Am Wochenende war ich endlich – nach zwei Jahren unfreiwilliger Pause – mal wieder bei der K&U-Hausmesse in Nürnberg. Für mich ist das immer eins der weintechnischen Highlights im Kalender. Einerseits, weil die Weine des neuen Jahrgangs (in diesem Fall 2010) sich im November weitaus besser beurteilen lassen als direkt nach der Füllung. Andererseits, weil Martin Kössler genau das tut, was man sich von einem guten Weinhändler wünscht: Er selektioniert vor. So gibt es hier neben sehr guten, bewusst hergestellten, aber zugänglich wirkenden Weinen auch immer eine Reihe individueller, teils interpretationsbedürftiger Gewächse. In genau diesem Spannungsfeld liebe ich es, meine Entdeckungen zu machen.
Die technischen Details dieses Events sind für eine “private” Veranstaltung gigantisch: Im Nürnberger Ofenwerk, mitten zwischen edlen Old- und Youngtimern, befinden sich Weinstände, die in diesem Jahr genau 99 verschiedene Hersteller repräsentieren. Das Besondere ist jedoch, dass in zwei Drittel der Fälle die Winzer selbst hinter ihrem Stand stehen. Bei Nachfragen gerät man also garantiert an den Richtigen. An den äußeren Ständen hat sich dafür die crème de la crème der mittelfränkischen Bäcker-Käser-Chocolatier-Caterer-Szene eingefunden, so dass die Besucher oft mit zwei prall gefüllten Tüten an Spezereien die Messe wieder verlassen.
Ich selbst habe mich allerdings aufgeführt wie ein nerdiger Maniac. Von den über 400 angestellten Weinen habe ich an den beiden Tagen immerhin 139 probiert. Einige direkt im Gespräch mit den Winzern am Stand – dann musste ich versuchen, mir so viel wie möglich für die folgenden Aufzeichnungen zu merken. Mit anderen Weinen im Glas bin ich hingegen direkt abgezogen auf eine der Bierbänke, um die Notizen am lebenden Objekt durchführen zu können. Das ist wahrhaft unkommunikativ und verschroben, ich weiß. Aber ich war wirklich unheimlich gespannt auf die Produkte, von denen die meisten aus einem durchaus schwierigen Jahrgang stammten.
Im ersten Teil meiner kleinen K&U-Serie könnt Ihr von den deutschen Weinen lesen, die ich probiert habe. Im zweiten Teil folgen die “anderen” Weine, schwerpunktmäßig Österreich, Frankreich und Italien. Los geht es also mit der großen Messeschau.
Die Winzer sind alphabetisch geordnet, die Weinpreise stammen von der K&U-Liste. Ihr werdet mir verzeihen, dass ich bei der großen Auswahl gelegentlich die Gutsweine nicht probiert habe. Gerade jene könnte man zwar jetzt schon trinken, aber 2010 war definitiv kein Jahrgang für Gutsweine. Die Fotos sind sehr dürftig geworden, weil ich bei meiner Kamera aus Versehen den Akku entleert hatte und jetzt mit einem Leihgabe-Klickklack unterwegs war. Unnötig zu erwähnen, dass nur ebensolche Freaks wie ich sich den ganzen folgenden Mammut-Post durchlesen werden. Ist eher zum Nachblättern gedacht, wenn Ihr wissen wollt, ob ich Euren Lieblingswein genauso gut und Euren Gämmelwein genauso schlecht finde.
Christmann, Pfalz:
2010er Riesling Gimmeldingen trocken, 13,80 €: Sehr frisch und knackig, ganz mutig im Jahrgangsstil gehalten.
2010er Riesling Gimmeldinger Biengarten trocken, 17,90 €: Moussiert leicht, was die Frische des Weins noch unterstützt. Obwohl der Biengarten auch frisch und knackig wie der Ortsriesling ist, folgen hier eine cremigere Note und eine helle Traubigkeit. Aus den vergangenen Jahren kannte ich immer nur Mäushöhle und Ölberg auf dieser “Premier Cru”-Stufe, schön also, diesmal den Biengarten als den vermeintlich Kleinsten am Start zu haben.
2010er Riesling Reiterpfad GG, 29,80 €: Glattere Art, Kohlensäure total gebunden. Obwohl man die größere Tiefe gleich spürt, bleibt der Wein dann ziemlich weit hinten in seiner Aromatik und wirkt noch zu jung. Das ist auch vernünftig, denn ein GG, das jetzt auf dem Höhepunkt wäre, würde mich doch ein wenig irritieren.
2010er Riesling Idig GG, 35,80 €: Schöne Nase, expressiver, reich und mineralisch gleichzeitig. Am Gaumen bleibt der Wein präsent, hat aber die Fühler sogar noch ein wenig mehr eingezogen als der Reiterpfad. Reifepotenzial? Absolut.
2008er Riesling Idig GG, 32,50 €: Deutlich gereifter in der Nase, eine gewisse Süße ist spürbar, der Ton ist quittiger, was die noch knallhellen 2010er nicht haben. Ganz zu Anfang wirkt der Wein glatt und ruhig wie ein Teich im Herbst. Dann kommt eine beachtliche Säure heran, während die Fruchtsüße immer noch stehen bleibt. Sonnengelb ist die Materie, nicht zu tropenfruchtig, aber dennoch saftig. Obwohl der Idig noch lange laufen wird, ist das jetzt schon ein sehr schöner Wein am Anfang seiner Trinkreife.
Ansgar Clüsserath, Mosel
2010er Riesling Steinreich trocken, 13,50 €: Macht natürlich schon längst Eva Clüsserath-Wittmann, das Gut trägt aber noch den Namen ihres Vaters. Acht Gramm Säure pro Liter hat der gute Wein hier, bei der Ernte waren es sogar noch 11 g. Dennoch wurde weder entsäuert noch der BSA durchgeführt. Durch Weinsteinausfällung etc. ging die Säure dann wieder auf ein akzeptables Maß zurück. In der Nase verspüre ich zunächst eine interessante Küchenkräuternote, irgendwie nach Kerbel. Am Gaumen ist der Wein aber spontan zugänglich und fast gefällig zu nennen. Säure und Süße gleichen sich schön aus, saftig und knackig.
