Guide Vert 2015: die Weine des Jahrgangs 2012 in Frankreich (Teil 2)

FranzoseIm zweiten Teil, dem – der guten Ordnung halber – bereits ein erster Teil vorausgegangen war, lest Ihr nun weiter von den neuen Weintendenzen in Frankreich und von den interessantesten Weinen des Jahrgangs 2012, so wie sie der Guide Vert 2015 vorstellt. Falls Ihr Euch nur mäßig für neue französische Weine interessiert, aber darüber diskutieren wollt, was ein guter oder gar „großer Jahrgang“ ist, könnt Ihr auch gleich nach unten scrollen. Beschwert Euch dann aber nicht darüber, im Urlaub in Savoyen nicht hinreichend über die interessanten Weingüter dort informiert worden zu sein.

Im Hinterland von Collioure

Im Hinterland von Collioure

Languedoc-Roussillon

Drei Sterne: Im Languedoc nur Mas Jullien und im Roussillon nur die Domaine Gauby. Beide sind selbstverständlich vollkommen nachvollziehbar, aber auch dahinter tut sich einiges. Mit der Domaine de la Garance im Languedoc und den Terres de Fagayra bekamen zwei Güter ihren zweiten Stern verliehen, die den individuellen Ansatz repräsentieren: Garance mit sehr komplexen, gar komplizierten Weinen und Fagayra als erste Neugründung seit ewigen Zeiten (im Grunde ein Ableger von Roc des Anges), die ausschließlich auf starke Süßweine setzt – die hyper-unmodische (und deshalb gleichzeitig avantgardistische) Tradition des Roussillon.

Das Neue: In den 1990er Jahren zum neuen Eldorado des französischen Weinbaus geworden, sollte man meinen, dass die große Doppelregion an der Mittelmeerküste eigentlich aus der Mode gekommen sein müsste. Denn was das Midi damals an die Spitze gebracht hatte, das waren nun einmal die dicken, trockenen Muskelprotz-Weine, die einer seinerzeit ebenso muskelprotzigen New Economy dank dicker Parker-Punkte gut zu Gesicht standen. Dass der RVF-Weinguide die Weine aus dem Süden immer noch so nachdrücklich empfiehlt, hat deshalb auch etwas mit dem Stilwandel zu tun, der vielleicht nirgends in Frankreich so stark zu spüren ist wie ausgerechnet hier. Und das ist auch kein Wunder: Im Midi gibt es nun einmal keinen edlen Vorbildstil vergangener Jahrhunderte, an dem man sich orientieren könnte – und orientieren müsste. Also kann man das tun, was man für richtig und angemessen hält. Damit folgt man einerseits dem Zeitgeist, kann aber andererseits jenen auch selbst leiten.

Die Winzer in Languedoc und Roussillon wissen dabei ein Klima im Rücken, das ihnen im Vergleich zum Norden nur selten größere Scherereien bereitet. Wenn sie wollen, können sie dort unten im Flachland zwischen Montpellier und Béziers immer noch 16%ige Kraftmeier kreieren. Wenn sie das aber nicht wollen, bietet die Region (und die Kunst des Weinbaus) immer noch genügend andere Möglichkeiten. So gehen die einen Winzer zunehmend in die Höhe – im Languedoc sind die Terrasses du Larzac ohne Zweifel zur besten Unterregion geworden, im Roussillon besiedelt der erweiterte Gauby-Clan mittlerweile das allerletzte Dorf des Tales. Die anderen probieren Dinge aus wie das Bepflanzen der Nordhänge, wie den biodynamischen Anbau, der dank Reifevorsprung ein früheres Ernten phenolisch reifer, aber weniger verbrannter Beeren ermöglicht. Und schließlich ist man mehr und mehr auch wieder zu den alten, robusten Rebsorten des Südens zurückgekehrt, denn Carignan und Cinsault können einfach mehr Hitze vertragen als Cabernet Sauvignon und – jawohl – Syrah. Mein persönlicher Geheimtipp ist da übrigens die Rebsorte Lladoner Pelut, die „haarige Grenache“, aus der hoffentlich in Zukunft noch mehr interessante Weine entstehen werden. Der Jahrgang 2012 – nur um das hier nicht zu unterschlagen – war übrigens mittelgut. Ein bisschen Ärger hatten die September-Regenfälle in einigen Teilen der Region gemacht.

Meisterkoch auf kleiner Flamme

Meisterkoch auf kleiner Flamme

Der Wein: Es gibt eine unglaubliche Menge interessanter Weine in der Region, die im „Grünen“ vorgestellt werden. Fast hat man das Gefühl, dass hinter den zwei Dutzend Leuchtturm-Gütern alles jedes Jahr wieder umgewälzt wird. Mein Weintipp fügt sich da perfekt ein. Es handelt sich um den Ribeyrenc 2012, einen Vin de France aus der gleichnamigen, nahezu ausgestorbenen autochthonen Rebsorte. Thierry Navarre von der Domaine Navarre in Roquebrun hat die Rebsorte auf drei kleinen Schiefer-Parzellen wieder angepflanzt – und voilà, herausgekommen ist etwas Uralt-Ultramodernes. 11 vol% hat der Rotwein aus dem Süden, was nur noch unterboten wird vom Preis, den Thierry dafür verlangt (10 € ab Hof). Farbschwach, alkoholarm, floral in den Aromen, sofort zugänglich und hinuntergegluckert, aber erstaunlich persistent – das ist der Gegenentwurf zum „wertigen“ Weltwein. Wobei „wertig“ in meiner Interpretation dessen, was viele Menschen, die den Begriff benutzen, damit ausdrücken wollen, nichts anderes bedeutet als „dicke Hose“. Not my cup of tea also, wie man so schön sagt.

Im Anjou

Im Anjou

Loire

Drei Sterne: Neu dabei ist Thierry Germain mit seiner Domaine des Roches Neuves, das hatte sich die letzten Jahre schon angedeutet. Ansonsten Clos Rougeard, Clos Naudin, Huet und Didier Dagueneau (so heißt die Domaine offiziell ja noch). Klein aber fein.

Das Neue: Wie Ihr vermutlich wisst, gehören die Weine der großen Loire-Region zu meinen absoluten Favoriten. In vorbildhafter Bescheidenheit möchte ich an dieser Stelle nur ganz kurz auf die kleine Serie hinweisen, die ich letztes Jahr zur Loire erstellt habe. Bei einem so großen Anbaugebiet sind die Jahrgangsbedingungen nie überall gleich. Für das Jahr 2012 bedeutet das in etwa Folgendes: Hagelprobleme im Frühjahr, besonders an der Touraine, ohnehin ein kühler Frühling. Viel Hitze dann im August, ein wenig erleichternder Regen im September als Reifeblockade, dann aber das große Schütten im Oktober. Profitiert haben davon die Gegenden, die einen Weintyp mit relativ früher Lese bevorzugen. Die atlantischen Muscadets sind also genauso fein und strukturiert wie die Weine von Sancerre. Bei den Roten und den Chenins bieten sich dafür die gut trinkbaren Produkte eher an als die eigentlichen Spitzenweine. Und die Bedingungen für edelsüße Spitzen waren ganz einfach mies.

