Rosé aus Frankreich – die klitzekleine Tour

Rosé Frankreich Mas Cal Demoura

Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Findet jedenfalls der meinem Textverarbeitungsprogramm innewohnende Korrekturmodus. Der macht mich nämlich immer dann, wenn ich von dem Rosé schreibe, darauf aufmerksam, dass das Mumpitz sei. Es ist die Rose, und einen Accent gibt es nicht. Weil ich aber derjenige bin, der hier recht hat, gibt es eben doch den Rosé. Beziehungsweise gleich drei davon. Nachdem nämlich gestern der französische Nationalfeiertag war und die Tour de France auch in vollem Gang ist, dachte ich mir spontan, da schau ich doch mal, welche rosafarbenen Weine aus Frankreich in in letzter Zeit getrunken habe. Drei Stück sind es, und ihre Herkunftsregionen fangen alle mit L an. Die Provence ist also schonmal nicht dabei.

Rosé aus Frankreich – ewige Erfolgsstory

Tour de France 2022 Screenshot

Die Tour de France ist, habe ich irgendwo gelesen, nach den Olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft die drittgrößte Veranstaltung der Welt. Nur findet sie eben nicht in Stadien mit Eintritt statt, sondern drei Wochen lang im ganzen Land. In jedem Dorf, das die Fahrradkarawane dabei durchquert, gibt es ein Comité, das mit heiligem Ernst bei der Sache ist. Welche großflächigen Tänze könnte man aufführen, die der Tour-Hubschrauber dann filmt und in alle Welt überträgt? Wie könnte man die lokalen Spezialitäten bei den manchmal nur 15 seconds of fame, die die Durchfahrt des Pelotons dauert, angemessen präsentieren? Es gibt Menschen, die sich für den Sport an sich, die Taktik der Rennställe interessieren. Es gibt aber auch solche, die nur zwei, drei wichtige Fahrernamen kennen und ansonsten das reiselustschürende Panoptikum genießen.

Ebenso wie die Tour de France ist der Rosé (ha, die Kurve gekriegt) einer jener Exportartikel, die nicht nur über den reinen Inhalt wirken, sondern über das imaginierte Bild der Lebensfreude. Prozentanteile und Verkaufserfolge für Rosé steigen seit Jahren, und so richtig scheint ein Ende nicht in Sicht. So ähnlich wie die Tour de France jeden Landesteil zu durchqueren versucht, gibt es auch Rosé mittlerweile fast überall. Ich habe mir deshalb drei Gegenden herausgesucht, die nicht Provence heißen.

Lothringen – Claude Vosgien Gris de Toul

Côtes de Toul Gamay

Lothringen hat eine uralte Weinkultur, die im Mittelalter sogar qualitativ berühmt war. Nach der Reblauskrise Ende des 19. Jahrhunderts ist davon nicht mehr allzu viel übrig geblieben, aber es gibt neben ein paar wenigen eisernen Beharrern mittlerweile einige interessante Neuansätze. Geologisch sind wir hier schon fast in Chablis und Champagne angekommen mit Jurakalk aus verschiedenen Epochen. Die Côte de Toul westlich von Nancy besteht dabei aus einer Handvoll kleiner Weinbaudörfer mit Hängen in Richtung Südosten, die fast an die Cote de Nuits im Burgund erinnern. Nancy ist nebenbei gesagt sehr besuchenswert mit reichlich Palastbauten des 18. Jahrhunderts (ein früherer Besuch von mir hier), während Toul mit einer gotischen Kathedrale aufwarten kann. Alles also wesentlich attraktiver, als man es beim altindustrialisierten Ruf Lothringens vermuten könnte.

Claude Vosgien Gris de Toul Rosé

Der bekannteste Wein der Gegend ist seit jeher ein Rosé. Korrekt gesagt ein Grauwein, der Vin Gris de Toul. Jener besteht hauptsächlich aus Gamay (maximal 85%) und Pinot Noir (minimal 10%) mit bis zu 15% Ergänzungen durch Pinot Meunier, Auxerrois und Aubin blanc. Die beiden letzteren sind weiße Rebsorten.

