Am 11. März 2023 findet auf Kloster Eberbach ein Event statt, das den schicken und leicht bauklötzigen Namen VDP.Auktion.Réserve trägt. Dabei werden wahrhaft besondere Weine aus dem Bereich des VDPs Rheingau versteigert – und alle können mitmachen. Ich war eingeladen, die Weine von Kloster Eberbach vor Ort schon einmal vorzutesten. Hier also meine Eindrücke, ob sich das Mitbieten lohnt.
VDP-Rheinwein-Versteigerung
Die VDP.Auktion.Réserve ist eine Versteigerungsveranstaltung mit Regeln. Tatsächlich kann man also nicht einfach vorbeikommen, dreizehnfuffzisch rufen, den Zuschlag bekommen und Geld gegen Weinflasche tauschen. Wie das Ganze funktioniert (nämlich über Kommissionäre), hat der VDP in dem offiziellen Versteigerungskatalog zur diesjährigen Auktion umfassend erklärt. In ihm sind auch alle Weine samt Taxpreis einsehbar, die zur Versteigerung anstehen.
Schnutentunker Felix Bodmann, mit mir in Kloster Eberbach dabei, hatte vorher schon die jüngeren Versteigerungsweine der anderen VDP-Güter getestet und hier entsprechend darüber berichtet. Lest seinen Text, er lohnt sich nämlich wieder mal in mehrfacher Hinsicht.
Hier also meine Eindrück der zwölf klösterlichen Kreszenzen, die zur Versteigerung anstehen.
1. 2020 VDP.Auktion.Réserve Pinot Noir Goldkapsel
240 Flaschen, Taxpreis 16 €
Bestes Gewann plus mittlerer Lesetermin = Eleganz. Das ist die Gleichung hier. Kellermeisterin Kathrin Puff legt ohnehin viel Wert auf eine klare Frucht und eine frische Säure, und genau das hat der Wein u bieten. Das Halbstück gab ihm allerdings auch spürbar zederige Noten mit, die Gerbstoffe sind extrem fein. Lohnt sich auf jeden Fall – und lohnt sich auch wegzulegen. Betriebsleiter Dieter Greiner erwartet hier und beim nächsten Wein übrigens einen Zuschlag bei etwa 40 € – das wäre sehr angemessen.
2. 2020 Assmannshäuser Höllenberg Crescentia Frühburgunder Goldkapsel
180 Flaschen, Taxpreis 25 €
Frühburgunder wurde bereits in den 1940er Jahren beim Staatsweingut angebaut, ist also keine Erfindung der 1990er. Sortentypisch anders in den Aromen ausgelegt als der Spätburgunder, mehr Walderdbeeren, etwas Vanille vom 300-Liter-Fass, aber auch hier zartes Tannin, feine Struktur. Sehr schön.
3. 2013 Assmannshäuser Höllenberg Crescentia Frühburgunder Goldkapsel
36 Flaschen, Taxpreis 30 €
Eine andere Ära im Keller, ein etwas anderer Stil. Expressive Nase, erst etwas schweißig, laktisch, bissige Erdbeere, im Mund dann balsamisch mit einer interessanten Mischung aus Weichheit und Würze. Ein Wein, der mit mehr Luft kommt, sollte man nicht unterschätzen, mit 60 € wird gerechnet. Hat mich positiv überrascht.
4. 2013 Assmannshäuser Höllenberg Mauerwein Spätburgunder aus dem Cabinetkeller Goldkapsel
24 Flaschen, Taxpreis 50 €
Seit dem Jahrgang 2020 gibt es keinen Mauerwein mehr, weil die Mauern einfach zu heiß werden. Die 2013er Ausgabe aus eigentlich kühlem Jahrgang zeigt ein wenig Holzkohle in der Nase und im Mund eine Dialektik aus bissiger Frucht und glyceriniger Süße. Mir fehlen da ein bisschen Spannung und Tiefe bei 14 vol%. Man rechnet mit dem Zuschlag bei etwa 40 €, für Freunde wärmerer Tropfen.