Vouvray - Clos du Bourg

Vouvray – Clos du Bourg

Was die Präsenz im Guide Vert anbelangt, zeigt sich die Individualität der Loire-Winzer wieder einmal sehr deutlich: Jeder reicht den Wein aus dem Jahrgang ein, der ihm behagt. In Sancerre und Pouilly stehen deshalb oft bereits die 2013er im Text, während die beiden am höchsten bepunkteten Weine der Bourg 2010 von Clos Rougeard und der süße Vouvray Réserve 2003 von Clos Naudin sind. Neben den großen Namen, die im Prinzip dieselben geblieben sind, gibt es ähnlich wie im Languedoc auch hier viel Bewegung auf den hinteren Reihen. Beide Regionen dürften in der Tat die mit Abstand größte Dynamik in Frankreich aufweisen, denn hier scheint es einfach leichter als woanders zu sein, als Quereinsteiger mit seinem 2 ha-Weingut großartige Sachen zu produzieren und dabei auch noch wahrgenommen zu werden. Das Limit weiter nach außen verlegt haben auch zwei Neuzugänge in den Guide, diesmal aber mehr geographisch in Richtung Auvergne, nämlich die Domaine des Bérioles mit ihren Weinen des Anbaugebiets Saint-Pourçain und die Domaine Sérol von der Côte Roannaise.

Austernernte am Felsen

Austernernte am Felsen

Der Wein: Es gibt fantastische Weiße an der Loire, davon konnte ich mich bei der Probe in Bonn noch einmal überzeugen. Und es gibt auch großartige Rote, die sich erst nach vielen Jahren zu einem Muster an nördlicher Eleganz entfalten. Wenn Ihr aber nicht so lange warten möchtet und Euch der Sinn ohnehin nach ein bisschen mehr Bescheidenheit steht, dann sei Euch die Cuvée Les Granges der Domaine Bernard Baudry wärmstens empfohlen. Ich weiß auch nicht genau, wie Mathieu Baudry das in jedem Jahr hinbekommt, einen kleinen Roten aus Cabernet Franc für gerade einmal 7 € ab Hof gleichzeitig so süffig und zugänglich, aber auch so hochanständig werden zu lassen. Da die Baudrys darüber noch eine feine Pyramide von Weinen aufgebaut haben, könnte – wenn es so weiter geht – im nächsten Jahr auch der dritte Stern anstehen. Allein, der Jahrgang 2013 war an der mittleren Loire auch nicht viel besser als im Bordelais. Den Granges dürfte das allerdings am wenigsten treffen, denn der pflegt ja selbst in warmen Jahren einen eher knackigen Stil.

Canadel im Morgenlicht

Canadel im Morgenlicht

Provence & Corse

Drei Sterne: Nur ein einziges Weingut, die Domaine Tempier. Und das ist bezeichnend. Weil ich die Provence ansonsten meist nur anekdotisch behandele, möchte ich deshalb an dieser Stelle ein bisschen mehr darüber schreiben.

Das Neue: Jahrelang hatte man die Region im RVF-Guide dadurch malträtiert, dass Roberto Petronio für die Bewertungen verantwortlich zeichnete. Petronio gilt immer noch ein wenig als „der Wilde“ innerhalb der Redaktion, jedenfalls verkauft man dieses Bild gern nach außen. Durch seine offen postulierte Unabhängigkeit und Individualität ließ sich immer ein wenig besser verkaufen, dass die Weine der Region in der Regel wesentlich niedrigere Punktzahlen erhielten als beispielsweise ihre Kollegen in Languedoc und Roussillon. Jetzt hat man mit dem erfahrenen Antoine Gerbelle für Korsika und dem Bordelaiser Philippe Maurange für die Provence, unterstützt durch den jungen Alexis Goujard, andere Redaktionsmitglieder eingesetzt. Allein – das Ergebnis bleibt dasselbe: Ein einziger Wein, der Weiße vom Château Simone, erreicht 18 Punkte, „nur“ 15 Weine schaffen die 17 Punkte-Hürde, während es im wesentlich kleineren Roussillon 48 Weine sind. Äpfel und Birnen, ich weiß, und ich bin ja auch kein allzu großer Freund des Ansatzes, bei dem Punkte das Ein und Alles sind. Dennoch, es lässt sich nicht leugnen, dass der Südosten des Landes weintechnisch ein wenig ins Hintertreffen geraten ist.

Dafür gibt es auch eine Reihe von Gründen: Die Provence ist viel stärker als jede andere Weinbaugegend eine Produktionsregion für den gemeinen Urlauber. Der Rosé-Anteil an der Gesamtproduktion ist dementsprechend in den vergangenen Jahren sogar noch gestiegen. Rosé, das bedeutet in aller Regel technisch bereitete Weine um die 5 € oder darunter, die ab Weingut schnell abverkauft werden können und vom Käufer innerhalb des nächsten Tages getrunken werden. Individuelle Rosés gibt es natürlich auch in der Provence, stellen aber nicht mehr dar als den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein. Das zweite Problem ist die Besitzstruktur: Die meisten kleineren Weinbauern liefern an große Genossenschaften mit entsprechenden Distributionsverbindungen (Supermarktketten), während auf der anderen Seite aristokratische Güter von Hacienda-ähnlichen Ausmaßen die reichen Investoren und Zweitwohnsitzler aus aller Welt anlocken. Land ist dadurch so teuer, dass – anders als an der Loire oder im Languedoc-Hinterland – mittellose Quereinsteiger hier so gut wie nie landen können. Das dritte Problem schließlich ist der mangelnde Gesamtansatz, besonders im Rotweinbereich. Außer der AOC Bandol (Tempier!) gibt es keinen Rotwein, der sowohl von den Rebsorten als auch vom Stil irgendetwas wie „typisch Provence“ in sich tragen würde.

