Silvaner-Spitzen 2025

Silvaner-Spitzen 2025

Auf dem Titelfoto seht ihr meine vier Sieger der Silvaner-Spitzen 2025, locker in der Landschaft des Würzburger Steins verteilt. Nachdem ich letztes Jahr in gezielter Auswahl die angeblich »besten Silvaner der Welt« vorgestellt hatte, sollte es dieses Mal nicht ganz so teuer und rar werden. Meine »Silvaner-Spitzen« haben sich nämlich das virtuelle Große Gewächs als Vorbild genommen. Spontanvergoren, gern etwas mit Holz, gern auch längeres Hefelager oder unfiltrierte Abfüllung, ausgewogen zwischen Pikanz und Dichte, langlebig und in keiner Weise überkandidelt. Und eins sage ich euch vorab: Die Auswahl war richtig schwierig…

Silvaner-Spitzen in der Silvanerschau

Wie schon bei den preisWERTen Silvanern und den Naturwein-Exemplaren hatte ich auch bei den Silvaner-Spitzen eine bürofüllende Menge an Flaschen zusammengestellt. Teilweise hatte ich sie neu besorgt, ein Teil stammte aber auch aus meiner Keller-Sammlung der vergangenen Jahre. Schließlich hatte ich gemerkt (und da bin ich natürlich nicht allein), dass gut bereitete Silvaner hervorragend reifen können. Herkunftsmäßig lag Franken quantitativ deutlich vorn, aber Exemplare aus Regionen wie Rheinhessen, der Pfalz, dem Elsass und Südtirol waren auch dabei. Und zwar nicht nur als Zuschauer, wie ihr gleich feststellen werdet.

Wie bislang schon üblich, habe ich auch hier in mehreren Runden unterschiedliche Flights getestet. Dabei habe ich nicht etwa nur den »besten« eines Flights weiterkommen lassen, sondern all diejenigen, die mich irgendwie beeindruckt haben. Die stilistische Vielfalt war nämlich ziemlich groß, und ein mineralisch-schlanker Wein kann ja genauso »gut« sein wie ein kraftvoll-holzbetonter. Nur eine innere Stimmigkeit sollten sie besitzen, die Silvaner-Spitzen, eine Art erkennbare Winzerhandschrift. Aber genug der Vorrede, hier folgen nun meine vier Sieger – und die vier Ersatzspieler…

Geßner, Franken – Wipfelder Zehntgraf Reider 2022

Geßner Silvaner Reider Silvaner-Spitzen 2025

Garstadt im Landkreis Schweinfurt ist (ich glaube, das darf man so formulieren) komplett unbekannt in der Welt hochwertiger Weine. Aber das ist ja das Schöne, das Überraschende an solchen Verkostungen, dass die verborgenen Schätze auch mal zum Vorschein kommen. Nun muss ich zugeben, das Weingut Uwe Geßner hat zum einen mit diesem Wein (Jahrgang 2020) vor drei Jahren schon einmal beim Best of Gold gewonnen. Zum anderen befinden sich die Reben auch einige Kilometer mainabwärts in Wipfeld. Der »Reider« aus einer Parzelle mit 50jährigen Reben stammt aus dem Wipfelder Zehntgraf. Anders als im Shop, wo derzeit noch der 2021er für 22 € angeboten wird, hatte ich schon den 2022er am Start. Fragt aber einfach mal nach. Es gibt nämlich auch den großartigen Alten Satz und ein paar weitere Schätzchen.

Aber zurück zum Reider. In der Nase dachte ich sofort, »ah, das angesagte Zeug!«. Gewisser Holzeinfluss, aber nicht süßlich, sondern eher ein bisschen robust, dazu ein leicht rauchiger Reduktionston, also ein bisschen zwischen Saalwächter und Burgund. Auch im Mund setzt sich diese Spannung fort. Präsentes, aber gut verwobenes Holz, lang, komplex, viel seidiger Fluss, Säure und Substanz in idealer Harmonie. Ein bisschen fühle ich mich auch an Christian Ottenbreit erinnert, dessen Ortswein mich ja vor mittlerweile vier Jahren total weggeblasen hatte. Das ist ungeheuer gekonnt und weit über den fränkischen Horizont hinausblickend. Holy Moly, Garstadt!

