[In Kooperation mit dem Weingut Stich] Wer in Deutschland nach bekannten Rotweingegenden sucht, wird vermutlich nicht als erstes das Anbaugebiet Franken im Sinn haben. Denn Franken steht für Silvaner, weiß man ja. Tatsächlich gibt es im Weingut Stich auch Silvaner, sogar als eines ihrer Steckenpferde. Dabei können die Stichs dank Heiratszuwachs auch auf den tiefgründigen Muschelkalk in Prichsenstadt zurückgreifen. Aber hier soll es nun um die zweite Spezialität gehen, um die Rotweine, und das wiederum hat mit dem Standort des Weinguts zu tun. Bürgstadt, mittlerweile mit der alten Stadt Miltenberg zusammengewachsen, befindet sich nämlich in Churfranken. Das ist nominell zwar immer noch Franken. Aber zwischen Spessart und Odenwald wachsen hier auf Buntsandstein bedeutende Spätburgunder.
Das Weingut Stich in Bürgstadt
Das Haus, in dem sich das Weingut Stich befindet, diente einstmals als Wirtshaus. Zum Löwen hieß es, weshalb euch heute noch der sandsteinerne Löwenkopf auf dem Etikett begegnet. Falls ihr einmal dort vorbeikommt, das 120 Jahre alte Haus ist innen wie außen sehenswert mit Klinkern, allerlei Sandsteinernem und natürlich einer Gaststube. Dreimal im Jahr öffnen die Stichs ihren Gutsausschank, wo man zur fränkischen Küche die Weine des Hauses genießen kann. (Einen Dank noch einmal an dieser Stelle an die Stichs für die zur Verfügung gestellten Fotos vom Weingut!)
Wein hat in der Winzer-, Wirts- und Küferfamilie schon seit langen Zeiten eine bedeutende Rolle gespielt. Gerhard und Helga Stich sind seit über 30 Jahren dort am Werk, und Sohn Philipp übernimmt nach seiner Rückkehr aus Geisenheim allmählich die Verantwortung im Betrieb.
So richtig groß sind die allermeisten churfränkischen Betriebe nicht. Gute 9 ha bewirtschaftet das Weingut Stich, davon den, äh, Löwenanteil im Bürgstadter Berg. Dieser selbst ist eine etwas komplexe Konstruktion, ich werde noch darauf zurückkommen. Die Stichs jedenfalls wissen, was sie an ihren eisenroten Sandsteinböden haben und gehen entsprechend pfleglich mit ihnen um. Eigener Kompost ohne Mineraldüngergabe, Begrünung der Zeilen mit stickstoffbindenden Leguminosen, eigene Stromerzeugung und ein Mehrwegsystem für ihre Weinflaschen – das sind doch ehrlich gesagt sehr zukunftskluge Dinge, die wahrhaftig nicht jedes mittelgroße Familienweingut vorweisen kann.
Und interessanterweise handelt es sich dabei nicht um Dinge, die erst neu eingeführt wurden. Als ich Frau Stich zum Beispiel fragte, seit wann sie das mit den wiederverwendbaren Flaschen machen, sagte sie schlicht: “Schon immer! Wir haben einfach nie aufgehört damit…”
Stich Schwarzriesling Bürgstadt 2018
Eigentlich soll es hier ja um den großen Stich’schen Spätburgunder vom Hundsrück gehen. Weil ich aber neulich mit einiger Begeisterung einen Artikel über Schwarzriesling verfasst habe, konnte ich an diesem Exemplar nicht vorbeigehen. Im heißen Jahrgang 2018 ging es primär darum, den Weinen eine Ausgewogenheit mitzugeben, die die Witterung irgendwie weniger aufwies. Sprich: nicht über Oechsle jubeln, sondern die Weine nicht zu heiß und stark werden zu lassen. Mission accomplished, würde ich bei diesem Exemplar sagen, denn der Schwarzriesling hat gerade einmal 12 vol% auf der Habenseite.
Im Glas begrüßt mich ein leuchtendes Kirschrot, und in der Nase ist von aufdringlicher Frucht nichts zu spüren. Leicht ätherisch wirkt der Wein, etwas Unterholz und Pfeffer, dazu eine gedeckte Pflaumenfrucht. Im Mund bleibt diese eher herbe Note bestehen. Vollkommen trocken, passende Säurestruktur, angenehm präsentes Tannin, zur rotfruchtigen Note sogar noch ein Touch Verbena. Das ist ein geradezu idealer Abendwein für kalte Platten. Ich weiß nicht, ob ihr genauso altmodisch seid wie ich und abends in aller Regel Brote mit Wurst oder Käse esst. Falls ja, das hier ist euer idealer Kompagnon. 11 € ab Hof.