Zelten bei Mouriès

Zelten bei Mouriès

Das Gute an solchen Regeln ist, dass es auch Ausnahmen gibt, und die befinden sich an den Rändern des Anbaugebietes. Dass Korsika hier in einem Atemzug mit genannt wird, hängt in erster Linie damit zusammen, dass man auch dort primär für die Sommerurlauber produziert. Immerhin hat Korsika als solches weniger Einwohner als Bielefeld, taugt als Absatzmarkt also nur bedingt. Der Weinbau in Korsika leidet zusätzlich ein wenig unter der dortigen paternalistisch-defensiven Haltung, was nach Jahrhunderten verschiedenster Invasoren auch nicht wirklich verwundert. Dennoch hat man mit dem Sciaccarellu eine bereits bekanntere autochthone Rebsorte, und die Spitzengüter wie Canarelli, Abbatucci oder Arena „entdecken“ nach und nach uralte Parzellen mit solchen Rebsorten wie Bianco Gentile, Carcaghjolu Neru und Minustellu.

Die Leuchttürme in der Provence liegen ganz im Westen und ganz im Osten des Anbaugebiets. Im Westen sind das Weingüter wie Trévallon, Hauvette oder Revelette, die zwar jeweils sehr unterschiedliche Ansätze fahren, für die nachfolgende Generation der Weinbauern um sie herum jedoch viele Impulse liefern können. Und schließlich haben wir ganz im Osten der Côte d’Azur noch das Anbaugebiet Bellet, aus dem meiner bescheidenen Meinung nach derzeit vielleicht die interessantesten Weine der gesamten Region kommen. Es handelt sich hier um kleine Parzellen im bergigen Hinterland von Nizza, die stets und ständig befürchten müssen, von der Urbanisierung überrollt zu werden. Entsprechend ist es leider entweder den bockigen Uralt-Bauern oder den enorm finanzkräftigen Neuwinzern vorbehalten, hier aus Idealismus Weine zu produzieren. Ich habe bislang vielleicht zehn Bellet-Weine bewusst getrunken, in allen drei Farben, und immer kamen sie mir deutlich interessanter vor als fast alles, was die Provence ansonsten zu bieten hatte. Aber Achtung, das waren alles Lagerweine. Selbst die Rosés schmeckten nach fünf Jahren besser.

Bistrot in Rochegude

Bistrot in Rochegude

Der Wein: Konsequenterweise solltet Ihr an dieser Stelle einen Bellet erwarten. Stattdessen möchte ich Euch einen ebenso raren Wein von Yves Canarelli empfehlen, zwar von der Insel Korsika, aber jenseits der Appellationen, ein „Vin de France“ mithin. Er heißt „Terra d’Orazi“, weil er von einer einen halben Hektar kleinen Parzelle innerhalb des Gemeindegebiets von Orazi stammt. Oder vielmehr, es gibt zwei Weine aus zwei Mini-Parzellen, einen Roten und einen Weißen. Beide Parzellenteile wurden noch vor der Reblauskatastrophe gepflanzt; es handelt sich um etwa 140 Jahre alte wurzelechte Mischsätze. Der Rote besteht, soweit man das bislang weiß, aus Sciaccarellu, Minustellu und Cinsault, der Weiße aus Vermentinu (Leitsorte), Genovese, Carcaghjolu Biancu, Paga Debiti und Barbarossa. Was beide Weine auszeichnet, ist diese transparente Nachhaltigkeit, diese Kombination aus Frische vorn und Struktur hinten, von denen nicht wenige sagen, dass sie beispielsweise auch an der Mosel bei Weinen aus wurzelechten Reben zu spüren sei. Nun sind die beiden Korsenweine derart selten, dass sich Vergleiche nicht wirklich anbieten und Ihr auch entsprechende Schwierigkeiten haben dürftet, sie käuflich zu erwerben. Aber sie zeigen ein wenig an, wohin man in der Region gehen könnte, um wieder zu sich zu kommen: zurück zu den Wurzeln, und zwar wortwörtlich.

Cairanne mit dem Mont Ventoux

Cairanne mit dem Mont Ventoux

Rhône

Drei Sterne: Chapoutier, Chave und Jamet im Norden, einzig Rayas im Süden. Große Veränderungen gab es nicht, aber kleine: Jérôme Gradassi, ein einstiger Sternekoch, bekam mit seinem kleinen Châteauneuf-Gut den ersten (Wein-)Stern. Die Sache ist auch ziemlich logisch: Gradassi hatte bereits in seinem früheren Leben mit sehr vielen verschiedenen Weinen zu tun. Überblick und Bewusstsein hatte er damit einem typischen Dorfwinzer voraus, es fehlte nur noch an den handwerklichen Fertigkeiten. Kann man lernen, dazu noch traditionelle Ansätze wie der Verzicht auf Entrappen und Neuholz, voilà, da ist der Aufstieg. Von Gradassi werden wir noch mehr hören, nehme ich an.

Das Neue: Der neue Jahrgang, nämlich 2012, ist an der Rhône eindeutig besser ausgefallen als sein Vorgänger. Eine späte, aber ausgewogene Reife, dazu noch durchschnittlich ein Prozent weniger Alkohol – so etwas tut den Rhône-Weinen immer gut. Für das, was Fachleute einen „Jahrhundertjahrgang“ nennen, fehlte es zwar etwas an Konzentration und Struktur, aber dafür dürften die 2012er einfach schmackhafter ausfallen als diese komplexen Ewiglang-Lagerer à la 2010.

Ohnehin ist es ja nicht so, dass es den Rhône-Weinen im Allgemeinen an Stärke und Ausdruck mangeln würde. Gut, auch hier gibt es ein Meer an genossenschaftlichen Billigprodukten, aber wenn ich irgendwo auf der Welt im 5 €-Bereich selten enttäuscht worden bin, dann an der südlichen Rhône. Wenn man da nicht versucht, übermodern (= Marmelade) und überambitioniert (= holzige Marmelade) vorzugehen, kann selbst bei den einfachen Qualitäten nach drei bis vier Jahren des Lagerns etwas sehr Angenehmes herauskommen. Im Norden des Anbaugebiets gilt das natürlich nicht, weil die Rebflächen wesentlich stärker zerteilt sind und durch ihre Steilheit auch viel schwieriger zu bearbeiten. Nordrhône ist Teuerland, das war schon immer so, und das bleibt es auch.