2010er Riesling Apotheke trocken, 17,90 €: Ich staune. Dieser Wein wirkt momentan sogar noch zugänglicher. Viel Frucht, Saft, Schmelz, bestimmt nicht sehr niedrig in Süße und Säure. Ich wage mal das zutreffende Wort auszusprechen: lecker. So konnten 2010er Weine auch werden, wenn man die entsprechende Geduld besaß.
Heymann-Löwenstein, Mosel
An dieser Stelle vielleicht gleich mal ein paar Worte vorweg, weil die Weine auf eine gewisse Weise erklärt werden wollen. Winzige Mengen, späteste Ernte, stark erhöhte Preise, deshalb heißen auch alle Weine “Reserve”. Aber sie sind auch derartig anders als sonst… Ich kenne und kaufe die Weine des Weinguts seit dem 2004er (der im Übrigen mein Lieblingsjahrgang bislang war). Diesmal haben die Moste im Keller überhaupt nichts getan, keinen Bock auf Säureabbau, weshalb die Weine zwischen 9 und 11 g Säure pro Liter aufweisen. An Süße hat es den HL-Weinen ja ohnehin selten gemangelt. Das sind in der Spitze Konzentrate, wie man sie bei (relativ) trockenen Weinen kaum je gesehen hat. “Trinkig” ist nicht das erste Wort, das mir spontan in den Sinn kommt. Diese Monumente, ich hatte es ja schon auf der Facebook-Page angekündigt, werden dereinst im Museum stehen.
2010er Riesling Schieferterrassen Reserve, 16,80 €: So zugänglich in diesem Stadium habe ich die Schieferterrassen selten erlebt. Fast traue ich mich das nicht zu sagen, aber das ist auf dem GG-Niveau mancher großer Moselgüter.
2010er Riesling von blauem Schiefer Reserve, 19,80 €: Den Wein habe ich mir gesondert zu Gemüte geführt. In der Nase heller Honig und Alkohol, ein ganz bisschen gelbe Frucht noch. Im Mund sofort ein mächtiges Aroma, eine dichte Materie, krass hoch in der Säure, Kräuter-, Honig- und Mandarinennoten, leicht bitter. Ein echter Langläufer, dem ich es aber durchaus zutraue, dass er sich demnächst wieder zurückzieht. Am zweiten Tag noch mal nachverkostet, eine höhere Süßeanmutung verspürt, aber weiterhin verblüffend zugänglich.
2010er Riesling Kirchberg Reserve, 21,80 €: So, jetzt geht die Sache mit den Museumsweinen langsam los. Der Stil bleibt, Süße und Säure in der Balance, dazu diesmal aber eine Art bleichende Note und mehr Pep.
2010er Riesling Uhlen B (Blaufüßer Lay) Reserve, 36,80 €: Das ist der straffste Wein der Serie, was heißen soll, dass er sensorisch trocken schmeckt. Aromen im Quadrat, eine erstaunlich helle Mineralik und – das muss man auch sagen – 14,5 vol% Alkohol. Analytisch. Sticht aber bei der Gesamtkonzentration überhaupt nicht hervor. Ein Museumswein, ich sagte es bereits.
2010er Riesling Uhlen L (Laubach) Reserve, 39,80 €: In der Nase ist eine süße Reife zu spüren und jetzt auch der Alkohol (ebenfalls 14,5 vol%). Die Extreme in Säure, Süße und Materie auf gleicher Höhe lassen sich kaum mehr anheben, hier summt und vibriert alles. Ich persönlich wüsste nicht, zu welchem Essen ich einen solchen Wein jemals reichen sollte, vielleicht zu etwas ganz Basischem wie gekochtem Fisch. Aber in ein paar Jahren.
2010er Riesling Uhlen R (Roth Lay) Auslese Goldkapsel, 49,80 € (halbe Flasche): Reinhard Löwenstein meinte, sie hätten eigentlich viel zu viel von den Süßen abgefüllt, 1.000 Liter jeweils, denn Süßweine bleiben einfach Nischenprodukte. Von den Trockenen hätten sie dagegen viel zu wenig. Bei diesem Wein ist zumindest in der Nase in der Tat die Süße das erste Mal deutlich über der Säurenote. Das äußert sich in einer gewissen gelblichen Klebrigkeit, die aber nicht total überbordet. Im Mund ist der Wein ungeheuer viskos. Interessanterweise kommt die Säure doch viel prägnanter zum Vorschein, als ich das von der Nase gedacht hätte. Die Fruchtsüße wirkt ungeheuer harmonisch. Der Wein läuft von heute an noch 100 Jahre, und vermutlich wird er nie eine große Talsohle durchschreiten müssen.
Immich-Batterieberg, Mosel
2010er Riesling Steffensberg, 23,90 €: Im Nachhinein tut es mir leid, nur zwei Weine von Gernot Kollmann probiert zu haben. Die alte Krux bei den fruchtigen Weinen. Beim ersten Durchlauf denke ich, nein, nimm erst mal die Winzer mit den richtig trockenen Weinen, beim zweiten Durchlauf sind die Roten dran, ganz zum Schluss die paar Edelsüßen. Eigentlich ist das Unfug, denn hier entstehen ganz tolle, ganz klassische Moselweine, die man mit Zuschreibungen wie “trocken”, “feinherb”, “halbtrocken” und ähnlichen Kategorisierungen in scheuklappige Kästen stecken würde. Der Steffensberg ist dabei der säurefrischeste Wein. Gaaanz straff, sehr hell, ein wahrhaft klirrendes Produkt.
2010er Riesling Batterieberg, 25,90 €: Auch beim Batterieberg merkt man, dass an dem, was der Jahrgang gebracht hat, nicht nachträglich herumgefummelt wurde. Eine feine Blütigkeit bahnt sich ihren Weg, eine leichte Süße auch, aber die Säure steht weiter richtig aufrecht. Nach etlichen Lagerjahren (die die Weine problemlos vertragen würden) gingen diese Weine gescmacklich sicherlich als “trocken” durch. Im Moment ist es so, als hätte man alle Elemente eines klassischen Mosel-Kabinetts einfach auf ein höheres Intensitätsniveau verfrachtet. Sehr weiße Weine von großer Eleganz.