Die Brüder Alexandre und Stéphane Vosgien haben, als Nachfolger ihrer Eltern, der Domaine Claude Vosgien einen großen Schub verpasst. Mittlerweile biozertifiziert, gibt es Weine in allen Farben inklusive Schaumweine und ungeschwefelte Naturels. Während es ab Hof sogar einen Luxus-Gris gibt, hatte ich meinen vom Foto für weniger als 10 € in einem gut sortierten elsässischen Supermarkt gekauft. Deshalb wollte ich eigentlich nichts darüber schreiben – aber der Wein hat mich echt positiv überrascht! Es gibt Frucht in Form von Erdbeere, dazu Orangenschale und Gartenkräuter. Vor allem aber fand ich die Ausgewogenheit von Säure und Würze richtig gut, das ist ein idealer Speisenbegleiter. Meine Notizen schließen mit den Worten »ein Nachkaufprodukt, sollte ich nochmal rankommen«.

Loire – La Grange Tiphaine »Tournage Riant«

Ile de Béhuard Loire

Noch ein Anbaugebiet, das klassischerweise eher zum Norden denn zum Süden zählt. Allerdings hat die Loire in den letzten Jahren (und dieses ist keine Ausnahme) immer wieder Hitzewellen durchmachen müssen, die für nördlichere Weine eher abträglich sind. Der Klimawandel lässt grüßen. Weshalb ich die Weine der Loire dennoch so gern mag, hängt natürlich mit der weißen Rebsorte Chenin zusammen, aus der man einfach großartige Weine bereiten kann. Dann ist es aber auch die Struktur der Region, das Kleinteilige, Experimentierfreudige, Quereinsteigeraffine. Selbstverständlich kann man nach wie vor auch langweilige, gesichtslose Weine von der Loire erwerben. Aber wer sich ein bisschen einfuchst, wird schlichtweg großartige Schätze entdecken können – und kaum Spekulationspreise, von Clos Rougeard einmal abgesehen.

Grange Tiphaine Tournage Riant Rosé

Eines der Weingüter, das seit Jahren gleichzeitig verlässliche und interessante Weine produziert, ist La Grange Tiphaine von Coralie und Damien Delecheneau. Seitdem Damien im Jahr 2002 mit erst 22 Jahren das Weingut übernommen hat, sind die beiden zielstrebig in Richtung möglichst naturnaher An- und Ausbau gegangen (biologisch und biodynamisch zertifiziert).

Der »Tournage Riant« ist, wenn ich mich nicht komplett täusche, der einzige Rosé-Stillwein der beiden. Er besteht aus den regionstypischen Rebsorten Grolleau, Gamay und Côt (= Malbec), hat aber immer auch ein paar Rebstöcke obskurer Sorten wie Orbois intus. Der Rosé ist vollkommen trocken (die Restsüße nervt mich nebenbei so oft bei deutschen Rosés) und bietet Himbeer- und Erdbeernoten mit einem feinen Kräuterbiss. Das ist kein gleitender Rosé, sondern eine burschikose und charaktervolle Version, die man gut anstelle eines leichten Roten einsetzen kann. Leider scheint der Wein im Moment nicht auf dem deutschen Markt verfügbar zu sein – vielleicht auf den neuen Jahrgang warten.

Languedoc – Mas Cal Demoura »Qu’es Aquo«

Markt Languedoc

Dritte Herkunftsregion mit L, aber – Roséfans können aufatmen – inzwischen sind wir an den Gestaden des Mittelmeers angekommen. Oder zumindest fast. Das Mas Cal Demoura von Isabelle und Vincent Goumard befindet sich nämlich in Jonquières, was viel eher an die Cevennen als an Sandstrände erinnert. Direkt nebenan im Dorf befindet sich übrigens das berühmte Mas Jullien von Olivier Jullien, dem vielleicht wichtigsten Vorreiter für hochwertige Weine im Languedoc. Die Goumards hatten im Jahr 2004 die Parzellen von Oliviers Vater übernommen. Auch hier wird alles biologisch bewirtschaftet, seit gut fünf Jahren auch mit biodynamischen Methoden. Die Erträge sind niedrig, der Aufwand der Bodenpflege auf den 16 ha Rebfläche hoch.

