Der Sommer 2022 gebärdet sich ziemlich mediterran – jedenfalls bei uns im (relativen) Süddeutschland. Wenn dann Nachbarn zu Besuch kommen und man ausnahmsweise nicht Schorle oder alkoholfreies Weizen kredenzen möchte, gibt es zum Glück auch Sommerweine im Natural-Bereich. Ich habe deshalb ins Regal gegriffen und stelle euch die drei Weine vor, die wir gestern getrunken haben.
Sommerweine von Leiner, & Handwein und Höfflin
Wein im Hochsommer finde ich persönlich immer ein bisschen schwierig. Die reinen eisgekühlten Fruchtbomben sind mir deutlich zu aufdringlich, und zu viel Substanz sollten Sommerweine ja auch nicht besitzen. Um mich nicht selbst zu erschrecken und dank misslungener Gärexperimente die lieben Nachbarn zum letzten Mal begrüßt zu haben, entschied ich mich für bewährte Semiklassiker im Naturwein-Bereich. Am Start waren deshalb:
- die Foxy Lady von Sven Leiner
- der Riesling No. 3 La Montagne Sacrée von Eric Carstensen und
- der NApurTUR (oder NATURpur) vom Weingut Höfflin.
Sven Leiner hatte ich hier schon öfter gefeatured, unter anderem mit seiner Cuvée Voyage Voyage. Die Leiners machen für mich nicht nur mit die interessantesten Weine der Pfalz, sondern vielleicht auch die interessantesten Sachen. Reben die Bäume hochklettern lassen zum Beispiel. Svens »Foxy Lady« stammt aus der Vinyl-Serie, die es glaube ich exklusiv nur bei Viniculture gibt. Jedenfalls wurden hier Pinot Noir und Satin Noir (der neue rote Piwi-Star) auf drei unterschiedliche Weisen bereitet, nämlich im offenen Gefäß, per macération carbonique und per Kaltmazeration – und schließlich im Holzfass ausgebaut. Biodyn, nicht filtriert, nicht geschwefelt.
Eric Carstensen ist ja »eigentlich« multipler Künstler in Mannheim, als urban winemaker aber auch der Weinkunst zugetan. Die Trauben für die Montagne Sacrée kommen vom Heiligenberg aus Maikammer und wurden bereits selektiv gelesen. Nach einem Tag auf der Maische wurde abgepresst, anschließend im Barrique spontan vergoren und der Wein zehn Monate auf der Vollhefe belassen. Bioanbau, unfiltriert, ungeschwefelt, 400 Flaschen nur.
Das allein in den Weinbergen gelegene Weingut Höfflin arbeitet bereits seit zwei Generationen biologisch. Der NApurTUR ist nominell der kleinste unter den experimentellen Weinen, ein Maischegärer aus Grauburgunder und Weißburgunder. Ich hatte ihn schonmal im Natürlichen Dienstag vorgestellt, aber Bewährtes darf man ja auch ruhig zweimal anbieten.
Wie schmecken die Weine?
Vor dem Geschmack kommt das Geschau, und da müsst ihr doch auch zugeben, dass sich die drei Sommerweine ausgesprochen attraktiv präsentieren. Auch wenn wir beim Essen eigentlich eine andere Reihenfolge gewählt haben, fange ich doch gleich mal mit dem linken Wein an, der Foxy Lady.
In der Nase gibt es da Gärnoten, einen kleinen funky touch, Süßkirsche, etwas Heu. Am Gaumen macht sich die herzhafte Säure bemerkbar, sehr erfrischend und pikant, saure Himbeere, dazu ganz leichtes Perlen und ein zartes Tannin. Das gefällt mir stilistisch sehr, gerade im Sommer. Die leichte Flüchtigkeit auf der guten Seite bringt diese kleine edgyness mit hinein. Für mich persönlich ein ziemlich lässiger Wein, Klassikerfans müssen sich dagegen erst einmal daran gewöhnen.
Jetzt zu Eric Carstensens Riesling. In der Nase gibt es Heu, ohnehin viel aus dem pflanzlich-stofflichen Bereich, dazu Zitrone, an heißem Stein gerieben. Am Gaumen merkt man sofort die Geschmeidigkeit. Der Riesling ist komplett trocken, gedämpft in der Säurepikanz, eher flächig. Zitronenzeste, ganz leicht Apfelschale, viele Dimensionen, ein spürbar hochwertiger, anspruchsvoller Wein, der sicher gut reifen kann (und auch gut ankam).
Die Höfflin-Version eines Orange Wines zeigt sich in der Nase leicht balsamisch, dazu Dörraprikose, Walderbeere und ein pflaumiger Touch. Im Mund gibt es eine frische Säure, der Wein wirkt extrem leicht und trinkig für eine maischevergorene Version. Im Gegensatz zu dieser Sommerweine-Attitüde sind die Aromen ziemlich komplex und reichen von Pflaume und trockenen Kräutern bis zu Bitterorange. Ein bisschen Campari Orange, aber ohne den Alkohol.
Wo kann man sie kaufen?
Bevor ich nachschaue, wo man die Weine bekommen kann, möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass mir alle drei Weine genauso gut gefallen haben, wie ich es vorher gehofft hatte. Der dichteste Wein ist sicher der Riesling gewesen, der erfrischendste die Foxy Lady und der allein schon in der Farbe kühnste der Höfflin. Bis auf diesen ganz kleinen Touch Flüchtigkeit bei der Foxy Lady waren alle drei auch nach herkömmlichem Verständnis absolut sauber und hielten sich ohne Kühlung bis zum nächsten Tag. Ich warte da ja gern ein wenig, um auszuprobieren, wie stabil ungeschwefelte und hefetrübe Weine sein können. Auch Sommerweine können so etwas.
Die Foxy Lady gibt es bei Viniculture für 17,90 €, Eric Carstensens Riesling für 24 € bei Vinpur, und Höfflins pure Natur bei Wein-Gelage für derzeit offenbar 17,58 €, sonst 18,50 €. Schaut aber ruhig bei den Weingütern selbst nach, denn in deren Portfolio gibt es noch ein paar andere Schätzchen. Wer Sommerweine kann, kann schließlich auch alles andere.