Holger Koch, Baden
2010er Weißburgunder Herrenstück QbA trocken, 9,80 €: Eigentlich wollte ich bei Holger Koch vor allem die Roten probieren. Aber da sich die 2010er Rieslinge meiner bescheidenen Meinung nach relativ schlecht als Speisenbegleiter eignen, wollte ich nachschauen, wie es mit den Burgundern aussieht. Das waren für mich in den vergangenen Jahren nämlich oft 1a-Tischweine. “Ui”, schreibe ich in mein Notizheft, “sehr straff und knackig”. Mit anderen Worten: Am Jahrgangscharakter wurde auch hier nicht herumgedreht.
2010er Grauburgunder Herrenstück QbA trocken, 9,80 €: Obwohl der Grauburgunder im selben Stil gehalten ist, erscheint er mir ein wenig cremiger in seiner Art. Was mir immer gefällt: kein fettes Holz, keine aufdringliche Parfümiertheit, ein sehr straighter Grauburgunder.
2010er Pinot Noir Erle, 12,80 €: So sieht also 2010 in Rot aus. Ein sehr schlanker Wein, feinwürzig, tanninarm, auch ein perfekter Begleiter für Speisen, wenn jene Wurstsalat und nicht Wildschweinbraten heißen.
2009er Pinot Noir K&U-Sonderedition, 18,50 €: Eine große Stufe geht es hier nach oben, aber es handelt sich ja auch um einen anderen Jahrgang. Die Materie ist viel dichter, deutlich mehr Würze und Kraft. Der ausgewogene Gutsstil bleibt aber auch hier erhalten.
2009er Pinot Noir Reserve, 39,80 €: Mit diesem Wein ist Holger Koch in den Top Ten der deutschen Rotweinerzeuger angekommen. Glaubt Ihr nicht? Doch, das glaubt Ihr auch. In der Nase wirkt der Wein noch sehr jung, sehr himbeerig, viel süße Frucht. Am Gaumen fächert sich die ganze Sache ein wenig stärker auf. Die Säure steht nicht zu niedrig, wird aber von der mächtigen Frucht leicht aufgefangen. Eine weniger erdige als vielmehr kräuterige Würze folgt nach, der Schwung der Frucht bleibt aber immer präsent. Ich bin ja kein Freund vollfruchtiger Rotweine, die dahinter nichts zu bieten haben. Ohne den entsprechenden Fruchtkern in der Mitte kann es jedoch passieren, dass der Rotwein mit zunehmender Reife ausgezehrt wirkt. Das wird hier nicht passieren. Gegenüber echten Spitzen-Burgundern fehlt mir ein wenig die Tiefe, die Finesse, aber dennoch wird das mal ein sehr guter Wein.
Peter Jakob Kühn, Rheingau
Ich muss zugeben, dass ich die Kühn’schen Weine diesmal relativ schnell durchprobiert habe. Zum einen waren Amphore und Schlehdorn als Statements nicht da, zum anderen gab es mit beiden Jahrgängen der übrigen Weine eine nicht unbeträchtliche Auswahl. So habe ich am ersten Tag die 2010er probiert und am zweiten die kleineren 2009er. Nur der 2010er Doosberg, der musste an beiden Tagen sein.
2010er Riesling Quarzit, 14,50 €: Das ist mal eine Überraschung. Ich hatte den Wein aus einem Jahrgang wie 2007 als recht geradeaus und säurestreng in Erinnerung. Interessanterweise kommt er mir diesmal viel zugänglicher vor. Fast dezent, der gute Quarzit.
2010er Riesling Hallgarten Hendelberg, 16,50 €: Der Hendelberg ist ja die neue Spitzenlage des Rheingaus in heißen Jahrgängen, weil ganz oben und hinten im Tal gelegen. 2010 sollte dieser Lage eigentlich nicht so behagt haben, aber der Wein ist dennoch sehr schön gelungen, sehr fein und leicht wirkend.
2010er Riesling L, 18,90 €: Wieder wundere ich mich ein wenig. Der L aus einer bestimmten Doosberg-Parzelle ist jetzt schon bereit, zum Essen gereicht zu werden. War doch früher immer ein schwierigerer Vertreter. Schmeckt.
2010er Riesling Mittelheim Sankt Nikolaus, 25,90 €: Fast hatte ich schon gefürchtet, die ansonsten doch sehr spannenden und polarisierenden Kühn-Weine seien in eine Art Konsens-Koma gefallen. Aber der St. Nikolaus deutet schon mit seiner deutlich dunkleren Farbe an, dass hier ein anderer Charakterzug mit hinein kommt. Derzeit ist der Wein noch ziemlich verschlossen. Bis hier der echte Ausdruck kommt, braucht man Geduld.
2010er Riesling Oestrich Doosberg, 27,90 €: Der Wein wird aus der Karaffe gereicht wie der Nikolaus davor, weil er einfach noch viel Luft braucht. In der Nase spüre ich dementsprechend noch hefig-süße Noten, dazu helle Marille. Am Gaumen kommt eine kräuterig-expressivere Materie an. Die Säure ist durchaus präsent, in der Mitte wirkt mir der Wein jedoch schlanker als erwartet. Interessanterweise scheint sich der Doosberg ständig zu winden und zu verändern, denn war er am ersten Tag noch leicht bissig und fordernd, kam am zweiten Tag ein volles Aroma durch, das eine erstaunliche Trinkfreudigkeit mit sich brachte. Mit anderen Worten: ein spannender Wein, mit dem man noch eine Menge erleben kann.
2009er Riesling Quarzit, 14,50 €: Saftig, frisch und zugänglich. Der Wein deutet nicht nur an, dass man ihn jetzt mit Genuss öffnen und trinken kann.
2009er Riesling Hallgarten Hendelberg, 16,50 €: Die Rache des sonnig-fetten Jahrgangs 2009 besteht oft darin, dass sich die einstmals “leckeren” großen Weine derzeit als mopfige Stubenkater gerieren. Die Gefahr bestand beim Hendelberg sicher kaum. Heute bin ich dennoch von der Saftigkeit überrascht. Im unteren Segment haben die Kühn-Weine irgendwie an “Schmackhaftigkeit” gewonnen. Sagt mir, wenn ich mich täusche, aber ich probiere die Weinen nun schon seit einigen Jahren und derartig konsenstauglich habe ich sie noch nie erlebt. Ich weiß noch nicht, ob mich das eher freut oder eher enttäuscht, aber ich stelle es mal so fest. Beschwere ich mich hier eigentlich darüber, dass Weine zu angenehm schmecken?
