya (= “echte” Kneipe), wo es kleine Fleischspieße und andere Häppchen gibt. Das ist auch der einzige Resto-Ort, an dem man nach dem Essen länger sitzenbleibt, weil man sich ja zum Plaudern getroffen hat und immer noch mal Tellerchen und Getränke nachordert. An allen anderen Orten steht man sofort nach dem Verzehr des letzten Bissens auf und geht – auch in besseren Restaurants.

          Ich finde das auch total faszinierend, und deshalb KANN es einem (vor allem, wenn man sich für Essen und Esskultur in allen Facetten interessiert) in Tokio niemals langweilig werden. Ich weiß, dass ich dringend wiederkommen muss, wahrscheinlich schon nächstes Jahr… Jetzt kenne ich Tokio nur im Frühjahr und im Herbst, aber alle Jahreszeiten sind nicht nur von der Natur her, sondern auch esstechnisch faszinierend, denn natürlich gibt es zusätzlich zu den vielen verschiedenen Stilen noch die regionalen und die saisonalen Spezialitäten. Verzichte einfach mal auf Deinen Skiurlaub und buche stattdessen einen Flug nach Japan 😉

  4. Thomas Riedl sagt:

    Sag mal, Matthias,

    hast Du Dir inzwischen ein japanisch-deutsches Glossar angelegt? Und wo in D bekomme ich alle diese verschiedenen Soja-Saucen?
    Die Nudeln bekomme ich in Bonn ganz gut. Aber Saucen? Da ich keine ostasiatische Sprache beherrsche, kann ich schon die Schriftzeichen nicht lesen. Und die Besitzer der diversen Läden in Bonn sind mangels eigener Deutsch- bzw. Englischkenntnisse leider auch nicht hilfreich.

    Kurzum, Du könntest hier eigentlich mal ein Schnellkurs “How-and-where-to-buy-the-right-soy-sauces” einstellen 😉

    Ansonsten hoffe ich, wir sehen uns 2016 mal wieder bei einer Probe. Meinetwegen auch mit Soja-Saucen.

    Dank und Gruß

    Thomas

    • Matze sagt:

      Nein, ein Glossar hab ich mir noch nicht angelegt. Das würde wahrscheinlich auch ähnlich schnell zum Erliegen kommen wie mein früherer Versuch, Weinlisten und Weinglossar hier auf dem Blog einzuführen 😉

      Mit Sojasauce habe ich mich ehrlich gesagt noch nicht genug beschäftigt. Das gilt eigentlich für alle halb und ganz fermentierten Sojaprodukte wie Miso oder Tofu. In Tokio habe ich im Restaurant immer das genommen, was dazu geliefert wurde, und wenn es mehr als eine Sauce war, tja, dann hat der Zufall regiert. Bei dem einem Restaurant haben sie am Ausgang selbst gemachte Sojasaucen in Flaschen verkauft, und da hatte ich kurz gezuckt. Aber welche hätte ich mir kaufen sollen, und was dann damit machen? In Deutschland habe ich im Regal auch ein paar unterschiedliche Sorten gefunden, aber ob die besser sind als die gewöhnlichen Kikkoman? Ich glaube, die Antworten auf solche Fragen bekomme ich erst beim nächsten Besuch raus…

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