Neues aus Istanbul – Von Cedric bis Dubai Sebastian

Istanbul

Istanbul ist für mich die schönste Stadt der Welt. Nein, das Stadtbild wirkt nicht so geschlossen und elegant wie in Paris. Aber die Lage ist einfach grandios. Europa auf der einen, Asien auf der anderen Seite, in der Mitte der Bosporus mit all den Schiffen, seien es die Fähren von Ufer zu Ufer oder die Frachter vom Mittelmeer ins Schwarze Meer. Und so ein Fensterausblick wie oben (über das Goldene Horn nach Eminönü) bestätigt doch all meine positive Voreingenommenheit. Lange war ich nicht mehr in Istanbul und deshalb sehr gespannt darauf, was es – vor allem kulinarisch – an neuen Dingen zu entdecken gibt.

Istanbul – Drei Viertel am Üfer

2011 habe ich einen ganzen Monat in Istanbul gelebt, und als ich ein paar Jahre später im Winter nochmal da war, habe ich zumindest meine zwölf Pflichten erfüllen können. Wenn ihr wissen wollt, was das war, klickt auf den Link. Diesmal bin ich aber tatsächlich nur am Ufer geblieben. Und zwar in den Stadtvierteln Karaköy, Üsküdar und Kadıköy.

Karaköy

Istanbul Galata Bridge

Untergekommen war ich in Karaköy. Beziehungsweise wir. Denn tatsächlich handelte es sich bei diesem kleinen Istanbul-Ausflug um einen »Bosporus Birthday Bash«. Beautyjagd hatte Geburtstag und hat den Trip aus einer thematisch selbstverständlich ganz anderen Perspektive beschrieben. Aber zurück zu Karaköy. Karaköy ist nämlich eine sehr eigene Mischung. Westlich der Galata-Brücke gibt es erstmal einen Fischmarkt mit angrenzenden Restaurants. Frischer als hier bekommt man Fisch nicht zu essen. Dann folgt ein traditionelles Werkzeugviertel. Läden, in denen ihr Hammer und Zange bekommt, aber auch Rasenmäher und Handpfluggeräte. Östlich der Galata-Brücke dominieren hingegen touristische Cafés. Wichtig für uns: Von Karaköy aus starten die Fähren auf die asiatische Seite.

Üsküdar

Istanbul Üsküdar

Von Karaköy aus kann man mit den Bosporus-Fähren auf die asiatische Seite nach Üsküdar fahren. Üsküdar galt in älteren Reiseführern immer als das »traditionellere«, »muslimisch geprägte« Viertel, ein bisschen Fatih light. Tatsächlich ist Üsküdar eine bunte und sehr interessante Mischung geworden mit angesagten Cafés und der neuen Haltestelle der Tunnelbahn unter dem Bosporus. Wer also extrem wenig Zeit hat, kommt in vier Minuten hinüber, aber natürlich ist die Bosporus-Überfahrt ein wunderbares Erlebnis mit den Möwen und dem glitzernden Wasser.

Kadıköy

Istanbul Baris Manco Haus

Kadıköy kann man ebenfalls mit der Fähre von Karaköy aus erreichen. Gleich beim Aussteigen merke ich, dass hier viel mehr »westliche« Touristen mit hinübergefahren sind als nach Üsküdar. Kadıköy beginnt mit ein paar wunderbaren Marktgassen, ist aber definitiv auch ein Ort, an dem man gut isst und viel feiert. Weiter südlich schließt sich übergangslos das kleine Stadtviertel Moda an. Moda verbreitet die Stimmung mediterraner Großstädte wie Valencia oder Barcelona, es gibt viele gut behütete Katzen, Intellektuelle und das ehemalige Haus von Barış Manço. Moda steht also auch ein bisschen für andere Lebensentwürfe.

Traditionelle Speisen in Istanbul

Wer bemängelt, dass es auf einem Foodblog wie diesem in den ersten fünf Absätzen nichts über Essen zu lesen gab: richtig. Aber das kommt jetzt, zunächst in traditioneller Form.