Sven Leiner, Pfalz
Letztes Jahr wurde Sven Leiner vom Gault Millau sehr unsanft in die Ein-Trauben-Kategorie getrieben. Ich hatte seinerzeit hier über die Gründe gemutmaßt. In diesem Jahr wurde er zwar nicht vollständig rehabilitiert, aber wenigstens als einer der besten Ein-Trauben-Winzer genannt. Die Weine hätten halt “weniger Fruchtpräsenz, als das vom Durchschnittsverbraucher gefragt” sei, die gereifteren Weine würden mehr Spaß machen. Leider musste Sven krankheitsbedingt zu Hause bleiben, aber seine Weine konnte ich trotzdem probieren.
2009er Riesling Setzer Spätlese trocken, 11,90 €: Ganz im saftigen Pfalz-Stil gehalten, ist dies hier ein schöner Speisenbegleiter. Irgendwie ist in den Geschmacksnoten bereits ein Essen mit integriert, Saumagen vielleicht.
2009er Riesling Kalmit trocken, 15,90 €: Ja, der Jahrgang kann nicht verleugnet werden. Eine üppige Restsüßeanmutung schwingt bei diesem Wein mit. In der Tat würde ich den Kalmit lieber in vier Jahren noch mal angehen.
2010er Grauburgunder Handwerk QbA trocken, 8,20 €: Also im Basisbereich sind die Weine der Messe wirklich stark. Kein einziges schal-entsäuertes Produkt, immer frisch, animierend, unkompliziert. So wie hier.
2009er Grauburgunder Katzebosch trocken, 12,80 €: Dezenter in der Aromatik als der Riesling Setzer ist dies hier ein cremiger Wein, saftig und nicht zu fett. Gefällt mir recht gut.
2008er Chardonnay Hadorne trocken, 16,80 €: Oh, eine kuriose Nase. Gelbe Hagebutte, Teewurst fast, Mango, der Anflug leichter Botrytis. Süß an der Zungenspitze, eine gewisse Dicklichkeit, gelbfruchtig und nicht gerade viel Säure, die die Süße und den Alkohol im Zaum halten kann. Nicht mein Stil, was aber nicht an der Rebsorte liegt, denn Weißburgunder oder Silvaner auf diese Art gibt es ja auch. Trotzdem wäre es spannend, den Wein nach einer richtig langen Zeit mal zu öffnen.
Zehnthof Luckert, Franken
2010er Silvaner Sulzfelder Cyriakusberg Kabinett trocken, 9,90 €: Ein schwieriges Jahr auch in Franken. Der Wein ist tiptop angenehm zu Tisch, aber nicht besonders sortentypisch von den Aromen her, sondern eher neutral. Dafür aber auch nicht so hoch in der Säure, wie die 2010er beim Weingut ohnehin gar nicht extrem säurereich gewesen seien.
2010er Blauer Silvaner Sulzfelder Maustal trocken, 9,90 €: Frischer und stahliger ist der Wein, jahrgangsbedingt aber eher ein wenig dünn in der Materie ausgefallen.
2010er Silvaner Gelbkalk trocken K&U-Sonderedition, 16,90 €: Der Gelbkalk (was hier die Sonderedition genau ausmacht, müsste ich erst nachblättern) besitzt wesentlich mehr Schmackes und einen überraschenden Holzeinfluss. Das große Fass, das hier verwendet wurde, ist neueren Datums. Auch wenn der Wein nicht so dicht ist wie aus anderen Jahrgängen gewohnt, dürfte der Gelbkalk wieder mal ein vielseitigerer Essensbegleiter zu sein als sämtliche hier angestellten Rieslinge. Ernsthaft.
2010er Riesling Steinriegel trocken, 16 €: Ein Riesling im Jahrgangsstil: knallige Säure, weil nicht so hoch in der Süße, sehr engmaschig, sehr streng, sehr pur.
2009er Muskatsylvaner ***, 28,90 €: Duftet nach Holunderblüte und besitzt auch sonst eine gewisse Parfümiertheit und Leichtigkeit. Ganz anders als ich bei dem Preis gedacht hätte, zu dem sonst immer eher schwere Weine unterwegs sind. Beim Muskatsylvaner handelt es sich um Reben, die aus alten Sauvignon blanc-Stöcken gezogen wurden. Da es dementsprechend kein Neuimport ist, wurde auch der seinerzeit in Franken übliche Name übernommen. Ebenfalls gut zu Tisch geeignet übrigens.
2008er Spätburgunder ***, 28,90 €: In der Nase die obligatorische Himbeere, am Gaumen dafür gar nicht so üppig oder saftig, sondern eher auf der straff-würzigen Seite.
2008er Frühburgunder ***, 30,90 €: Den Wein habe ich (weil ich am zweiten Tag ja auch mein zweites Glas am Eingang bekam) direkt gegen einen hochwertigen amerikanischen Pinot Noir antreten lassen. Hat sich gar nicht so schlecht geschlagen. Das kommt dann aber besser im zweiten Teil.
Henrik Möbitz, Baden
Den Weinen des Nebenerwerbs-Weinguts (ist es noch, soweit ich weiß) bin ich schon in Berlin hinterher gerannt, weil ich sie unbedingt einmal probieren wollte. Hat aber nicht funktioniert. Deshalb hat es mich sehr gewundert, sie sowohl im K&U-Programm als auch bei der Hausmesse zu sehen. Positives Erstaunen natürlich.
2008er Pinot Noir Steinberg, 25 €: 700 Flaschen gibt es insgesamt von diesem Wein. Offene Maischegärung übrigens bei beiden und Ausbau in gebrauchten Barriques. Der Steinberg ist ein wirklich mineralischer, feinfruchtiger Wein. Ich weiß, dass jetzt einige schreien werden, aber für mich ein total französischer Stil. Wer in Deutschland beim Rotwein in der Restsüße eine Null vorm Komma hat, bekommt bereits bei der Qualitätsweinprüfung Probleme. Mutig bepreist, aber gefällt mir.