5. 2015 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder aus dem Cabinetkeller
Eine Methusalem-Flasche (6 l), Taxpreis 250 €
Dieter Greiner erinnert sich an die Ostwetterlage im Herbst, die die Reife in vielen Bereichen in große, manchmal unerwünschte Höhen trieb. Der Spätburgunder war da aber schon früher eingeholt. Zimtig in der Nase, wieder mit dieser bissigen Frucht und recht straff im Tannin. Der Wein wirkt unglaublich jung, noch etwas ruppig, aber wer Geduld hat und diese eine Flasche haben möchte, kann sie (bei hinreichender eigener Lebenszeit) wirklich bis zur harmonischen Perfektion reifen lassen. Das Potenzial ist da. Wird möglicherweise über 3.000 € bringen.
6. 1943 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Natur (Benefizwein)
Eine Flasche (0,7 l), kein Taxpreis
Gelesen vom 6. bis 19. Oktober, nur neun Frauen und Mädchen meldeten sich zur Lese, die Männer waren im Krieg. Schulkinder mussten angeworben werden, zu denen sich der zeitgenössische Erntebericht wie folgt äußert: »Die Mädchen waren im allgemeinen fleißig, doch war zur Durchführung einer geordneten Lese verstärkte Aufsicht notwendig.«
Der Wein, eingebracht mit 25 hl/ha, ausgebaut für zweieinhalb Jahre, war dank des ehrgeizigen Kellermeisters Ewald Schug schon immer groß, und das zeigt sich auch hier. Vor 20 Jahren zum letzten Mal umgekorkt, noch erstaunlich kräftige Farbe, ein stabiles Rostrot, faszinierend firnige Nase, Hagebutte, etwas Keller. Im Mund hat das kräftige Tannin die Jahrzehnte überdauert, ebenso wie die fein präsente Säure. Es gibt Kaffeenoten, Erdbeergelee und einfach wahnsinnig viel, über das man noch sprechen könnte, emotional, assoziativ. Ein einmaliges Zeitdokument, das durchaus über 10.000 € benefiz-ig erbringen darf.
(Mehr derartige 80-, 90-, 100-jährige Weine aus dem Höllenberg habe ich hier probiert.)
7. 2018 Steinberger Riesling Wild Ferment
Fünf Doppelmagnum-Flaschen (3 l), Taxpreis 200 €
Ich bin mir nicht sicher, ob das der spannendste, vielleicht auch irgendwie freieste Wein ist, der in den letzten Jahrzehnten auf Kloster Eberbach gekeltert wurde. Wahrscheinlich aber schon. »Wild Ferment« ist nicht nur Spontangärung, sondern die Trauben wurden im Weinberg selbst durch Treten eingemaischt (auch vom Betriebsleiter selbst) und der Wein dann im neuen Holz in einer Hütte direkt im Steinberg vergoren. In den Keller kam er erst zur Abfüllung, wenig geschwefelt, ein Terroirwein im buchstäblichen Sinne.
Rauch, etwas süßer Apfel, Zimt vom Holz, weiße Pflaume, leichte Gerbstoffe, etwas Süßegefühl von hefigen Spontinoten, ziemlich einmalig. Erinnert mich von den Weinen, die es derzeit gibt, deutlich mehr an einen Jura-Naturwein als an einen cleanen Rheingau-Riesling, aber möglicherweise wurden die besten Steinberger vor 150 Jahren genau auf diese Art bereitet. Das Etikett zeigt die Trautmann-Karte von 1750 mit dem Steinberg und verweist auf diese Historie. Das ist mal ein echt mutiger Wein, sehr gelungen. Wegen der Drei-Liter-Flaschen und des erwarteten Preises von 1.500 € allerdings eher keiner fürs stille Abendschöppchen.
8. 2010 Rüdesheimer Berg Schlossberg Riesling Erstes Gewächs
Eine Methusalem-Flasche (6 l), Taxpreis 250 €
Back to normal mit diesem Wein – außer beim Jahrgang, denn 2010 war natürlich auch extrem. Und das merkt man dem Wein an. Ziemlich tropisch in der Nase, sehr reif gelesen, und im Mund mit dieser Kombination aus hochreif-gelben und straff-grünen Noten – die beiden Pole des Jahrgangs. 17 g Säure brachten die 2010er Weine vor der Entsäuerung durchschnittlich auf die Waage. Dieser wurde als einziger nicht entsäuert und durfte sowohl seine 10 g Säure als auch seine faszinierenden charakterlichen Eigenschaften behalten. Erinnert mich ein bisschen an einen Jurançon, spannender Wein. Ein niedriger vierstelliger Betrag bei der Versteigerung erscheint wahrscheinlich.