Reben auf Galets in Cairanne

Reben auf Galets in Cairanne

Zwei Dinge habe ich in den letzten Jahren an der Rhône festgestellt (bitte jetzt keine bahnbrechenden Erkenntnisse erwarten…): 1. Syrah ist eindeutig im Norden am besten, weil diese Fleisch-Leder-Aromatik am besten durch die präsente Säure der vulkanischen Böden ergänzt wird. Syrah auf den heißen Kieseln der Südrhône wird fast immer breit und verkocht. Grenache hingegen gedeiht dort am besten. Aber anders als bei den Nordrhône-Weinen hatte ich an der Südrhône immer mehr Schwierigkeiten dabei, die Qualität bereits bei Jungweinen einzuschätzen. Grenachelastige Weine wirken in der Jugend oft ein bisschen unausgewogen, alkoholisch, zu erdbeerig. Wenn man ihnen aber richtig viel Zeit gibt, können dabei trotz relativ hoher Gradation manchmal Wunder der Ausgewogenheit herauskommen. Vorausgesetzt, der Winzer weiß, wie er mit dem heißen Terroir umzugehen hat. Rayas, Beaucastel, Clos des Papes, Charvin, diese Güter sind für mich auf der Haben-Seite. Bei Janasse, Marcoux oder auch dem andernorts vielgelobten Marcel Richaud bin ich mir hingegen nicht so sicher. Aber richtig feststellen, ob ein Châteauneuf in die eine oder in die andere Richtung gewandert ist, kann man definitiv erst dann, wenn er schon längst vom Markt verschwunden ist. Ein bisschen Risiko gehört halt immer dazu.

Der Hermitage

Der Hermitage

Der Wein: Neulich in der Holzhütte von Navarrenx habe ich mal wieder einen Wein von der südlichen Rhône aufgemacht, was einerseits grotesk war mitten im Südwesten, sich andererseits aber total gelohnt hat. Dieser Wein hatte alles in sich, was ich mir von der Südrhône verspreche, nämlich Schmelz, Wärme, viel Würze und dennoch etwas harmonisch Ausklingendes, das Gegenteil eines fett-fruchtigen Stumpens. Welcher Wein das war? Der rote Côtes du Rhône 2007 vom Château des Tours aus dem kleinen, aber ultrafeinen Imperium des Emmanuel Reynaud. 65% Grenache, damit natürlich weniger als sein größerer Bruder Fonsalette und sein riesiger Bruder Rayas, aber die Verwandtschaft war irgendwie schon beim ersten Schnupperer klar. Das ist für mich die Quintessenz der südlichen Rhône, sehr nah an einem idealtypischen Châteauneuf, und das alles bei einem Preis von 15 € ab Hof.

Am Lac d'Annecy

Am Lac d’Annecy

Savoie

Drei Sterne: Niemand, aber die Domaine des Ardoisières und Les Fils de Charles Trosset (= seit diesem Jahr offiziell Louis Trosset) sind mit zwei Sternen gut dabei. Neu in der Sterneklasse und gleichzeitig Regionswinzer des Jahres ist die Domaine Giachino, die mir bei einem Frankreichbesuch mit einem voll durchgegorenen Weißen aufgefallen war, der exakt 9,5 vol% Alkohol aufwies – sehr konsequent und sehr erfrischend.

Das Neue: Irgendwie wundere ich mich jedes Jahr ein wenig darüber, weshalb ausgerechnet Savoyen ein eigenes Regionskapitel im RVF-Guide bekommt. In keinem internationalen Weinführer ist das so, nie sieht man einen Wein der Gegend auf den Hitlisten der Sternelokale, und selbst im französischen Weinhandel tut man sich oft schwer, einen der besseren Weine aus Savoyen zu bekommen. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass der Weiße aus den Alpen für die Franzosen fast genauso stark ein Ferienwein ist wie der Rosé aus der Provence – nur halt im Winter. Offenbar gibt es in jeder Skihütte Fondue und einen Vin de Savoie, meist ein Technikprodukt einfachster Machart. Und eventuell möchten die RVF-Autoren auch darauf hinweisen, dass es in dieser im Mittelalter hochberühmten und mit vielen autochthonen Rebsorten gesegneten Region doch mehr zu entdecken und zu fördern gibt als simple Hütten-Schlabberer.

Es ist deshalb wenig erstaunlich, dass die besten Weingüter Savoyens nicht etwa eine uralte und entsprechend auch einengende Familientradition verweisen können, sondern gleich beim Einstieg komplett auf sich selbst angewiesen waren. Brice Omont von der Domaine des Ardoisières kam vor einigen Jahren aus der Champagne in die Gegend – heute produziert er am Fuß des Montblanc die ohne Zweifel großartigsten, aber auch teuersten Bergweine, weiß wie rot. Dominique Belluard, Eigentümer der gleichnamigen Domaine, hat seit 2001 der mit dem Traminer verwandten und nur noch in winzigen Restbeständen existierenden Rebsorte Gringet zu neuem Ansehen verholfen. Gilles Berlioz stammt zwar aus der Region, ist aber ein Arbeitersohn und kompletter Autodidakt, der mit 0,8 ha anfing, dann im konventionellen Weinbau auf 7 ha erweiterte, bevor er beschloss, doppelt wieder zurückzurudern: 3,5 ha, die er allein mit seinem Pferd bewirtschaften kann, biodynamisch (aber nicht zertifiziert) seit 2006. Es sind solche Menschen mit solchen Karrieren und den entsprechenden Weinen, die diese kleine Weinbauregion auf die Landkarte der Weinliebhaber zurückgebracht haben.

Blick vom Mont Ventoux

Blick vom Mont Ventoux

Der Wein: Nachdem Brice Omont jetzt solche Preise für seine Weine verlangt, die man zahlen müsste, würden sie aus Burgund stammen, möchte ich Euch einen anderen Weißen empfehlen. Ich hatte Dominique Belluard ja schon angesprochen und seine Weine aus der Rebsorte Gringet. Früher hatte man gedacht, dass es sich um Traminer handelt oder um den Savagnin, die jurassische Variante davon, aber neueste Gentests haben bewiesen, dass jenes nicht der Fall ist. Gut, wie immer bei Ausschlusstests ist man damit zwar vorwärts gekommen, aber nur einen winzigen Schritt. Meine erste Berührung mit den Weinen der Domaine Belluard hatte ich bei einem Weinhändler in Paris, eine ganz erstaunliche Geschichte übrigens. Mittlerweile scheint der „große Wein“ der Belluards erwachsen geworden zu sein. Le Feu 2012 hat 18 Punkte im RVF-Guide bekommen und kostet weiterhin 20 €. Ein großer Weißer soll das sein, jubeln die Autoren, mit Noten von Lavendel und Veilchen, einer beeindruckenden Kraft und Persistenz. Ich freue mich jedenfalls auf den Tag, da ich mein entsprechendes Fläschchen aus dem Keller holen werde.

Die Domaine Guirardel

Die Domaine Guirardel

Sud-Ouest

Drei Sterne: Niemand, aber wenn man die Zwei-Sterner danach so betrachtet, wird einem schnell auffallen, dass es sich um eine große Sammelregion verschiedenster Stile handelt. Da sind zunächst die Könige des süßen Jurançon, Camin Larredya und Jardins de Babylone, dann das Château Tirecul La Gravière mit süßem Monbazillac à la Sauternes, dann die beiden Tinten-Rotweingüter Château du Cèdre und Clos Triguedina aus Cahors und schließlich noch die beiden Spitzen aus Gaillac, die Domaine Plageoles und die Domaine de la Ramaye mit ihrem Füllhorn verschiedenster Weine. Letzteres, geführt von Michel Issaly, ist das Regionsweingut des Jahres geworden.