2008er Pinot Noir Kanzel, 28 €: Noch mutiger bepreist, aber ich nehme an, dass es auch ein riesiger Aufwand ist für diese kleine Produktion. 540 Flaschen. In der Nase kommen die Himbeer- und Minzenoten stärker zum Ausdruck, dazu leicht buschige Anklänge. Am Gaumen gibt es trotz der beerigeren Frucht eine pikante Säure-Würze-Note. Hinten raus kommt dann auch das Tannin, auf das ich bei diesem Hausstil gewartet hatte. Bei solchen Weinen habe ich keine Angst, dass sie im warmen Nachfolgejahrgang zu dicklich geraten sind.
von Racknitz, Nahe
2010er Riesling Vulkangestein trocken, 12,90 €: Als ich zum ersten Mal die 2007er Weine dieses mir bis dahin unbekannten Weinguts getrunken habe, war ich total perplex: Schon wieder jemand, der in der Christmann-Wittmann-Liga mitspielen kann. Ganz so ist es noch nicht gekommen, aber die Lagen an der Nahe halten auf jeden Fall schon mal mit den Großen mit. Dieser Wein hier ist ein Kind seines Jahrgangs. Knackig, straff, konsequent. Ich weiß nicht, wie oft ich das jetzt schon geschrieben habe. Ich persönlich würde den Wein jetzt noch ein Weilchen weglegen, wenn auch nicht zu lange, denn sein Bauchumfang ist nun mal nicht so üppig.
2009er Riesling Vulkangestein trocken, 12,90 €: Ha, interessant. Das ist etwas für Sensorik-Kenner. Kuriose Noten nach verbranntem Gummi steigen mir in die Nase. Woran kann das liegen? Sonnenbrand? Könnte sein, denn bei dem Nachfolgejahrgang konnte ich das jedenfalls in der jetzigen Phase nicht so schmecken.
2009er Riesling Odernheimer Disibodenberg trocken, 16,80 €: Hm, auch Gumminoten, dazu aber eine gewisse Süße und ein intensiver Weißdornanklang. Nach den Zweigen und den Blüten. Erstaunlich säurestraff ist der Wein für den Jahrgang, sehr glatt und kräuterig in der Anmutung.
Jakob Sebastian, Ahr
2007er Spätburgunder Heimersheimer Berg trocken, 9,80 €: Ein Weingut von der Ahr, das auch Weinhaus ist und deren “andere” Linie halbtrockener Rotweine ich aus dem Karstadt-Regal kenne. Fügt sich für mich nicht sofort schlüssig in das K&U-Portfolio ein, aber okay. Der Wein ist jedenfalls unfiltriert, recht wild und dennoch geradeaus, mit einer kleinfruchtigen Hagebutten-Sanddorn-Aromatik (diesmal meine ich die Früchte, nicht die Blüte).
2006er Spätburgunder Ahrweiler Daubhaus Auslese trocken, 17,80 €: Auf Löss und Lösslehm gewachsen. Ein wirklich heller Rotwein, bei dem kein Dornfelder in geringen Mengen beigemischt wurde. Ich bin ja eh jemand, dem allzu dunkle Farbe in deutschen Weinen viel eher skeptisch macht als allzu helle Farbe. Die Fruchtnote geht wieder in Richtung Hagebutte, aber mit einem weicheren Fruchtkern. Das Tannin ist abgeschliffen, und der Wein würde sich langsam finden, wenn er denn genug Materie besäße. Mir wird er aber langsam zu “bräunlich” in seinem Gesamteindruck. Ich mag manche Ahrweine ja wirklich gern, aber Alkohol und die Ahnung von verbrannter Erde sind zwei Elemente, an denen meiner Meinung nach noch gearbeitet werden müsste.
Van Volxem, Saar
2010er Riesling Saar, 10,90 €: Der Jahrgang dürfte mengenmäßig nicht gerade üppig bei VV gewesen sein, denn sowohl die Alten Reben als auch der Goldberg sind auf der K&U-Liste bereits als “ausverkauft” gemeldet. Den Saar-Riesling gibt es hingegen noch. Vorher hatte ich (leider?) den Steffensberg von Immich probiert, und gegen den wirkt Van Volxems Saar ein bisschen blass. Nein, richtig blass. Ein weißer Körper und wenig Animiertheit. Ich glaube, das haben andere schon mal anders gesehen, aber was hilft es?
2010er Riesling Alte Reben, 14,80 €: Die Alten Reben besaßen in wärmeren Jahren schon mal deutliche Süßenoten. Diesmal ist der Wein eher schlank und kommt auch nicht so richtig aus der Reserve.
2010er Riesling Goldberg, 16,90 €: Beim Goldberg kommt die erste ganz leicht gelbe Anmutung, die ansonsten bei den Weinen von Van Volxem ja stark vertreten ist. Im Gesamteindruck bleibt der Wein aber auch ziemlich auf der blassen Seite. Nicht dass Ihr mich missversteht und ich jetzt plötzlich bei Saarweinen nach den gelben Tropenfrüchten schreien würde. Aber wenn der Stil denn eher weiß und schlank ist, dann finde ich (hier auf der Messe) bei Immich oder Clüsserath mehr Pikanz.
2010er Riesling Volz, 24,50 €: Grübelnd ziehe ich mich mit diesem Wein zurück. Aber ausgerechnet: Er ist ganz anders als die Weine davor. Die Nase lässt Reife spüren, gelbe Früchte und dennoch ein heller Honigton, eine Ahnung von Restsüße. Am Gaumen ist der Wein erst einmal bitter, jawohl, dann aber auch von einem sehr schönen Süße-Säure-Spiel geprägt. Die Fruchtnoten gehen ein wenig in Richtung einer hellen Mostbirne. Auch wenn der Wein momentan noch ein wenig neben sich steht, macht er den Eindruck, sehr langlebig zu sein. Gefällt mir deutlich besser als die anderen VV-Weine.
von Winning, Pfalz
2009er Riesling Grainhübel, 17,50 €: Alle Welt jubelt über von Winning. Warum das so ist, bewegte sich für mich bislang im Reich der Spekulation: Tatsächlich so großartig? Wiedererkennbarer Stil (kann man schön protzen bei Weinproben)? Alle laufen ein paar Wortführern nach? Ich war jedenfalls sehr gespannt. Bei diesem Wein wundere ich mich erst einmal über den sehr dezenten Holzton. Das ist nicht der “Riesling mit Holz”, den ich erwartet hatte. Nett ist der Riesling, fruchtig im Pfalzstil, mir persönlich aber zu hoch in der Süße-Anmutung.