Bürgerspital, Franken – Stein-Harfe GG 2023

Bürgerspital Silvaner Stein-Harfe GG

[In Kooperation mit dem Weingut Bürgerspital] Wenn ich eingangs schrieb, dass ich für diesen Artikel nach Silvanern gesucht habe, die »wie ein idealtypisches GG« gedacht seien, schließt das natürlich die echten GGs ein. Genau ein solches haben wir hier vor uns, die Stein-Harfe des Bürgerspitals aus der gleichnamigen Würzburger Monopollage. Wenn ihr direkt vor dem Würzburger Stein steht, geht rechterhand ein Weg diagonal vom Weingut am Stein aus hoch. Dieser Weg durchquert bis oben zum Wald vollständig die Stein-Harfe. Dass es sich dabei um das Herzstück des Berges handelt, erkennt man intuitiv sofort. Robert Haller, der über die vergangenen 18 Jahre im Bürgerspital gewirkt hat, ist mit diesem Wein jedenfalls nochmal ein echtes Statement gelungen. Allerdings ganz anders, als man das Wort »Statement« ansonsten oft versteht.

Würzburg Stein-Harfe Große Lage VDP

Zunächst aber noch ein paar technische Informationen: Was die Vinifikation anbelangt, haben wir es bei der Stein-Harfe mit dem mittlerweile fast klassischen VDP-Instrumentarium zu tun: Traubenselektion, Maischestandzeit, Spontangärung in Stückfass und größerem Gebinde, anschließend langes Feinhefelager. Stilistisch können dabei jedoch durchaus unterschiedliche Weine herauskommen, je nach Winzerphilosophie. Robert Hallers Philosophie lautete eigentlich schon immer (und das meinte ich mit »Statement«): so elegant wie möglich. Das GG hat lediglich 12,5 vol%, ist selbstverständlich fränkisch trocken, wirkt also strukturell eher zart, geprägt von der lebendigen Säure und dem wirklich ganz feinen Fluss. Als wir vor ein paar Wochen bei Robert Hallers, tja, Abschlussfeier, die Silvaner vergangener Jahre probiert hatten, war mir dieses Markenzeichen schon deutlich aufgefallen.

Wer also längere Zeit keine hochwertigen Silvaner mehr getrunken haben sollte, weil er oder sie denkt, dass das barocke, mopsig-gelbbreite Zeitgenossen seien, bitte probiert dieses Exemplar. 33 € kostet es im Shop, und glaubt mir, viel eleganter geht es nicht. Köstlich zu Flussfisch – und hält sich viele Jahre.

Abtei Neustift, Südtirol – Praepositus 2018

Neustift Novacella Sylvaner Praepositus

Für meinen nächsten Sieger musste ich auch weit in die Vergangenheit gehen. Im Jahr 2019, bei meiner allerersten Teilnahme als Jury-Mitglied des Internationalen Silvanerpreises, hatte ein Wein aus Südtirol die Kategorie, tja, »International« gewonnen. Ich glaube, es war in der Kategorie höchstens eine Handvoll von Weinen angetreten, und beim Sieger handelte es sich ausgerechnet nur um einen Gutswein, aber gefallen hatte er mir auch. Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf hatte ich mir im Winestore in Bozen den damaligen Spitzenwein des Gewinners besorgt. Es ist der Wein oben auf dem Foto, der Praepositus 2018 der Abtei Neustift (oder Novacella) in der Nähe von Brixen. Hat mich 17 € gekostet, der aktuelle Jahrgang 2022 liegt bei 20,30 €. Mittlerweile haben die einstigen Klosterbrüder auch den Sylvaner Stiftsgarten für 85 € herausgebracht. Muss auch sein, denn die Münchener Cabriofahrer dürfen wegen zu wenig Prestige den 20 €-Wein natürlich nicht kaufen.