Tekir, Hamsi, Mezgit

Hamsi

Solange das Wasser noch kalt ist und damit die Fische klein und kompakt (um es mal so unprofessionell auszudrücken), lohnt es sich sehr, in Istanbul eine Platte mit diesen kleinen Fischen zu essen. Die besten Orte dafür sind die Restaurants direkt an den Fischmärkten. Wir haben Tekir und Mezgit in Karaköy bei Balık Karaköy Evi und Hamsi in Üsküdar bei Okyanus gegessen. Die Fische in Karaköy waren ultrafrisch, die in Üsküdar hingegen raffinierter angerichtet. Tekir sind übrigens kleine Rotbarben, die einen ganz besonderen Geschmack besitzen. Hamsi ist die klassische Sardelle und schlicht der Fisch von Istanbul, weil die Schwärme durch den Borsporus ziehen. Und Mezgit schließlich bezeichnet eigentlich den Merlan oder Wittling, der nur im Spätwinter so klein ist, dass man ihn im Ganzen frittiert essen kann.

Kokoreç

Kokorec

Die gegrillten Innereien sind ein bisschen das Sehnsuchtsessen vieler Menschen mit Türkeibezug geworden, denn während man den Spieß in der Türkei an vielen Ecken sieht, scheint das Rankommen anderswo sehr schwierig zu sein. Nachdem ich erstmals über Kokoreç in Istanbul und in Köln berichtet hatte, gab es viele Reaktionen darauf. Auf dem Steindamm in Hamburg hatte ich es auch im Saray Köz gesehen, aber kaum schreibe ich darüber, ist es schon wieder weg von der Karte. In Istanbul habe ich mir hingegen die luxuriöse Variante gegönnt (Birthday Bash = man lässt es sich gutgehen). Bei Kral Kokoreç in Eminönü kostet die Dolma-Variante mittlerweile 11 €, was selbstverständlich Wucher ist. Aber ich muss zugeben: ausgezeichnet gegrillt, saftig, mit fein gehackten Tomaten ergänzt, angenehme Schärfe.

Güllaç

Güllac

Güllaç gibt es traditionell zum Ramadan. Da während unseres Istanbul-Besuchs tatsächlich Ramadan war, konnte ich gleich zwei Güllatsche genießen, einmal bei Şef Baklavaları in der Nähe des Galataports und einmal bei Yanyalı in Kadıköy. Letzteres war sicher die luxuriösere Variante, saftiger und mit noch mehr Blättern. Beim Güllaç handelt es sich nämlich um hauchdünne Reismehlblätter, die in Milch getränkt und übereinandergeschichtet werden. Verfeinert wird das Ganze mit gehackten Walnusskernen und Granatapfel, manchmal mittlerweile auch mit Pistazien. Lohnt sich auf jeden Fall sehr.

Moderner Twist – Balık Dürüm

Istanbul balik Dürüm

Schon seit langem werden in Eminönü Fischbrötchen verkauft. Bereitet von Männern in Kostümen auf schaukelnden Schiffen, eine Touristenattraktion. Natürlich ist das Balık Ekmek auch ansonsten sehr beliebt. Oder sollte ich lieber sagen, beliebt gewesen? Die neueste Variante ist nämlich der Balık Dürüm, also die eingerollte und dadurch wesentlich besser zu essende Variante. Der berühmteste Stand in dieser Hinsicht heißt »Meşhur Balık Dürüm Yıldırım Usta«, also in etwa »Die berühmte Fischrolle von Meister Yıldırım«. Wer Pech hat, steht hier (alle Links gehen ab jetzt immer zur Google Maps-Adresse; ihr sollt die Orte ja finden) eine Stunde lang in der Schlange. Wer Glück hat so wie wir, kommt gleich dran. Die Qualität ist ehrlich gesagt sehr gut. Absolut keine Gräten, viel Makrele, wenig Gedöns, würzig abgemischt.

Istanbul-Trend – die neuen Süßspeisen

Ich muss zugeben, dass ich auch als alter Feinschmecker modernen Trends gegenüber aufgeschlossen bin. Schließlich dreht sich die Welt immer weiter, und was ich probiere, verpasse ich nicht. Istanbul hat das Näschen besonders bei Süßspeisen immer im Wind. Hier folgen Süßspeisen, die man in der Tat als »Neues aus Istanbul« bezeichen kann. Ihr werdet sie an vielen Orten finden, aber meist gibt es eine Art Original, das am begehrtesten erscheint.