2010er Riesling Reiterpfad, 15 €: Auch hier ist das Holz kaum präsent. Im Gegensatz zum Vorgängerwein ist dieser hier – dem Jahrgang entsprechend – extrem hell in der Aromatik und ziemlich zahm. Eine Mischung aus beiden Weinen wäre besser.
2010er Riesling Ungeheuer 500, 28,50 €: Eine im Jahr 2008 bestockte Parzelle mit ihrem Erstlingsjahrgang. 10.000 statt 5.000 Stöcke pro Hektar, ausgebaut im 500 Liter-Fass, daher der Name. Oho, hier kommt das Holz. In der Nase ist es schon ordentlich da, daneben noch ein deutlicher Sponti-Ton, wirkt auf jeden Fall interessant. Die Substanz ist eindeutig stärker, und wenn der Wein dereinst das Holz einigermaßen verschlungen hat, kann das alles auch noch harmonisch werden.
2010er Riesling Kirchenstück GG, 49 €: Mit dem Wein ziehe ich wieder ab in meine Ecke. Ebenfalls Holznoten in der Nase. Dazu Kräuter und Koriandersamen, insgesamt wieder ziemlich weiß. Am Gaumen kommt dann eine fast knallige Würze ins Spiel. Dies ist der erste richtig gute Wein der Serie, und jetzt weiß ich auch, wovon hier geschwärmt wird. Die Säure ist ordentlich präsent, wie auch insgesamt die Aromen intensiver wirken. Die Materie erscheint mir “mitteldicht” zu sein, also nicht zu mager zum Reifen und nicht zu fett zum Trinken. Ich denke, dass die Tanninanmutung, die ich spüre, vom Holz kommt. Da wird jemand noch lange laufen können. Guter Wein.
2010er Riesling Langenmorgen GG, 26 €: Am nächsten Tag probiere ich auch noch das andere, nominell wesentlich kleinere GG. Da sich die Veranstaltung langsam dem Ende zuneigt, hat der Wein genügend Zeit zum Lüften gehabt. Dementsprechend spüre ich neben der süßen Frucht und der starken Säure, die natürlich bleiben, noch eine deutliche Cremigkeit. Das Holz ist nicht mehr so dominant, der Charakter allerdings auch nicht so ausgeprägt wie beim Kirchenstück. Ich weiß nicht, ob ich das nach dieser einen Probe so sagen kann, aber bei mir erweckt jene den Eindruck, als wären die Leistungsstufen beim Winning’schen Wein ganz schön weit auseinander. Jedenfalls in diesem Jahrgang.
Wittmann, Rheinhessen
2010er Riesling Westhofen trocken, 16,80 €: Wittmann folgte bei meiner Verkostung direkt auf Christmann, und das passt auch irgendwie. Super zugänglich ist der Westhofener diesmal, ein schönes Süße-Säure-Spiel. Den kann man jetzt schon zur kalten Platte aufmachen oder einfach so auf der Terrasse. Gut, dem Wintergarten, meinetwegen.
2010er Riesling Aulerde GG, 26 €: Die Aulerde, die ich ja immer für das holprige Rad am Wittmann’schen GG-Wagen gehalten hatte, konnte mich vor einiger Zeit total überzeugen. Bei der großartigen Hohen-Sülzen-Weinprobe war dies mein Weißweinfavorit. Jahrgang 2001 allerdings. Das Reifepotenzial großer Jahrgänge. Diesmal kommt mir die Aulerde sehr leichtfüßig vor, eher weiß als gelb, eher frisch als gehaltvoll. Aber nicht zu unterschätzen.
2010er Riesling Kirchspiel GG, 32,80 €: Das Kirchspiel bringt eine zusätzliche Note mit ins, äh, Spiel. Es handelt sich ohne Zweifel um einen weißen Johannisbeerzweig. Allerdings ist damit keine noch weißere oder noch säurereichere Anmutung verbunden. Ganz im Gegenteil, das Kirchspiel gehört zu den säureärmeren GG heute, jedenfalls sensorisch.
2010er Riesling Morstein GG, 35,80 €: Auch beim Morstein habe ich den Eindruck, dass die Säure stärker abgepuffert ist. Die Bitternote kommt deutlicher zum Tragen, die Frische rückt nach hinten, die Materie wirkt mächtiger. Das mit der Säure ist natürlich relativ zu sehen, denn 2010 wird nicht in die Geschichte eingehen als ein Jahrgang für den empfindlichen Magen. Dafür wird der Wein lange halten. Überzeugend jedenfalls.
Hanspeter Ziereisen, Baden
2008er Syrah Gestad, 22,50 €: Leider war Hanspeter Ziereisen diesmal nicht persönlich mit von der Partie, weshalb ich auf seine interessante Palette verzichten musste. Nur den Syrah “aus Versuchsanbau”, wie ordentlich auf der Flasche vermerkt, habe ich probiert. Eine schöne Beerigkeit steigt mir entgegen. Die typischen Syrah-Noten wie Fleisch und Leder sind unverkennbar, tanninmäßig geht es hier aber weniger streng zu als an der Nordrhône. Wenn man den Wein gut lüftet, ist er jetzt schon zugänglich. Würde ich gern mal bei einer Syrah-Blindprobe einsetzen, denn solo lässt er sich mit anderen deutschen Rotweinen doch eher schwer vergleichen.
Und das war er schon, der erste Teil der Hausmesse. Uff. Wart Ihr auch vor Ort? Falls ja, wäre ich auf Eure Eindrücke gespannt.
In den letzten Jahren sind die Grund/Basis/Guts- und mittelpreisigen Rieslingen so gut geworden, dass die GGs bei den üblichen Verdächtigen (mehr probiert, als gekauft) den erheblichen Mehrpreis selten rechtfertigen – will sagen: sie schmecken einfach nicht nach 3-4/5 mal mehr. Natürlich sind GGs speziell, tolle Einzelllagen, im Ertrag gering und in der Behandlung erlesen, aber sie sind auch der Versuch, an große Weine anderer Länder preislich heranzukommen und wohin diese z.T. absurde Preispolitik führt, sieht man ja…
Ja, für mich sind die GG natürlich auch keine Alltagsweine. Aber ich lagere ein paar der interessanten Exemplare ein, um dann nach etlichen Jahren zu sehen, wohin die Reise gegangen ist. Zum Essen passen die “Kleinen” ohnehin fast immer besser, weil hohe Extraktwerte da meist ein wenig störend wirken.