Das Neue: Ich habe es ja schon gesagt: Tausendsassa Michel Issaly, der irgendwie ganz nebenbei auch noch den Vignerons Indépendants vorsteht, ist ziemlich weit oben angekommen. Dabei wird der Jahrgang 2012 an sich gar nicht in die Geschichte des Südwest-Weins eingehen – genauso wenig wie in Bordeaux, so weit ist man ja räumlich nicht auseinander. Allerdings sollen die Dinge von Unterregion zu Unterregion, von Winzer zu Winzer, gar von Wein zu Wein sehr unterschiedlich sein. Die Jurançons, die ich vor ein paar Wochen direkt vor Ort verkosten durfte, waren sowohl in ihrer trockenen als auch in ihrer süßen Version überraschend ansprechend. Gleiches galt für ein paar Rote aus dem Cahors-Bereich, und es scheint mir fast so, als wären die nicht überambitionierten Weine richtig gut geworden. Ohnehin plagt man sich laut RVF-Autor Pierre Citerne (den ich sehr schätze) in der Region ein bisschen damit herum, dass die an sich „kleinen“ Weine, insbesondere die Roten, in Wirklichkeit viel harmonischer und trinkiger, gar besser erscheinen als die eigentlich als Spitze des Portfolios gedachten Produkte.

Cauterets

Cauterets

Womit der Südwesten jedenfalls wuchern kann, mehr wahrscheinlich als alle anderen französischen Regionen, das ist eine Vielfalt an Rebsorten und lokalen Stilen, die noch direkt aus der mittelalterlichen Blütezeit dieses Landstrichs herübergerettet worden zu sein scheinen. Malbec in Cahors, Tannat in Madiran, Négrette in Fronton, Braucol in Gaillac, jede AOC hat hier ihre Leitrebsorte, die – so weit wage ich mich mal vor – trotz mittlerweile entstandener Konkurrenz in Übersee genau hier immer noch die allerbesten Ergebnisse zu liefern vermag. Dabei könnte die Diversität unter den einzelnen AOCs kaum größer sein: In der einen gibt es eine große Zahl unabhängiger Winzer (Gaillac oder Cahors), in einer anderen (besonders in Richtung Zentralmassiv) handelt es sich nur um wenige Produzenten auf kleinen und alten Rebflächen (Marcillac oder Entraygues), eine dritte wird komplett von einer dynamischen Genossenschaft beherrscht (Saint-Mont und Buzet), und eine vierte versucht immer noch, nichts anderes zu sein als das Hinterland von Bordeaux (Bergerac). Fast würde man sich wünschen, dass in dieser Region der herzhaften Genüsse nie ein großer Hype ausbricht und plötzlich entweder Klunker-Oligarchen (da haben wir sie wieder!) oder bärtige New York-Hipster über die Dörfer herfallen. Und mal ganz ehrlich, es gäbe auch wahrscheinlichere Szenarien als ausgerechnet jenes.

Kühe im Béarn

Kühe im Béarn

Der Wein: Normalerweise würde ich an dieser Stelle einen lebensverlängernden Rotwein in einem lebensverlängernden Ambiete empfehlen, aber stattdessen kommt ein weißer Sprudler, der mir allerdings auch enorm bekömmlich erscheint. Okay, ich hatte ihn mal als dritte Flasche zu Silvester geleert, und in solchen Quantitäten verlieren dann auch die wohlmeinendsten Elixiere ein wenig von ihrer positiven Wirkung. Ich spreche hier vom Mauzac Nature vom Weingut Plageoles aus Gaillac. Im Gaillac-Gebiet hat sich – vielleicht stärker als anderswo, obwohl diese Tradition früher fast überall existierte – die Bereitung von natürlichen Schaumweinen erhalten, auf gut Französisch als Pét’Nat’ bezeichnet. Diese Pétillants Naturels werden – noch so ein Begriff – nach der méthode ancestrale bereitet, also der altertümlichen Schaumweinmethode. Dabei läuft optimalerweise nur eine einzige Gärphase ab. Bei der méthode champenoise wird ja nach der ersten vollständigen Gärung (= trockener Stillwein) untechnisch ausgedrückt Zucker und Hefe hinzugegeben und das Ganze in einer Flasche verschlossen. Dort gärt es ein zweites Mal, der Hefeblubb wird weggeworfen, die Kohlensäure bleibt gebunden, fertig ist der Schampus.

Bei der méthode ancestrale gärt es hingegen nur einmal, und zwar ohne Zufügen von Zucker, und wenn der sensible Winzer meint, dass nun ein günstiges Verhältnis zwischen allen Bestandteilen erreicht ist, füllt er das Gebräu in Flaschen. In der Regel ist da noch ein Restzuckerschwänzchen mit drin, ebenso ein wenig gebundene Kohlensäure, und der Alkoholgehalt ist entsprechend niedriger. Wie trocken der Wein sein soll, legt der Winzer aber selbst mit dem Zeitpunkt des Abfüllens in die Flasche fest. Der Plageoles-Wein ist schon ziemlich trocken, dazu aber trüb, von Apfelnoten getragen (das ist die Rebsorte Mauzac), aber eben von Apfelaromen, weniger von einer aggressiven Apfelsäure. Das Ganze schmeckt hervorragend zu deftigen Wurstgerichten, verbreitet das Gefühl großer Natürlichkeit, ist jedoch dennoch nicht oxidiert oder mit unangenehm viel flüchtiger Säure ausgestattet. Der ganze Spaß, und es ist wirklich ein solcher, kostet ab Hof 13,50 €

An der Ardèche

An der Ardèche

Das Fazit:

Wenn ich mich nun selbst frage, ob der Jahrgang 2012 in Frankreich ein Guter gewesen ist, muss ich eigentlich erst einmal definieren, was ich denn unter einem „guten Jahrgang“ verstehe. Ein bisschen habe ich das Gefühl, der RVF-Guide lässt sich ebenso wie ausnahmslos alle anderen Weinführer von der Idee leiten, ein warmer und halbwegs trockener Jahrgang sei das Optimum. Nicht zu heiß wie 2003, klar, aber doch sonnenreich – so wie 2009 beispielsweise, und zwar sowohl in Frankreich als auch in Deutschland. So ein „einfacher“ Jahrgang für die Winzer führt im unteren Segment in der Tat zu saftigeren, reiferen, leckereren Weine – aber an der Spitze? Dort, wo man mit geringen Erträgen, rigoroser Auslese und später Ernte ohnehin um das bestmögliche Ergebnis kämpft, kommen die allerbesten Weine in der Regel eben nicht aus den einfachen Jahrgängen.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass in Sommern, die für die jeweilige Region „typischer“ sind, also im durchwachsenen Mittelfeld, wesentlich bessere Weine entstehen können. Vorausgesetzt, der Witterungsgang passt. Mein Traumjahr sähe dann nämlich so aus: relativ früher Austrieb, dann eine gewisse Verrieselung, damit die potenzielle Erntemenge gleich mal von Anfang an ein bisschen beschnitten wird. Dann ein ausgewogener Sommer mit relativ langen Perioden (also keine unsichere Gewitterlage), aber eher kühl als heiß. Der Spätsommer möge dann trockener sein mit einer guten Temperaturamplitude zwischen Tag und Nacht. Das Ganze aber bitteschön lang anhaltend, damit die Trauben am Ende schön phenolisch reif sind, also nicht nur Oechsle. Dabei darf es ruhig auch einmal regnen Anfang September, aber eben nicht kurz vor der Ernte oder gar währenddessen.

Kleine Straßen im Rhônetal

Kleine Straßen im Rhônetal

Die optimalen Weine wären für mich dann ausgewogen, lang und elegant, notwendigerweise mit Säure ausgestattet, aber auch mit einem reifen Fruchtkern. Das heißt, die Weine wirken jung noch nicht ganz fertig, man ahnt aber schon, dass da noch etwas kommt. Die Weinguides bewerten einen solchen Jahrgang in der Regel nur mittelmäßig, was insofern konsequent ist, als der Durchschnittswert bei den einfachen Weinen tatsächlich niedriger ist.

Die große Frage lautet also: Ist ein Jahrgang besser, der bei den normalen Trinkweinen harmonischer ausgefallen ist oder ein solcher, bei dem die Spitzenweine brillieren? Wenn Ihr jetzt sagt, natürlich beides, dann ist das eben gar nicht so oft der Fall. Denkt an unsere eigene Region: 2008 war in der Breite sicher nicht so gelungen wie 2009, aber in der Spitze? Und 2010, ganz sicher kein allgemein guter Jahrgang, hat doch an der Spitze spannendere, ja, größere Weine zu bieten als 2011.

Alter Rebstock bei Collioure

Alter Rebstock bei Collioure

2012 hingegen ist ein bisschen wie 2009 with a twist oder auch 2005. Durch diesen „twist“, nämlich die (reife) Säure, die höher ist als 2009, könnten tatsächlich ein paar wirklich große Weine dabei sein. Die Weine sind im Allgemeinen schon reif und saftig, besitzen aber auch ein schönes Reifepotenzial. Die nördlicheren französischen Weinbaugebiete haben es dabei am besten getroffen: Champagne, Elsass, Burgund, Sancerre, da haben wir es vielleicht sogar mit einem echten Spitzenjahrgang zu tun. Je weiter südlich wir kommen, desto frühreifer und schlichter werden die Weine. Das bedeutet nicht, dass man sie nicht gut trinken könnte. Aber sie lassen halt diesen twist ein wenig vermissen. Während in Bordeaux immer noch der Jahrgang 2010 die Spitze des Möglichen darstellt, allerdings auch mit dem Nachteil der sehr langsamen Entwicklung im Keller, bin ich 2013 insbesondere auf den Midi gespannt. Gerade weil es andernorts meist zu kühl und zu nass war, scheint man im Süden einen wunderbar ausgewogenen Jahrgang eingebracht zu haben wie schon lange nicht mehr.

Nachtstimmung in Cancale

Nachtstimmung in Cancale

Alles in allem bleibt mir nur übrig festzuhalten, dass in Frankreich wieder einmal eine wahnsinnige Vielfalt spannender Weine hervorgebracht worden ist. Dank solcher Standardwerke wie dem RVF-Guide oder auch dem Bettane & Desseauve lässt sich dabei ein hervorragender Überblick in Breite und Spitze gewinnen. Wenn es auch schon Spaß macht, in den eigenen vier Wänden in den Büchern herumzublättern und zu lernen, wird es erst so richtig toll, wenn man sich auch vor Ort ein wenig umschauen kann. In zwei Wochen bin ich wieder (sehr kurz allerdings nur) in Frankreich. Mal schauen, was ich von da mitbringen werde…

Wanderbläuling am Aigues

Wanderbläuling am Aigues

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20 Antworten zu Guide Vert 2015: die Weine des Jahrgangs 2012 in Frankreich (Teil 2)

  1. Heinz Magnus sagt:

    Toll geschrieben. nachdem ich mich nach zwei Frankreich-Jahrzehnten ein Jahrzehnt auf Deutschland konzentriert habe (natürlich nicht ausschließlich) macht der Artikel Lust, mal wieder die weine unseres Nachbarn mehr zu würdigen. vielen Dank für die Anregungen.

    • Matze sagt:

      Ja, es lässt sich natürlich nicht leugnen, dass in Deutschland in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten außerordentlich viel passiert ist. Das gilt für Frankreich natürlich noch umso mehr, also nicht relativ gesehen, sondern absolut, weil Wein in Frankreich einfach einen ganz anderen Stellenwert in Gesellschaft und Wirtschaft besitzt. Es gibt Anbaugebiete, da bleiben die Namen für Jahrzehnte dieselben (Bordeaux, Burgund, teils Champagne), aber hinter den Kulissen hat sich natürlich trotzdem etwas getan. Languedoc-Roussillon und Loire sind sicher die dynamischsten Regionen, bei denen man (fast) alle zehn Jahre die Bücher komplett neu schreiben kann. Das Spektrum der Rebsorten, Stile und Ausdrucksformen ist absolut fantastisch, ganz klar die Nr. 1 der Welt. Nur feine Mosel-Kabinette zu bereiten, das fällt den Franzosen nicht ganz so leicht 😉

        • Matze sagt:

          Nein, noch nie gehört, gesehen oder gelesen! Eric Texier ja, hab auch seinen Brézème schon getrunken, aber das hier ist ja was völlig anderes… Hört sich wirklich kabinettig an, wenn auch – sagt der erstaunliche Weinmensch ja – die Aromatik gänzlich anders ist als bei einem Riesling. Würde ich mir aber sofort kaufen (wenn’s nicht so umständlich wär). Hast Du schon mal bei Vins Etonnants bestellt? Da gibt es ja seit längerem schon etliche spannende und natürlich auch leicht abgedrehte Weine. Früher haben die gar nicht ins Ausland geliefert, jetzt – ich seh’s grad – kostet die Sechser-Kiste immerhin noch 16 € extra.