San Sebastian Cheesecake

Istanbul San Sebastian Cheesecake

Wie kommt ein Käsekuchen aus Spaniens Norden nach Istanbul und wird zum Trend-Hype? Der ursprüngliche Kuchen mit der »verbrannten« Oberfläche stammt aus San Sebastian, aus dem Restaurant La Viña des Jahres 1990. Wer ihn dort entdeckt hat, bleibt unbekannt. Aber ich hatte schon vor zehn Jahren in Tokio festgestellt, dass Käsekuchen in Japan boomt. Am Stand von Bake Cheese Tart, die eine Art Mischung zwischen Käsekuchen und portugiesischen Pasteis de Nata herstellen, gab es zum Beispiel riesige Schlangen. Dann veröffentlichte die New York Times 2021 einen Artikel, in dem der originale San Sebastian Cheesecake gefeiert wurde. Dann kamen Instagram und TikTok. Ein bisschen ist das wie mit den Sachen, die ich in meinem Food-Trend-Artikel zum Croissant geschrieben hatte: Es gibt ein Original, oft europäisch, dann den Twist in Asien und die Bigger than Life-Variation in den USA. Einmal um den Weltball und – in diesem Fall in Istanbul – zum Trend gemacht.

Das »Istanbul-Original« des San Sebastian Cheesecake gibt es bei Viyana Kavesi. Die wichtigste Filiale befindet sich am Galata-Turm, aber es gibt mehrere andere über die Stadt verteilt. Eywa Sebastian in Kadıköy stellt ebenfalls ein sehr beliebtes Exemplar her. Lavinya ein paar Meter weiter bietet eine Variante in kleineren Formen an. Die Standardversion, serviert mit Schokosauce, gibt es selbst in einer der vielen Mado-Filialen (in geringerer Qualität, sagt die Online-Community). Als ich in Kadıköy bei Viyana war, hatte dort nicht nur die gesamte Belegschaft eines Polizei-Ausfluges aus Tekirdağ Platz genommen, es gab auch schon die nächste Version in der Vitrine: Dubai San Sebastian. Natürlich mit Schoko und Pistazien…

Trilece

Trilece

Trilece hat auch so eine interessante Story hinter sich. Ursprünglich stammt der in Milch getränkte Biskuitkuchen aus Mexiko. Sein Name dort: Tres Leches, wegen der drei unterschiedlichen Milchprodukte, die dafür verwendet werden. Und jetzt wird’s wild. Da mexikanische Telenovelas gern auf dem Balkan gesehen werden und man in ihnen (es ist ja slice of life) auch Tres Leches isst, soll jemand im Kosovo als erstes auf die Idee gekommen sein, das auf eigene Art nachzubacken. Von dort kam es offenbar in die Türkei, noch unter dem Namen Trilece. Da das aber türkisch ausgesprochen »Triledsche« heißen würde, schreibt man es in Istanbul eher Trileçe oder Trilecce. Wichtig ist die karamelisierte Oberfläche, die es in Lateinamerika noch nicht gab.

Eines der ersten Cafés in Istanbul, die Trilece angeboten haben, war Baltepe Pastanesi. Angeblich gab es die Süßspeise auch im Tuğra Restaurant im Fünf-Sterne-Hotel Çırağan Palace Kempinski, ist dort aber nicht mehr auf der Karte. Ich habe es bei Şef Baklavaları gegessen und war sehr zufrieden.

Dubai-Pudding

Hafiz Mustafa

Über Dubai-Schokolade brauche ich wahrscheinlich nichts mehr zu schreiben, und der Hype scheint ja auch relativ steil abzustürzen. Dennoch hat sich der Begriff »Dubai« eingebürgert für alles, was Schokolade und Pistazie miteinander verbindet. Die definitiv üppigste Variante hiervon (ich habe die Portion nicht geschafft, und das will etwas heißen) ist der Dubai-Pudding. Ungeheuer samtige Schokomasse, wirklich sehr feine und leicht bräunlich angeröstete Kadayif-Einlage, frisch schmeckende gehackte Pistazien. Zu haben gibt es dieses Werk bei Hafiz Mustafa 1864. Auch hier existieren wieder mehrere Filialen, aber der Klassiker dürfte jene mit Blick über Sirkeci und das Goldene Horn sein. Kostet echtes Geld, aber man kann bei Hafiz Mustafa auch klassischere Speisen bekommen.