Es würde sich aber lohnen. Im Blindtest hat der Praepositus nämlich gleich in der ersten Runde überzeugt. Mehr Farbe im Glas, was auf einen gereiften Wein schließen lässt. In der Nase dann mit wenig Primärfrucht, überraschenderweise aber auch kaum Ausbauspuren. Genau das setzt sich im Mund fort. Würze und Kraft klingen an, sind aber eingebunden in einen ungemein eleganten Fluss. Das ist leicht gelbwürzig, quittig, gleitend, be-gleitend, souverän und erwachsen. Im Direktvergleich werden die aufgeregteren Rivalen lässig weggepustet. Vielleicht musste der Praepositus auch diese Flaschenreife erreichen, um zu den echten Silvaner-Spitzen zu zählen. Beim Blick aufs Etikett stehen dort 14 vol%, das kraftvollste Exemplar im Test. Confessions, part 1: Eigentlich finde ich das zu viel. Aber bei dieser Harmonie wird das vollkommen egal.

Rinck, Pfalz – Klingener Herrenpfad 2023

Sylvaner Rinck Herrenpfad

[In Kooperation mit dem Weingut Rinck] Confessions, part 2. Letztes Jahr gab es im Falstaff-Magazin wieder einmal die sogenannte »Silvaner-Trophy«. Dabei testen immer drei Redaktionsmitglieder blind die eingesandten Weine. Bepunktet werden sie alle, aufs Treppchen kommen aber nur drei. Leider war ich selbst nicht in Hamburg zu der Zeit, und als ich Uli Sautter nach dem Ausgang fragte, antwortete der, »total überraschend, gewonnen hat ein Silvaner aus der Pfalz, Weingut Rinck«. Jaja, dachte ich mir, ein Zufallstreffer. Als ich aber dieses Jahr bei der VinVin in Mainz zu meiner Freude Niko Leonhard am Stand seinen Weinguts Richard Rinck traf und die Weine probierte, da wurde mir klar, dass das mit Zufall oder Eintagsfliege wirklich überhaupt nichts zu tun hat. Hier hat jemand den Charakter dieser alten Rebsorte komplett verstanden. Drei Silvaner produziert Niko, einen Ortswein (bereits Runner-up bei den PreisWERTen), einen Maischevergorenen (»Unter den Bäumen«, der Falstaff-Sieger), und diesen hier, den Lagenwein.

Der Klingener Herrenpfad befindet sich in der Südpfalz, ein paar Kilometer vom Rand des Pfälzer Waldes entfernt. Südlich des Dorfes steigt die Lage sanft an, oben drauf befindet sich Lösslehm, im Untergrund Kalk. Nikos Reben sind 40-60 Jahre alt, alle Weine gehen ins Holz. Der Herrenpfad hat anders als der Ortswein nicht den BSA durchgemacht und wurde unfiltriert gefüllt. Das Ergebnis ist ein ausgesprochen knackiges Exemplar, das aber trotzdem über Druck verfügt. Wie häufig bei Pfälzer Silvanern geht die Frucht mehr in Richtung Orange und Mandarine, die Salzigkeit beeindruckt ebenso wie der Säurezug. Vielleicht ist die Tiefe eine Nuance geringer als bei den Großen Gewächsen, aber ich bin beim Quervergleich genauso angetan vom Wein wie bei der Messe. Eine wirklich starke Leistung. Sensationelle 13 € kostet der wunderbare Herrenpfad im Shop, und die Harmonie wird garantiert mit ein bisschen Lagerzeit noch größer.