          • Keita sagt:

            Ja Matze, da habe ich schon einmal bestellt. 12 verrückte Flaschen, der Viognier war aber nicht mit dabei. Ging unkompliziert und relativ schnell für Ausland. Innerhalb von glaube 5 Tagen war alles da. Nur Paket Tracking hat nicht funktioniert. Schaumwein war nicht mit dabei, das dauert dann was länger wegen Sektsteuer, denke ich.

  2. ralph sagt:

    Ganz großes Kompliment für diesen tollen Bericht und die schönen Photos!! Da kann man sich den Guide Verte ja fast sparen…
    Die roten Weine von der Loire finde ich auch sensationell. Schade, dass Clos Rougeard in den letzten Jahren preislich extrem angezogen hat :-(.
    Hast Du den Einstiegswein von Rayas, den VDP de Vaucluse, schon probiert? Ich finde ihn besser als den CDR. Vielleicht habe ich den 2009er aber auch nur zu früh geöffnet. Ich hatte nun schon fünf Flaschen im Glas und alle haben recht “gebizzelt”, was ich nicht so mag.

    grüße ralph

    • Matze sagt:

      Danke fürs Kompliment! Dass man sich den Guide Vert jetzt nicht kauft, ist natürlich genau das Gegenteil von dem, was ich bezwecken wollte. Dort steht trotz meiner etwas länger gewordenen Artikel nämlich noch ein bisschen mehr drin 😉 .

      Den VdP vom Château des Tours hab ich auch, ja. Eine Flasche ist noch im Keller, ich glaube, der 2007er, müsste aber mal nachschauen, darauf bin ich auch gespannt. Mein 2010er CdR hatte jedenfalls nicht gebizzelt. Vielleicht waren Deine Flaschen alle ein bisschen warm gelagert – oder der 2009er wurde bewusst stärker mit Gärkohlensäure geschützt, das weiß ich nicht. Aber klar, der hätte eine gute Weile Luft gebraucht. Meiner hat auch am zweiten Tag besser und harmonischer geschmeckt als am ersten… Übrigens würde ich vielleicht dasselbe mit dem Vacqueyras von Tours sagen, das ist ja quasi der Spitzenwein des Weinguts. Der war mir auch schon wieder zu stark, also halt wie ein gewöhnlicher, sehr gut gemachter, warmer Südrhône-Wein. Aber vielleicht hätte man den auch erst nach 20 Jahren aufmachen sollen. Was ich nämlich nicht geschrieben hatte: die Guide Vert-Autoren haben dieses Jahr Rayas 2005 in Rot und Weiß probiert. Super Weine, viele Punkte, aber auch da sagten sie, dass die Weine noch viel zu jung wären. Ich habe das Buch gerade nicht hier, aber irgendwie ist mir so was von 25 Jahren beim Roten in Erinnerung…

  3. Hi Matze, mal wieder ein super Beitrag.
    Tolle Bilder. Sind das kleine Stinte in der Pfanne des Meisterkochs? Ich hätte die am liebsten frittiert und dann mit einem frischen Muscadet vernichtet. Dass die Savoyer ihre eigene Abteilung im Guide vert haben ist aber auch noch nicht solange her. Bis zur Ausgabe 2012 sind die mit der anderen Berg-Region, dem Jura zusammengefasst. Schöne Landschaft, interessante Weine, wie ich dieses Jahr feststellen konnte.
    Jedes Jahr überlege ich mir immer wieder, kaufe ich jetzt Guide Vert oder Betaten & Dessauve oder beide oder keins? Dieses Jahr sind da bei mir noch alle Optionen offen…

    • Matze sagt:

      Ja, das sind Eperlans. Was mein Problem war: An dem Abend blies der Mistral besonders stark, und ich hatte keine Chance, die Fischchen zu frittieren. Ich musste froh sein, dass sie in der Pfanne auf der stark flackernden Gasflamme überhaupt gar wurden…

      Und es stimmt natürlich, Savoyen hat den eigenen Eintrag noch gar nicht lange. Ich meinte das auch mehr als Doppelregion. Zumindest früher gab es beispielsweise bei Parker überhaupt keine Weine aus diesen Regionen, und in den Export gingen eigentlich nur ein paar Vins Jaunes für Liebhaber. Wenn ich so darüber nachdenke, hat sich gar nicht so wahnsinnig viel geändert. Okay, Tissot gibt es bei Kössler und Kreis, aber sonst?

      • Ah, die Freuden des Campings. Erinnert mich an Raclette mit Teelichtern bei Mistral bei St Tropez…. Irgendwann waren die Streichhölzer alle.
        Vins Vivants hat ein paar interessante Weine aus Jura und den Savoyen im Programm. Unter anderem den Gringet von Belluard, auch in Schwefel-frei.
        Ansonsten habe ich hier auch nichts gesehen…

        • Matze sagt:

          Ja, Du hast Recht! Ich weiß auch nicht, aber irgendwie habe ich manchmal Alex als “deutschen” Weinhändler gar nicht auf dem Schirm 😉 . Er hat auch noch zwei andere Savoyenwinzer im Angebot, deren Weine ich aber noch nicht kenne. Kennen und empfehlen kann ich dagegen Labet aus dem Jura, wobei Jura eigentlich fast immer (wenn es nicht von den zwei bis drei vergleichsweise riesigen Kellereien kommt = Cabelier & Pirou) etwas für Individualisten ist. Buronfosse klingt ja auch gut, nicht zu extrem und angenehm bepreist (http://www.vins-vivants.de/unsere-winzer/jura/domaine-buronfosse/). In Savoyen sind die wirklich interessanten Sachen eigentlich erst in den letzten Jahren aus dem Hüttenweinmeer emporgestiegen – so weit ich das aus der Literatur ersehen kann 😉

  4. Hi Matze, ich nochmal schnell. Hätte ich mir denken können, dass dir der Mauzac von Plageoles gefällt. Gehört seit ein paar Jahren auch zu meinen Lieblingen. Was die Methode ancestrale betrifft, so habe ich das aber ein wenig anders verstanden. Keine 2. Gärung ist klar. Aber so weit ich weiß, gären die Weine nur im Tank an und werden dann, mit ca. 5-6% Alkohol mit der Feinhefe auf Flaschen gefüllt. In der Flasche gären sie dann weiter. Da “normale” Hefen und keine Champagner-Hefen im Spiel sind, gären sie auch nicht durch – sondern stoppen irgendwann, wenn der Partialdruck des C02 zu groß geworden ist. Daher dann das oft vorhandene Zuckerschwänzchen. Wann, das kann der Winzer zwar ungefähr steuern (über den Zeitpunkt der Flaschenfüllung) aber exakte Vorhersagen sind eher schwierig. Weshalb der Plageoles von Jahr zu Jahr auch eine deutlich wahrnehmbare Schwankungsbreite beim Restzucker aufweist. Und wie es Huet hinbekommen hat, bei deren Ancestral dafür zu sorgen, dass der immer bis ins Brut runtergärt, ist mir echt ein Rätsel…

