Jedes Jahr am 15. August lädt der Bund Fränkischer Ökowinzer zur Jahrespräsentation auf die Vogelsburg bei Volkach. Was sich wie eine relativ trockene Veranstaltung anhört, ist tatsächlich eines der schönsten Weinevents, das ich in diesem Jahr besucht habe. Hier gibt es meine persönlichen Highlights des Rundgangs über die Streuobstwiese.
Jahrespräsentation der FÖW auf der Vogelsburg
Die Vogelsburg, so heißt es im Wikipedia-Artikel, sei eine »Einöde auf der Gemarkung des Volkacher Ortsteils Escherndorf«. Besiedelt ist der Platz seit der Altsteinzeit, seine Blüte erreichte die Vogelsburg vermutlich als mittelalterliches Kloster. Heute gehören die meisten Gebäude dem Juliusspital, ein Hotel gibt es auch – vor allem aber einen wunderbaren Blick auf Main und Wein. Auf dem Foto oben seht ihr mich in der Weinlage Escherndorfer Fürstenberg stehen (oder nicht). Links ist die Vogelsburg, geradeaus geht es über den Astheimer Karthäuser nach Volkach. Der Steilhang zum Main hin ist der östliche Teil vom Escherndorfer Lump. Würde ich mich jetzt nach rechts drehen, könntet ihr jenseits des Mains den Weinort Nordheim sehen mit dem Nordheimer Vögelein, dann Escherndorf und den ganzen Lumpen-Prallhang. Einer der schönsten Ausblicke nicht nur in Franken.
Und wer sind bitteschön die Fränkischen Ökowinzer? 1991 haben sie sich gegründet, ich glaube auf Initiative von Klemens Rumpel und Manfred Schömig, die ihr gemeinsames Gut schon 1987 auf Bioanbau umgestellt hatten. Mittlerweile gibt es 40 aktive Mitgliedsweingüter, aktueller Vorsitzender ist Thomas Lange vom Weingut Schloss Saaleck. Weil die Fränkischen Ökowinzer über Zugehörigkeitsgrenzen hinweg agieren, ist das ein zwangloser Bund, der einzig den zertifizierten Bioanbau als gemeinsames Merkmal hat. Ansonsten ist es egal, ob es sich um ein Ein-Personen-Weingut oder einen VDP-Betrieb handelt. Einmal im Jahr gibt es dann die große Präsentation auf einer wunderschönen Streuobstwiese, am nordöstlichen Rand der Vogelsburg. Wie es da aussieht, könnt ihr sicher vom Titelfoto erahnen. Jetzt aber erst einmal mein kleiner Rundgang.
Vogelsburg-Rundgang – Drescher und Deppisch
Trotz großer Ambitionen habe ich es leider nicht geschafft, alle Stände zu besuchen – und erst recht nicht alle Weine zu probieren. Zum einen war ich zeitlich ein bisschen limitiert, zum anderen ist das ja auch ein Ort, an dem man sich trifft und ein bisschen (meistens fachlich) plauscht.
Völlig neu war für mich dabei das Weingut Drescher aus Sommerach, also vom anderen Ende der Weininsel. Sehr interessant fand ich dabei den Cabertin. Einerseits natürlich, weil das eine robuste Piwi-Rebsorte ist, die einfach viel weniger (kostenintensiven und naturbelastenden) Pflanzenschutz erfordert. Andererseits, weil der Wein im Jahrgang 2020 so leicht und fast duftig ausgefallen ist, ohne die paprikagrüne Unreifenote zu besitzen. Für 8 € ist das ein idealer Sommer-Roter.
Christian Deppisch arbeitet einerseits bei der LWG in Veitshöchheim, wo ich schon bei den Weinbautagen 2020 einen interessanten Vortrag von ihm zur Rebveredelung gehört hatte. Andererseits führt er mit seiner Frau Christina ein kleines Demeter-Weingut in Theilheim in einem Seitentals des Mains. Mir hatte es aus der Kollektion besonders der Silvaner aus dem Randersackerer Sonnenstuhl angetan. Dass aus der Lage Große Gewächse gezogen werden, spürt man bei diesem Wein irgendwie sofort. Richtig trocken, dicht und fordernd, ein spürbar hochwertiges Exemplar für 12,40 €.