Silvaner-Spitzen auf der Einwechselbank

Silvaner-Spitzen Ersatzbank

Eine der fundamentalen Fußball-Weisheiten ist ja, dass man in der Regel nur Meister wird, wenn der zweite Anzug auch passt. Und ich muss zugeben, bei derartig vielen unterschiedlichen Silvaner-Spitzen hätte es mir leid getan, wenn ich nach den vier Siegern keinen anderen Wein mehr hätte erwähnen dürfen. Hier also die vier charakterstarken Ersatzspieler.

Ein Vorschlag zur Güte: Nehmt mal ein aktuelles Großes Gewächs der Winzer Sommerach mit in eine Runde von VDP-GGs. Ihr werdet staunen, was die besten Genossen, die ich kenne, da zusammenbringen. Stilistisch nicht weit vom Bürgerspital entfernt, sehr feiner Holzeinsatz, viel Eleganz. Der Wilm des Jahrgangs 2020 hat etwas mehr Dichte und Flaschenreife als die Stein-Harfe, ein Top-Wein in jeder Hinsicht.

Schon bei den preisWERTen Silvanern war ein Exemplar des Weinguts Schäffer dabei. Ihr aktuelles 2022er GG aus dem Escherndorfer Lump (oder korrekt: Am Lumpen 1655) ist dabei ganz anders, als ich das gewohnt war. Wenig Hefeeinfluss, ziemlich schlank, viel frische Säure, viel Frucht auch in Richtung Orange. Probiert es aus!

Nein, eigentlich wollte ich so etwas wie den Silvaner R 2021 aus dem Randersackerer Sonnenstuhl des Weinguts Trockene Schmitts hier nicht vorstellen. Enorm gelbwürzig wie eine Thai-Mango, super altmodisch, nicht diese straighte Mineralität, sondern eng und mit Reifespuren. Aber genial nachhaltig. Und genial zum Essen.

Auch Kandidat Nr. 4 weicht deutlich von einem wie auch immer gearteten Idealbild ab. Der Silvaner Ludwigshöhe des Weinguts Brüder Dr. Becker aus dem Jahrgang 2014 (!) hat Alkoholkraft und Fruchtsüße gleichzeitig. Currynoten, Kurkuma, ein bisschen in Richtung Chenin demi-sec oder zumindest tendre. Entwaffnender Charme.

Mein Fazit

Silvaner ist eine faszinierende Rebsorte, und das zeigt sich auch wieder bei den Silvaner-Spitzen. Eine Binsenweisheit, ich weiß, und das auch noch ausgerechnet aus meinem Mund, der ich den Silvaner eh mag. Aber tatsächlich funktioniert das auch komplett objektiv.

In diesen Artikel haben es geschafft:

  • ein Silvaner im »angesagten« Stil mit Holz und leichter Wildheit
  • ein aromatisch klassischer Silvaner, extrem feingliedrig und haltbar
  • ein gereifter und souveräner Silvaner mit gleitender Dichte
  • ein pikanter und junger Silvaner mit allen Anlagen
  • ein perfekt entwickelter und ausgewogener Silvaner
  • ein orangefrischer Silvaner mit Frucht und Struktur
  • ein gelber Silvaner ohne Frucht mit Würze und Erdigkeit
  • ein Silvaner mit Restsüße und kulinarischer Weltläufigkeit

Ich denke, diese Auflistung spricht Bände. Und ich muss zugeben, dass ich zu Anfang gar nicht auf diese vielschichtige Auswahl aus war. Das hat sich bei der Suche nach den Silvaner-Spitzen einfach so ergeben.

Nach so viel Top- und Spitzen- und Groß- und Genial- muss jetzt für mich allerdings ein kleines Silvanerpäuschen sein. Währenddessen seid ihr herzlich eingeladen, die von mir ausgesuchten Silvaner mal persönlich zu begutachten. Oder mir für das nächste Mal ein paar Tipps dazulassen. Denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass gerade bei jung-ambitionierten Winzer:innen der Silvaner eine neue Blütezeit erlebt…

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2 Antworten zu Silvaner-Spitzen 2025

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