Allerdings muss ich sagen, dass das GG als Marketinginstrument dringend erforderlich war. Oder etwas GG-Ähnliches. Der trockene deutsche Wein gilt in anderen Ländern (außerhalb der üblichen Freak-Kreise) immer noch recht wenig. Mit teuren/hochwertigen Weinen kann ich zumindest erst einmal auf mich aufmerksam machen. Das GG als Katalysator sozusagen. Und im Inland denke ich, dass die Beachtung durch eine solche Kategorie, die häufig auf Events und Proben verkostet wird, auch gestiegen ist. Wenn man allein nur mal schaut, welche beiden Themen in einschlägigen Foren die meisten Klicks haben… Bordeaux-Subskription und GG, egal ob die Leute das dann auch tatsächlich kaufen oder nicht.
Aber ich gebe Dir recht: Die “Kleinen” der “Großen” sind wirklich gut geworden. Ich hatte neulich einen Kühn- und einen Clüsserath-Wein im Vergleich, beide Jahrgang 2007, Oestrich und Steinreich, glaube ich, beide seinerzeit knapp unter 10 €. Tja, die waren richtig gut, da gab es gar nichts zu meckern.
Hallo Matze,
mir ist nicht klar, was Du meinst mit: “Am Jahrgangscharakter wurde nicht rumgedreht”. Meinst Du damit das Thema Entsäuerung? Also an der Mosel führte 2010 bei 12-14 Gramm Säure kaum ein Weg daran vorbei (zumindest bei trockenen Weinen und niedrigen restsüßen Prädikaten). Und die meisten guten Betriebe haben es gemacht., was ja nicht heißt, dass die Weine nicht über eine zupackende Säure verfügen. Reinhard Löwensteins 2010er-Weine habe ich nicht verkostet., aber 14,5% Alk. sehe ich als problematisch an, die Weine sind ja auch nicht richtig trocken. Das ist der Preis, wenn man nicht entsäuern wollte. Du schreibst von “Museumsweinenen” – ein schöner Begriff. Denn darunter kann man auch verstehen, dass man diese Weine bewundern kann, aber vielleicht nicht unbedingt trinken.
Ja Cedric, ich weiß, was Du meinst. Also erst mal zum Thema Entsäuerung: Es gibt ja Betriebe, deren Philosophie eher in Richtung “Markenwein” geht. Das heißt, es wird davon ausgegangen, dass die (Stamm-)Kunden einen bestimmten Geschmack bevorzugen und den trotz Jahrgangsschwankungen wiederhaben wollen. Entsprechend ist es nach dieser Philosophie quasi erforderlich, zu entsäuern oder anzureichern, wenn der Jahrgang aus dem gewohnten Muster gerät. Ich verurteile das nicht, es ist halt ein anderer Ansatz, aber definitiv nicht meiner.
Andererseits: Wenn ich von Werner Knipser höre, dass sein 2010er Gelber Orleans so etwa 18 g Säure gehabt hätte, brauchen wir über die Notwendigkeit der Entsäuerung sicher nicht zu reden. Klar, es gibt auch die Möglichkeit, dass Überertrag oder Unreiflese einen exorbitanten Säurewert nach sich ziehen, aber 2010 mussten auch viele gute Winzer in den sprichwörtlichen sauren Apfel beißen.
Allerdings weiß ich nicht, ob man alles über einen Kamm scheren kann. Wenn Eva Clüsserath aus der Trittenheimer Apotheke einen Wein heimbringt mit 8 g Säure und 6 g Restsüße, dann sollten das andere wahrscheinlich auch geschafft haben. Das sind für mich Werte, die total im grünen Bereich liegen. Bei einem “fränkisch trockenen” Wein mit kaum Restsüße sieht ein solcher Säurewert natürlich ganz anders aus. Soll heißen: Wer es sich irgendwie leisten konnte (und die Ernte offenbar lang nach hinten verschob), den beglückwünsche ich zu dem Mut in diesem Jahrgang. Wer das nicht konnte oder wollte, kann natürlich trotzdem sehr schön trinkbare Weine gemacht haben. In der Gesamtschau sind mir von den 2010ern (nicht auf dieser Messe) allerdings ziemlich viele schal wirkende Weine in Erinnerung geblieben, die offenbar sehr stark auf Sicherheit hin vinifiziert wurden.
So, jetzt zu HL. Die Weine sind nicht richtig trocken, wie immer also. Aber jetzt stehen 10 g Restsüße halt 10 g Säure und nicht 4 g wie sonst gegenüber. Die Oechsle-Werte dürften jenseits der vernünftigen Skala gewesen sein, sonst wären 14,5 vol% wahrscheinlich nicht möglich. Für mich sind das Konzentrate, wie jede TBA auch ein Konzentrat ist, halt mehr Zucker als Alkohol, aber die Säurewerte dürften ähnlich sein. Ich komme mir da ein bisschen so vor wie (bitte nicht als Anmaßung verstehen) Robert Parker, der sich immer die unfiltrierten Niedrigertrags-Roten gewünscht hat und jetzt mit einem 17 vol%-Châteauneuf von Henri Bonneau dasteht. Wer die oberen HL-Weine aus 2010 probiert hat, wird möglicherweise wie ich feststellen können, dass wenn alles eine Intensitätsstufe höher angesetzt ist (nur halt weniger Wasser als sonst ;)), die Weine harmonisch passen. Trinken würde ich sie schon. Aber nicht heute (die HL-Weine waren aber auch noch nie früh zugänglich) und nicht in großen Mengen. Eher wie Süßweine. Du verstehst sicher meinen Zwiespalt: Die Weine sind großartig, aber alles, was man sonst mit trockenen Weinen anstellt, funktioniert hier nicht.
14,5 % ? Oh nein, nicht an Mosel auch noch solche Alkoholbomben! Da bin ich aber froh, dass wir 2009 viele Löwensteins subskribiert haben.
Ich finde schon, dass manche (restsüsse) GGs zu gutem, scharfen Essen passen.
Ich mag den Volz 2010 sehr gerne. Auch wenn er wahrscheinlich nicht so gut wie der 2007er wird.
Freu mich schon auf die Österreich-Notizen!