Das Hundsrück – das Filetstück des Bürgstadter Bergs
Jetzt aber zum Hundsrück. Beziehungsweise erst einmal zu den Bürgstadter Lagen an sich. Bis vor ein paar Jahren gab es hier nämlich neben ein paar kleinen Flächen auf der anderen Mainseite ausschließlich den 57 ha großen Centgrafenberg, der zur Gänze als Spitzenlage galt. Für ein Pyramidensystem, wie es VDP und mittlerweile auch Weingesetz haben wollen, ist so etwas ein bisschen problematisch. Also musste man sich etwas einfallen lassen. Deshalb gibt es jetzt den Bürgstadter Berg, der jene Flächen des Centgrafenbergs einnimmt, welche nicht als Große Lage (sprich GG-fähig) eingestuft sind. Darüber hinaus hat der Centgrafenberg auch in seinem östlichen Bereich etwas eingebüßt, ein extrem hochwertiges Gewann sogar. Jenes, ihr könnt es euch denken, ist das Hundsrück.
Im Prinzip herrscht auf allen Flächen am Bürgstadter Berg Buntsandstein vor, und zwar in seiner verwitterten Ausprägung. Einen Unterschied machen nur die lokalen Lüftchen und die Sonnenexposition. Das Hundsrück schwebt quasi über den ehemaligen Centgrafenberg-Terrassen tief im Seitental des Mains und ist ganz nach Süden ausgerichtet. Ihr könnt es (auf dem Foto oben) als einzige churfränkische Lage sogar sehen, wenn ihr über die Höhe in Richtung Taubertal fahrt. Die Sonne steht also direkt drauf, während der Wald darüber die Wasserversorgung sichert und vor Frost schützt. 12 ha ist das Hundsrück groß und mittlerweile als Herkunftsbezeichnung in Weinfreakkreisen hochbegehrt.
Stich Spätburgunder Hundsrück 2015
Dass ich euch hier den Hundsrück-Spätburgunder aus dem Jahrgang 2015 vorstellen möchte, ist kein Zufall. Nicht nur deshalb, weil 2015 ein sehr gutes Jahr war. Sondern vor allem deshalb, weil die Familie Stich lagerfähige Weine herstellt. Im Shop gibt es derzeit drei Rote aus dem Hundsrück, einen von 2012, einen von 2018 und diesen hier von 2015. Das ist bezeichnend. Als Weingut mit Küfervergangenheit ist es selbstverständlich, dass diese Weine auch im Holz ausgebaut werden, und zwar entweder im Barrique oder im Fuderfass aus Spessarteiche. Auch der Hundsrück-Spätburgunder besitzt mit 13 vol% einen ausgewogenen Alkoholgehalt und ist komplett ohne Restzucker und unfiltriert abgefüllt worden.
Dunkler im Glas als der Schwarzriesling, nehme ich in der Nase zunächst einen würzigen Ton vom Holz wahr. Ein bisschen Luft kann dem Hundsrück also nicht schaden. Schon beim ersten Schluck merkt man die Dichte, die Eleganz und die Nachhaltigkeit der Materie. Das ist kein Wein, den man gedankenverloren hinunterkippt. Sehr samtig ist das Hundsrück in der Textur, die recht dunklen Aromen für einen Spätburgunder gleiten ruhig über die Zunge. Schwarzkirsche und Waldbeeren sind im Vordergrund, bevor etwas Blaues, Kühlendes folgt. Wir sind hier nicht in der frischsaftigen Zone, sondern irgendwie schon fast in der Baumwelt, im kräuterigen, würzigen Unterholz. So ein Wein vermag deshalb auch mit rotfleischigen Winterspeisen zurechtzukommen. 24 € ab Hof und schlichtweg eine Hommage an eine große Lage.
Sehr gespannt bin ich jetzt darauf, wie es mit dem Weingut Stich weitergeht. Bekanntlich hat ein Jahrgang wie 2019 ja die Voraussetzungen mitgebracht, großartige Weine zu produzieren. Bis es soweit ist, üben wir uns jedoch noch ein wenig in Geduld. Das ist nämlich auch im Winzerbereich eine sehr gefragte Tugend…
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