Weihnachten steht vor der Tür – und damit auch Massen an Marzipankartoffeln und Dominosteinen in den Aufstellern der Supermärkte. Wer jedoch Wert legt auf ein bisschen mehr Qualität und Herkunftstradition, für den gibt es im Bereich der Mandelpaste nur ein vertrauenserweckendes Stichwort: Lübecker Marzipan. Aber welches schmeckt denn jetzt davon am besten? Ich habe die Produkte der vier bekanntesten Hersteller getestet. Hier ist das Ergebnis.
Was ist Lübecker Marzipan?
Da Lübeck weder an der Marzipane liegt noch Mandelbäume in jedem Vorgarten wachsen, scheint die enge Verbindung von Stadt und Produkt nicht unbedingt offensichtlich. Tatsächlich stammt das Marzipan ursprünglich aus Persien, von wo aus die Araber es zunächst nach Spanien gebracht hatten. Das »Mazapán de Toledo« ist bis heute eine der bekanntesten Ausgaben geblieben. Auch die Venezianer schätzten das Süßstück aus Mandeln und Zucker (plus damals – der Herkunft gemäß – Rosenwasser) außerordentlich. Im 14. Jahrhundert soll es sich als modischer kleiner Konfekt im europäischen Hochadel verbreitet haben und im Zuge dessen auch nach Lübeck gekommen sein.
Die älteste Erwähnung des Lübecker Marzipan als »Martzapaen« findet sich in einer Zunftrolle aus dem Jahr 1530. Heutzutage ist Lübecker Marzipan eine von der EU gesetzlich geschützte Herkunftsbezeichnung. Es darf ausschließlich in Lübeck selbst und den angrenzenden Gemeinden Bad Schwartau und Stockelsdorf hergestellt werden. Damit ist allerdings lediglich der Markenschutz gesichert. Wie es hergestellt wird und was konkret enthalten ist, darüber gibt es zwar Selbstverpflichtungen der Marzipanhersteller, aber keine rechtlich bindenden Vorgaben.
Um diesen Test durchführen zu können, habe ich selbstverständlich Aufwand und Kosten gescheut. Stattdessen ist J. in Lübeck gewesen und hat mir dankenswerterweise die folgenden Produkte mitgebracht. Wie ihr sehen könnt, handelt es sich nicht um komplett gleichartige Varianten. Aber alle mussten innen aus Lübecker Marzipan bestehen und außen mit Schokolade überzogen sein. Womit schon mal alle punkten können: Die Zutatenliste ist richtig kurz. Mandeln, Zucker, Feuchthaltemittel, das war’s. Auf also zum knallharten Produkttest!
Kandidat 1 – Niederegger
Niederegger ist der mit Abstand bekannteste Name, wenn es um Lübecker Marzipan geht. Dass sich der Name so überhaupt nicht hanseatisch anhört, täuscht übrigens nicht. Der Konditormeister Johann Georg Niederegger, der das Unternehmen bereits im Jahr 1806 gründete, stammte nämlich aus Ulm.
Die Niederegger Marzipan-Törtchen besitzen als einzige im Test nicht die g.g.A. Lübecker Marzipan, was freilich nichts mit der Qualität zu tun hat. Um für jene zumindest eine kleine Orientierung zu bieten, habe ich drei Elemente bei allen Kandidaten herausgesucht. Das Niederegger-Törtchen besteht zu 45% aus Mandeln, 21% sind Zartbitterschokolade, und insgesamt haben wir 36,6 g Zucker pro 100 g.
Der Test: Dicke Schokolade, die beste im ganzen Test. Die Konsistenz des Marzipans ist erstaunlich trocken, auch weil die Mandeln vergleichsweise grob gehackt sind. Überzeugender Geschmack, vornehm, nicht süß – mein Platz 2.