9. 2013 Steinberger Crescentia Riesling Kabinett Goldkapsel
120 Flaschen, Taxpreis 16 €
Jetzt aber back to normal – wobei es sehr schön wäre, wenn dies die Norm darstellen würde. Unter den Hammer kommt nämlich ein ultraklassischer Rheingau-Kabinett. Die Nase suggeriert leicht Firne und Reife, aber im Mund ist da gar nichts gealtert, nur harmonisiert. Ein extrem feinsinniges Exemplar, weißer Pfirsich, gebackene Zitrone, leichtfüßig mit Stil. Als Apéro und für alle anderen Gelegenheiten, wenn es einem gut geht. 50 € werden erwartet, da kann man durchaus mittun.
10. 1983 Heppenheimer Centgericht Riesling Eiswein
Drei Flaschen, Taxpreis 120 €
Ja, sie lebt noch, die Hessische Bergstraße. Mittlerweile fast mehr als Herkunft feiner Schaumweine bekannt, gibt es hier einen 40jährigen Süßwein aus der steilen Monopollage. Farblich in helles Cognacamber getaucht, hat der Heppenheimer in der Nase laktische Noten zu bieten. Im Mundgefühl erst relativ dicht und viskos, kommt dann eine schöne Trockenfrucht zum Vorschein. Die Säure steht natürlich wie immer, und neben der Frucht gibt es karamellige und nussige Töne. Eher der schmeichelnde Typus, harmonisch eingebunden.
11. 1973 Steinberger Riesling Eiswein-Beerenauslese
Zwei Flaschen (0,7 l), Taxpreis 180 €
Schon in der Farbe, die in leuchtender Kastanie eher einem Rotbier ähnelt, gibt es deutliche Unterschiede zum 1983er Heppenheimer davor. Auch in der Nase erinnert der Wein mit leicht edelpilzigen und rosinigen Tönen mehr einer »echten« Beerenauslese als einem Eiswein. 1973 war ein eher schwieriger Jahrgang, was sich ein bisschen in den grünlich-limettigen Anklängen äußert, aber keinesfalls in der Qualität des Weins. Jene ist nämlich großartig. Extrem intensiv, pikant, fordernd, damit ganz anders als der 1983er Eiswein. Für beide werden jeweils 500 € erwartet, und hätte ich einen Lilafarbenen in der Tasche, wüsste ich, auf welchen der Weine ich setzen würde.
12. 1953 Steinberger Riesling Trockenbeerenauslese
Eine Flasche (0,7 l), Taxpreis 500 €
Schließlich ging es zum Abschluss noch in den Schatzkeller, in dem auf Kloster Eberbach die vermutlich größte Anzahl legendärer deutscher Weine überhaupt lagert. Die meisten Flaschen tragen dabei kein Etikett, weil das bei der ideal hohen Luftfeuchtigkeit ohnehin leicht vergehen würde. Jenes wird, wenn eine Flasche in den Verkauf kommt, nach alten Vorlagen frisch gedruckt und aufgeklebt.
Wie soll ich also diese TBA beschreiben? In der Nase etwas Milchkaramell, im Mund dann alles, was man sich von einem legendären Süßwein erträumen kann. Noten von Schoko, Paranuss, etwas Traubenschale, Süße und Säure auf einem hohen Level, aber so unglaublich gut miteinander verwoben. Gegenüber dem 1973er haben wir hier etwas weniger pikante Intensität, dafür deutlich mehr Dichte, Schmelz, Tiefe, souveräne Lässigkeit. Und die 1973er Eiswein-BA war ja auch schon ein 20-Punkte-Kandidat… Wenn man bedenkt, dass dieser Wein bereits schlappe 70 Jahre auf dem Buckel hat, ist die Verfassung absolut unglaublich, eine Art Edelfrische, unverwüstlich. Das mag preislich in Höhen gehen, die jenseits alles Vernünftigen liegen. Aber irgendwie handelt es sich um die lebendige Quintessenz der deutschen Weinkultur. Mögen die Ersteigerer genug feine Sinne besitzen, um den Wein auch entsprechend zu trinken und zu genießen.
Ich kann nur sagen: Herzlichen Dank an Dieter Greiner und Kathrin Puff von den Hessischen Staatsweingütern, dass ich auf Kloster Eberbach dabei sein durfte. Jetzt konsultiert schön den Katalog und schaut, ob ein Schätzchen für euch dabei ist.
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