Der Cedric-Wahn

Istanbul Leticia

Wisst ihr, was ein Cedric ist? Das ist ein Pâtisserie-Stück, das aussieht wie seine Hauptzutat. Ein Zitronentörtchen in Form einer Zitrone, eine Teilchen mit Walnusscreme in Form einer Walnuss. Natürlich hieß das nicht immer so. Vielleicht heißt es auch nur in der Türkei so. Das Vorbild ist nämlich der Pâtissier Cédric Grolet aus Paris, der wirklich tolle Reels auf Instagram dreht, in denen er zeigt, wie er arbeitet. Zwölf Millionen Follower weltweit wissen das zu schätzen. Deshalb ist es kein Wunder, dass die trendaffinen Konditoreien von Istanbul hier mittun.

Das Besondere daran ist die Frucht, die man sich in Istanbul ausgesucht hat. Es handelt sich nämlich um die Pistazie, worum auch sonst. »Erfinder« und »Original« ist die Pâtisserie Leticia in Üsküdar. Weil das so gut lief, hat sich Leticia auch andere Dinge wie Limette oder Kokosnuss vorgenommen und Cedric-mäßig nachempfunden. Beim echten Cédric Grolet sieht die Kokosnuss viel spröder aus, in Istanbul musste sie zusätzlich Schoko und Mango haben. Sollte es euch bei Leticia zu voll sein, es gibt ganz ähnliche Pistazien mittlerweile auch im à La Lune ein paar Schritte weiter, in der Pasifik Pastanesi in Kadıköy und bestimmt auch noch einer Reihe anderer hipper Orte.

Wer übrigens mal die echten Cédric Grolet-Kreationen probieren möchte: Man kann in Paris im Le Meurice (wo das Atelier von Cédric ist) die Teilchen online vorbestellen und abholen. Habe ich gemacht, und es ist tatsächlich ein ganz klein wenig besser als im Leticia. Dafür kostet eine Yuzu auch 18 €, und die Pistazie gibt es als Maxi-Version für 35 € (momentan natürlich ausverkauft…).

Zum Abschluss Wein(en)

turkish wine

Wer Istanbul verlässt, muss natürlich immer weinen. Aber man kann Istanbul auch anderweitig mit Weinen verlassen. Weil der Weinbau in der Türkei unter schwierigen Bedingungen stattfindet, hatte ich mir ehrlich gesagt nicht so viel versprochen. Beim Betreten des ersten Ladens, nämlich Rind in Kadıköy, merkte ich aber sehr schnell, dass ich mich da ein wenig getäuscht hatte. Von dem mir bislang unbekannten, aber sehr spannend klingenden Projekt Heraki gab es einen Weißen aus Sultaniye, der exzellent sein soll, und einen Roten. Letzterer wurde aus der autochthonen Rebsorte Patkara gekeltert, und weil mir die noch nie in meinem Leben untergekommen war, musste ich die Flasche mitnehmen.

Zweiter und allerletzter Weinkauf: auf dem Flughafen. Normalerweise wahrhaftig kein Ort für interessante Boutiqueweine, aber ich habe mich getäuscht. Von Paşaeli, eine meiner Entdeckungen des Jahres 2023, gab es gleich eine ganze Reihe von Weinen. Auch die Weine von Midin lockten mich an mit (wie sich später herausstellte) aramäischen Schriftzeichen auf dem Etikett. Die Trauben werden im Grenzgebiet zu Syrien und dem Irak von Menschen angebaut, die mit Vornamen Daniel, Markus und Tomas heißen. Nein, das sind keine Expats oder sonstige Auswanderer, sondern Angehörige einer alten christlichen Minderheit, die dort seit Ewigkeiten lebt. Selbstverständlich sind mir die Rebsorten (in diesem Fall Bılbızeki und Mazrona) völlig unbekannt, der Wein wanderte also in die Tasche. Weitere Infos zu Midin gibt’s bei The Quirky Cork, die auch einen Istanbul Wine Guide geschrieben hat.

Was mir auffällt: Die spannendsten neuen Projekte werden oft von Protagonisten in den Großstädten initiiert, die Tradition und Potenzial des jahrtausendealten Weinbaus der Region vermutlich am besten zu schätzen wissen.

Das war es vorerst mit Neuem aus Istanbul. Eine Reise dorthin lohnt sich wirklich immer, egal ob man sich beim ersten Besuch die Sehenswürdigkeiten anschaut oder beim zwanzigsten Mal die neueste Gebäckkreation.

Istanbul night

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