Kandidat 2 – Carstens
Carstens, das ist die Erasmi & Carstens GmbH. Beide Einzelfirmen wurden Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet, und man widmete sich zunächst der Herstellung von Konserven (das frühere Erasco!). Anfang des 20. Jahrhunderts stiegen Erasmi & Carstens nach einigen erfolgreichen Versuchen bei der Marzipan-Produktion ganz auf Süßwaren um.
Die Halbkügelchen bestehen zu 41% aus gemahlenen Mandeln, 16% ist Zartbitterschokolade, und 100 g des fertigen Produkts enthalten 43 g Zucker.
Der Test: Keine gute Schokolade, das ist natürlich besonders nach dem Niederegger spürbar. Das Marzipan selbst kommt extrem feinkörnig daher, eher wie eine Paste. Das Zuckergefühl ist von allen vier Kandidaten eindeutig am höchsten, fast fühle ich mich ein wenig an Dominosteine erinnert. Nein, nicht fast, eher ganz. In diesem Test leider nur Platz 4.
Kandidat 3 – Marzipanland
Marzipanland – bei diesem Namen denke ich eher an süße Massenware auf dem Rummel als an eine altehrwürdige Familientradition. Tatsächlich steht aber eine solche Familie dahinter. Der Bäcker und Konditor Günther Leu hatte nach einem langwierigen Parcours im Jahr 1964 endlich seine eigene Bäckerei pachten können. Aus dieser entstand im Verlauf der nächsten Generation zunächst eine Großbäckerei, die sich im Jahr 1995 zum ersten Mal an Marzipan heranwagte. Mittlerweile gibt es die dritte Generation im Unternehmen und vier Filialen in der Stadt.
Die kleinen Barren bestehen zu 36% aus gemahlenen Mandeln, womit der Zucker hier als einzigem der vier Kandidaten an die Spitze der Zutatenliste rückt. 25% sind Zartbitterschokolade, der Zuckeranteil des Barrens liegt bei 42 g pro 100 g. Der hohe Schokoanteil hat natürlich auch etwas mit der geringen Größe der Barren zu tun, bei einem Marzipanbrot wäre das sicher weniger.
Der Test: Ui, auch keine gute Schokolade, wenig Kakaogeschmack. Das Marzipan ist wesentlich dichter, schwerer als bei Niederegger, gar klebriger, was aber eher eine stilistische als eine qualitative Frage ist. Punktabzüge gibt es dann allerdings wegen des eher vordergründigen Mandelaromas und eines mir persönlich zu starken Zuckergefühls. Dennoch bleibt das definitiv ein gut essbares Produkt – mein Platz 3.
Kandidat 4 – Mest
Mest ist wahrscheinlich der kleinste Hersteller in unserem Test mit einem einzigen Ladengeschäft in der Lübecker Innenstadt. Daneben gibt es allerdings auch noch einen Fabrikverkauf. Lothar Mest begann in den 1950er Jahren mit seiner eigenen Marzipan-Herstellung. Auch hier ist mit Stephan Mest mittlerweile die dritte Generation am Ruder.
Das klassische Marzipanbrot von Mest besteht zu 54% aus Mandeln, 10% sind Zartbitterschokolade (damit beides Rekordwerte; mehr Mandeln und weniger Schokolade hat keiner). Pro 100 g Marzipanbrot gibt es 36,8 g Zucker.
Der Test: Die Schokolade – es ist ja bei allen Zartbitter und entsprechend gut vergleichbar – gefällt mir schon einmal. Allerdings ist sie extrem dünn, also vom Ansatz her völlig anders als bei Niederegger. Und ich mag Schokolade. Dafür überzeugt das Marzipan umso mehr. Extrem feinkörnig, cremig, saftig, geschmacklich sehr nah an gemahlenen Mandeln und alles andere als süß. Vor allem schmeckt es als einziges wirklich frisch. Da alle ja am selben Tag neu im Originalshop vor Ort gekauft wurden, scheint sich hier ein Unterschied in der Philosophie zu befinden. Und tatsächlich: Das Mest-Marzipan ist mit Abstand am kürzesten haltbar. Es geht also darum, es wirklich ausschließlich so frisch zu verspeisen. Platz 1.