    • Matze sagt:

      Ja, Recht hast Du (sorry für die späte Reaktion, bin grad in Metz & das Internet lief die letzten beiden Tage so gut wie gar nicht). Das habe ich falsch erklärt, sollte ich übermorgen, zurück in Nürnberg, wohl besser mal richtig erklären. Was ich dafür weiß, ist dass Huet bei der Flaschenfüllung ein wenig Hefe zugibt, damit der Sprudel weiter = trockener durchgären kann. Trotzdem kann das nicht viel sein, wobei bei den Pétillants von Huet, die ich probiert habe, mir immer der recht geringe Flaschendruck aufgefallen ist.

  5. Keita sagt:

    Hi Matze, habe heute den Bettane&Desseauve 2015 geliefert bekommen.
    Wird wohl vorerst das letzte Mal gewesen sein. Was ich vorher an der Publikation gut fand, eine kurze Beschreibung der getesteten Weine ist komplett weggefallen, nur ein Coup de Coeur wird bei einigen Winzern vorgestellt. Texte zum Winzer auch eher kurz gehalten. Gut, sind mit 2168 auch etwas mehr als im Guide Vert. Der einzige Punkt, den das Buch noch interessant hält sind die Anhaltspunkte zur Lagerfähigkeit der einzelnen Weine, das gibt es im grünen Buch ja noch nicht.

    • Matze sagt:

      Ja, da habe ich auch erst mal geschaut: anderer Verlag, anderes Format, andere Aufmachung. B&D waren irgendwie seit der weggefallenen Anbindung an die RVF (ihr letzter RVF-Guide als Chefredakteure war gleichzeitig mein erster) in erster Linie als Weindienstleister unterwegs. Soirées in China, Zusammenarbeit mit Mercure und mit Monoprix, solche Sachen. Ihren Geschmackssinn haben sie dadurch natürlich nicht verloren; ich habe mich mal mit einer der Mitarbeiterinnen für ihren Guide unterhalten, die Parallelverkostungen und die Coups de Coeur machen B&D immer noch selbst. Hast Du schon auf die Website von denen geschaut? Dafür bekommt man ja einen Zugangscode beim Buchkauf. Es hört sich komisch an als Internet-Blogger, aber ich habe die Seite bislang gar nicht aufgerufen. Da sollen ja die ausführlicheren Notizen nach wie vor drin sein…

  6. ralph sagt:

    Hallo Matze,
    ich hätte eine Laienfrage: Bezahlen die Weingüter eigentlich dafür, dass sie im Guide Vert aufgeführt werden? Im Gambero Rosso ist das ja so, glaube ich…
    Mir ist aufgefallen, dass so manches Weingut, welches man aus dem deutschen Fachhandel kennt, im Guide Vert nicht aufgeführt ist. Dass z.B. Gourt de Mautens, Santa Duc oder Saint Cosme nicht drin sind, hat mich überrascht.
    Grüße ralph

    • Keita sagt:

      Hallo Ralph, die Frage habe ich mir bis jetzt noch nie gestellt, aber jetzt wo du den Gambero Rosso erwähnst…
      Ob die Winzer für den Eintrag ins Guide Verte bezahlen müssen kann ich nicht sagen, was aber dagegen spricht ist dass öfter mal ein Weingut keine Probeflaschen schickt und trotzdem im Guide erwähnt wird. Mit Anmerkung: keine Probeflaschen, Bewertung vom letzen Jahr. Es gibt aber auch Weingüter die bewusst auf einen Eintrag verzichten.
      Matze, kannst du weiter helfen?

      • Matze sagt:

        Nein, für einen Eintrag im RVF-Guide oder im Bettane & Desseauve muss der Winzer nichts zahlen, anders als beim Gilbert & Gaillard. Aber das ist eigentlich nur dann ein Kriterium, wenn der Preis für den Eintrag deutlich höher ist als der Preis für die zur Verfügung gestellten Weinflaschen. Normalerweise schreiben weder der RVF-Guide noch der B&D etwas über Weine, die ihnen nicht eingeschickt worden sind (bzw. bei B&D zur Vergleichs-Blindverkostung angestellt wurden). Es sei denn, das Weingut erscheint ihnen so wichtig, dass sie es quasi einlisten müssen – nicht ohne darauf hinzuweisen natürlich, dass der Winzer wieder mal nicht auf ihre Anfrage geantwortet hat…

        Das entscheidende Kriterium dabei ist natürlich immer Subjektivität, und da sind die Wein-Großmeister nicht besser oder schlechter als wir. Jeder, der sich schon längere Zeit mit Wein beschäftigt, hat schließlich bestimmte Vorlieben, die mit der Zeit auch möglichen Schwankungen unterworfen sind. Das ist für mich auch völlig okay, solange man ungefähr weiß, wo der Autor so steht. Einen hochwertigen Wein, der mir stilistisch nicht wirklich gefällt, werde ich also nicht grottig bepunkten (weil ich seine Hochwertigkeit erkenne), aber auch nicht so gut wie meinen stilistischen Lieblingswein.

        Insofern weiß ich es natürlich nicht, könnte mir aber vorstellen, dass die Süd-Rhône-Brummer à la Santa Duc bei den RVF-Autoren gerade nicht so angesagt sind. Gourt de Mautens und Saint-Cosme waren früher auf jeden Fall im RVF-Guide vertreten, daran kann ich mich erinnern (leider bin ich gerade sehr weit von meinen Büchern entfernt, so dass ich nichts Genaueres dazu sagen kann). Das wäre meine Erklärung, aber wie gesagt, da ich die RVF-Autoren nicht persönlich kenne, ist das nur eine Vermutung – nach elf Jahren kontinuierlichen RVF-Lesens allerdings auch nicht komplett zufällig 😉

        • Keita sagt:

          Ralph,
          Ich kann Matze da bestätigen,
          Beide Weingüter waren zumindest bis Ausgabe 2013 regelmäßig vertreten. Gourt de Mautens sogar mit 1-2 Sternen. Nur Santa Duc seit zumindest 2001 nicht. Davor liegen mir keine Daten vor.
          Gruß, Keita

  7. ralph sagt:

    @Keita, Matze
    Herzlichen Dank für die hilfreichen Antworten!!

    Grüße ralph

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