Ich gebe es zu. Ihr habt auf diesem Blog, so ihr euch denn für meine Rubrik »Natürlicher Dienstag« interessiert, in der letzten Zeit einiges durchmachen müssen. Erst einmal ist das Unregelmäßige zur Norm geworden. Und dann fand dieser so genannte Dienstag auch gern mal an anderen Wochentagen statt. Jetzt ist aber Schluss damit! Wir sind wieder on track, und zwar genau mit diesem Exemplar. Obwohl es von der Mosel stammt und aus Müller-Thurgau bereitet wurde, dürften die allermeisten Flaschen davon eher in alle Welt als ins Nachbardorf gegangen sein. Ich spreche vom Sandersstruck, einem astreinen Natural Wine ohne Wenn und Aber.
Sandersstruck Müller-Thurgau von Jan Matthias Klein
Ein Weingut wird auf dem Etikett nicht genannt, aber auf der Rückseite vom Sandersstruck werdet ihr den Namen Jan Matthias Klein lesen können. Das ist wahrhaftig kein Unbekannter, leitet er doch das Weingut Staffelter Hof in Kröv mit seiner mehr als 1.000 Jahre alten Tradition. Jan ist aber nicht der Typ, der gern in Schockstarre verfällt und alles so beibehalten will, wie es immer schon war. Deshalb gibt es seit 2014 auch allerlei gepflegt schräges Zeug aus dem Herzen der Mittelmosel. Um so etwas wie den Sandersstruck herzustellen, hat Jan eine illustre Crew um sich geschart, die ihr im Artikel über Kiss Kiss Maddie’s Lips und JPBs Wein-Solawi kennenlernen könnt.
Die Müller-Thurgau-Trauben für den Sandersstruck stammen aus zertifiziert biologischem Anbau in der Lage Kröver Paradies. Auf dem Foto oben seht ihr den Kinheimer Rosenberg, was sich in dem Zusammenhang seltsam anhört. Aber ich hätte mich mit dem Objektiv nur ein wenig nach rechts drehen müssen, denn das Paradies grenzt direkt an den Rosenberg. In der Müller-Parzelle wächst ein lockerbeeriger Klon, was die Erträge ebenso schrumpfen lässt wie die Anfälligkeit gegen Krankheiten.
Wie die gesamte Natural-Range von Jan Klein ist der Sandersstruck auch im Keller ein kompromissloser Zero-Zero-Vertreter. Nach der Ernte wurden die Trauben erst einmal abgebeert. Ein Drittel verbrachte dann zwei Wochen auf der Maische, während zwei Drittel direkt gepresst wurden. Wieder zusammengemixt, lag der Sandersstruck sechs Monate auf der Hefe im Stahltank. Währenddessen und auch danach wurde nicht geschönt, nicht geschwefelt und nicht filtriert. Der Sandersstruck ist also schlichtweg vergorener Traubensaft.
Wie schmeckt der Wein?
Die Flasche ist mit einem Diam 5 verschlossen. Ich finde das immer sehr interessant. Denn seitdem Diam die Verschlüsse mit (Jahres)Zahlen versieht, kann ich sehen, wie die Winzer selbst die Lagerfähigkeit und das avisierte Trinkdatum ihrer Produkte einschätzen. Von Diam 1 bis Diam 30 habe ich schon alles gehabt, achtet mal darauf, wenn ihr frequent Entkorker seid. Das aber nur nebenbei.
Der Sandersstruck fließt schön naturtrüb, aber tatsächlich hellgelb ins Glas. Kein oxidativer Orange-Touch also. In der Nase gibt es frisch geöffnet einen kleinen Gärstinker, aber eher in Richtung Cidre Normand. Dazu erschnuppere ich Heu, unreife Banane und ganz schön viele florale Noten. Man kann den Müller eindeutig erkennen, würde ich sagen.
Im Mund perlt der Wein noch leicht und ist trocken, ohne gerbig zu sein. Man spürt einen leichten Grip vom Drittel Maische, aber nur zart als Gerüst. Ich schmecke etwas Hopfen und Gras, weißen Tee, helle Grapefruit und wieder Blütigkeit. Der Sandersstruck ist auch ungeschwefelt komplett sauber, wie ehrlich gesagt alle Weine des Hauses. Hier weiß jemand, wie es geht. Würze gibt es kaum, dafür aber viel Frische, mittelhohe Säure ohne Bissigkeit, ein bisschen Salz. Das ist für mich ein idealer Apérowein, schlank, atlantisch, sehr gut im Baskenland vorstellbar. Auf mehrfachen Wunsch gebe ich euch auch meine Kategorien-Einschätzung weiter, die ich in der letzten Zeit kaum verwendet habe. Aber es hilft bei Naturweinen tatsächlich. Hier also: L wie Lässig. Man merkt deutlich, dass es ein Naturwein ist, aber er strengt nicht an.
Wo kann man ihn kaufen?
Ich sagte ja schon, dass die wirklich interessanten Naturweine von Jan Klein eher exportiert denn im Land selbst getrunken werden. Ein bisschen was gibt es aber noch. Erst einmal im Online-Shop des Weinguts selbst. Lasst euch da nicht von der Bezeichnung »eindrittelapfelsine« irritieren, denn das besagt lediglich, dass ein Drittel Maischegärung à la Orange Wine dabei ist, also genau unser Exemplar hier. Der Kostenpunkt liegt bei 14,50 €.
Wer möchte, kann sich den Sandersstruck auch in Köln (Vincaillerie), Hamburg (Vin Vin), Hannover (Zwei in Zwanzig) oder der Schweiz (Trallala) besorgen.
Fehlt nur noch die Auflösung des Namens. Was soll das sein, Sandersstruck? Nun, natürlich der Hinweis auf AC/DCs »Thunderstruck«, das war easy. Aber der Typ mit der schwarzen Gitarre ist nicht etwa Angus Young, sondern – Bernie Sanders! Sanders-struck also. Und der Slogan »It’s Müller Time« stammt von dem Werbespruch »It’s Miller Time«, den die gleichnamige (leidlich elende) US-Brauerei in den 1970ern etablierte. Seitdem hat sich der Spruch zum Glück vom Ursprungsprodukt verselbständigt und kündigt einfach eine gute, lässige Abhängzeit an. Am besten natürlich mit diesem Wein, wie ihr richtig vermutet.
Gerettet werden muss der Sandersstruck natürlich nicht. Aber umgekehrt wird ein Schuh draus. Der Sandersstruck trägt nämlich seinen Teil zur Rettung des Müllers bei, indem er zeigt, was man mit dieser Rebsorte noch alles machen kann. Wenn man es nur will.
P.S. Wem die Etiketten der Natuwein-Linie von Jan Klein gefallen, sie stammen vom Künstler Aaron Scheuer.