Lübecker Marzipan – mein Fazit
Zunächst einmal muss ich zugeben, dass ich nicht alle Hersteller von Lübecker Marzipan in diesem Test berücksichtigen konnte. Die bei Wikipedia noch genannten Firmen Lubeca und Martens produzieren allerdings ausschließlich für Großhandel und Weiterverarbeiter. Ihr eigener Name erscheint auf den Produkten jedenfalls nicht. Nur ein kleiner Hersteller scheint mir deshalb ausgekommen zu sein, nämlich Lubs. Die Firma von Michael Lubs befindet sich seit dem Jahr 1997 in Lübeck und produziert dort bio-zertifizierte Fruchtriegel, aber eben auch Marzipan. Schade, vielleicht beim nächsten Mal.
Aber zum Fazit: Ich finde es unheimlich interessant, Dinge systematisch miteinander zu vergleichen, weil man das normalerweise ja nie macht. Der Marzipan-Test hat mir jedenfalls verraten, worauf ich persönlich zukünftig achten würde.
Dabei gibt es zwei große Themen: Produktqualität und Frische. Okay, kein großes Geheimnis. Aber das war schon bei meinem großen Mozartkugel-Test so (der übrigens immer noch unheimlich viel gelesen wird), also kann man es definitiv auf viele andere Dinge übertragen.
Zwei Hersteller von Lübecker Marzipan haben mich deshalb überzeugt, nämlich Niederegger und Mest.
Niederegger ist nicht nur relativ teuer, sondern scheint tatsächlich auch qualitativ gewisse eigene Standards zu beherzigen. Die Schokolade war die beste, das Marzipan schön unzuckerig, und wer etwas verschenken möchte, von dem er oder sie nicht weiß, wann es gegessen wird, ist Niederegger definitiv eine gute Empfehlung. Diese Fähigkeit zur Haltbarkeit, und ich spreche hier vom Verschicken in alle Welt und feinen Edeka-Neonlichtern, hat allerdings einen Nachteil. Richtig frisch schmeckt es nicht.
In diesem Test gibt es nämlich nur einen einzigen Produzenten, der bei der Frische die volle Punktzahl erreicht, und das ist Mest. Von dieser Firma schmeckt das Marzipan tatsächlich so, als sei es gerade mit den Händen geknetet und – bitteschön – aufs Tellerchen gelegt worden. Deshalb ist das mein Favorit, ganz simpel.
Falls ich es damals bei “Alles in Butter” (WDR5) richtig verstanden habe, nutzt Mest Marzipanrohmasse von Lubeca, hergestellt aus Mittelmeermandeln und ohne Alkohol. Deswegen ist die Haltbarkeit geringer. Durch Alkohol wird die Haltbarkeit von 3 auf 9 Monate erhöht.
Danke für den Hinweis! Ich habe noch einmal auf die abfotografierten Verpackungen geschaut. Tatsächlich ist bei Mest kein Alkohol unter den Zutaten, bei Niederegger schon. Überraschenderweise steht aber bei den beiden anderen Marzipanen auch kein Alkohol drauf, und die sind ebenfalls deutlich länger haltbar. Seltsam. Ich hatte gelesen, dass Alkohol aufgeführt werden muss, wenn man ihn als Zutat verwendet, jedoch nicht (oder nur freiwillig), wenn er lediglich als Trägerstoff benutzt wird. Rein von der Kennzeichnung her sieht also Niederegger wie der »Abweichler« aus, aber das erscheint mir irgendwie nicht so richtig wahrscheinlich…
Hallo Matze, habe den Test erst heute gelesen, nachdem ich einer Freundin den Mest Online Shop empfohlen u. zufällig den Test gegoogelt habe. Ich habe vor Jahren mal eine Führung bei Mest gemacht, was mehr ein launiger Vortrag des Inhabers über die Geschichte und Mythen des Lübecker Marzipans ist als ein Rundgang durch die sehr überschaubare Produktion. Natürlich gab es auch Kostproben und die haben mich als nicht unbedingter Marzipan Fan völlig überzeugt. Ich war bislang nur Niederegger gewohnt, aber Mest ist vom Marzipan her eine ganz eigene Liga. Auch wenn Mest die Rohmasse, natürlich nach strengen Vorgaben, zukauft, ist die Frische, man will ja gar nich in die Supermärkte, überragend. Also, absolut korrekte Bewertung, eine Führung empfehle ich jedem der mal in der Nähe ist.