Mas Cal Demoura Qu'es Aquo Rosé

Mir gefallen die Weine von Mas Cal Demoura seit Jahren, weil sie es eigentlich immer schaffen, eine Balance zwischen mediterranem Stil und kühlerer Struktur zu schaffen. Dabei muss ich zugeben, dass ich bisher nur die Roten und Weißen kannte – den Rosé probiere ich hier zum ersten Mal. Um einen simplen Suff-Rosé handelt es sich allerdings nicht, denn der Qu’es Aquo besteht hauptsächlich aus Mourvèdre, der eher langlebigen als fruchtbetonten Rebsorte. Nach der Handlese kamen die Trauben erst einmal auf den Sortiertisch, dann wurde direkt gepresst und anschließend spontan vergoren. Die Goumards sagen, die 2021er-Version sei »mehr in Richtung Bandol als sonst« gegangen, also ein durchaus haltbarer Rosé.

In der Nase überrascht mich eine relativ frische, tropische Frucht nach Guave und weißem Pfirsich. Am Gaumen ist da naturgemäß deutlich weniger Säure als bei den Nord-Vertretern, dafür mehr Viskosität, mehr elegantes Gleiten. Es gibt zusätzliche Noten von Cantaloupe-Melone, nichts kratzt, alles ist ungemein samtig und fein. Klar als hochwertiger Rosé mit Lagerpotenzial erkennbar – wenn man denn will. Diesmal kann ich euch auch endlich eine Bezugsquelle angeben, nämlich K&U, wo der Wein 17 € kostet.

Klitzekleines Rosé-Fazit

Aber wirklich nur klitzeklein. Rosé ist ein Weintyp, der natürlich zum Sommer passt wie kaum etwas anderes. Es muss dabei aber nicht immer der so angesagte blasse Vertreter aus der Provence sein. Klima, Terroir, Rebsorte – all das kann man bei guten Rosés ebenso spüren wie bei anderen Weinfarben. Warum also nicht mal schauen, was andere französische Regionen zu bieten haben? Im Jura gibt es Poulsard, im Burgund Pinot Noir, im Südwesten Braucol. So macht eine hypothetische oder gar echte Tour de France doch richtig Spaß. Selbst wenn jetzt wieder mal die große Hitze bevorstehen sollte…

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3 Antworten zu Rosé aus Frankreich – die klitzekleine Tour

  1. Wilfrid Ropohl sagt:

    Lieber Matze,
    wie schön, die Beurteilung eines Vin gris von der Côte de Toul zu lesen. Vor Jahren waren mir die Weine von Lelièvre begegnet und ich war positiv überrascht und angetan. Lelièvre ist wohl der zweite bedeutende Produzent in der AOC und hat ein schönes Hasen-Etikett. Seither spukt dieser besondere Rosé immer wieder in meinem Kopf herum.
    Kürzlich bin ich auf der Fahrt ins Jura bei Toul von der Autobahn abgefahren, um Vosgien in Blénod einen Einkaufsbesuch abzustatten. Leider kam ich zu Beginn der ausgedehnten Mittagspause dort an und das Weingut schien völlig verwaist. Die geheiligte französische Pause durch Anruf oder Klingeln zu stören habe ich nicht gewagt.
    Also bin ich weiter auf der Suche nach einer Bezugsquelle. New York scheint bestens versorgt, aber Deutschland? Habe jetzt in Frankreich eine kleine Kollektion verschiedener Vins gris geordert und bin gespannt. Bei den geringen Flaschenpreisen tut das Porto nicht allzu weh. Leider gibt es die “Luxusausgabe” Grand terroir von Vosgien nicht im Netz, habe sie jedenfalls nicht gefunden.
    Beste Grüße
    Wilfrid

    • Matze sagt:

      Das freut mich, die Côte de Toul ist ja ansonsten nicht das bekannteste Weinbaugebiet! Von der Domaine Lelièvre mit dem Hasenetikett habe ich auch schon ein paar Weine getrunken. Wenn ich mich nicht täusche, hat Lelièvre auch eine Rebschule. Jedenfalls habe ich schon von einigen deutschen Winzern gehört, dass sie von dort ihr Rebmaterial beziehen.

      Wegen des Grand Terroir Gris, schau doch mal hier: https://vinsdacote.com/les-vins-roses/208-cuvee-grand-terroir-vin-gris.html Die verschicken auch nach Deutschland für 9 € pro Sechserkarton, ausprobiert habe ich es allerdings noch nicht. Riesig ist das Sortiment da nicht, aber Madone von der oberen Loire und Edouard aus dem Burgund sind Namen, bei denen ich auf jeden Fall dabei wäre!

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