LWG und Zang
Beim Stand der LWG selbst boten Monika und Josef Engelhart die Versuchsweine zum Probieren an. Die LWG ist ausgeschrieben die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, an der geforscht und gelehrt wird. »Unser« Geisenheim sozusagen. Die Weine kommen nicht in den Verkauf, sind aber meistens enorm spannend. Vor einiger Zeit hatte ich hier schon einen großartigen Adelfränkisch getrunken, der Sauvignon Blanc der seinerzeitigen Abschlussklasse hatte beim Best of Gold 2021 gewonnen, und Josef Engelhart erzählte mir, dass sie diesmal einen reinsortigen Weißen Lagler abfüllen würden. Der erste Wein überhaupt aus dieser historischen Rebsorte, soweit ich weiß.
However, diesmal gab es reinsortige Piwis zu probieren. Der Souvignier Gris hat ordentlich Substanz, während der Sauvignac deutlich seine Sauvignon-Aromatik zeigt. Wenig Rieslinghaftes spürt man beim Donausriesling aus Klosterneuburg, aber es ist ein sehr angenehmer Speisenbegleiter. Schön auch der Blütenmuskateller, wenn man das Muskatduftige mag.
Beim Ökoweingut Zang habe ich diesmal nicht die Spannung probiert, die mich im Müller-Test so begeistert hatte. Stattdessen gab es einen maischevergorenen Traminer. Wir sprechen hier vom rotbeerigen Gewürztraminer, nicht vom Savagnin. Entsprechend gibt es viel Rosenduft, dazu etwas phenolisch Schalenartiges von der Maischegärung und einen Holztouch vom (gebrauchten) Barrique. Ein ausgesprochen komplexes, spannendes Exemplar, mit dem man sich lange beschäftigen kann.
Zehntkeller, Schömig und Ruppert
Keine Fotos habe ich bei den drei Weingütern aus der Überschrift gemacht, mich dafür aber super mit den Standbesitzer*innen unterhalten. Und Weine probiert, logisch.
Beim Zehntkeller in Iphofen arbeitet jetzt die ehemalige Fränkische Weinkönigin Klara Zehnder, zu der es sogar einen (regionalen) Wiki-Artikel gibt. Sehr gefallen hat mir aus dem Programm der trockene Silvaner Kabi aus dem Iphöfer Kronsberg, auf dessen Etikett das Wort »Kabinett« auch noch steht. Zu recht aber, denn mit 12 vol% und fränkisch trocken ist das einfach ideal für den schönen Alltag.
Franziska Schömig hatte leider ihre Herbstblut-Weine nicht dabei, weil die Mini-Mengen immer sofort ausverkauft sind. Dafür gab es aber einen straighten ungeschwefelten Cidre und einen PetNat, den sie zusammen mit Laura Seufert macht. Wer Sorgen haben sollte, was die Zukunft und die Experimentierfreudigkeit des fränkischen Weinbaus anbelangt, bitte einfach mal hier probieren und ein bisschen plaudern.
Zu Fred Ruppert, den ich vor gut drei Wochen besucht hatte, werdet ihr bald noch mehr lesen können. Hier nur soviel: Fred besitzt ein absolutes Kleinod, den Weinberg im Kirchschönbacher Mariengarten. Das ist eine Monopollage, weit weg von anderen Weinbergen und auf drei Seiten vom Steigerwald umschlossen. Hier wachsen unter anderem ein »Alter Fränkischer Satz« mit historischen Rebsorten, ein »neuer Satz« mit Piwis, und einen reinsortigen Adelfränkisch gibt es auch.
Rothe und Bausewein
Manfred Rothe hatte auf der Vogelsburg auch seinen Silvaner Indigenius dabei, letztjähriger Sieger des Silvanerpreises und definitiv einer der besten, nun ja, »Orange Wines« Deutschlands. Spannend fand ich aber auch die Sachen, die ich noch nicht kannte. Bei der ProWein war ich dieses Jahr ja auch bei der kleinen Startparty der #Zukunftsweine. Das ist ursprünglich eine Initiative der Winzerinnen Eva Vollmer und Hanneke Schönhals. Es geht darum, Piwis aus Bioanbau auf eine andere gemeinsame Marketingebene zu bringen. Manfred Rothe fand das super und macht seitdem mit seiner Cuvée aus Helios und Muscaris bei den Zukunftsweinen mit. Der Wein ist gut, es gibt ihn bereits beim ebl, demnächst folgt auch noch ein Roter. Soll heißen: Da sind auch noch andere von dem Konzept überzeugt.