Naja, die Alkoholbomben sind doch spätestens mit dem 2012er Jahrgang wieder vorbei ;). Ich habe übrigens die 2009er Löwensteins nicht gekauft. Ich weiß, dass sich das komisch anhört, aber die waren mir im Gegensatz zu den 2010ern sensorisch schlichtweg zu fett. Restsüße GGs sind für mich meist auch zu scharfem Essen zu schwer, da würde ich mir lieber eine Stufe weiter unten wünschen, einen schönen Gewürztraminer oder auch Löwensteins Kirchberg oder Van Volxems Goldberg.
Ich werde nach den jetzigen Erfahrungen bei einigen 2010ern wahrscheinlich doch noch zuschlagen. Unten sind ein paar schöne saftige Sachen dabei (neben den auf der Messe probierten fällt mir auch noch Gysler aus Rheinhessen ein, sehr schmackhaft, gibt’s bei originalverkorkt), oben werde ich zwei Jahrzehnte Kellerlagerung anvisieren ;).
Die Österreicher hatten mir übrigens großenteils wirklich gut gefallen. Leider bin ich wegen den Andrangs nicht überall vorgedrungen, aber den Jagini habe ich allemal geschafft. Morgen komme ich sicher wieder zum Schreiben.
Gysler-Weine sind seit einigen Jahren in unserem Keller (ab Hof und von originalverkorkt gekauft). Derzeit habe ich aber wegen Überfüllung einen Einkaufsstop verhängt.
Geht mir kaum anders ;). Was Gysler anbelangt: Ich war bei Christoph im Keller und hatte mich gerade über die mager-belanglosen Weißweine des Jahrgangs 2010 beschwert, die ich tags davor bei einer Probe gereicht bekam. Christoph meinte nur: “Probier mal den.” Es war ein kleiner Weißburgunder, glaube ich, um 7 €. Tja, Saft, Schmelz, Knackigkeit, alles schon da. Aber wie gesagt, alles kaufen, was mir gefällt, das ist nun mal in mehrerlei Hinsicht ungünstig.
Hallo Matze,
danke für Deine interessanten Bemerkungen. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Entsäuerung, um die Gefälligkeit zu steigern, lehne ich auch ab. Aber 2010 war ja ein Sonderfall. Da gab es gerade an Mosel, Saar und Ruwer häufig 12,13,14 oder noch mehr Gramm Säure – Clüsserath scheint mir eher eine Ausnahme oder sie drückt sich etwas vor der Wahrheit. Manchen Winzern ist das Thema Entsäuerung nämlich peinlich. 2010 hofften die Winzer, dass der warme Herbst die Zuckerwerte hoch- und die Säure runtertreiben würde. Aber dann geschah das Merkwürdige: Der Zucker ging hoch, aber die Säure nicht runter. Das war es, was den Jahrgang so außergewöhnlich machte. Ein Kellermeister berichtete mir, man habe bei 20 Grad Außentemperaur Trauben mit 120 Grad Oechsle und 15 Gramm Säure gelesen – das ist Eiswein im Sommer.
Zu HL: Ich teile Deinen Optimismus nicht. Denn ich glaube, dass die einzigartige Balance und Finesse edelsüßer Moselweine auch auf den geringen Alkoholgrad zurückzuführen ist. Ich glaube nicht, dass das mit 14,5% vol funktioniert. Aber egal, die Zukunft wird das zeigen. By the way: Der beste Wein, den ich von H-L je getrunken habe, war 2010 ein 1998er Uhlen. Der Wein hatte eine fabelhafte Eleganz und Finesse, aber auch nur 12% oder 12,5% Alk. Solche Weine macht er meines Wissens schon lange nicht mehr. Aber auch ich bewundere ihn. Seine jungen Weine sind immer in großes Erlebnis. Aber wie schmecken sie in 10 bis 15 Jahren? Ich glaube, nicht so fein wie jener 1998er.
Mit der Einschätzung, dass manchen Winzern das Entsäuern ein wenig peinlich ist, hast Du sicher den Nagel auf den Kopf getroffen. Gerade in einem Bereich, der gern mit fixen Kategorien arbeitet, hat nachträgliches Bearbeiten zentraler Resultate eines Jahrgangs immer ein wenig den Goût des Manipulativen. Und im Jahrgang 2010 war ja der Herbst ähnlich mies wie der Sommer. Ich bin mir nicht sicher, aber der Oktober 2010 hatte glaube ich insgesamt sehr wenige Sonnenstunden. 2008 wurde der Jahrgang durch den Herbst ja noch in Richtung Klassik gerettet, 2010 hätte man schon bis zum November warten müssen..
Zu den Weinen von Reinhard Löwenstein noch einmal: Ich hab auch einige “neuere” HL-Weine im Keller, die ähnliche Werte aufweisen, die 2004er zum Beispiel (die Uhlen mit 12,5 vol%). 2008 war auch ein ähnlicher Fall. Ich bin mal gespannt, in welche Richtung es geht. Schlanke Jahrgänge sind meinem persönlichen Geschmack nach für einen Hang, an dem man problemlos eine Nordrhône-Syrah bereiten könnte, sicher am zuträglichsten. Die 2011er werden wahrscheinlich wieder mächtig im Zucker sein (also weniger etwas für mich). Übrigens: Wenn Du 2010 den 1998er Uhlen auf dem Höhepunkt getrunken hast, ist das vielleicht nicht nur eine Frage der damaligen Vinifizierung, sondern auch eine Frage des Alterungspotenzials. Die 2004er dürften dementsprechend im Jahr 2016 soweit sein ;). Aber klar, ob und in welcher Form Weine harmonisch reifen, ist immer wieder eine Überraschung, und derartig konzentrierte Weine mit einem solchen Alkoholgehalt wie HLs 2010er kenne ich aus Deutschland auch nicht. Warten wir’s also ab. Übrigens habe ich beschlossen, an die meisten Flaschen in “meinem” Gewölbekeller erst mal nicht ranzugehen. Das begreife ich eher als Fortbildungsinstitut, was die Entwicklung von ansonsten früher getrunkenen Weinen anbelangt 😉
Pingback: Vier individuelle Rieslinge aus 2009 – ein großer Jahrgang? | Chez Matze
Pingback: K&U-Hausmesse 2012: meine zehn Lieblingsweine | Chez Matze