Mit freundlichem Gruß
Werner Hoppe
Euer Test entspricht genau meiner Einschätzung. Sowohl in Hinblick auf die Schokoumhüllung als auch das Marzipan.
Habe heute zum ersten Mal die Marzipanhappen in Zertbitterschokolade der Fa. Mest probiert. Es deckt sich mit eurem Test. Die Schokolade ist nicht so knackig als bei Niederegger, dafür ist das Marzipan schön fluffig und wenig süß. Ihr sagt, dass das Niederegger Marzipan trocken war. Hatte selbst einmal das Marzipantörtchen von Niederegger, auch mir war da das Marzipan zu trocken. Ganz anders als bei den Niederegger Broten. Gäbe es Brote mit der Niedereggerschokolade und dem Mestmazipan, wäre das mein Favorit 🙂
Mein persönlicher Favorit ganz klar Marzipan von Mest. Marzipan Weltklasse ebenso die knackige dünne Schoki Schicht. Für mich gibt’s kein besseres Produkt.
Ich lebe jetzt schon seit 20 Jahren in Lübeck aber trotzdem ich ein riesiger Marzipanfan bin, bin ich erst vor kurzem mal auf die Idee gekommen, Mest Marzipan zu probieren und ich bereue es! Nicht, dass ich es probiert habe, sondern dass ich so lange gebraucht habe! Für mich ist Mest Marzipan direkt ne andere Liga.. Bis dahin hab ich Niederegger für die absolute Spitze im Marzipan-Business gehalten aber seit ich Mest probiert habe, kommt mir Niederegger vor wie Zentis Marzipan! NIE wieder anderes Marzipan!
Und noch ein Tipp für Touris: Natürlich sollt Ihr Euren Freunden Marzipan mitbringen aber dann geht zu Mest, Niederegger kriegt man in jedem halbwegs gut sortierten Supermarkt, Mest wirklich nur in Lübeck!
Danke für den Kommentar, das fast es doch perfekt zusammen! Nicht dass Niederegger schlecht ist, wirklich nicht, aber Mest ist halt the real deal. Erinnert mich sehr an die Mozartkugeln, die ich ja auch getestet hatte. Da gibt es direkt in Salzburg Fürst, und auch das ist eine eigene Liga…
Ich liebe Marzipan – aber nur wirklich gutes. Einen Qualitätsunterschied bei der Schokolade von Niederegger und Mest habe ich nicht feststellen können – nur in der Quantität. Aber das macht kein gutes Marzipan aus. Beim Marzipan liegen allerdings Welten zwischen Niederegger und Mest. Wer einmal das Marzipan von Mest gegessen hat, lässt das von Niederegger weiter vertrocknen….
Ich sehe bei diesem Vergleich Niederegger auch auf Platz 2 – aber nur, weil die anderen noch schlechter sind.
Ich kann mich der einhelligen Meinung anschließen: Mest ist das beste Marzipan – „Mest is the best“. Wie einige hier, fände auch ich schön, wenn es, vielleicht als Sonderserie, Marzipanhappen von Mest gäbe, die einen dickeren Schokoladenüberzug hätten. Ich liebe das Gefühl zerbrechender Schokolade beim Biss in einen Marzipanhappen. Wenn wir im Norden unterwegs sind, machen wir gerne einen Umweg, um den Mest Werksverkauf besuchen zu können. Genau, wie in der Nähe von Nürnberg, wenn wir… aber das ist eine andere Geschichte 😉