Qualitativ stehen die Weine aus der »Grande«-Linie allerdings noch deutlich darüber. Ich habe diesmal den Müller-Thurgau Grande probiert, und irgendwie fühlte ich mich sofort motiviert, auch nächstes Jahr eine kleine Müller-Schau zu starten. Nachhaltig, super Struktur, 0 g Restzucker – das ist echt stark.
Beim Weingut Bausewein aus Iphofen habe ich mir erst einmal die beiden Silvaner vom Muschelkalk und vom Keuper vorgenommen. Bietet sich ja im Vergleich an. Ich finde den Muschelkalk straffer, unmittelbar ansprechend, leichter wirkend auch, aber irgendwie hatte es mir der Keuper noch mehr angetan. Der Boden gibt dem Silvaner noch so eine dichte Kräuterwürze mit, die ehrlich gesagt ziemlich einmalig ist auf der Welt.
Anschließend gab es meinen Erstversuch mit dem Brausewein Natur, einem PetNat, von dem ich ehrlich gesagt gar nicht weiß, aus welchen Rebsorten er besteht. Auf jeden Fall ist der Brausewein richtig trocken, leicht im Alkohol und sehr resch in der Säure. Den ein paar Jahre wegzulegen, um festzustellen, ob sich dann der Autolyse-Ton als zusätzliche Komponente bildet, wäre bestimmt sehr spannend.
Knoll und Ehrlich
Zum Abschluss musste ich die Stände leider ein wenig schneller durchmessen und einige ganz auslassen. Das war selbstverständlich sehr schade, aber zwei Weine wollte ich dann doch noch probieren. Irgendjemand von den ebenso wie ich rundlaufenden Profis aus dem Frankenweinbereich hatte mir geraten, bei Sandra Knoll doch mal den Vinz zu probieren. Aber nicht den Silvaner, sondern die Scheurebe. Nun wusste mein Tippgeber, dass Sauvignon Blanc und Scheurebe nicht gerade zu meinen bevorzugten Rebsorten gehören. Wegen der oft schrecklich aufdringlichen Machart, die mir manchmal einzig dafür gedacht scheint, dass auch Heini Grobgaumen die Sorte beim Familienfest erkennen und anschließend damit protzen kann.
Der Vinz vom Weingut am Stein hingegen ist ein Wein für Protz-Hasser. Jahrgang 2020, alte Reben aus dem Stettener Stein, 70% Betonei, 30% Barrique, leicht, kühl, subtil, raffiniert, marvellous.
Zu Christian Ehrlich zu gehen, bedeutet immer ein Kontrastprogramm zu den Knoll’schen Zartgewächsen. Hier im Rödelseer Küchenmeister werden die Silvanertrauben praktisch immer keuperreif. Zusätzlich sind die Erträge gering, die Weine machen (meist) den BSA durch und bekommen extrem viel Zeit auf der Hefe. Der »normale« Lagen-Silvaner ist bereits dicht, cremig, nachdrücklich, aber nicht schwer. Das ist stilistisch nicht Chablis, sondern das Mâconnais. Subtiles Holz inklusive.
Das gilt alles auch für den »Onkel Heiner«, dem seinen Wein ihr oben auf dem Foto seht. Mir hatte schon der Vorgänger letztes Jahr beim Falstaff-Tasting super gefallen. Es handelt sich um einen maischevergorenen Silvaner mit entsprechendem Grip, vor allem aber mit Dichte, Reife und Langlebigkeit. Wem die knochigen Exemplare auf die Nerven gehen, hier gibt es hedonistischen Stoff.
Mein Fazit des Vogelsburg-Events
Das schönste Weinevent des Jahres? Nun, zum Glück ist das Jahr ja noch nicht vorbei. Aber die Lage der Vogelsburg, die unkomplizierten Stände unter Sonnenschirmen und Apfelbäumen, der schöne Sommertag, die netten Gespräche, die gute Stimmung – all das ist schon ziemlich schwer zu toppen. In den letzten Jahren war mir immer irgendwas dazwischengekommen, weshalb es meine erste FÖW-Vogelsburg-Veranstaltung war. Sollte es nächstes Jahr nicht aus Eimern schütten, werde ich auf jeden Fall wieder mit von der Partie sein.
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